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3.2 Universalien in der Geschichte der Ethnologie: Dauerbrenner und ungeliebtes Kind

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Die Ethnologie ist ein in sich polarisiertes Fach (Peacock 2001:95f.). Am einen Extrem steht die stark partikularistische, an der stationären und lokalisierten Feldforschung ausgerichtete Ethnologie. Sie begegnet jeglicher Generalisierung mit notorischem Zweifel, so wie Indonesier sagen würden: „Lain desa, lain adat“ (in etwa: „Ein anderes Dorf, eine andere Gewohnheit“). Am anderen Extrem steht die verallgemeinernde anthropologisch ausgerichtete Ausrichtung. Ähnlich wie Philosophen und Psychologen suchen Ethnologen nach Generalisierungen. Ethnologen verallgemeinern aber auf einer breiteren empirischen Basis. Statt vorwiegend westliche oder gar nur die amerikanische Gesellschaft einzubeziehen, werden Kulturen der ganzen Welt herangezogen, zumindest im Prinzip.11 Die folgenden Äußerungen von Edmund Leach (1911-1975) und Melvin Konner kennzeichnen eine wissenschaftsgeschichtlich durchgehende Ambiguität in der Grundhaltung von Ethnologen zum Verhältnis von Universalien und Partikularien:

“Anthropologists of all kinds are greatly concerned to understand just what, if anything, is universally true of human society” (…) „Nearly all contemporary social anthropologists are cultural relativists to some degree … .“ (Leach 1982:179; 232; zweite Hervh. CA)

„Although the main subject of cultural anthropology has been cross-cultural variation, it has always had an inevitable, if tacit, complement: things about human life that vary little or not at all.“ (Konner 2003:440)

Universale Themen animierten die Ethnologie bis in die 1950er Jahre. Ethnologen behandelten neben ethnographischen Themen explizit auch anthropologische Fragen. Sie hatten als Leser ihrer Werke nicht nur Kollegen und Studenten, sondern auch die gebildete Öffentlichkeit und Führungspersonen im Sinn (Hart 2008:11). Seit den 1960er Jahren sind die Studien in der Regel eng lokal ausgerichtet und die Kollegen stehen Universalien skeptisch bis ablehnend gegenüber. Heute sind Ethnologen, die neben Lokalstudien konstant auch übergreifende Menschheitsfragen im Auge haben, wie Sidney Mintz, Jack Goody und Thomas Hylland Eriksen, sehr selten. Clifford James Geertz (1926-2006) als führender Vertreter tat dies zwar auch immer wieder (z.B. Geertz 2000, 2007), aber er sagt ganz unmissverständlich:

“If you want a good rule-of-thumb generalization from anthropology, I would suggest the following: any sentence that begins 'All societies have…' is either baseless or banal." (Geertz 2000:134f.)

Viele gründen ihre Vorbehalte auf der Ansicht, dass Universalien entweder nicht existent, banal oder unwichtig seien. Entsprechend dünn ist die Literatur zu Existenz, Eigenart, und Relevanz von Universalien (Brown 2000:156). Was sind die Hintergründe für diese überraschende Situation? Sie erstaunt, denn weltweite kulturelle Ähnlichkeiten sind ein altes Thema und die Suche nach den Ursachen hat in der Ethnologie Tradition. Universalistische Interessen lassen sich schon in der Proto-Geschichte der Ethnologie (Stocking 1998) finden. Was ist Menschen sozial und kulturell gemeinsam und was unterscheidet sie? „Diese Frage stand Taufpate bei der Geburt des Fachs, sie bleibt eine seiner Grundfragen auch für die Zukunft ... .“ (Gingrich 1999:275)

Dichotomien als Bremse

Ethnologie ist in zweifachem Sinn eine universale Wissenschaft (Godelier 1994:97). Erstens ist sie – zumindest im Verständnis vieler Vertreter – eine Wissenschaft, die überprüfbare Aussagen anstrebt, egal ob diese durch amerikanische, japanische oder mexikanische Kollegen oder Kolleginnen getätigt werden. Zweitens schließt sie grundsätzlich keine Gesellschaft aus ihrem Gegenstand aus und fragt nach Mechanismen, die in sämtlichen menschlichen Gesellschaften vorliegen. Als explizites Forschungsgebiet bleiben Universalien dagegen meist ein Nebenschauplatz. Ethnologen suchen primär Unterschiede, Verschiedenheiten, kulturspezifische Muster sowie kulturelle Differenz. Darin ähneln Ethnologen Vertretern der interkulturellen Kommunikationforschung, eine Fachrichtung, die vor allem in ihren angewandten Versionen dazu neigt, z.B. transkulturelle Aspekte menschlichen Handelns auszublenden (vgl. Eckensbergers Kritik 1996:171ff.).

