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I Jugend und Studienzeit – RocesterSei romanzeOberto conte di San Bonifacio – Ignazio Marini – Lorenzo Salvi – Mary Shaw – Antonietta Rainieri-Marini – Luigia Abbadia – Un giorno di regno – Bartolomeo Merelli

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V

erdis bekannte Reserviertheit zu definieren ist so manchem Biographen besser gelungen als in seine Persönlichkeit vorzudringen:

Wenn wir wissen wollen, was dieser Mensch in seinem Kopf dachte, sieht es schlecht aus. [...] Es ist wesentlich leichter, in die militärischen Geheimnisse des Pentagons oder des Kremls oder in die Klausur eines Trappistenklosters einzudringen als in die Seele Verdis.[72]

Wenngleich es gilt, diese Aussage des eminenten Verdikenners Massimo Mila im Zeitalter gewitzter jugendlicher Computerhacker zu relativieren, trifft sie in ihrem Kern nach wie vor zu, denn es „ist Verdi immer gelungen, sich seinen Biographen zu entziehen. Die bekannten Fakten seiner langen, arbeitsreichen Karriere wurden unzählige Male erzählt, als Mensch aber bleibt er immer auf Distanz, bis heute geschützt durch seine ihm eigene Reserviertheit und sein Mißtrauen.“

Damit hat der Verdi-Biograph Frank Walker[73] das Problem auf den Punkt gebracht, dem man bei dem Versuch begegnet, sich Verdi biographisch zu nähern. Doch auch die vermeintlichen Fakten besitzen einen erst in den letzten Jahrzehnten langsam schwindenden Unsicherheitsfaktor, denn unzählige Legenden und nicht fundierte Interpretationen durchwucherten Verdis Biographie schon zu seinen Lebzeiten, von ihm unerwünscht oder unwidersprochen, zum Teil aber auch bewußt oder unbewußt gefördert. So liebte Verdi in späteren Jahren nicht nur die Legendenbildung um sich selbst als Kind analphabetischer Bauern aus allerärmsten Verhältnissen, das sich gegen widrigste Umstände aus eigener Kraft hochgearbeitet und autodidaktisch zum Komponisten ausgebildet hatte und niemandem etwas schuldete, sondern auch die Darstellung seiner Person als jemand, dem es völlig gleichgültig war, was Dritte über ihn denken mochten. Über seinen ausgeprägten Sinn für soziale Verantwortung, über die von ihm gestifteten Stipendien, Krankenhäuser und Altersheime oder die anonyme Unterstützung von in Not geratenen Mitarbeitern oder deren Familien äußerte er sich nicht oder höchstens widerwillig.[74]

Gewisse Episoden seiner Biographie, wie beispielsweise das Zustandekommen des Nabucco, wurden mit seinem Wissen und Zutun geradezu auf Groschenromanebene trivialisiert und hierauf unüberprüft von einer Biographengeneration zur nächsten übernommen.

Doch auch der Griff zu Dokumenten, die solche Unsicherheiten beseitigen sollten, erweist sich manchmal als tückisch: In einem Autobiographischen Bericht, den er am 19. Oktober 1879 seinem Verleger Giulio Ricordi diktierte und der zur Richtigstellung verschiedener Anwürfe die Uraufführung des Oberto betreffend dienen sollte, der aber eher als subjektivistisches Selbstportrait denn als Chronologie von Fakten und Daten zu werten ist und als Ergänzung einer Biographie[75] gedacht war, komprimiert Verdi beispielsweise den Zeitablauf des Todes seiner ersten Frau und seiner beiden Kinder – „Innerhalb eines Zeitraums von nur zwei Monaten[76] hatte ich drei geliebte Wesen verloren. Meine ganze Familie war dahin!“ – und vertauscht auch die Reihenfolge der Todesfälle, die sich in den Jahren 1838, 1839 und 1840 ereigneten.

Zeitlebens legte der Komponist jeglicher Art von Publicity sowie unqualifizierter Lobhudelei gegenüber eine heftige Abneigung an den Tag und liebäugelte auch nicht wie viele seiner ihm nachfolgenden Komponistenkollegen mit der Veröffentlichung seiner Korrespondenz, wie er seinem Freund Arrivabene[77] schrieb:


Wozu ist es nötig, die Briefe eines Komponisten hervorzuholen? Briefe, die immer in Eile geschrieben wurden, ohne Sorgfalt und ohne ihnen Bedeutung beizumessen, weil der Musiker weiß, daß er keinen literarischen Ruf wahren muß. Reicht es nicht, daß man ihn wegen seiner Musik auspfeift? Nein, mein Herr! Jetzt auch noch die Briefe! Ach! Die Berühmtheit ist eine große Plage! Die armen kleinen großen Männer bezahlen teuer für ihre Popularität! Nie ist ihnen eine Stunde der Ruhe vergönnt, weder im Leben noch im Tod![78]

Bei dieser auf die Veröffentlichung von Briefen Vincenzo Bellinis gemünzten Aussage dachte Verdi wohl auch an seine eigenen, in die Tausende gehenden Briefe, die für den Biographen auch gegen den Willen des Betroffenen die wichtigsten Quellen darstellen. Sie sind nach wie vor über die ganze Welt verstreut und bei weitem nicht zur Gänze erfaßt und wissenschaftlich aufgearbeitet.

Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten

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