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5.2 | Lehrwerke im Italienischunterricht
ОглавлениеDas Lehrwerk als Leitmedium des Unterrichts Das Medium LehrbuchLehrbuchSiehe Lehrwerk bzw. LehrwerkLehrwerk ist ein wesentlicher Faktor des gesteuerten Fremdsprachenlernens. In der Erwerbsphase des Fremdsprachenunterrichts hat es mit seiner zentralen Stellung eine den Unterricht stark modellierende Funktion, so dass es häufig als Leitmedium des Unterrichts bezeichnet wird. Inhaltlich spiegelt das Medium die zur Zeit seiner Erarbeitung gültigen amtliche Bestimmungen für den Unterricht. Es beeinflusst mit seiner Konzeption den Unterricht jedoch direkter als Lehrpläne, denn es strukturiert den Lehrgang unmittelbar hauptsächlich durch die Progression der didaktischen Einheiten, die besonders im Bereich der Grammatik, aber auch in Bezug auf die anderen sprachlichen Mittel und die kommunikativen Fertigkeiten deutlich wird.
Aktuelle Lehrwerke Im Vergleich zur Anzahl der Englisch- oder Französischlehrwerke, die auf dem deutschen Markt zur Verfügung stehen, ist das Angebot an Lehrwerken für den gymnasialen Italienischunterricht in der Sekundarstufe I und II – nur dort spielt er, abgesehen von der Erwachsenenbildung, eine bedeutende Rolle – geringer. Da das Italienische nicht an allen Schulen als Schulfach angeboten wird, scheint die kostenintensive Erarbeitung eines Lehrwerks nicht jedem Schulbuchverlag rentabel. Häufig eingesetzt werden gegenwärtig Appunto 1–3 (Jäger / Mörl, ab 2006), In piazza 1–2 (Schmiel / Stöckle, ab 2012), Scambio (Bernhofer et al., ab 2015) und Ecco (Lindemann / Volk, ab 2015).
Definition Lehrwerk Anders als ein Lehrbuch, das Texte und Übungen für das Fremdsprachenlernen in nur einem Band darbietet, ist ein für den Fremdsprachenunterricht entwickeltes Lehrwerk ein komplexes Produkt. Es umfasst in der Regel mehrere, in Jahrgangsbände gegliederte Bestandteile, die teils für Lernende und Lehrkräfte, teils nur für Lehrerinnen und Lehrer abgefasst sind. Kernbestand eines Lehrwerks sind die sog. SchülerbücherSchülerbuch, die einer gewählten Progression folgend Texte mit grammatischen, lexikalischen und kulturellen Inhalten in didaktischen Einheiten bzw. LektionenLektion gebündelt präsentieren. Plateauphasen ohne Progression und fakultative Lektionen bzw. Texte vervollständigen normalerweise den obligatorisch durchzunehmenden Bestand. Die Schülerbücher werden ergänzt und begleitet von verschiedenen Komponenten, die im Unterricht nebeneinander verwendet werden. Dazu gehören Übungshefte, Lehrerhandbücher, Selbstlernmaterialien, Vorlagen für Testaufgaben, Kompetenz- bzw. Prüfungstrainer, Folien, Tonträger und computergestütztes Material. Separate Grammatische Beihefte gibt es nicht zu allen Lehrwerken, da teilweise, wie z.B. in Appunto (Jäger / Mörl, ab 2006), die Beschreibung der grammatischen Inhalte in das Schülerbuch integriert wird.
Grundlagen der Konzeption Lehrwerke für den Italienischunterricht an deutschen Gymnasien werden von Autorenteams im Auftrag von Schulbuchverlagen verfasst. Um auf dem Schulbuchmarkt konkurrenzfähig zu sein und in den für den Unterricht an öffentlichen Schulen gültigen Zulassungsverfahren zu bestehen, müssen die Produkte an aktuelle fachdidaktische Positionen und die bildungspolitischen Richtlinien der einzelnen Bundesländer angepasst sein (vgl. Michler 2005a; 2016b). Die Lehrwerkautoren sind also gehalten, die Vorgaben der verschiedenen Lehrpläne in Einklang zu bringen und ihnen konkrete, unterrichtspraktisch realisierbare Inhalte zuordnen.