Auch wenn ich im Folgenden des Öfteren partikularistische und universalistische Strömungen unterscheide und nur die allgemeinen Linien der Forschungsgeschichte aufzeigen will, so geht die Fachgeschichte nicht in diesem binären Gegensatz auf. Die Geschichte der Ethnologie zeigt ein komplexeres Bild. Selbst bei gröbster Unterscheidung müssen mindestens drei große Linien unterschieden werden, die in den Anfängen der Ethnologie koexistierten (Adams 1998:5f.) und zum Teil bis heute wirken. Partikularistische Richtungen konzipieren das Andere oder die Anderen als Nichtmitglieder einer imaginierten Wir-Kategorie (Other as not-Us), während komparative Strömungen Andere als Beispiele früherer Formen des Eigenen sehen (Other as previous Us). Universalistische Richtungen konzipieren das Andere als Teil der imaginierten Wir-Gruppe (Other as Us). Beispiele für partikularistische Richtungen sind der Deutsche Idealismus und Ruth Benedicts (1887-1948) Konfigurationalismus (Benedict 1955, 2006). Vertreter komparativer Theorien sind z.B. Primitivismus, Fortschrittstheorien und Sozialevolutionismus; als Beispiele universalistischer Strömungen können Naturrechtstheorien, die Schottische Moralphilosophie und unter den neueren Ansätzen der Lévi-Strauss´sche Strukturalismus gelten. Manche Theorien verbinden mehrere dieser Grundströmungen wie der Marxismus, der universalistisch ist – in seinem Kausalmodell – und gleichzeitig komparatistisch – in der Verwendung der diachron vergleichenden Methode im evolutionistischen Sinn.

Naturrechtstradition und explizite Menschenbegriffe in der Vorgeschichte der Ethnologie

Universalistische Interessen gehen in Form philosophischer Theorien zu Naturgesetzen und vor allem zum Naturrecht (natural law) bis zu den Philosophen der Antike zurück. Die Naturrechtsideen waren sehr verschieden und teils auch diffus. Der gemeinsame Nenner war die Annahme, dass es Bräuche und Überzeugungen gebe, die (a) universal sind, (b) inhärent vernünftig sind und (c) deren Ursache außerhalb des menschlichen Willens liegt. Der Ethnologiehistoriker William Yewdale Adams (*1927) zeichnet die Naturrechtsidee und ihre Varianten – naturalistische vs. konsensuelle, daneben intuitive, explizite, teleologische, deskriptive und normative – bezogen auf Ethnologie und ihre Vorgeschichte detailliert nach (Adams 1998:113-198). In der Ethnologie lassen sich Übernahmen aus verschiedenen Naturrechtstraditionen zeigen. Aus der naturalistischen Naturrechtstradition wurde von den Griechen (und direkter aus dem 18. Jahrhundert) die Erklärung menschlichen Verhaltens mittels biotischer Ursachen übernommen. Die Erklärung menschlicher Kultur mittels sozialer Gründe geht dagegen auf die konsensualistische Denkschule, besonders auf die Moralphilosophie des 18. Jahrhunderts zurück (Adams 1998:174f.). Auch wenn viele Ethnologen die Wörter „universal“ und „Naturrecht“ strikt vermeiden, bilden Konzepte, die den alten Naturgesetz- und Naturrechtstheorien ähneln, nicht nur eine Basis des Evolutionismus (vgl. Carneiro 2003, Sanderson 2007), wie ich im Folgenden erläutere, sondern ein Basisfundament ethnologischer Theorie überhaupt:

„If it is not the stoutest of anthropology´s roots, it is at least the deepest.“ (…) „Our basic, categorial framework for analyzing culture, harking back as it does to Las Casas and Lafitau, at least implies an intuitive belief in human universals.“ (Adams 1998:187,191)

