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Die Ältesten

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Angespannt betritt Salomon das weitläufige Zentralforum, das er zuletzt vor einigen Jahren gesehen hat. Mein Name gilt hier noch etwas, stellt er erleichtert fest, als er mit aufrechter Brust auf die sieben Ältesten von Casta 3 zusteuert, welche er zu diesem besonderen Treffen hierher gebeten hat. Alle sind gekommen. Er setzt sein gewinnendstes Lächeln auf, schüttelt nacheinander die Hände der wichtigen Entscheidungsträger und investiert hier und da ein paar Worte der Anerkennung.

Dennoch fühlt er sich gespalten, vielleicht aus alter Erfahrung, denn die Ältesten wissen um ihre Wichtigkeit und können zuweilen eine nicht zu unterschätzende Dynamik entfalten. Sal hat dies schon am eigenen Leib erfahren müssen, wenn er auch hier, in Kishas Fall, solcherlei Probleme nicht erwartet. Wir kennen alle die Bedeutung der großen Mission, ermutigt er sich, und Kishas kleine, aber nicht unwichtige Rolle darin.

„Schön, Sie wieder zu sehen, Salomon. Wie geht es Ihnen?“, eröffnet Richard, das dienstältestes Ratsmitglied und Vorsitzender der Sieben, das Gespräch, sobald alle Teilnehmer an dem schlichten, halbrunden Konferenztisch Platz genommen haben.

„Danke, Richard, ich kann nicht klagen. Das sind spannende Zeiten, in denen wir leben.“

„Wohl wahr, wohl wahr“, erwidert Richard. Er blickt zur Bestätigung kurz in die Runde der weiteren Ältesten. „Wir haben uns gefragt, Salomon, welches so außerordentlich wichtige Thema Sie wohl heute zu uns führen mag.“

„Zunächst möchte ich Ihnen allen ausdrücklich dafür danken, dass Sie so kurzfristig Zeit gefunden haben, mich zu empfangen“, beginnt Sal. „Ich weiß, Sie haben sehr wichtige Aufgaben zu erfüllen, und schätze es deshalb außerordentlich, dass Sie für einen alten Akademie-Veteranen wie mich ein Stück Ihrer wertvollen Zeit erübrigen.“

„Zuviel der Ehre, Salomon, aber stellen Sie bitte Ihr Licht nicht unter den Scheffel“, pariert sogleich Avner. Er ist der schlaueste und einflussreichste Kopf der Sieben. „Wenn ich mich richtig erinnere, war der Anlass unserer letzten Begegnung nicht mehr und nicht weniger als die Verleihung des Sternordens zweiter Klasse an Sie, korrekt?“, setzt er mit spürbarem Amüsement hinterher.

„Das ist richtig. Ich fühle mich geehrt, dass Sie sich noch daran erinnern, und ich...“

„Und damals haben wir Sie meines Wissen auf eine vorbereitende Mission für unsere große Aufgabe entsendet, korrekt?“, fällt ihm Avner ins Wort.

„Richtig. Genau aus diesem Grund bin ich heute hier. Ich möchte mit Ihnen den Stand dieser Aufgabe, die für uns alle zentral ist, näher diskutieren“, entgegnet Sal selbstbewusst. Nicht, dass er Avners Auffassungsgabe und seinen scharfen Intellekt nicht schätzen würde, doch es kann auch gefährlich sein, ihm die Führung der Diskussion ganz zu überlassen. Die anderen Ältesten müssen langsamer auf den eigentlichen Punkt vorbereitet werden, beschließt Sal. Doch er hat die Rechnung heute ohne Avner gemacht.

„Grundsätzlich immer gerne, Salomon. Nur entnehme ich doch der Dringlichkeit Ihrer Anfrage und Ihrem persönlichen Vorsprechen hier, dass es sich vorwiegend um eine private Angelegenheit handelt. Oder liege ich da etwa falsch?“

„Sie täuschen sich nicht ganz. Dennoch hat die Sache auch eine weitaus größere Dimension, die uns alle betrifft.“

An diesem Punkt übernimmt Richard, wie üblich ein Fels der Diplomatie. Er wirft einen vielsagenden Blick zu Avner hin. „Warum nehmen wir nicht alle eine Tasse Tee, wo wir doch schon hier versammelt sind, und Sie, Salomon, erzählen uns in Ruhe, wie es zu der Thematik gekommen ist, die Ihnen am Herzen liegt. Mina? Würden Sie uns bitte den Tee hereinbringen? Danke.“

Mina, die gute Seele des Zentralforums, hat auf Richards Geheiß bereits einige Köstlichkeiten vorbereitet und stellt jedem nun eine Porzellantasse auf den Konferenztisch. „Sie bedienen sich“, meint sie und verlässt schnell den Raum, wobei sie die großen Flügeltüren hinter sich verschließt.

„Nun, Salomon, wie können wir Ihnen helfen?“, eröffnet Richard den Kern der Sitzung.

Sal atmet tief durch. Er rezitiert seinen sorgfältig einstudierten Text, der die Ältesten von Casta 3 zu der Aktivität seiner Wahl animieren soll. Die für einen Akademie-Absolventen typischen, präzisen Sätze strapazieren die Geduld der Sieben kaum. Am Ende von Sals Monolog wirken sie aufmerksam und engagiert. So wie ich es wollte, stellt er erleichtert fest, als er die Gesichter der Anwesenden studiert.

