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IV Attila – ANDREA MAFFEI – Macbeth – Napoleone Moriani – verdis präferenz für shakespeare – SHAKESPEARE IN ITALIEN – PAPA SHAKESPEARE – EIN WAGNIS UND EINE NEUERUNG: DAS LIBRETTO IN PROSA – DAS MEER IN EINEM LÖFFEL EINFANGEN – VOM SHAKESPEARE-TEXT ZUM OPERNLIBRETTO – DIE MUSICABILITÀ – KÜRZE UND ERHABENHEIT – Felice Varesi – Die Revision des MacbethI masnadieri – Jenny Lind – Luigi Lablache – Italo Gardoni – Jérusalem – Gilbert-Louis Duprez Attila

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enige Tage nach der Uraufführung der Giovanna d’Arco am 15. Februar 1845 und bevor Verdi die Arbeit an Alzira aufnimmt, stellt er Überlegungen hinsichtlich einer Oper für Venedig an:

Es ist Zeit, daß wir über die Oper für den kommenden Karneval reden. Ich brauche ein Sujet mit vier klar gezeichneten, kräftigen Figuren, alle mit kurzen Rollen. Loeve[254] als prima donna, Guasco[255], Costantini[256], Marini[257]. Alle sollen gleich lange Rollen erhalten. Bereite das Sujet vor und schicke es mir sofort; oder veranlasse, daß es vorbereitet ist, wenn ich nach Venedig komme.[258]

Der Hinweis auf vier kurze, aber gleich lange Rollen bezieht sich auf den außergewöhnlichen Umstand, daß das Fenice in dieser Spielzeit vier Hauptrollensänger zur Verfügung hatte. Große Theater (mit Ausnahme der Mailänder Scala und des S. Carlo in Neapel) verfügten für die Saison für gewöhnlich über drei Protagonisten (prima donna assoluta, primo tenore assoluto, primo basso assoluto), manchmal auch nur über zwei (wie im Falle des Macbeth in Florenz). Mit „gleich langen Rollen“ verlangt Verdi, daß alle eine Arie, ein Duett und ein Aktfinale erhalten sollen, ohne daß jemand benachteiligt würde. Die Sujetauswahl für neue Opern ist also weitgehend von den zur Verfügung stehenden Sängern abhängig.

Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch von keinem bestimmten Stoff die Rede ist, entnehmen wir aus diesem Brief schon die von Lanari[259] für Venedig engagierte Truppe. Anstelle der früher in Betracht gezogenen Berühmtheiten Varesi, De Bassini, Colini oder Dérivis jetzt also der Bariton Natale Costantini. Er ist zu diesem Zeitpunkt weniger bekannt als seine Kollegen, aber gerade im Begriff, sich als Verdi-Bariton einen Namen zu machen: Er hat 1844 den Nabucco in Mantua, Fermo und Rovigo gesungen, die Lombardi in Parma, den Ernani in Rovigo, Genua, Ravenna und Fermo und dort auch die Foscari.

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m März fährt Verdi auf einen Kurzbesuch nach Venedig, um die Proben der Foscari zu leiten, die am 30. März 1845 am Teatro San Benedetto aufgeführt werden. Die Sänger sind Gertrude Bortolotti (Lucrezia Contarini), Giovanni Pancani (Jacopo Foscari), Celestino Salvatori (Francesco Foscari) und Agostino Rodas (Jacopo Loredano). Es dirigiert Antonio Gallo, der nicht nur ein bekannter Buchhändler, sondern auch der Besitzer und Impresario des Teatro San Benedetto ist. Nach ihm wird das Theater auch als Teatro Gallo bezeichnet. Für den Bariton Salvatori paßt Verdi die Partie an.[260]

Er kündigt Piave nach seiner Rückkehr nach Mailand brieflich Anfang April den Entwurf für die neue Oper an:

Maffei wird mir den Entwurf des Attila machen und ich werde Dir das deutsche Drama schicken und das Ballett, das, wie ich glaube, von Viganò ist.[261]

