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3. Das Nerobild in späterer Zeit

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Im Mittelalter wird der Blick auf irdische Herrschaft ohnehin durch die christliche Komponente relativiert; ein Bemühen um eine objektive Beurteilung Neros ist hier nicht zu erwarten. Wir müssen uns klar machen, wie lange noch die Monarchie römischer Prägung eine Option bleibt: Dante ist dafür ein Beispiel.

Negatives Nervobild

Erst ab dem 15. Jahrhundert setzt ein neues Nachdenken über Freiheit und Herrschaft und damit auch über die Institution des Prinzipats ein. Diese Tatsachen sind zu berücksichtigen, denn zwischen Nero und uns steht nicht nur Tacitus. Im Folgenden sollen (in Anlehnung an J.-P. Rubiès 1994) verschiedene Sichtweisen auf Nero vorgestellt werden.

Es gibt einen mittelalterlichen Nero, der als Prototyp eines moralisch missratenen Herrschers diente. Diese Typisierung basiert auf der Berichterstattung Suetons in der Vita Neronis. Neben Sueton mag dafür aber auch der Historiker Paulus Orosius (5. Jahrhundert) verantwortlich gewesen sein, der ebenso wie Sueton eine Charakterisierung in Form einer Liste von Lastern und charakterlichen Mängeln (petulantia, libido, luxuria, avaritia, crudelitas) vornahm.

Christliche Sicht von Herrschaft – Nero als Synonym für Grausamkeit

Aus christlicher Sicht wird schon bei Laktanz (3. Jahrhundert) ein negatives Bild des Christenverfolgers Nero gezeichnet. Recht bald legte sich der Schwerpunkt der mittelalterlichen Autoren auf die crudelitas, die Grausamkeit. Isidor von Sevilla und Boethius – gewissermaßen an der Schwelle der mittelalterlichen Beurteilung stehend – hatten diesen Zug bereits als prägend für Neros Gewaltherrschaft herausgestellt. Im 13. Jahrhundert findet sich dann bei dem vielgelesenen Enzyklopädisten Brunetto Latini der Begriff „Nero“ als Synonym für Grausamkeit und Wahnsinn. Diese mittelalterliche Tradition birgt natürlich auch eine christliche Komponente, denn durch Laktanz und insbesondere durch den Kirchenlehrer Tertullian (2./3. Jahrhundert) ist das Bild Neros als des ersten großen Verfolgers der Christen etabliert worden. Trotzdem findet sich die moralisierende Sprache bereits in Suetons Lebensbeschreibung. Nero dient als repertoiremäßiges Negativexemplum, neben Tertullian etwa auch bei Augustin, der an ihm exemplifiziert, dass Menschen schlimmer als wilde Tiere seien.

Die christlichen Autoren – Taciteismus

Die Sichtweise von Nero als Tyrann ist in der Renaissance nicht nur als Reflex auf die jeweils herrschenden politischen Verhältnisse zu deuten, sondern auch als Reflex auf den Einfluss, den in der jeweiligen Epoche die Bekanntschaft mit dem taciteischen Geschichtswerk ausübte. Tacitus war, daran muss man in diesem Zusammenhang erinnern, im Mittelalter unbekannt und seine Wiederentdeckung im 15. Jahrhundert führte zu einer regelrechten taciteischen Bewegung. Es gilt also, zumindest drei Sichten, Nero bei Tacitus, die mittelalterliche Sicht und die Sicht im Taciteismus, auseinander zu halten. Die Begeisterung für Tacitus erstreckt sich auch auf staatstheoretische Überlegungen. Die Themen sind die Geschichte als Lehrmeisterin für die Politik, die Freiheit unter den Bedingungen der Tyrannis, aber auch das Ideal der humanitas als Gegenbild zur crudelitas, zum Beispiel bei Marsilio Ficino. Ein Gegenbild entwickelt Gerolamo Cardano (1501–1576) in der Schrift Neronis Encomium. Hier wird die These aufgestellt, Nero sei von der Geschichte falsch beurteilt worden. Einerseits entwickelt die Renaissance eine Art neosenecanisches Bild von Nero. Der Tyrann ist weniger das Gegenbild zur Verkörperung römischer virtus als vielmehr zum stoischen Weisen christlicher Prägung. Ein „typisches“ Nero-Bild kann man vor allem in Theater und Oper des 17. Jahrhunderts verfolgen. Hier ist Nero ein Tyrann, der nicht auf die Vernunft hört, sondern seinen Lüsten folgt. Nachgiebigkeit gegenüber seinem korrupten Naturell in Kombination mit seiner Machtposition macht ihn zum Monstrum und führt ins Verderben. Berühmtestes Beispiel ist vermutlich Monteverdis (1567–1643) Oper L’incoronazione di Poppea. Die Handlung kann nur tragisch enden, denn der Protagonist Nerone verwechselt Liebe und Lust und stürzt die Betroffenen geradewegs ins Verderben.

Machiavellismus

Der zweite Strang, der für die Nachwelt von Bedeutung wird, ist der Macchiavellismus und die Auseinandersetzung mit ihm. Unter Macchiavellismus versteht man die Lehre von der Macht, ihrer Aneignung und ihrer Erhaltung. Sie basiert auf dem Buch „Der Fürst“ (Il Principe) von Niccolo Macchiavelli (1469–1527). Beispielhaft dafür kann eine englische Tacitus-Übersetzung (Henri Savile 1591) mit der vom Übersetzer hinzugefügten Einleitung sein, „The end of Nero and beginning of Galba“. Hier werden unter Rückgriff auf Plutarch, Cassius Dio und Sueton die verlorenen Teile der Annalen ergänzt, aber es ist ebenfalls ein direkter Reflex auf die zeitgenössische englische Politik dingfest zu machen: Es geht um das Recht der Rebellion gegen ungerechte Herrschaft.

Die Literatur im Zeitalter Neros

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