Schon lange vor der Aufklärung machten seit der Renaissance Vorläufer der Ethnologie vergleichende Betrachtungen zur Daseinsgestaltung von Menschengruppen. Johannes Böhm (auch Boemus, Bohemus Aubanus, um 1485 – ca.1534) ordnete in seinem 1520 erschienen Werk „Omnium gentium mores, leges, et ritus“ die Beschreibungen z.B. unter den vergleichenden Überschriften „gentes“, „mores“, „leges“ und „ritus“ (Jensen 1999:54f.). Obwohl noch kaum systematisiert, wurden universale Kategorien verwendet. Einen entscheidenden Schritt machte der holländische protestantische Theologe Hugo Grotius, ein wichtiger Begründer der Naturrechtstheorie, in seinem Buch „De jure belli ac Paces“ (1625), das unter dem Eindruck der Gräuel und Rechtlosigkeit des Dreißigjährigen Kriegs entstand. Das Werk war eine säkulare Analyse zum Recht auf der Basis eines bewusst explizierten Menschenbilds (Kapp 1983:146f.). Grotius kombinierte dies mit einer quasievolutionistischen Stadientheorie.

Grotius stand in der aristotelischen Rechtstradition und sah Menschen als inhärent soziale Wesen. Ihre fundamentale Gesellschaftlichkeit und Gegenseitigkeit erfordere, dass Menschen miteinander auskommen müssen. Grotius schrieb im Gefolge der Stoiker von einem „… geselligen Trieb zu einer ruhigen und nach dem Maß seiner Einsicht geordneten Gemeinschaft mit seinesgleichen … .“ (Grotius 1950: 32) Sämtliche Naturrechte entstehen nach Grotius also durch die Notwendigkeit von Menschen, in Kollektiven zu leben, wobei die Gesellschaft von ihm als quasi rationaler Akteur reifiziert wurde. Wie Adams herausstellt, war diese Erklärung Grotius´ ein Novum. Statt sie auf Gott oder Absichten der Natur zurückzuführen, erklärte er universal verbreitete Verhaltensweisen und Überzeugungen erstmals aus genuin gesellschaftlichen Notwendigkeiten (Adams 1998:146ff.,189; vgl. Hodgen 1964).

In der Aufklärung gab es das Konzept eines consensus gentium, die Vorstellung einer Art Konsens der gesamten Menschheit. Dieser Konsens bezeichnet bestimmte Dinge, die alle Menschen für wirklich, richtig, gerecht oder angenehm halten. Diese Idee reicht mindestens bis zu der Naturrechtstheorie der Römer zurück, die ein allgemeines Recht des Menschen als ius gentium entwickelten (Adams 1998:126-130,135-147). Geertz stellt heraus, das diese Konzepte natürlichen Rechts damit verbunden waren, dass die Autoren ihre Universalität nicht nur als tatsächlich gegeben, sondern meistens auch als richtig, gerecht und angenehm ansahen (Geertz 1992:62). Die Pioniere der Ethnologie des 19. Jahrhunderts waren fast sämtlich Juristen oder Rechtshistoriker – mit der wichtigen Ausnahme des autodidaktischen Philosophen Herbert Spencer (1820-1903). Sie interessierten sich für das Naturrecht. Insbesondere beriefen sie sich auf die Tradition des vergleichenden Studiums des allgemeinen Menschenrechts (ius gentium), die Hugo Grotius 1625 begründet hatte. Diese Ausrichtung stand im Mittelpunkt der Fortschrittstheorien besonders von Maine und John Ferguson McLennan (1827-1881). Als Positivisten und Agnostiker vermieden die Evolutionisten allerdings in aller Regel den Terminus „Naturrecht“ (natural law). Während Spencer eine einheitliche, axiomatische und teleologische Theorie der Evolution des Kosmos und Lebens versuchte, näherten sie sich dem Thema empirisch, statt Naturrecht philosophisch als ontologisches Problem zu sehen (Adams 1998:173). Mit Recht schließt Adams:

“Because of this development we cannot really speak of the persistence of naturalist doctrines within anthropology, but only of the survival, under other names, of natural law concepts and approaches.“ (Adams 1998:173)