Es ist also wahrscheinlich Verdis Freund Maffei, der ihn auf das Sujet bringt. Graf Andrea Maffei (Molina di Ledro, Trento, 1798 – Mailand 1885) ist ein Literat, der zahlreiche Werke aus dem Englischen (Shakespeare, Milton, Moore) und aus dem Deutschen (Goethe, Gessner) ins Italienische übersetzte. Seit 1827 arbeitete er an der Übersetzung der Theaterstücke Schillers. 1843 veröffentlichte er einen Roman, Roberto. Verdi wurde von Maffei im Salon seiner Gattin Clarina Maffei eingeführt, mit der ihn in der Folge ein lebenslange enge Freunschaft verband. Abgesehen von seiner Mitarbeit am Macbeth schrieb er für Verdi das Libretto zu I masnadieri und drei Romanzen, die Verdi vertonte (Il tramonto, Ad una stella und Brindisi, 1845). Die Bedeutung des hochgebildeten Maffei für Verdi liegt vor allem darin, daß er mit seinem supranationalen Kulturverständnis in Verdi dauerhaftes Interesse für die großen Themen und Autoren der europäischen Literatur zu wecken verstand.[262]


Abb. 25 – Graf Andrea Maffei (1798-1885), Literat, Übersetzer, Librettist. Portrait von Michele Gordigiani (1830-1903).

Möglicherweise könnte Verdi aber auch durch Madame de Staëls De l’Allemagne (1810) auf Zacharias Werner und dessen Attila gestoßen sein. Er schickt Piave die angesprochenen Unterlagen und widmet sich der Arbeit an Alzira und deren Aufführung in Neapel. Im August 1845 kehrt er aus Neapel nach Mailand zurück. Er versucht, die Erinnerung an das Alzira-Erlebnis zu verdrängen und beschäftigt sich mit seinen nächsten Verpflichtungen. Schon seit einiger Zeit wird er von Giovannina Lucca, der Gattin des Verlegers Francesco Lucca, bestürmt: Sie will für den Verlag ihres Gatten unbedingt eine Oper von Verdi. Muzio hat schon ein Jahr zuvor darüber berichtet.

Raten Sie ein wenig, mein Herr, an wieviele Theater Ricordi die Partitur des Ernani bereits geschickt hat?... an mehr als zwanzig. [...] Der Verleger Lucca ist bisweilen völlig von Sinnen, weil er nicht das Eigentum an einer Oper des signor Maestro erwerben kann, denn er sieht, daß Ricordi groß daran verdient, weil er allein für die Kopien der Partitur des Ernani (nicht inbegriffen die zahlreichen Klavierauszüge) schon mehr als dreißigtausend österreichische Lire eingenommen hat; und wenn der signor Maestro ihm eine Partitur verspricht, wird er gleich gesund werden; ich glaube es aber nicht, daß er [Verdi] das tun wird. Die Gattin des besagten Verlegers ist zum signor Maestro gekommen, um ihn anzuflehen, um ihn zu beschwören, daß er ihm das Eigentum an einer seiner Opern gibt, es wird ihm jeder Preis, den er will, bezahlt. Er will es ihm aber nicht geben. Diese Frau sagte, daß er auch, wenn sie im Bett liegen, nichts anders tut als seufzen. Der signor Maestro sagte zu ihr, wenn er sonst nichts tut als seufzen ..., zog so das Ganze ins Lächerliche und tat die Sache damit ab.[263]

Anfang 1845 erreicht Lucca sein Ziel dennoch:

Der Verleger Lucca hat endlich das Eigentum an einer Oper des signor Maestro erhalten, und zwar an der, die für Venedig für den nächsten Karneval gedacht ist. Er hat sie von Lanari für dreizehntausend österreichische Lire gekauft und sie ihm dann gratis für 8 Theater überlassen; so werden es also mehr als zwanzigtausend Lire sein. Der besagte Lanari möchte den signor Maestro auch noch für Rom verpflichten; und heute hat ihm der signor Maestro geschrieben, daß er sie nicht für einen halben Pfennig weniger als 900 Napoleondor schreibt.[264]

Verdi hat noch die Unstimmigkeiten mit Ricordi im Gedächtnis, dies ist die Gelegenheit, ihm deutlich zu machen, daß er auch Konkurrenten hat. Seine Auftragslage ist zu dieser Zeit komplex, er hat mehrere Angebote vorliegen, darunter solche aus Paris und London, und muß Prioritäten setzen – die Galeerenjahre sind voll im Gange. Verdi komponiert vorerst sechs Lieder für Singstimme und Klavier[265] und gibt sie Lucca zur Veröffentlichung, wohl um seinen guten Willen zu zeigen und den ungeduldigen Verleger ruhigzustellen, denn er nimmt jetzt nicht das Projekt für Lucca in Angriff, sondern den Attila.

