Читать книгу Der Casta-Zyklus: Initiation - Christina Maiia - Страница 14
Hoffnung
ОглавлениеEin ungewohnter Zigarettengeruch entströmt den abgetragenen Kleidungsstücken, als Xavier sie sich in dem fensterlosen Bad seines Apartments endlich abstreifen kann. Es ist für ihn eigentlich abstrus zu rauchen, allein schon wegen seiner Stimme, doch als er den Jungen heute gesehen hat, draußen auf dem alten Schlachthofgelände, hat irgendetwas in ihm befohlen, Kontakt aufzunehmen. Eine starke Intuition. So etwas wie eine Vorahnung, vielleicht.
Dieser Junge ist etwas Besonderes, sagt sich X, während er jetzt das Teewasser für seine Zeremonie aufsetzt, für sein kleines Labsal, das er nach jedem dieser Ausflüge in die schmutzigen Gedärme der Stadt so dringend benötigt. Doch heute fühlt er sich enthusiasmiert durch einen Funken Hoffnung, den diese Begegnung für ihn gebracht hat, als sei sie eine Antwort auf seine sich immer wiederholenden Gebete gewesen.
„Ich hoffe, dass er wieder kommt“, flüstert X mit sich selbst. Nein, ich weiß, dass er wieder kommt, ermahnt er sich dann mental. Es ist sehr wichtig, eindeutig zum Ausdruck zu bringen, was man in sich spürt. In all den Jahren der Vorbereitung in seinem Orden hat er gelernt, die inneren Bilder und Emotionen, wenn sie so klar zu ihm kommen wie heute, nicht mehr zu hinterfragen und zu analysieren, bis nichts mehr von ihnen übrig ist, sondern sie für ein Wissen aus den tiefen Schichten seines Seins und aus den kollektiven Schwingungen des Universums zu halten. Für einen Fakt jenseits aller Logik und jenseits allen Trugschlusses des äußeren Scheins. Sat nam, truth is my name, bestärkt sich Xavier mit dem heiligen Mantra.
Dieser großgewachsene Junge hat auf ihn Eindruck gemacht, mit seiner selbstverständlichen Art, mit einem Penner eine Zigarette zu teilen, mit seinen wachen, wissenden Augen, seiner athletischen und doch sensiblen Gestalt und seinem äußerst intelligenten Kopf, der unter dem dunklen, gelockten Haarschopf hervor gelugt hat. Er hat etwas so Reifes an sich gehabt, eine Erfahrung vielleicht und eine Weisheit, die Jungen seines Alters sonst nicht haben, und auch eine Ernsthaftigkeit, die unüblich ist und die sich auch in der Art seiner Frage ausgedrückt hat. „Was bringt Sie hierher, an diesen Ort?“, hallt es in Xaviers Erinnerung wider. Das war keine Floskel, sondern echtes, tief empfundenes Interesse.
Beruhigt streift sich X seinen schwarzen Kimono über, als er mit seinen Waschungen fertig ist, und schenkt sich eine Tasse Tee in die flache, dunkle Ton-Schale ein. Er nimmt einen tiefen, langsamen Schluck und spürt mit wachen Sinnen die wunderbare, feine und belebende Flüssigkeit in seinen Körper hinab sinken. Alles wird gut, bestätigt er sich selbst. Ich weiß, er wird wiederkommen und dann werden wir gute, fruchtbare Gespräche miteinander führen. Und vielleicht, wenn ich ganz viel Glück habe, wird er mir dabei helfen können, sie zu finden.