Читать книгу Systemische Therapie - Christina Hunger-Schoppe - Страница 24
1.3.1 Metakommunikation und Expertise des Nicht-Wissens
ОглавлениеDer angloamerikanische Biologe, Anthropologe und Strukturfunktionalist, Sozialwissenschaftler, Kybernetiker und Philosoph Gregory Bateson (1904–1980) beschäftigte sich schon früh mit Beschreibungen von der Welt, die er gleichzeitig als Interpretation unserer Wahrnehmung (Beobachtungen 1. Ordnung; Kommunikation) verstand (Bateson 1941, 1983). In ihrer Übertragung auf das Therapiegeschehen stellen Beschreibungen von Therapeutensystemen über die Welt von betroffenen sozialen Systemen daher Interpretationen von Interpretationen (Beobachtungen 2. Ordnung; Metakommunikation) dar. Notwendigerweise stellt sich die Frage, was wir über unser Gegenüber wirklich wissen können (objektive Realität). Wissen erscheint auf der Basis stets individuell interpretierter Wahrnehmungsphänomene stets auch sozial konstruiert (subjektive Realität). Systemischen Therapeutinnen und Therapeuten ist bewusst, dass im Gespräch mit betroffenen sozialen Systemen in ihnen selbst auch eine Wirklichkeit entsteht, die (meist) nicht deckungsgleich ist mit der Wirklichkeit ihres Gegenübers. Es ist ihnen bewusst, dass sie mitverantwortlich sind in der Erschaffung einer mit dem betroffenen sozialen System geteilten Realität. Daher wird der therapeutische Prozess i. S. des Radikalen Konstruktivismus ( Kap. 3.6.1) und der Kybernetik 2. Ordnung als eine Begegnung zweier Expertensysteme verstanden: das betroffene soziale System als Experte für sein Leben und wie es dieses gestalten möchte; das Therapeutensystem als Experte für den Prozess und die Auswahl geeigneter Frage- sowie Interventionstechniken. Wichtig ist, die therapeutische Expertise (professionelle Expertise des Nicht-Wissens) als eine anregende Wirklichkeitskonstruktion zu rahmen, um mit dem betroffenen sozialen System in einen offenen, professionell neugierigen und wertschätzenden Dialog zu kommen. Ziel ist die Einführung eines Unterschieds, der als bedeutsam wahrgenommen wird. Metakommunikation dient der Erfüllung dieses Ziels, indem sie die Aufmerksamkeit aller Beteiligten, inkl. des Therapeutensystems, auf eine höhere Ebene richtet. Dabei ist explizite Metakommunikation (z. B. lautsprachliche Reflexion des aktuellen Beziehungsgeschehens) von impliziter Metakommunikation (z. B. räumlich: Sexualität im elterlichen Schlafzimmer, Spielen mit den Kindern im Wohnzimmer) zu unterscheiden. Die Bedeutsamkeit eines eingeführten Unterschieds misst sich an seiner Relevanz (Nützlichkeit) für das betroffene soziale System.