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2.3 | Regionale Vorgaben
ОглавлениеNeben den oben dargestellten europäischen und national gültigen bildungspolitischen Richtlinien regeln vor allem die länderspezifischen Lehrpläne Zielrichtung, Inhalte und Progression des Italienischunterrichts an deutschen öffentlichen Schulen. Sie legen auch die Anzahl der für den Italienischunterricht vorgesehenen Wochenstunden fest. Da das Fach Italienisch größtenteils als dritte und spätbeginnende (neueinsetzende) Fremdsprachedritte und spätbeginnende Fremdsprache in den Sekundarstufen I und II (Gymnasium) angeboten wird, werden Lehrpläne hauptsächlich für diese Lehrgänge erarbeitet.
Begriff ‚Lehrplan‘Der Begriff ‚LehrplanLehrplan‘ bezeichnet die systematische Zusammenfassung von unterschiedlich präzise benannten Lerninhalten, die für einen bestimmten Zeitraum im Rahmen eines schulischen Bildungsganges fixiert werden. Lehrpläne bilden somit ein Raster von Inhalten und Anforderungen. Die in den Lehrplänen festgelegten grammatischen, lexikalischen, pragmatischen und kulturellen Inhalte müssen von den Lehrkräften bei der Gestaltung des Unterrichts beachtet werden und sind von den Schülerinnen und Schülern obligatorisch erwartete Wissensbestände.
Funktion von LehrplänenDie Inhalte von Lehrplänen geben Lehrkräften, aber auch der interessierten Bevölkerung Auskunft über den Stoff der verschiedenen Fächer an öffentlichen Schulen. Als rechtsverbindliche Grundlage des Unterrichts sichern sie die Unterrichtsinhalte institutionell ab und sind offizielles Steuerungsinstrument des Unterrichts. Dennoch wird die Praxis des Fremdsprachenunterrichts direkter als durch Lehrpläne von den verwendeten LehrwerkeLehrwerkn geprägt, die, um als Lernmittel an öffentlichen Schulen zugelassen zu werden, ihrerseits an die Lehrpläne des betreffenden Bundeslandes angepasst sein müssen und demzufolge die Inhalte der Lehrpläne für die jeweilige Jahrgangsstufe spiegeln (vgl. Einheit 5).
Konsequenzen der Kulturhoheit der BundesländerDie Kulturhoheit der deutschen Bundesländer führt dazu, dass es keine für die gesamte Bundesrepublik Deutschland gültigen Lehrpläne gibt. Vielmehr lassen die Kultusministerien der verschiedenen Landesregierungen – angepasst an das in der jeweiligen Länderverfassung fixierte Erziehungs- und Unterrichtsgesetz und das Gesamtkonzept der Schulart – jeweils Lehrpläne für die einzelnen Schulzweige und Jahrgangsstufen entwickeln, die unterschiedlich strukturiert sein können.
So nimmt beispielsweise der bayerische Lehrplan für Gymnasien, der drei Ebenen umfasst (Beschreibung des Profils der Schulart Gymnasium ‚Das Gymnasium in Bayern‘, Fach-/Jahrgangsstufenlehrplan nach Schulfächern aufgefächert, Jahrgangsstufenprofile für die einzelnen Schulfächer; www.isb.bayern.de/gymnasium/lehrplan/gymnasium/; 27.06.2018), auf das Fach Italienisch explizit in den Ebenen zwei und drei Bezug. Zudem fasst das ‚Fachprofil Moderne Fremdsprachen‘ allgemeingültige Zielsetzungen des Bereichs ‚Moderne Fremdsprachen‘ zusammen (www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1.neu/g8.de/index.php?StoryID=26366; 27.06.2018).
Das Schulministerium des Landes Nordrhein-Westfalen erläutert Grundlagen des Schulsystems (z.B. Inklusion oder Gender Mainstreaming) und beschreibt die Schulformen (www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulsystem/Grundlagen/index.html; 01.06.2018). Inhalte des Fachs Italienisch werden in den Kernlehrplänen für die Sekundarstufe I und für die Sekundarstufe II geregelt.