Übergreifende Standardkategorien der Kulturbeschreibung

Nicht nur das Interesse an Universalien hat eine lange Tradition in der Geistesgeschichte, besonders in der Naturrechtstradition. Es existierten auch frühe Vorläufer der vergleichenden Darstellung von Kultur mittels Kulturkategorien. Schon in den den ethnographischen Passagen von Herodot (Herodotus von Harlikarnassos, ca. 490-430 v. u. Z.) finden wir nicht nur explizite Vergleiche. Seine Beschreibungen sind nach bestimmten Kategorien gegliedert (Nippel 1990:11-29, Müller 1997a:98-132; insbesondere 111112, vgl. auch Müller 1998). Diese Tradition ist schon bei Hekataios von Milet (ca. 500 v.u.Z.) angelegt. Neben diesen frühen Vorläufern entstand insbesondere aus dem eben skizzierten rechtsvergleichenden Interesse heraus schon früh Beschreibungskategorien, die als Vorläufer der berühmten Notes and Queries und der späteren explizit universalen Kulturkategorien der vergleichenden Ethnologie im Sinne Murdocks gelten können. Varenius´ (Bernhardt Varen) 1650 erschienene „Geographia Universalis“ (engl. Ausgabe „Cosmography and Geography, in Two Parts“, 1682) beinhaltete eine Liste von zehn Kulturmerkmalen (wiedergegeben bei Adams 1998:176). Schon recht modern waren die Kategorien, die 1724 vom Jesuitenpater Joseph-François Lafitau (1681-1740) in seiner diachron vergleichenden Beschreibung der Indianer („Moeurs des sauvages Amériquains, compareés aux moeurs des premiers temps“) verwendet wurden. Harris verdeutlicht die Kontinuität zu späteren Universalschemata mit einer Tabelle, die Lafitaus Kategorien aus dem frühen 18. Jahrhundert mit denen in Clark Wisslers (1870-1947) System der „allgemeinsten Inhalte menschlicher Kulturen“ bzw. des „Kulturschemas“ (cultural scheme) vom Beginn des 20. Jahrhunderts vergleicht (Abb. 10).


Abb. 10: Beschreibungskategorien von Kultur bei Joseph Lafitau und Clark Wissler (Harris 2001:17, Umsortierung nach Entsprechungen CA)

Evolutionismus, „psychische Einheit“ und Kulturparallelen

Spätestens seit die Ethnologie im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Industrialisierung, des Darwinismus, der Ausdifferenzierung der Wissenschaften, der Verwissenschaftlichung der Sozialwissenschaften und der imperialistischen Phase des Kolonialismus zu einem Fach an Universitäten und Museen wurde, interessierte man sich explizit für das Thema Universalien. Zunächst gab es universalistische Interessen aus partikularistischer Perspektive und mit pragmatischer Stoßrichtung. Es existierte ein romantisches Ideal, demgemäß eine Kultur durch Übernahme herausragender Errungenschaften anderer Kulturen zu einer „Universalkultur“ werden könne (Holenstein 1985b:104,114f.). Nach Friedrich Rückerts Vorstellungen war eben das die Rolle eines ausgewählten Volks. Diese Konzeption einer universalen Mischkultur scheiterte in der strikten Form der Universalsprache, wenngleich es approximative Teilverwirklichungen gab und heute das Englische dem nahe kommt.

Im 19. Jahrhundert, zu einer Zeit, als viele Wissenschaftler begannen, die Menschheit in Rassen oder gar Subspezies einzuteilen, betonten die evolutionistischen Altmeister der Ethnologie die Einheit der Menschheit (Morris 1987:99). In der evolutionistisch geprägten Frühphase war die „fundamentale Einheit des Menschengeschlechts“ (Geertz 1992:60) ein zentrales Dogma. Da die Menschheit nur einen Ursprung habe (Monogenese, „one race“), so das Argument, verlaufe die kulturelle Evolution auf den verschiedenen Kontinenten zwar in mehreren Linien, aber im Wesentlichen in ähnlichen Kanälen oder parallelen Bahnen (unilinear, unilineal). Das Einheitsdenken zeigt sich auch in der totalistisch aufsammelnden Kulturdefinition von Sir Edward Burnett Tylor (18321917). Auch wenn er nicht alle Kulturen als „Zivilisationen“ einstufte, so schloss er doch alles ein, was Menschen aller (!) Gesellschaften tun, denken und fühlen (Laughlin & D´Aquili 1974:198, Klass 2003:21). Die Gleichartigkeit zeige sich, so z.B. Tylor, in Ähnlichkeiten von Artefakten, Sitten, Mythen, Gleichheiten der Sprachen, in der Zeichensprache und einer „general likeness“. Ähnlich wie Tylor konzeptualisierten Spencer und Lewis Henry Morgan (1818-1881) allgemeine universale Kulturmuster und benannten auch schon einige konkrete Universalien. Abgesehen von der Betonung der „Einheit der Menschheit“ boten Morgan und Spencer, wie auch Tylor, allerdings kaum Erklärungen für allgemeine oder spezifische Universalien (Murdock 1945/65:91). Dennoch waren die Evolutionisten des 19. Jahrhunderts von entscheidender Bedeutung für die Universalienforschung. Das gilt insbesondere für die späteren empirischen und systematisch vergleichenden Ansätze: „Eine ihrer Leistungen war daher, aufgrund der Vorstellung kultureller Universalien die Grundlage für die Methoden des transkulturellen Vergleichs zu schaffen.“ (Raum 1998:250; Hervh. i.O.)