Leider ist dieser Zeitraum schlecht dokumentiert: Der Copialettere weist zwischen Juli 1844 und April 1845 eine Lücke auf und auch das Archiv des Teatro La Fenice gibt kaum näheren Aufschluß über die Entstehung der neuen Oper. Der Grund dafür liegt darin, daß Verdi – zum Unterschied von den anderen für Venedig komponierten Opern – die Verhandlungen mit dem Fenice nicht direkt führt, sondern über den dazwischengeschalteten Lanari.

Die Vorlage für die neue Oper ist das Bühnenstück Attila, König der Hunnen von Zacharias Werner (1808). (Auch Beethoven hatte den Stoff für eine Oper in Betracht gezogen.) Er zeigt sich von dem Stück, das „prächtige und effektvolle Szenen“, „großartige Charaktere“ und „wunderbare Chöre“[266] enthält, sehr beeindruckt, hat es aber zurückgestellt, um I due Foscari zu komponieren. Er legt Piave dringend und ausführlich ans Herz, sich mit dem Stück zu beschäftigen: „Mir scheint, daß man eine schöne Arbeit daraus machen kann, und wenn Du es ernsthaft studierst, wird Dein schönstes Libretto daraus werden.“ Doch dazu soll es nicht kommen. Warum Verdi im Sommer, vor seiner Abreise nach Neapel, Piave den Auftrag entzieht und ihn Solera überträgt, wissen wir nicht genau: Die Zeitschrift Il Pirata meldet ihren Lesern am 24. Juni:

Fr. M. Piave wird für den M° Verdi die Textbücher für den Frühling und Karneval 1846 anstelle von Herrn Solera schreiben. Im Gegenzug tritt er das Textbuch, das für den kommenden Karneval in Venedig vom genannten Maestro vertont werden soll, an Solera ab.

Ebensowenig erhellend ist ein Brief Verdis aus Neapel an den Librettisten Jacopo Ferretti: „Ich glaube, daß Piave mir den Attila nicht mehr machen wird.“[267] Welche Gründe dahinterstecken, ist auch Verdis Brief an Piave nicht zu entnehmen:

Ich sehe, daß Du ein guter Junge bist! Brav, brav: Du bist einsichtig, so ist es recht. Reden wir nicht mehr vom Textbuch für Venedig und denken wir an das [Libretto], das wir für Genua, oder für Wien, oder für ... weiß der Teufel wo ... wer weiß!... schreiben werden.[268]

Das angesprochene Libretto wird jedoch für keine der genannten Städte, sondern für Florenz sein. Es wird der Macbeth sein. Faktum ist, daß Solera im Sommer beginnen soll, das Attila-Libretto zu schreiben:

Der signor Maestro hat Solera geschrieben, daß er eigens nach Mailand kommt, um den Attila entgegenzunehmen, aus dem er seine schönste Oper machen will; aber dieser stinkfaule Dichter hat nichts gearbeitet; ich habe es Cav. Maffei und Toccagni gesagt, die werden ihn zur Arbeit anhalten, und er hat versprochen, Tag und Nacht zu arbeiten, und er wird [das Libretto] fertigstellen, bevor der signor Maestro kommt. Heute morgen lag er um 11 noch im Bett; es scheint also, daß er nicht arbeitet.[269]

Obwohl der Dichter „stinkfaul“ ist, dürfte er in Verdis Augen besser geeignet für „grandiose Sujets“ sein. Bald kann Muzio aufatmen:

Solera hat das Libretto fast fertiggestellt und wird es Donnerstag vormittag schon ins Reine geschrieben haben; er ist sehr zufrieden und hat mir gesagt, daß es schön ist; und daß es denen, die es [vorgelesen] gehört haben, überaus gefällt; das ist eine gute Nachricht. So wird sich also die Reise des signor Maestro nicht verzögern und er kann [nach Busseto] fahren, wann er will.[270]

Ende August liegt das Libretto fertig vor (Verdi wird noch einige Änderungen im Finale des Prologs und des letzten Aktes anbringen lassen), Anfang September kündigt Verdi seinem französischen Verleger Escudier[271] an, er werde in wenigen Tagen mit der Komposition beginnen. Doch Verdi hält sich einen Monat in Busseto auf und frönt dem Müßiggang.