Ziele und Inhalte Die in den verschiedenen Lehrplänen festgelegten Ziele und Inhalte des Fachs Italienisch gleichen sich im Wesentlichen, werden aber unterschiedlich ausführlich benannt. In Bayern konkretisiert sie das „Fachprofil Italienisch“:
Im Italienischunterricht erwerben die Schüler eine über Alltagssituationen hinausgehende, allgemeine Kommunikationsfähigkeit. … Durch die Begegnung mit Italien und der kulturellen Vielfalt seiner Regionen vertiefen die Jugendlichen ihre Allgemeinbildung. Sie beschäftigen sich mit gesellschaftlichen und politischen Inhalten und setzen sich mit historischen und aktuellen Werthaltungen und Ideen auseinander. …
Die Auswahl der Themen berücksichtigt die Interessen der Jugendlichen und soll sie für die Begegnung mit Italienern und für den Reichtum in Kunst, Kultur und Lebensart Italiens empfänglich machen und begeistern. Die bedeutende Rolle Italiens in der europäischen Kultur eröffnet Möglichkeiten des fächerübergreifenden Arbeitens, … Durch den Erwerb grundlegenden historischen, geographischen und politischen Wissens erhalten die Schüler in enger Verbindung mit Einblicken in die italienische Alltagsrealität und wachsenden Sprachkenntnissen eine breite interkulturelle Kompetenz.
Auszug aus ‚Fachprofil Italienisch‘ des Bayerischen Lehrplans (www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1.neu/g8.de/index.php?StoryID=26372; 27.06.2018).
Der Lehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen schreibt als Ziele des Fremdsprachen- und damit des Italienischunterrichts fest: Aufbau individueller Mehrsprachigkeit, Vermittlung sprachlich-kommunikativer und interkultureller Kompetenzen, interkulturelle Handlungsfähigkeit, Studierfähigkeit, Berufsorientierung, vertiefte Allgemeinbildung (vgl. Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Gymnasium. www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_SII/i/KLP_GOSt_Italienisch.pdf, 11; 27.06.2018).
Der hessische Lehrplan verweist auf die vielsprachige europäische Gesellschaft und die Diversität als „ein bestimmendes Moment der europäischen Identität“ und folgert: „Mehrsprachigkeit und Kommunikationsfähigkeit sind … wichtige Zielsetzungen … Sie sind zugleich Schlüsselqualifikationen …“ (Hessischer Lehrplan 2010a, 2). Angestrebt werden u.a. interkulturelle Kompetenz und kulturelle Handlungsfähigkeit, das kritische Reflektieren der eigenen Einstellungen und Haltungen und das Finden gemeinsamer Perspektiven.
WochenstundenInwieweit die festgelegten Unterrichtsinhalte vertieft werden können, hängt von der Wochenstundenzahl ab. Auch diese legen die Lehrpläne fest. In Nordrhein-Westfalen wird beispielsweise das Italienische „als neu einsetzende Fremdsprache in der gymnasialen Oberstufe in einem vierstündigen Kurs unterrichtet“ (Kernlehrplan II 2014, 14), in Hessen wird Italienisch „in der Regel im gymnasialen Bildungsgang als 3. Fremdsprache ab der Jahrgangsstufe 8G, im Rahmen des Wahlunterrichts nach der Verordnung über die Stundentafeln mit 3 Wochenstunden unterrichtet“ (Hessischer Lehrplan 2010a, 4).
curriculare LehrpläneDie Konzeption von Lehrplänen ist von gesellschaftlichen und politischen Tendenzen abhängig und damit Änderungen unterworfen. In den 1960er bis 1980er Jahren war der Unterricht beispielsweise durch CurriculaCurricula geprägt, die in Zusammenhang mit Bestrebungen zur Verwissenschaftlichung der Schule erarbeitet wurden. Charakteristikum der curricularen Lehrpläne war die Unterteilung in „1. Ziele des Unterrichts, 2. Inhalte, 3. Methoden, 4. Lernzielkontrolltechniken“, mit der für jede Jahrgangsstufe autonom präzise und verbindliche Richtlinien angegeben wurden. Sie beschränkten die Freiheit der Lehrkräfte bei der Ausgestaltung des Unterrichts dadurch genauso wie durch die weitere Untergliederung in Richt-, Grob- und Feinziele und in „1. sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, 2. fachliche Kenntnisse und Einsichten, 3. fachübergreifende Kenntnisse“, die von einer genauen Beschreibung der ausgewiesenen Ziele und des grammatischen Bereichs in einem Anhang ergänzt wurde (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 1982).