Trotz der anerkannt führenden Rolle von Lehrwerken im Unterricht entzündet sich immer wieder eine Debatte um das Für und Wider eines lehrbuchgesteuerten Fremdsprachenunterrichts (vgl. Michler 2005a, 17ff.; Grünewald/ Küster 2009, 150). Kritisiert wird zum einen das relativ schnelle Veralten v.a. der landeskundlichen Inhalte (vgl. Problem ‚Zeitgebundenheit‘, S. 69). Zum andern verurteilen nicht nur die Anhänger des KonstruktivismusKonstruktivismus, die sich prinzipiell gegen einen lehrwerkbasierten Unterricht aussprechen, den verhältnismäßig beschränkten Spielraum für eine flexible Nutzung, die hauptsächlich durch die lehrwerkimmanente Progression verhindert wird. Beanstandet werden zum Dritten die oft noch zu seltenen Möglichkeiten, auf individuelle Lernbedürfnisse einzugehen und binnendifferenzierende MaßnahmenBinnendifferenzierung zu ergreifen.
BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND KULTUS, WISSENSCHAFT UND KUNST Kriterien zur Begutachtung von Lernmitteln (Stand: Mai 2016) 2.2 Grundsätzliche Kriterien 2.2.1 Schulbücher müssen klar strukturiert sein das selbstständige Lernen ermöglichen 2.2.2 Grundlage für das Gutachten bildet die Verordnung über die Zulassung von Lernmitteln (ZLV) in der jeweils neuesten Fassung. 2.2.3 Schulbücher müssen gemäß §. 1 ZLV eigens für Unterrichtszwecke zur Erreichung der in den Lehrplänen festgelegten Ziele, Inhalte und Kompetenzen herausgegeben sein, die zum Lernergebnis führenden Überlegungen, Ab- und Herleitungen enthalten und entsprechende Lernprozesse anregen, als Lehr- und Nachschlagewerk verwendbar sein, den gesamten Stoff eines Schuljahres oder Ausbildungsabschnitts für ein bestimmtes Unterrichtsfach enthalten, soweit nicht zwingende fachliche oder pädagogische Gründe einen geringeren oder vermehrten Stoffumfang erfordern (ggf. sind zwingende fachliche oder pädagogische Gründe anzugeben) und nach ihrer äußeren Beschaffenheit für einen mehrjährigen Gebrauch geeignet sein. Sie dürfen insbesondere keinen Raum (Leerstellen) für Eintragungen durch die Schülerin bzw. den Schüler enthalten. |
Abb. 5.2
Kriterien für die Begutachtung von Lehrwerken (Auszug) (www.km.bayern.de/…/7432_allgemeiner_kriterienkatalog_stand_mai_2016.pdf, 4f.; 07.07.2018)
Kritik am Lehrwerk Trotz solch grundlegender Kritik zeigt sich die Bedeutung eines Lehrwerks für die direkte Gestaltung des Italienischunterrichts in den impliziten Leistungen für Lehrende und Lernende. Für die Lehrkräfte bedeuten die Systematisierung, die didaktische Aufbereitung der Unterrichtsinhalte und die Vielfalt der Begleitmaterialien eine erhebliche Arbeitsentlastung. Lehrkräfte und Lernende werden von Lehrwerken in der Bestimmung des Lernfortschritts durch die Orientierungshilfe in Bezug auf den Lernstoff unterstützt. Damit wird unter anderem z.B. ein eventueller Schulwechsel erleichtert. Die verschiedenen Komponenten eines Lehrwerks belegen den aktuellen Sprachgebrauch, erklären landestypische kulturelle Besonderheiten und enthalten ausgewählte Beispiele der fremdsprachigen Literatur und Musik. Zusätzlich verweisen sie auf Arbeitstechniken und Nachschlagemöglichkeiten, u.a. auf Internetseiten, anhand derer die Benutzer Wissen und Fertigkeiten anwenden und vertiefen können. Bei entsprechender Gestaltung können Lehrwerke die Einstellung der Lernenden zur Sprache positiv beeinflussen und sie zur Beschäftigung mit der Sprache und den Ländern, in denen das Italienische einen muttersprachlichen oder gleichwertigen Status hat, ermuntern. Insbesondere fördern Lehrwerke die intrinsische Motivation der Schülerinnen und Schüler, wenn sie erkennen lassen, dass das im Italienischunterricht vermittelte sprachliche und kulturelle Wissen gezielt und nutzbringend eingesetzt werden kann.