Aus meinem ruhigen und friedlichen Busseto schreibe ich Dir, der Du in der lärmendsten Stadt der Welt bist. [...] Hier passiert ... nichts, nichts ... man ißt, man trinkt, man schläft 25 Stunden pro Tag: und ich mache das auch so. [...]

P.S. Gestern habe ich begonnen, den Attila zu schreiben und von da an werde ich statt 25 Stunden nur 24 Stunden pro Tag schlafen.[272]

Muzio widerspricht dem: „Er war von hier mit der Absicht zu schreiben weggefahren, er hat aber keine einzige Note gemacht.“[273]

Inzwischen ist Solera nach Spanien gereist, zu seiner Gattin, der Sängerin Teresa Rusmini, die in Barcelona engagiert ist. Der Librettist, der nicht nur als „einer der seltsamsten Männer, die je auf Erden gewandelt sind“, sondern auch als unzuverlässig beschrieben wird, hat Verdi zwar die Durchführung der ausstehenden Änderungen versprochen, doch beschränkt er sich darauf, aus Spanien, wo er sich jetzt als Impresario und Dirigent betätigt, Verdi zu ermächtigen, sich Piaves für die Änderungen zu bedienen. Dies ist das Ende der Zusammenarbeit mit Solera, ein verfrühtes Ende, da der Librettist an keinem Mißerfolg beteiligt war.

Im Oktober arbeitet Verdi am Attila. Er leidet an rheumatischen Fieberschüben und läßt sich von Muzio massieren. In den Momenten der Besserung seiner Gesundheit findet er zu seiner Begeisterung für den „schönen Stoff“ zurück. Angesichts der zu erwartenden Karriere in Paris äußert er im November den Wunsch, einen Französischlehrer zu finden, der ihn in die Lage versetzt, „zu lesen, zu übersetzen und zu sprechen“.

Der Jahresbeginn 1846 findet Verdi krank und ans Bett gefesselt vor. Er ist an einem gastrischen Fieber so schwer erkrankt, daß man um sein Leben fürchtet. Der übliche Theatertratsch wird verbreitet, jeder, der ihn weitererzählt, fügt etwas hinzu, bis die Allgemeine musikalische Zeitung in Leipzig schließlich folgerichtig Verdis Tod meldet. Am 21. Jänner kann er erstmals das Bett wieder verlassen, ist aber noch sehr schwach. Unterdessen ist Giuseppina Strepponi zum letzten Mal auf der Bühne aufgetreten (Nabucco in Modena, 11. Jänner 1846). Die Uraufführung des Attila muß zwangsläufig verschoben werden. Verdi informiert auch Lucca von seiner Krankheit, durch dessen Vermittlung er einen Vertrag mit Benjamin Lumley, dem Impresario von Her Majesty’s Theatre in London, für eine neue Oper abgeschlossen hat, deren Uraufführung nun auf 1847 verschoben werden muß. Die ärztliche Bestätigung des Dr. Namias vom 22. März 1846 gibt Aufschluß über Verdis Gesundheitszustand:

Ich bestätige unter Eid, daß Herr Giuseppe Verdi, Komponist, von mir wegen eines gastrischen Fiebers behandelt wurde, das viele Wochen dauerte und immer wiederkehrte, dadurch wurde der Körper geschwächt und die Drüsen des Mesenteriums verstopft. In dem Zustand, in welchem er sich befindet, könnte er die Reise nach London jetzt nicht unternehmen oder lange und angestrengt arbeiten, ohne sich in höchste Lebensgefahr zu begeben.[274]

Im Februar erleidet er einen Rückfall. Zu seinem Bedauern muß er auch den Vertrag, den ihm der Direktor der Pariser Opéra angeboten hat, vorläufig ablehnen und auf später verschieben. Irgendwie gelingt es ihm, den Attila fertigzustellen, um zu ermöglichen, daß noch einige Vorstellungen vor Ende der Stagione stattfinden können.

Inzwischen geht die Karnevalssaison in Venedig ihrem Ende zu. Als Eröffnung wurde Giovanna d’Arco (mit Loewe, Guasco, Costantini) gespielt, es folgte Ernani mit denselben Sängern und dem Baß Ignazio Marini sowie Donizettis Adelia und Poniatowskis La sposa d’Abido.