Die klassischen Evolutionisten hatten also neben Hierarchien von Kulturen Universalien im Blick, aber sie bewerteten ihre Relevanz sehr verschieden. Tylor, der Gründervater der Ethnologie als universitärer Wissenschaft, konzipierte die „Ethnographie“ als umfassendes Studium des Menschen und erst später die „Ethnologie“ als distinkt kulturelle Anthropologie. Expliziter als Tylor, aber ohne dessen evolutionistische Deutung, hatte dessen Lehrer Adolf Bastian einander analoge Kulturphänomene als das „Beständige in den Menschenrassen“ postuliert. Er sprach von „ethnographischen Parallelen“. Bastian versuchte, mittels vergleichender Auflistungen von „Völkergedanken“ universale Kategorien herauszuarbeiten (Bastian 1881, vgl. Köpping 2005). Bastian hatte vor allem „Gleichartigkeiten und Übereinstimmungen der Vorstellungen“ im Blick, besonders in seinen Studien zu den „Elementargedanken“. Diese Elementargedanken kristallisieren sich historisch in spezifischen Mischungen zu „Völkergedanken“. Beispielsweise manifestiere sich das auf allen sechs bewohnten Kontinenten zu findende und unabhängig entstandene Schamanismuskonzept in verschiedensten Kulturen in modifizierter Form. Ein weiteres Beispiel sei die Konzeption des Bogens als Elementargedanke, der aus lokalen Varianten, den „Völkergedanken“, rückblickend zu abstrahieren sei (Bastian 1895, vgl. Fiedermutz-Laun 1990:117). Nach der Einsicht, dass der Zusammenhang von Elementar- und Völkergedanken nur durch Vergleiche zu klären sei, forderte er ähnlich wie Tylor komparative Studien (Chevron 2004:361).

Ähnliche Fragen, wenn auch mit teils ganz anderen Erklärungsansätzen, stellten sich auch weitere Schüler Bastians und Vertreter der Kulturlehre und der Kulturmorphologie. Richard Andree suchte solche Parallelen empirisch (Andree 1889; vgl. Chevron 2004), während Leo Frobenius (1873-1938), obwohl sonst jeder Universalisierung skeptisch gegenüberstehend, die Vorstellung von einer grundlegenden Kulturkonstante verfolgte, die er „Paideuma“ bzw. „Kulturseele“ nannte (Frobenius 1921). Er verstand darunter eine organische ganzheitliche Entität, eine Art universales ontisches Prinzip menschlichen Geistes (Köpping 2005:121). So wie Frobenius sah auch der Kulturmorphologe Adolf Elegaard Jensen die Kernfrage der Ethnologie im Verstehen von Kulturparallelen. „Wie können wir uns eine so weitgehende Übereinstimmung in dem wichtigsten Lebensbereich verschiedener Völker über diese weiten Entfernungen hin erklären?“, fragte er (Jensen 1949:55, nach Chevron 2004:186).