Kriterien für LehrwerkanalysenDie Wirkung von Lehrwerken auf Unterricht, Lernende und Lehrende macht umfassende, differenzierte Lehrwerkanalysen (vgl. Michler 2005a ausführlich zu Französischlehrwerken) zu einem immer wieder aktuellen fachdidaktischen, unterrichtspraktischen und bildungspolitischen Desiderat. Für die von fachdidaktischen Überlegungen gesteuerte Überprüfungen von Italienischlehrwerken fehlen jedoch noch jenseits der amtlichen Zulassungsverfahren erschöpfende Analysen. Der auf Italienischlehrwerke bezogene brauchbare Kriterienkatalog in Christoph (2005, 58–61) muss vertieft und an neue fachdidaktische Tendenzen angepasst werden. Leitgedanke einer Untersuchung sollte sein, dass das Lehrwerk trotz seiner führenden Position im Unterricht ein Handwerkszeug ist, das von der Lehrkraft flexibel an die Belange des Unterrichts angepasst und in seiner inhaltlichen Aufbereitung regelmäßig aktualisiert werden muss.
Untersuchungsfelder für moderne Lehrwerke Untersuchungsfelder für moderne Lehrwerke sind:
Inhalte (v.a. sprachliche Mittel, Landeskunde),
Verhältnis von Übungen und Aufgaben,
Fertigkeitsschulung insbes. in Bezug auf Sprachmittlungsaufgaben,
grammatische, lexikalische und pragmatische Progression,
Wortschatz- und Grammatikpräsentation,
LerntechnikenLerntechniken bzw. LernstrategienLernstrategien,
Berücksichtigung mehrsprachigkeitsdidaktischer Aspekte,
InterInterkulturalität- und TranskulturalitätTranskulturalität,
Förderung der Mündlichkeit,
multimediale Komponenten,
implizite Möglichkeiten, Sprache ganzheitlich zu erfahren,
lebensweltlicher Bezug,
Layout und optische Gestaltung,
Preis.
Im Einzelnen bedeutet dies die Überprüfung
des Ausmaßes und der Art der Förderung des mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauchs und des Aufbaus funktionaler-kommunikativer Kompetenzen,
der Darbietung der sprachlichen und metasprachlichen Phänomene,
der Präsenz von landeskundlichen, inter- und transkulturellen sowie literarischen Inhalten,
der Hilfe bei der Entwicklung von Methodenkompetenz durch Lernstrategien und Arbeitstechniken,
der Integration ganzheitlicher Sprachlernansätze und der Verwirklichung allgemeiner pädagogisch-sozialer Zielsetzungen,
des Layouts, der Illustrationen,
des Vorhandenseins von notwendigen Bestandteilen für Schüler und Lehrkräfte.
Bestandteile für Lehrkräfte Unverzichtbar für die Zielgruppe der Lehrkräfte sind
Beschreibung der Konzeption des Lehrwerks,
Empfehlungen für die Darbietung der Unterrichtsgegenstände,
erweitertes Übungs- und Aufgabenangebot auch zur Leistungsmessung,
Lösungen zu allen Übungen,
vertiefende landeskundliche Informationen und Verweise auf ergänzende Quellen,
Programm zur Übungserstellung mit computergestützten Medien,
zusätzliches didaktisches Material (z.B. Folien; Tonträger; Kompetenztrainer),
weiterführende allgemeine und didaktische Literatur.
