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(2) Verfassungsrechtliche Grenzen für das Mitarbeitervertretungsrecht

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Die Gemeinsamkeiten von Betriebsverfassungsrecht und Mitarbeitervertretungsrecht, insbesondere die entsprechende Ausgestaltung der Position der Mitarbeitervertretung durch die Einräumung von Beteiligungsrechten (§§ 37 ff. MVG-EKD) sowie die an der Betriebsvereinbarung orientierte unmittelbare und zwingende Wirkung der Dienstvereinbarung gegenüber dem einzelnen Mitarbeiter (§ 36 Abs. 3 MVG-EKD) legen es nahe, dass die für das Betriebsverfassungsrecht herausgearbeiteten grundrechtlichen Gegenpositionen auch im kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht in gleicher Weise betroffen sein können und daher Beachtung verlangen. Insoweit bedarf es eines kursorischen Blicks auf das Verhältnis von kirchlichem Mitarbeitervertretungsrecht und grenzziehenden Grundrechten.

Ein Blick soll zunächst auf die zugunsten des Arbeitgebers streitenden Grundrechte, also die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers nach Art. 12 GG sowie die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG geworfen werden. Insoweit ergibt sich im kirchlichen Bereich die Besonderheit, dass die kirchlichen Arbeitgeber allesamt den innerkirchlichen Gesetzen vollständig und unmittelbar unterworfen sind. Selbstverständlich ist dies für die der verfassten Kirche unmittelbar zugehörigen Einrichtungen. Aber auch die in privatrechtlicher Organisationsform geführten kirchlichen Einrichtungen dienen gerade der Verwirklichung des kirchlichen Auftrages und unterfallen deshalb auch der Kirchengesetzgebung; auch sie können sich nicht auf eine gegenüber der verfassten Kirche bestehende und insoweit verselbstständigte eigene Freiheitsposition berufen, die den Staat verpflichten könnte, zu ihren Gunsten im Verhältnis zur verfassten Kirche einzugreifen. Aus diesem Grund besteht für die privatrechtlich organisierten kirchlichen Einrichtungen im Verhältnis zur verfassten Kirche und dem kirchlichen Gesetzgeber keine Möglichkeit, sich auf eine mittelbare Grundrechtswirkung zu berufen. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn sich ein Kirchenmitglied gegenüber der Kirche, der es angehört, auf die Religionsfreiheit berufen möchte; auch insoweit ist eine mittelbare Grundrechtswirkung im Innenverhältnis ausgeschlossen.201 Weder die Berufsfreiheit noch die Eigentumsfreiheit können daher von Seiten der kirchlichen Arbeitgeber im Verhältnis zum kirchlichen Gesetzgeber als Abwehrrechte aktiviert werden, sodass diesen Grundrechtsverbürgungen für die weitere Untersuchung keinerlei Bedeutung zukommt.202

Anders verhält es sich hinsichtlich der Privatautonomie des Arbeitnehmers. Durch die Einräumung von Regelungsmöglichkeiten zugunsten der Dienstvereinbarungsparteien besteht zumindest die Gefahr, dass die Privatautonomie des Einzelnen über das notwendige Maß hinaus beschränkt wird. Der kirchlichen Regelung wird also aufgrund der Schrankenbestimmung jedenfalls dann die Wirksamkeit im staatlichen Rechtskreis zu versagen sein, wenn die Privatautonomie des einzelnen Arbeitnehmers nicht in ausreichender Weise durch den kirchlichen Gesetzgeber berücksichtigt wurde. Ob ein hinreichender Ausgleich zwischen den widerstreitenden Verfassungspositionen gegeben ist und ob dieser von der Kirche in einer Weise ausgestaltet ist, der den verfassungsrechtlichen Anforderungen im Einzelnen genügt, wird bei der Untersuchung des kirchenrechtlichen Rechtsinstituts der Dienstvereinbarung von besonderer Bedeutung sein. Zusätzlich wird allerdings zu beachten sein, dass auch der verfassungsrechtliche Schutzpflichtauftrag, dem die Begrenzung von Individualfreiheiten immanent ist, in einen Ausgleich mit der Individualrechtsposition des Einzelnen gebracht werden muss.

Schließlich muss das Verhältnis zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und der Koalitionsfreiheit austariert werden. Der Koalitionsfreiheit kommt aufgrund von Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG eine unmittelbare Drittwirkung zu. Insoweit bindet sie auch die Kirche ohne weiteres unmittelbar als ein für alle geltendes Gesetz.203 Dennoch ist auch zwischen der Ordnung des kirchlichen Dienstes nach dem Selbstverständnis der Kirche und der Koalitionsfreiheit eine Abwägung unter Berücksichtigung der asymmetrischen Ausgangslage vorzunehmen.204 Insoweit wird auch hinsichtlich der Dienstvereinbarung das Verhältnis zu auf der Koalitionsfreiheit beruhenden Regelungsformen zu thematisieren und ein entsprechender Ausgleich nachzuweisen sein.

Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD)

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