Im 19. Jahrhundert wurde insbesondere die „psychische Einheit der Menschheit“ (so der Terminus bei Bastian) bzw. „psychische Einheit des Menschengeschlechtes“ (psychic unity of mankind bzw. of humankind, of humanity) zur Grundannahme, auch bei Diffusionisten (vgl. Fiedermutz-Laun 1990, Silverberg 1978:283, Acham 2001:106f.,, Köpping 2005). Danach bilden Menschen eine Einheit, die über die rein biotische Einheit hinausgeht, auch wenn sie gleichzeitig spirituell keine Einheit bilden (Job 2006:1252). Vorläufer dieses Konzeptes gab es im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert. Ähnliche Vorstellungen existierten aber schon in der griechischen Stoa, in Ciceros „Humanitas“, im Ideal des kosmopolitischen universalen Menschen der Renaissance und in der Idee der „Bruderschaft der Menschheit“ in der Aufklärung (Köpping 2005), ja evtl. sogar schon in den Stadtstaaten Mesopotamiens. Wichtige Autoren in dieser Hinsicht sind Condorcet, Forster, Herder, Charles de Secondat (1689-1755), Montesquieu (1689-1755) und Giambattista (Giovan Battista) Vico (1668-1744). Schon Michel (Eyquem) de Montaigne (1533-1592) hatte die Diversität der Menschen und Kulturen herausgestellt: „Die Ähnlichkeit macht nie so gleich, wie die Unähnlichkeit anders“ (de Montaigne, 1996:843). Er übersah dabei aber universelle Aspekte nicht, womit er früh Konturen einer kulturvergleichenden Sozialwissenschaft aufzeigte.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird psychische Einheit aber mit wenigen Ausnahmen, wie z.B. Lévi-Strauss, kaum je detailliert diskutiert. Stellenweise wird zustimmend auf psychische Einheit Bezug genommen, aber ohne dem Konzept irgendeine theoretische Substanz zuzusprechen. Dieses weit reichende Konzept wird von vielen Ethnologen zwar bis heute vertreten, aber zumeist nur implizit, als bequemer, aber wenig aussagekräftiger Konsens oder als Mittel gegen das rassistische Auseinanderdividieren der Menschheit (Silverberg 1978:282). Das Konzept der psychischen Einheit gilt vielen als überkommenes Kind des 19. Jahrhunderts, statt es als Basis des gesamten Projekts der Kulturanthropologie und unerfülltes Forschungsprogram zu sehen. Job schreibt treffend: „Today the phrase mostly surfaces in anthropological writings as a throwaway concept.“ (Job 2006:1252)

Lévi-Strauss diskutierte die psychische Einheit zwar nicht explizit unter diesem Terminus, aber er unterstrich sie dadurch, dass er die Wissenssysteme nichtwestlicher Gesellschaften mit der Qualifikation einer „Wissenschaft des Konkreten“ (science de la concrète) auf dieselbe Stufe wie westliche Wissenschaft hob (Lévi-Strauss 1968, dazu Argyrou 2002, 2005:65,107). Insbesondere die kognitiven Aspekte psychischer Einheit wurden in der Ethnologie dennoch kaum ausdrücklich diskutiert12; Kultur und Denken wurden mehr und mehr getrennt gesehen. Es etablierte sich eine dichotome Trennung von Kultur als entweder rein privater, von der Lebenswelt abgetrennter Erfahrung oder Kultur als öffentlicher politischer Lebenswelt, wodurch die entscheidende, durch Kognition bedingte Verquickung aus den Augen verloren wurde (Shore 1996:11,39). Bis heute wird der Einfluss von Kultur auf Denken viel thematisiert, während der Rolle von menschlicher Kognition für Kultur kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird. Kognition wird fast nur als Kultur ermöglichende Instanz, ohne Einschränkungen gesehen, nicht aber als Faktor, der Kultur inhaltlich prägt (Sperber 2006:431). Entsprechend wurde die sog. psychische Einheit faktisch fast nur anhand von Verhaltensähnlichkeiten, die sich bei verschiedenen Kulturen angesichts ähnlicher Umstände zeigten, illustriert (Kearney 1984:67):

“Despite its fragmentation, the doctrine of psychic unity has gone largely unchallenged by the mainstream of anthropologists (…) Modern anthropologists tend to retain an unexamined version of the doctrine (of psychic unity, Erg. CA) as a matter of faith.“ (Shore 1996:29)

Ein Problem der Arbeiten zur psychischen Einheit liegt darin, dass fast nie klar unterschieden wird, ob mit psychischer Einheit universelle mentale Fähigkeiten bzw. Funktionen oder Mechanismen (z.B. das Unbewusste) oder die daraus entspringenden kulturellen Produkte im Glauben, in Handlungen oder Artefakten oder aberdie resultierenden Parallelen kulturellen Wandels gemeint ist (Silverberg 1978:282f.).