Bestandteile für Lernende Wesentliche Komponenten für die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler sind
der intellektuellen und sprachlichen Entwicklung der Lernenden angemessene, authentische und speziell angefertigte Texte, die den zu erlernenden Sprachgebrauch in unterschiedlichen, dem weiten Textbegriff entsprechenden Textsorten ausreichend belegen,
Illustrationen, die motivieren, Gedächtnisstützen sind, die fremde Wirklichkeit veranschaulichen und Sprechanlässe bieten,
ein als Arbeits- und Lernmittel geeigneter chronologischer Vokabelteil, der zusätzlich zu den italienisch-deutschen / deutsch-italienischen Wortgleichungen Hinweise auf Parallelen zu anderen (Schul-)Sprachen (vgl. Abb. 5.3), intrasprachliche Querverweise (z.B. auf Wortfamilien) gibt und / oder auf häufige Fehlerquellen verweist, und zumindest am Anfang auch phonetische Transkriptionen enthält, damit das Vokabelverzeichnis von den Lernenden eigenständig genutzt werden kann,
eine der Progression des Schülerbuchs folgende Darstellung der grammatischen Inhalte, in der die Regeln einsichtig und schüleradäquat beschrieben sowie durch klare Beispiele belegt werden; ergänzende Hinweise auf Zeichensetzung, Wortbildung und Präpositionen sind zweckmäßig,
Übungen und Aufgaben, die zur Festigung, freien Anwendung und Wiederholung der Inhalte des Sprachunterrichts befähigen. Da im modernen Fremdsprachenunterricht die LernerautonomieLernerautonomie eine bedeutende Rolle einnimmt, sind Lösungsschlüssel zur Selbstkontrolle für die Schülerinnen und Schüler erforderlich,
Vorstellung und Einübungsmöglichkeiten von LernstrategienLernstrategien und ArbeitstechnikenArbeitstechniken, die auf verschiedene LernertypenLernertyp zugeschnitten sind und der Eigenständigkeit der Lernenden entgegenkommen,
Tonaufnahmen der Lehrwerktexte und ausgewählter Übungstexte für das Hörverstehen, weiteres auditives Material,
Nachschlagekomponenten, z.B.: Inhaltsverzeichnis mit klar benannten pragmatischen und grammatischen Zielen sowie methodischen Kompetenzen und ausgewiesenen Wiederholungssequenzen; zweiteiliger (italienisch-deutsch / deutsch-italienisch) alphabetischer Vokabelteil, in dem die Erstbelege des jeweiligen Eintrags vermerkt sind; (Begriffs-)Register zur Grammatik; Erläuterungen der phonetischen Transkriptionszeichen; Hinweise auf die phonische Funktion der Grapheme der Fremdsprache; Zusammenstellungen von wichtigen Ausdrücken für den Klassenraumdiskurs; Abkürzungs- und Symbolverzeichnis; (kleines) Wörterbuch zur Landeskunde; Karten, Stadtpläne; Internetadressen etc.
Die Fülle der Untersuchungsobjekte bzw. -gesichtspunkte hat zur Folge, dass Lehrwerkanalysen je nach Schwerpunkt in der Regel unterschiedliche Befunde erbringen.
Abb. 5.3
Verweise auf Parallelen zu anderen Sprachen im chronologischen Vokabelteil (Schmiel/ Stöckle 2012, 169), © C. C. Buchner Verlag, Bamberg.
Problemfeld ‚authentisches Textmaterial‘ Die didaktische Forderung nach authentischem Textmaterial ist speziell für den Anfangsunterricht nur mit Schwierigkeiten bzw. Einschränkungen erfüllbar und verlangt Kompromisse. Passende authentische Texteauthentische Texte, die den Lerner nicht durch Überforderung demotivieren, sind nicht einfach zu finden. Folglich überwiegen in den Bänden für das erste und oft auch das zweite Lernjahr in der Regel didaktisierte Textedidaktisierte Texte, die sprachlich dem Lernstand und der von den Lehrwerkautoren gewählten Progression verpflichtet sind, inhaltlich jedoch nicht immer den Interessen der jugendlichen Lerner entsprechen. Bei modernen Lehrwerken kann indes ein Trend zu mehr authentischem Textmaterial (Lieder, Auszüge aus Jugendliteratur, aus Filmen etc.) festgestellt werden.
Problemfeld ‚sprachliche Norm‘ Ein weiteres Problemfeld eröffnet sich mit der Frage nach der zugrunde liegenden sprachlichen NormNorm, die für die sprachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler verantwortlich ist. Leitlinie der Lehrwerke und folglich des im Schulunterricht gelehrten Italienischen ist gemeinhin eine weithin akzeptierte Norm, die sich an den Sprech- und Schreibgewohnheiten des überwiegenden Teils der Italophonen orientiert, d.h. ein neutrales Register (italiano standard), das in ganz Italien mit Erfolg eingesetzt werden kann. Damit stehen die Lehrwerke im Einklang mit den Vorgaben von Lehrplänen zu kommunikativer Kompetenz.
Die Befähigung namentlich zur mündlichen Kommunikation schließt jedoch auch solche phonetischen und grammatischen, vor allem aber pragmatischen und lexikalischen Inhalte ein, die die Lernenden in die Lage versetzen, mündlich mit Gleichaltrigen, die sich oft in einem speziellen, schnellen Wandlungen unterworfenen Code unterhalten, in Kontakt zu treten. Auf das für Schülerinnen und Schüler attraktive Register der italienischen Jugendsprache (vgl. dazu beispielsweise Bernhard 2002; Mavellia 1991; Radtke 1993), die zahlreiche Merkmale des italiano popolare und des gergo enthält, verzichten Lehrwerke doch häufig, obwohl (Basis-)Kenntnisse von Elementen der Jugendsprache nicht nur Voraussetzung für die mündliche Kommunikation unter Gleichaltrigen sind, sondern auch für das Verstehen von vielen modernen Songs und Filmdialogen, von Gegenwartsliteratur (z.B. von Jugendromanen), Werbeslogans, Emails, Chat oder SMS.