Bedeutung des Fachs Nachdrücklich weisen alle Lehrpläne auf die Bedeutung des Schulfachs Italienisch für Schülerinnen und Schüler in Deutschland hin. Das „Fachprofil Italienisch“ des Bayerischen Lehrplans hebt beispielsweise neben der Relevanz des Italienischen als Verkehrssprache und den kulturellen Errungenschaften des Landes den Nutzen des Italienischen beim Erlernen weiterer, v.a. romanischer Sprachen hervor:
Bedeutung des Fachs
Italienisch ist die Muttersprache der Bürger Italiens, der Einwohner der Südschweiz (Tessin) und von Teilen Istriens. Zudem gewinnt es als Verkehrssprache innerhalb der Europäischen Union an Bedeutung. Das Italienische wird außerdem von zahlreichen Emigranten in der ganzen Welt weiter gepflegt. Seit Jahrhunderten ist Italien Ziel und Inspirationsquelle für Reisende. Es beherbergt mehr Stätten, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden, als jedes andere Land. Italien ist durch seine wirtschaftliche und politische Bedeutung eine der führenden Industrienationen und durch den prägenden Einfluss vieler seiner kulturellen Errungenschaften ein bedeutendes europäisches Partnerland und, nicht zuletzt durch die geographische Nähe, der wichtigste Handelspartner Bayerns. Von Anfang an wurde der europäische Integrationsprozess von Italien mitgestaltet.
Mit dem Italienischen erlernen die Schüler eine Sprache, die sie in vielfältigen Zusammenhängen anwenden können. Zudem sind die erworbenen Kenntnisse für sie hilfreich beim Erlernen weiterer, insbesondere romanischer Sprachen und leisten somit einen Beitrag zur Mehrsprachigkeit. Eine Vielzahl von Städte- und Schulpartnerschaften ermöglicht intensive Begegnungen durch Austauschprogramme und die Teilnahme an europäischen Bildungsprojekten, wodurch die Schüler – auch unter Nutzung des Europäischen Portfolios der Sprachen – zur selbständigen Beschäftigung mit der italienischen Sprache und Kultur angeregt werden. Zahlreiche deutsche Hochschulen kooperieren mit italienischen Universitäten. Die im Italienischunterricht erworbenen Kenntnisse ermöglichen den Erwerb von Sprachzertifikaten, die bei Bewerbungen um Studienplätze, Praktika oder Arbeitsstellen hilfreich sind, und eröffnen interessante berufliche Perspektiven.
Auszug aus ‚Fachprofil Italienisch‘ des Bayerischen Lehrplans (www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1.neu/g8.de/index.php?StoryID=26372; 27.06.2018).
Auch der nordrhein-westfälische „Kernlehrplan für die Sekundarstufe 1“ (2009) betont die Nützlichkeit von Italienischkenntnissen, da die Sprache „eine bedeutende Kultursprache und eine Schlüsselsprache für andere Fächer wie Kunst, Kunstgeschichte, Musik, Design, Architektur, klassische Philologie“ ist. Erwähnt wird weiter die Bedeutung Italiens als Handelspartner der Bundesrepublik Deutschland und der daraus erwachsende Bedarf an Italienischkenntnissen sowie die Tatsache, dass die Italienerinnen und Italiener unter „den ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus der europäischen Union, die in Deutschland leben, … die bei weitem größte Gruppe“ darstellen und „durch ihre Präsenz die deutsche Alltagskultur“ prägen (Kernlehrplan I 2009, 11).
Den Vorteil von Italienischkenntnissen unterstreicht ebenfalls der hessische Lehrplan mit dem Hinweis, dass das Italienische „in vielen benachbarten Staaten … (Slowenien, Kroatien, Albanien)“ verstanden wird (Hessischer Lehrplan 2010b, 3).
Beispiele für weitere thematische SchwerpunkteÜber solche Aussagen hinaus beinhalten die Lehrpläne kulturspezifische Aussagen (z.B. zu landeskundlichen oder literaturbezogenen Inhalten, vgl. Einheit 10 und 11) und konkretisieren den schulischen und lebensweltlichen Nutzen des Italienischunterrichts für die Schülerinnen und Schüler.