Disziplinierung, „anthropologische Nationen“ und Ausschluss universalistischer Ideen

Als eigene etablierte Wissenschaft der Kultur kristallisierte sich die Ethnologie erst Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts heraus. In der Naturgeschichte (natural history, natural science) des 18. Jahrhunderts war die Ethnologie noch inbegriffen, da es noch keine klare Trennung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften gab. Die damaligen Naturalists waren zugleich Geologen, Paläontologen, Zoologen, Botaniker, Pharmazeuten und Antiquarians. Entsprechend waren Studien zum Menschen gleichermaßen physisch anthropologisch wie kulturanthropologisch ausgerichtet. Eine neue Tierart wurde damals ganz selbstverständlich in ihren anatomischen und morphologischen Merkmalen als auch in ihrem Verhalten beschrieben. Hierfür wurden kategoriale Standardüberschriften verwendet, wie wir sie heute noch in Zoos finden. Eine neu entdeckte Kultur wurde so dargestellt, als sei sie eine neue Art. Neben dem Lebensraum des Volks wurde das physische Aussehen, die materielle Kultur und die Gebräuche („manners and customs“) beschrieben (Adams 1998:175). Der Rückgang universalistischer anthropologischer Interessen zugunsten kulturalistischer Einzelforschung hing maßgeblich mit der Etablierung der Ethnologie als Disziplin zusammen, denn sie führte erstens zur Herausbildung regionaler Ausrichtungen und zweitens zu nationalen Traditionen:

„… zunehmend wandelte sich die Anthropologie im Prozeß ihrer formalen Regionalisierung und Disziplinierung von der Universalienforschung am Menschen zu einer partikularen Ethnologie, die kulturelle Fremd- und Einzelphänomene studiert, ordnet und systematisiert.“ (Hauschild 2004:121)

Wie Thomas Hauschild, George Stocking folgend, herausarbeitet, entwickelte die Ethnologie in den Vereinigten Staaten, aber auch in anderen Ländern, z.B. in Deutschland, eine Art „Nationalcharakter“. Als „anthropologische Nationen“ hatten die nationalen Ethnologien eine Funktion bei der Bildung von nationalistischen Wir/Sie-Kategorien in ihren jeweiligen Ländern (Hauschild 2004: 122f.). In den USA war dies vor allem dem Einfluss von Franz Boas (1858-1942) geschuldet, während in Deutschland Adolf Bastian, der in Berlin den ersten Lehrstuhl für Ethnologie bekleidete, von zentraler Bedeutung war. Da Boas ein Schüler Bastians war, gehen partikularistische, antievolutionistische und antiuniversalistische Grundlinien der amerikanischen Cultural Anthropology maßgeblich auf Bastian zurück (Hauschild 2004:125; vgl. Chevron 2004:123-153). Ein weiterer wichtiger – evtl. sogar entscheidenderer (Somit 1992:282) – Faktor für diese Entwicklung war der Einfluss von Emile Durkheim (1858-1917), weil dieser soziale Tatsachen ausschließlich soziologisch erklären wollte.

Diffusionismus und Partikularismus

Mit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurden evolutionistische und universalistische Positionen zunehmend angegriffen. Die Kritik kamen von zwei Seiten: von zumeist britischen Diffusionisten und Museumsethnologen einerseits und von amerikanischen Partikularisten andererseits. Diffusionisten postulierten ein zum Evolutionismus alternatives Kausalmodell, während Partikularisten die überzogene Generalisierung aller universalistischen Modelle und die Spekulativität des Sozialevolutionismus attackierten. Das Konzept des Diffusionismus war ursprünglich von Tylor entwickelt worden. Er dachte sich Evolution zwar als prinzipiell unilinear, gestand aber zu, dass manche Entwicklungen auf kulturelle Entlehnung zurückgehen. Dies sei umso wahrscheinlicher, wenn Ähnlichkeiten komplexer Natur seien (Alland 1970:157).