Der starken Präsenz der Jugendsprache in vielen schriftlichen und mündlichen Kommunikationsbereichen italienischer Muttersprachler sollten die Lehrwerke also Rechnung tragen und ihr, zumindest was rezeptive Fertigkeiten betrifft, mehr Platz einräumen.
Problemfeld ‚Zeitgebundenheit‘ Lehrwerke haben eine durchschnittliche schulische Verwendungsdauer von ca. zehn Jahren. Daraus resultiert ein nicht unerhebliches Problem, denn als Produkte ihrer Entstehungszeit sind sie notwendigerweise zeitgebunden. Ihre ständige Erneuerung und Optimierung ist eine zwingende Aufgabe. Die Kurzlebigkeit ist erkennbar zum einen an Layout und Bebilderung, zum anderen an den Inhalten, und zum dritten an der Übungsgestaltung, deren Aufbereitung die jeweils dominierenden fremdsprachendidaktischen Methoden spiegelt. Gerade landeskundliche Inhalte veralten relativ rasch, so dass das bei der Konzeption aktuelle Material oft schon nach kurzer Zeit überholt ist und ein nicht mehr durchweg zeitgemäßes Bild Italiens bietet, was bei Lernenden häufig zu Motivationsverlust führt. So kann beispielsweise das lange an vielen Schulen verwendete Lehrwerk Capito (Jäger / Schmidt ab 1993) trotz seiner Verdienste mit seinen Illustrationen heute genauso nicht mehr überzeugen wie mit den Verweisen auf die Serie „Derrick“ im italienischen Fernsehen, dem Song Latin lover von Gianna Nannini aus dem Jahre 1982 (Jäger / Schmidt 1993, 94f.) und mit den im Vergleich zu Aufgaben, die zum freien Sprachgebrauch anregen, verhältnismäßig häufigen Lücken-, Zuordnungs- und Einsetzübungen.
Übungs- und Aufgabenarten ÜbungenÜbungen und AufgabenAufgaben machen einen wesentlichen Teil von Lehrwerken aus. Vornehmlich Übungen sind zur Festigung der Unterrichtsinhalte unverzichtbar. Eine Kategorisierung erweist sich indes als problematisch, da es immer wieder zu Überschneidungen kommt (zur Übungstypologie vgl. Segermann 1992).
Häufig eingesetzt werden:
einsprachige, d.h. ausschließlich fremdsprachige Übungen, wie Einsetz- oder Komplementierungsübungen, auch Lücken- oder Ergänzungsübungen genannt (z.B. Completate con le forme dei verbi, in: Schmiel / Stöckle 2003, 66); Transformationsübungen, in denen vorgegebene Wortformen in Tempus und Numerus verändert werden sollen (z.B. … e che cosa non si fa … Trasforma gli ordini della zia, in: Jäger / Mörl 2007, 71); Einsetzübungen (z.B. Metti le … domande al passato prossimo, in: Schmiel / Stöckle 2012, 90; vgl. Abb. 5.4); Kombinationsübungen, durch die vorher selbständige Einheiten zu einer komplexen Einheit verbunden werden (z.B. Per farla breve. Unisci le seguenti frasi con il pronome relativo adatto, in: Jäger / Mörl 2006, 159); Zuordnungsübungen (z.B. Forma delle frasi e abbinale alle vignette, in: Lindemann / Volk 2015, 116);
einsprachige Aufgaben wie das Durchführen von Diskussionen, das Erstellen von Dialogen oder Kommentaren;
zweisprachige Übungen und Aufgaben, in denen das Deutsche und das Italienische zusammenwirken. Dazu zählen neben Übersetzungen ins Italienische bzw. aus dem Italienischen Sprachmittlungsaufgaben, die einen hohen Realitätsbezug in außerschulischen Verwendungszusammenhängen (z.B. Urlaub, Berufsleben) haben und die gleichermaßen die Verfügung über die Fertigkeiten Hörverstehen, Sprechen, aber auch Lesen und Schreiben verlangen;
kreative Aufgaben wie das Umwandeln eines Textes in eine andere Textsorte, das Erzählen aus einer anderen Perspektive, Rollenspiele o.Ä. als Simulation außerschulischer Realität u.v.a.m.;
spielerische Übungsformen, die für den Italienischunterricht als dritte oder spätbeginnende Fremdsprache altersgerecht ausgewählt werden müssen („Galgenmännchen“, Wort- oder Satzketten, Domino-, Memoryspiel, Wortschlangen, rhythmische Spiele zur Einübung der Intonation oder bestimmter Laute in ihrer Abfolge).
