Читать книгу Der Casta-Zyklus: Initiation - Christina Maiia - Страница 6
Doc T
Оглавление„Kommen Sie doch herein, Sal“, klingt es freundlich durch die halboffene Tür hindurch, hinter der ein breiter Plexiglas-Schreibtisch unaufgeräumt steht. Deckenhohe Metallregale sind über und über mit Büchern bestückt, doch ihre zerfledderten Rücken verraten keine Ordnung irgendwelcher Art.
„Wann trennen Sie sich endlich mal von all dem Müll?“, meint ein sonorer Bass. Bei genauem Hinhören ist ein leichtes Kratzen in ihm auszumachen.
„Nicht so bald, Sal. Nennen Sie mich ruhig antiquiert, aber ich liebe es, diese alten Wälzer in den Händen zu halten und ihr Gewicht unter meinen Fingern zu spüren. Gibt mir jedenfalls einen größeren Kick als so manch ausgefeilte Animation auf dem holografischen Display.“ Unter einem dunkelbraunen Haarschopf und sehr präsenten Augenbrauen tut sich ein herzliches Lächeln auf. „Schön Sie zu wieder sehen, alter Freund. Was kann ich für Sie tun?“
„Die Moon-Sache geht mir nicht mehr aus dem Kopf, Todd. Kann ich ein paar Minuten mit Ihnen darüber reden?“
„Sicher doch, sehr gerne. Auch wenn ich nicht weiß, was ich in der Sache noch unternehmen kann. Ich habe bereits mit dem Ältestenrat und mit Eve gesprochen, und so wie ich das sehe, liegt jetzt alles im Geschick unseres Gesandten vor Ort. Aber nehmen Sie doch bitte Platz, Sal. Darf ich Ihnen ein Glas Wasser anbieten? Tut mir leid, aber ich habe sonst nichts da.“
Salomon rückt sich den zweiten Armlehnstuhl an den Schreibtisch heran und lässt sich ein wenig zögerlich darin nieder. Seine ledrige Stirn verrät Spuren von Nachdenklichkeit. Eine kräftige Hand massiert für ein paar Sekunden geistesabwesend die Schläfe, die unter seinem immer noch dichten, angegrauten Haarschopf hervortritt. Das schwache Licht einer weißlichen Leuchtstoffquelle fällt von der seitlichen Wandverkleidung quer durch Todds kleines Büro. „Nein, danke, ich komme gerade von einem Essen im Observatorium. Wussten Sie eigentlich, dass ich Eve persönlich kenne? Von früher, als ich noch auf der ersten Akademie war, auf der alten Basis auf Casta 3.“
„Nein, ich hatte keine Ahnung. Haben Sie sie kürzlich gesehen? Wie kommt sie Ihnen vor?“
„Sie ist es, die mich gebeten hat, noch einmal mit Ihnen zu sprechen. Eve und ich sind alte Freunde, müssen sie wissen, und sie hat mich wegen der Sache vor kurzem wieder kontaktiert. Sie ist außerordentlich besorgt. Nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sie die einzige Erziehungsbeauftragte der Kleinen ist.“
„Ich weiß. Aber die Sache sieht schlimmer aus als sie wirklich ist. Wissen Sie, Sal, wir müssen es bis zu einem bestimmten Grad so aussehen lassen, sonst ist die Mission von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die junge Miss Moon ist ein verdammt komplizierter Fall. Wir können es ihr nicht zu leicht machen, sonst ist alles umsonst.“
„Ich verstehe. Aber es gibt doch sicher eine Möglichkeit, den Gesandten zu kontaktieren. Ohne die Geheimhaltung gefährden zu wollen, können Sie mir sagen, was für ein Typ er ist? Kann man ihm vertrauen, kann er die Mission erfolgreich zu Ende bringen und das Problem beseitigen?“
In Todds Gesicht zieht sich die Falte über der Nasenwurzel zusammen. Er setzt sich etwas aufrechter in seinen Stuhl. Eine Sekunde lang scheint er um eine Antwort verlegen. „Wissen Sie, Sal“, fährt er dann ruhig fort, „das Ganze ist von langer Hand sorgsam geplant worden und wir wollen jetzt so wenig wie möglich intervenieren. Wir müssen Vertrauen in unsere Leute haben. X ist ein ausgezeichneter, erfahrener Gesandter und die ideale Besetzung für die Mission. Und auch für Kisha ist es richtig, auf diese Weise gefordert zu werden. Sie haben ja keine Ahnung, was das Mädchen mir in den letzten drei Jahren für Kopfschmerzen bereitet hat.“
Ein Lächeln überkommt Sals Gesicht. „Ich habe schon davon gehört. Es ist kein Wunder. Sie hätten früher ihre Großmutter erleben sollen, was für ein Weib, mit einem Temperament vom Allerfeinsten. Mich hat‘s bei ihrem Anblick damals sofort erwischt.“
Die beiden Männer lachen herzlich. Die angespannte Stimmung scheint ein wenig ins Leichtere zu driften.
„Versprechen Sie mir eins, Todd“, sagt Sal plötzlich ganz ernst.
„Alles, was ich kann, das wissen Sie doch, mein Freund.“
„Passen Sie mir persönlich auf die Sache auf und überlassen Sie sie bitte nicht den bequemen Sessel-Bürokraten im Ältestenrat.“
Todd nickt nachdenklich. „Ich kann Sie beruhigen, Sal, ich bleibe dran. Allein schon aus eigenem Interesse. Vielleicht habe ich es Ihnen und auch Eve noch nicht explizit gesagt, aber ich halte Kisha für eine der begabtesten Studentinnen, die ich kenne. Besser als die allermeisten ihres Jahrgangs, soviel ist sicher.“
„Das freut mich sehr zu hören, Todd. Trotzdem, die Kleine ist noch sehr jung und darüber hinaus ohne männliche Erziehungsperson aufgewachsen. Ich traue Eve wirklich eine Menge zu und sie hat ihr ganzes Herz hineingehängt, aber Kisha hatte immer schon ihren eigenen Kopf und ich weiß nicht, inwieweit der zu einer realistischen Einschätzung ihrer Fähigkeiten neigt.“
Die Augenbrauen des Professors bewegen sich für einen Augenblick nach oben. Er sieht aus, als habe ihn gerade eine konkrete Erinnerung gestreift. „Ich verstehe vielleicht besser als Sie denken“, schmunzelt er, „aber ich habe Vertrauen in sie. Keiner meiner Studenten hat seine Grenzen bei mir so unerbittlich ausgetestet und ist dabei so regelmäßig gegen eine Wand gelaufen, wenn es notwendig war. Sie weiß, wo ihre Grenze liegt. Und wir werden da sein, falls sie sie erreichen sollte.“
Salomon steht langsam auf. Erst jetzt nimmt Todd das fortgeschrittene Alter seines Freundes wahr. Es ist eine Weile her. Noch immer ist Sals Physis imposant, eine muskulöse, große Erscheinung, ein Kerl wie eine unumstößliche Eiche mit immer noch äußerst wachen Augen darin, aber seine Bewegungen sind lange nicht mehr so fließend wie zu der Zeit, als Todd und er sich das letzte Mal trafen. Er streckt Sal seine rechte Hand zum Abschied entgegen und legt die andere zuversichtlich auf den Oberarm seines Gegenübers, während er ihn zur Tür geleitet.
Auf dem Gang dreht sich Sal noch einmal zu ihm um. „Ich vertraue auf Sie, Todd. Enttäuschen Sie mich bitte nicht.“
„Keine Sorge. Geben Sie meinen herzlichen Gruß an Eve.“