Älteste Sara ergreift zuerst das Wort. „Wenn ich Sie richtig verstehe, Salomon, dann möchten Sie, dass wir Sie auf eine Rettungsmission entsenden, um Ihre Enkelin zu finden und sicher nach Hause zu bringen, ist das so richtig?“

„Ja, Sara, das ist richtig. Es ist zwar durchaus wichtig und geplant gewesen, dass Kisha an diesem Ort notlandet und zunächst auf sich allein gestellt sein wird. Schließlich ist dies der zentrale Punkt ihrer Rolle und dieses Tests, dem sie sich, und dem wir uns durch sie, unterziehen müssen. Aber aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass wir dabei so weit gehen, die überaus wichtige Kontaktaufnahme zum Gesandten X zu gefährden. Das ist meines Erachtens zu viel an Risiko für eine unerfahrene Astronautin auf ihrer Initiations-Mission, auch wenn sicher niemand vorhersehen konnte, dass die Kommunikationseinheit bei der Landung komplett ausfallen würde.“

„Ich fühle mit Ihnen, Salomon“, erwidert Sara sensibel, „es geht schließlich um Ihre Enkelin, und wir wollen alle nicht, dass ihr etwas Schlimmes geschieht. Sie haben mein größtmögliches Verständnis für Ihr Anliegen. Aber ich muss Sie dennoch fragen: Wäre eine Rettungsaktion zu diesem Zeitpunkt nicht etwas vorschnell? Schließlich hat sie noch für einige Tage Reserven, und Gesandter X ist nach Aussage von Professor Todd sehr zuversichtlich, sie noch rechtzeitig finden zu können.“

„Ihr Vertrauen in allen Ehren, verehrte Sara“, antwortet Sal etwas zu erregt als ihm lieb ist, „aber ich kenne X persönlich nicht, und der Planet ist doch einigermaßen groß, um von Kisha zu erwarten, dass sie den Kontakt im sprichwörtlichen Blindflug findet.“

„Wenn ich an dieser Stelle einhaken dürfte“, äußert sich Avner, noch bevor Richard die nötige Ruhe wiederherstellen konnte.

Der Vorsitzende nimmt seinen unausgesprochenen Kommentar zurück. „Sicher, Avner, bitte sprechen Sie.“

„So wie ich die Situation einschätze, könnten wir uns doch auf einen Kompromiss einigen. Kisha hat, wie Sie sagen, noch für sechs Tage Verpflegung? Warum geben wir ihr also nicht, sagen wir, noch weitere vier Tage auf ihrer Mission, und leiten erst dann - sofern X uns nach wie vor keinen Kontakt zu ihr bestätigen kann - die von Ihnen, Salomon, gewünschte Rettungsaktion ein. Auf diese Weise erlauben wir Kisha, sich der Aufgabe als würdig zu erweisen, um ihre Initiation abzuschließen, und uns, sehr geehrte Ältesten-Rätinnen und -Räte, den Raum, den zentralen Beweis erbracht zu bekommen, dass der Planet den Status hat, den wir hier vermuten. Was halten Sie von diesem Vorschlag?“

Sal begreift, dass es wenig nützen wird, Avners wie immer versierten Argumenten entgegenwirken zu wollen. Er erspürt bereits die Zustimmung der anderen Ratsmitglieder, was aus deren Perspektive und der Bedeutung der Mission heraus auch verständlich ist, und entschließt sich, es mit diesem Kompromiss vorerst gut sein zu lassen. „Ich danke Ihnen sehr, Avner, für den wie immer präzise durchdachten und sinnvollen Vorschlag, den ich sehr gerne annehme. Darf ich davon ausgehen, dass Sie, verehrte weitere Ratsmitglieder, den Vorschlag mittragen werden?“

Richard fasst mit treffsicherem Gespür zusammen. „Ich denke, ich spreche für alle hier, wenn ich zustimme und Ihnen, lieber Salomon, unsere besten Wünsche für das Gelingen der Mission ausspreche. Wir haben sehr viel Gutes über Ihre Enkelin von Professor Todd gehört und sind überzeugt davon, dass es ihr angesichts ihres außerordentlichen Talents gelingen wird, die Mission trotz der unerwarteten Probleme doch noch zum Erfolg zu führen.“ Dann setzt er etwas leiser hinterher: „Sie können sich weiterhin auf unserer Diskretion in Bezug auf Ihre familiären Beziehungen verlassen. Wir haben, wie von Ihnen gewünscht, die Akademie und Professor Todd darüber nicht in Kenntnis gesetzt.“

„Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Ihre Unterstützung. Ich weiß das sehr zu schätzen“, erwidert Sal.

„Schön“, beschließt Richard die Sitzung gutgelaunt, „dann sind wir hier fertig. Darf ich Sie, lieber Salomon, und die weiteren geschätzten Ratsmitglieder nun zu einem Glas Wein in mein Haus einladen? Es wäre mir eine Freude, Salomon, wir haben uns zu lange nicht gesehen.“

„Sehr gerne, ich freue mich“, erwidert Sal. Die innere Anspannung fällt endlich von ihm ab. Ein Teil-Sieg, immerhin, mehr konnte ich nicht erwarten. Jetzt muss ich es nur noch Eve beibringen.

Der Casta-Zyklus: Initiation

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