Aufbau von Mehrsprachigkeit Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die Verweise auf die migrationsbedingte MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit. Nordrhein-Westfalen gibt als Leitlinie vor, „[d]er lebensweltlichen Mehrsprachigkeit, die in den Klassenverbänden vorhanden ist“, Rechnung zu tragen (Kernlehrplan I 2009, 9). Im bayerischen „Fachprofil Italienisch“ heißt es: „Zudem sind die erworbenen Kenntnisse für [die Schülerinnen und Schüler] hilfreich beim Erlernen weiterer, insbesondere romanischer Sprachen und leisten somit einen Beitrag zur Mehrsprachigkeit.“ (www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1.neu/g8.de/index.php?StoryID=26372; 27.06.2018), und der Lehrplan Sachsen postuliert:
Sprachliches und fachliches Wissen von Schülern mit Migrationshintergrund sowie deren lebenspraktische Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit werden in den Lernprozess integriert und als motivationale Chance genutzt. (Sächsischer Lehrplan 2004/2007/2009/2011, 4)
BinnendifferenzierungIn der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit vieler Schülerinnen und Schüler sieht z.B. der hessische Lehrplan einen Vorteil für die im aktuellen Italienischunterricht bedeutsame BinnendifferenzierungBinnendifferenzierung (vgl. auch Einheit 13):
Italienisch ist eine der vielen Herkunftssprachen ausländischer Schülerinnen und Schüler. Das Unterrichtsangebot Italienisch ermöglicht mit binnendifferenzierter Schwerpunktsetzung auch diesen Schülerinnen und Schülern, ihre Kenntnisse und Sprachkompetenz zu erweitern und zu vertiefen. Darüber hinaus können im Unterricht diese Begegnungssituationen genutzt werden, indem die Lernenden ihre persönlichen und die erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen auf lebendige Weise miteinander austauschen. Muttersprachliche Schülerinnen und Schüler können dabei, je nach Themenbereich, Expertenfunktion einnehmen. (Hessischer Lehrplan 2010a, 2)
language awarenessAls Spezifikum des saarländischen Lehrplans kann die Hervorhebung des ausdifferenzierten morphosyntaktischen Systems des Italienischen mit seiner besonderen Eignung für die Entwicklung von language awarenesslanguage awarenessund für Einblicke in sprachliche Strukturen gelten:
Zusammen mit dem Unterricht in der Muttersprache und in anderen Fremdsprachen trägt der Italienischunterricht grundlegend zur sprachlichen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler bei und vermittelt wesentliche Einsichten in die fremdsprachliche Struktur und in deren Funktion im Zusammenleben der Menschen. Hierfür bietet das Italienische durch seinen Formenreichtum, seine Phonetik und Orthographie vielfältige Ansätze. (Saarländischer Lehrplan 2004, 7)
wünschenswerte Inhalte Da das Italienische nicht nur eine wirtschaftlich bedeutende, sondern auch kulturell reiche Sprache ist, sollte sie im gesamten deutschen Bildungssystem die starke Rolle spielen, die sie derzeit v.a. in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen innehat. Damit sich das Fach Italienisch von anderen fremdsprachlichen Angeboten abheben und profilieren kann, sind für zukünftige Lehrpläne folgende Bereiche Desiderata:
Antikes Erbe (vermittelt durch den Unterricht in einer modernen Sprache),
Renaissance und europäische Identität,
Entwicklung der Architektur und der Kunst,
Entwicklung der Wissenschaft,
Musik: Oper, Popularmusik: „canzoni“,
Autos und Fußball: spezifische Themen zur Jungenförderung,
Transkulturalität und gegenwärtige Immigration nach Europa,
Sprachbewusstheit: dialektale Gliederung / Regionalsprachen und Bilinguismus / ethnische Minderheitensprachen, Italienisch und migrationsbedingte Mehrsprachigkeit,
Sprachlernkompetenz: hoher Grad der Übereinstimmung von Graphie und Phonie bei gleichzeitig ausdifferenziertem morphosyntaktischem System: Italienisch als Zugang zu weiteren romanischen Sprachen.