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m 16. März 1846 findet die Generalprobe zu Attila statt, tags darauf die Premiere. Es singen die angekündigten Sänger Loewe, Guasco, Costantini und Marini. Am selben Tag informiert Verdi Clara Maffei:

Attila hatte insgesamt einen sehr erfreulichen Erfolg. Für einen armen Kranken waren der Applaus und die Hervorrufe sogar zuviel. Vielleicht wurde nicht alles [gleich] verstanden und man wird es [erst] heute abend verstehen. – Meine Freunde meinen, dies sei die beste meiner Opern: das Publikum streitet sich darüber: ich sage, daß sie keiner meiner anderen Opern unterlegen ist: die Zeit wird entscheiden.[275]

Bei der zweiten Vorstellung tags darauf ist der Erfolg noch größer.

Attila hat am ersten Abend einen überaus guten Erfolg gehabt, bei der zweiten Vorstellung hat er glühende Begeisterung geweckt. Es gab kein Stück, das nicht beklatscht wurde, und in der Folge zahllose Hervorrufe. [...] Alle Sänger haben mit maximalem Einsatz gesungen und alle haben sich ausgezeichnet.[276]

Die dritte Vorstellung, die letzte, an der der Komponist vertragsgemäß teilzunehmen hat, endet triumphal. Auch die Venezianer identifizieren sich wie seinerzeit die Mailänder mit dem Bühnengeschehen. Als Ezio im Duett mit Attila zu der Zeile „Avrai tu l’universo / resti l’Italia a me“ kommt, bricht die Zuhörerschaft in tumultuöse Zustimmung aus: „A noi! L’Italia a noi!“ wird gerufen. Aus heutiger Sicht wundern wir uns nicht über die Publikumsreaktion[277], sondern über die Unfähigkeit der österreichischen Zensur, die politische Sprengkraft dieser Zeilen zu erkennen. Verdi wird als Held gefeiert und

mit brennenden Fackeln, zur Musik einer ausgewählten Militärkapelle, unter denselben Hochrufen und demselben Applaus, die ihm [das Publikum] im Theater zuteil werden ließen, [nach Hause geleitet]. – Unser guter Marini, den viele andere hervorragende Künstler umringten und begleiteten, reichte dem rekonvaleszenten Maestro den Arm und stützte ihn mit solcher Liebe, solcher Behutsamkeit, daß man ihn für einen Vater oder Bruder gehalten hätte.[278]

Ein Bankett zu Verdis Ehren wird abgehalten, am 22. März reist der Komponist von Venedig nach Mailand. Es ist eine Tagesreise.

Gestern abend um sechs Uhr ist der signor Maestro aus Venedig kommend hier eingetroffen. Er hat unter der Reise gar nicht gelitten. Er hat von der Krankheit sehr abgenommen; aber seine Augen sind sehr lebhaft und seine Gesichtsfarbe eher gut. [...] Die morgige Ausgabe des Pirata wird ankündigen, daß die Ärzte dem Maestro Verdi sechs Monate Ruhe verschrieben haben, weshalb er nicht nach London fahren wird.[279]

Am 24. März 1846 endet die Saison in Venedig. Die letzte Attila-Vorstellung verzeichnet eine Rekordeinnahme: 5428 österreichische Lire. Die Premiere hatte 3468 österreichische Lire eingebracht, genausoviel wie die Giovanna d’Arco zu S. Stefano. Zum Vergleich: Die Durchschnittseinnahmen in dieser Saison betragen zwischen 600 und 800 österreichische Lire pro Abend.[280] Attila tritt 1846 einen Triumphzug durch die Opernhäuser Italiens an: Florenz, Reggio Emilia, Lucca, Livorno, Bologna spielen das Werk. Für Triest schreibt Verdi nach Rossinis diesbezüglichen Interventionen eine neue Romanze für Nicolai Ivanoff („Sventurato! alla mia vita“), eine zweite für Napoleone Moriani („Oh dolore! ed io vivea“), der sie an der Scala singt. Parma, Genua, Rom, Neapel und Turin schließen sich an, ab 1847 ist Attila in ganz Europa zu hören.

Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten

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