Читать книгу Der Casta-Zyklus: Initiation - Christina Maiia - Страница 20
Wellen
ОглавлениеEve sitzt mit Blick auf den See vor ihrem Haus an der Drehscheibe. In ihren geübten Händen beginnt gerade ein Tonklumpen Form anzunehmen, und mit jeder rhythmischen Drehung, die ihre Beine präzise wie ein mechanisches Uhrwerk ausführen, verändert er sich gemäß der Stellung ihrer Hände und gibt eine Ahnung auf seine endgültige Gestalt preis.
So wie ich mit Gedanken Realität formen kann, erinnert sie sich. In ihrer ersten Zeit auf Casta 3 ist ihr diese Analogie eine große Hilfe bei der Transformation gewesen. Doch heute genießt sie dieses alte Kunsthandwerk, für das sie weithin bekannt ist, vor allem wegen seiner sinnlichen Wirkung, wegen dieses Wohlgefühls, etwas noch mit eigenen Händen erschaffen und formen zu können, und wegen seiner Wirkung, ihren Geist zu beruhigen und auf den Punkt des Jetzt hin zu konzentrieren. Mit Meditationsübungen ist sie seit ihren ersten Tagen hier niemals warm geworden. Das ist nur etwas für die auf Casta 3 Geborenen, hatte sie sehr schnell für sich festgestellt.
Noch vor zwei Stunden ist Sal in ihrem Haus gewesen, um sie über den Stand seiner Bemühungen zu informieren. Sie hat ihm gleich angemerkt, dass er nicht so weit gekommen ist wie er es gerne gewollt hätte. Wie ein schuldbewusster Hund hat er auf sie gewirkt, erinnert sich Eve, wie jemand, der etwas Unbekanntes ausgefressen hat. Sie hat innerlich darüber schmunzeln müssen und ihn unweigerlich dann auch wie einen solchen getätschelt, mit ihren Worten der Anerkennung für seine Hilfe. Wenn er nur wüsste, wie unnötig das ist, sinniert sie jetzt. Noch immer ist er gefangen in seinem Netz, das er sich selbst gesponnen hat und das ich ihm nicht eine Sekunde lang übergeworfen habe, noch jemals werde. Er wird sich schon ganz alleine daraus befreien müssen, wenn er wirklich leben und lieben will, beschließt Eve zum wiederholten Mal. Es ist die Summe aus mehr als 60 Jahren Lebenserfahrung, die aus ihr spricht, die geduldige Weisheit einer reifen Frau, die in zwei sehr verschiedenen Welten gelebt hat und weiß, worauf es ankommt: Leben, Sein im Moment.
Fakt aber bleibt, das ignoriert sie keine Sekunde lang, dass es wegen Kisha Widerstand bei den Ältesten gegeben haben muss. Es ist nicht weiter verwunderlich für sie. Eve kennt die Damen und Herren Ratsmitglieder aus früheren Anlässen und hatte ausreichend Gelegenheit, sich ein Bild von den unausgesprochenen Regeln dieses zentralen Zirkels zu machen. Also gut, es ist jetzt nicht mehr zu ändern. Es bleibt ihr nur noch die ungeliebte Rolle der passiv Ausharrenden für unendlich lange, weitere vier Tage, eine Tortur, in der ihr nur Liebe und Vertrauen werden helfen können.
Während die Drehscheibe sich Kreis um Kreis bewegt, konzentriert Eve ihre Gedanken und ihr Herz fest auf Kisha und sendet ihre Zuversicht und Liebe hinaus zu ihr in den Äther. Auf diese archaische Verbindung kann sie sich immer verlassen, das weiß sie so unumstößlich wie sie um ihr Herz weiß, und so fühlt sich Eve schon ein wenig besser, als sie wenigstens dies für ihren Schützling tun kann. Eine Welle der Ermutigung, die sich durch das Universum schwingt und unaufhaltsam auf ihr Ziel zutreibt, bis sie es endlich aufspürt.