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Das obligatorische Rotlichtviertel

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In der modernen Welt sind Häfen zumindest in unserer Wahrnehmung eng verknüpft mit einer zwielichtigen Umgebung. Vergnügungsmeilen und Rotlichtviertel scheinen unverzichtbarer Bestandteil der Hafenatmosphäre zu sein. Doch diese Vorstellung entspricht auch in heutiger Zeit keineswegs immer der Realität. Moderne Containerhäfen sind technisch hochgerüstete Anlagen, in denen nur noch wenige Menschen arbeiten und die in der Regel deutlich von anderen Bereichen der Hafenstädte getrennt sind.

Auch in der archäologischen Fachliteratur werden Häfen häufig in einem Satz mit Gasthäusern und Bordellen erwähnt. Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit dies auch tatsächlich mit Quellen belegt werden kann. Dabei stößt die Archäologie schnell an die Grenzen ihrer wissenschaftlichen Methoden: Als Bordelle wurden offenbar häufig Hinterzimmer in Bars und Hotels genutzt, aber weder Kneipen noch Gasthäuser weisen eine spezifische architektonische Form auf. So konnte selbst in der Hafenstadt Ostia bis heute nur ein einziges Gebäude mit großer Wahrscheinlichkeit als Hotel identifiziert werden.

Bekannt ist, dass Bordelle manchmal mit Wandmalereien dekoriert waren, die das Serviceangebot präsentierten. Dabei waren über den oft nur mit Tüchern verhängten Türen der dunklen und schlecht belüfteten Räume Name und Preis der Prostituierten angegeben. All diese Merkmale sind jedoch nur in seltenen Fällen archäologisch fassbar und stehen noch seltener in einem engen räumlichen Zusammenhang mit einem Hafen. Ein Beispiel findet sich im Hafengebiet von Delos, wo Indizien für die Existenz eines Bordells im ersten Stock über einer Taverne sprechen. Und auch in Pompeji gibt es tatsächlich einen Beleg für ein Bordell in Hafennähe: Es war in die Vorstadt-Thermen integriert und als solches leicht erkennbar durch eindeutige Wandmalereien über den Türen der betreffenden Reihe von Kammern. Ein Graffito in einer nahen Portikus rief zudem mit einer ebenso eindeutigen Werbebotschaft zum Besuch einer gewissen Dame auf, die offenbar dort tätig war. Der angegebene Preis stellt klar, dass es sich um eine kommerzielle Dienstleistung handelte. In unmittelbarer Nähe befand sich die Porta Marina, das Stadttor zum Meer, vor dem die Schiffsanlegestelle anhand von Vertäuungssteinen aus Tuff eindeutig zu identifizieren ist.


Die Stadt Milet verfügte über vier Häfen, an denen es mehrere große Marktplätze gab, welche mit Portiken und anderen Gebäuden umgeben waren. Die Rekonstruktion zeigt eines dieser aufwendig gestalteten Hafenviertel.

Doch kann ein genereller Zusammenhang zwischen Häfen und einer verruchten Umgebung anhand der wenigen bekannten Beispiele kaum als bewiesen angesehen werden. Auch ein Blick auf die literarische Überlieferung hilft nicht weiter. Bordelle werden in der griechischen und lateinischen Literatur zwar häufig erwähnt, aber ob es sie wirklich in jedem Hafen gab, lässt sich auch auf dieser Grundlage nicht sicher sagen. In Pompeji sind immerhin 22 entsprechende Etablissements bekannt und anscheinend über das gesamte Stadtgebiet verteilt, sodass es eher verwunderlich wäre, läge keines davon in der Nähe des Hafens. In Ostia gibt es überhaupt keinen einzigen eindeutigen Nachweis. In Rom selbst sind für das 4. Jahrhundert n. Chr. etwa 45 Bordelle bekannt. Allerdings eignen sich die geografischen Verhältnisse dort nicht für eine derartige Fragestellung: Der Tiber verläuft im Zickzack durch das Stadtgebiet, und nach neuesten Erkenntnissen müssen wir davon ausgehen, dass sich die Hafenanlagen an beiden Ufern über das gesamte Stadtgebiet erstreckten. So befände sich praktisch jedes Bordell in Rom nahe einer Anlegestelle.

In anderen Hafenstädten wie Milet oder Ephesos galten gerade die Hafenviertel als mondäne Stadtteile, die mit reizvoller Architektur und reichlichem Skulpturenschmuck ausgestattet waren. Dies in Verbindung mit der Tatsache, dass Bordelle eher von der einfacheren Bevölkerung aufgesucht wurden, da sich betuchte Bürger alle Arten von Ausschweifungen im privaten Rahmen leisten konnten, lässt eine unmittelbare Verbindung zwischen Hafen und Rotlichtviertel in der Antike zumindest nicht als zwingend gegeben erscheinen.

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