Abb. 5.4
Einsetzübung (Schmiel / Stöckle 2012, 90), © C. C. Buchner Verlag, Bamberg
Anforderungen an Übungen und Aufgaben Die Anforderungen an Übungen und Aufgaben in Lehrwerken sind vielfältig. Sie betreffen neben einer ansprechenden optischen Aufbereitung die schlüssige Progression von Übungen hin zu (Lern-)Aufgaben (vgl. S. 73f.). Wünschenswert sind polyvalente Übungen, durch die verschiedene Unterrichtsgegenstände (z.B. Aussprache, Wortschatz, Grammatik) gleichzeitig gefestigt werden. Aufgaben sollen inhaltlich den lebensweltlich-altersbezogenen sprachlichen Bedürfnissen der Lernenden entsprechen (vgl. Abb. 5.5) und die spontane Anwendung der Fremdsprache von Beginn an vorantreiben. Eine erkennbare Abwechslung in Schwierigkeitsgrad, Ansprüchen und Sozialformen bei den Übungs- und Aufgabenarten ist genauso wünschenswert wie eine Auflockerung durch Illustrationen, die als visuelle Stimuli überdies oftmals für die Lösung unerlässlich sind.
Paolo, ein Gastschüler aus Turin, kommt neu in eure Klasse. Begrüßt ihn, stellt ihm Fragen, stellt euch und eure Klassenkameraden vor. Ihr wollt ihm eure Stadt zeigen. Erzählt ihm, was ihr heute mit ihm am Nachmittag macht. Spielt die Szene anschließend vor. |
Abb. 5.5
Aufgabe mit lebensweltlichem Bezug (nach Lindemann / Volk 2015, 19)
Perspektiven Immer häufiger wird bei der Konzeption und Produktion von Lehrwerken die Digitalisierung berücksichtigt. Für das Lehrwerk Ecco (Lindemann / Volk 2015) liegt beispielsweise nicht nur eine gedruckte Fassung vor. Auch die Lizenz für das E-Book kann erworben werden (www.scook.de/scook/information; www.cornelsen.de/e-books/1.c.4388368.de?root_node=¤t_node=&such_quelle=suchfeld&freitext=&bundesland=&schultyp=&fach=I; jeweils 07.07.2018), so dass Ecco in Klassen genutzt werden kann, die hauptsächlich mit Laptops oder Tablets arbeiten. Die digitalisierte Fassung ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, beispielsweise Notizen hinzuzufügen oder Passagen zu markieren, was in gedruckten Büchern, die von der Schule lernmittelfrei zur Verfügung gestellt werden, nicht erlaubt ist. Für bestimmte Schulfächer (z.B. Geschichte) liegen außerdem bereits interaktive multimediale Schulbücher (mBook) vor, die Text, Bilder, Filme, Ton, Animation zusammenbringen.
ZusammenfassungLehrwerke sind mindestens in der Spracherwerbsphase Grundlage des Italienischunterrichts. Sie sind für Lehrkräfte Orientierungshilfe und Entlastung bei der Arbeit, für Lernende Motivationsträger, die Lernsicherheit geben. Um Mängel der Lehrwerke auszugleichen, ist ein flexibler Umgang mit dem Lehrwerk genauso notwendig wie seine Ergänzung durch zusätzliches Textmaterial bzw. multimediale Komponenten. Problematisch ist das schnelle Veralten v.a. von landeskundlich-kulturellen Inhalten. Trotz der Einwände gegen einen lehrwerkbasierten Unterricht ist ein Abrücken vom Lehrwerk als Leitmedium des Unterrichts in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Eine Hinwendung der im Italienischunterricht verwendeten Lehrwerke zu AufgabenorientierungAufgabenorientierung und KompetenzförderungKompetenzförderung, v.a. Methodenkompetenz durch Lernstrategien und Arbeitstechniken, muss deshalb konsequent erfolgen. Umfassende, auf alle Inhalte und Komponenten bezogene Analysen von Italienischlehrwerken dürfen nicht länger nur ein Desiderat sein, sondern müssen zeitnah realisiert werden.