Franz Boas dagegen, der aus Deutschland kommend die US-amerikanische Ethnologie auf der Basis idealistischer Philosophie revolutionierte, stand jeglichen Generalisierungen skeptisch gegenüber, allerdings nur insofern es Theoretisierungen waren, die nicht auf konkrete Daten gestützt waren (z.B. Boas 1938). Er wandte sich vor allem gegen die abstrakten Universalaussagen der Aufklärung des 18. Jahrhunderts und den sehr spekulativen Sozialevolutionismus Herbert Spencers. Er vertrat zwar selbst Fortschrittsideen, verband diese jedoch nicht mit bestimmten Gesellschaftstypen (Diamond 1976:49). Statt Kultur im Singular (Kultur „des Menschen“, Zivilisation „der Menschheit“) sah er Kultur vor allem im Plural: als Vielzahl einzelner Kulturen. Statt Parallelität ging es ihm um Partikularität. Er schätzte die Möglichkeiten des Kulturvergleichs als sehr begrenzt ein und erteilte der Suche nach Universalien schon früh eine sehr deutliche Absage (Boas 1896), auch wenn er später selbst komparativ arbeitete. . Er wollte ihre jeweiligen lokalen Lebenswelten und sozialgeschichtlichen Hintergründe ins Blickfeld nehmen. Den Hintergrund bildete seine humanitäre Grundhaltung, mit der er gegen Sozialdarwinismus, Rassismus (und Eugenik) eintrat und dafür den Kulturrelativismus betonte. Außerdem stand er unter dem Eindruck des damals extrem schnellen Wandels der Kultur der nordamerikanischen Indianer. Er trat gegen deren Assimilation an die amerikanische Dominanzkultur ein. Mit Bronislaw Malinowski, dem zweiten Nestor der frühen Ethnologie, teilte er die empirische Orientierung. Ganz anders als Malinowski war er aber ein „disziplinierter“ Ethnologe, der mit generalisierenden Aussagen eher sparsam war. Boas partikularistische Haltungen hatten eine enorme Auswirkung auf die Sozialwissenschaften (Degler 1991:84f.,104).

Die antigeneralistische Tendenz wird bis heute von vielen Strömungen der Ethnologie geteilt, welche in weitem Sinn diffusionistisch argumentieren, indem sie Diffusion gegen Evolution und Annahmen einer Natur des Menschen ausspielen wollen (dazu kritisch Bloch 2005: 7). Boas wie Durkheim hatten jedoch wiederum auch Ideen, die universalistische Studien förderten, denn beide unterstützen schon früh weltweit angelegte vergleichende Studien, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen (vgl. Klass 2003:22f.). Im Vorwort zu Margaret Meads Coming of Age in Samoa schreibt Boas, dass es Aufgabe der Ethnologen sei, verallgemeinernde Aussagen zu Kulturen so lange zu bezweifeln, bis sie kulturvergleichend überprüft sind (Boas 1928:xiv-xv).

Universalistische Positionen unter Boasianern

Aber Boas und seine Schüler hatten wie die Bastian-Schule auch ihre universalistischen Schattierungen (Hauschild 2004:125f.). Boas selbst war entgegen anders lautenden Aussagen alles andere als ein extremer Kulturrelativist. Boas wird immer wieder als Kulturrelativist eingeordnet, aber das trifft sein Werk nur teilweise, wie neuere Studien zu Person und Werk zeigen.13 Er war eben ein vielfältig interessierter Forscher und ein vielseitiger Mensch. So hatte er neben seinen kulturanthropologischen Interessen – als expliziter Antirassist! – durchaus auch Interessen an physischer Anthropologie. Außerdem war Boas zeitweise Herausgeber der naturwissenschaftlichen Zeitschrift „Science“. Boas vertrat auch nicht konsequent partikularistische Ansichten. Er befasste sich z.B. konkret mit universalen Erfindungen wie der Feuererzeugung durch Reibung und dem Kochen sowie einer Reihe von Glaubensvorstellungen (Boas 1938:165). In theoretischer Hinsicht nahm er durchaus noch allgemeine Verhaltensdispositionen ganzer Völker an. Boas sah dagegen aber, dass die psychische Einheit Universalien hervorbringen kann, die aus seiner Sicht als empirisches Argument gegen Rassismus verwendet werden können. Darüber hinaus hatte Boas neben seiner partikularistischen Ausrichtung auf einzelne Gesellschaften eindeutig auch universale Interessen. Er schrieb 1911:

„Observation has shown … that not only emotions, intellect, and will-power of man are alike everywhere, but that much more detailed similarities in thought and action occur among the most diverse peoples.” (Boas 1911:178, nach Adams 1998:178)

Alfred Louis Kroeber als ein Schüler von Boas hatte weit geringere humanitäre Ambitionen, vertrat dessen Positionen aber in einer radikalen Weise, die Boas abging. Kultur bildet nach Kroeber ein autonomes Phänomen, eine überindividuelle Wirklichkeit, die nur sui generis erklärt werden kann. In mehreren Schriften zwischen 1915 und 1917 forderte er eine völlige Trennung zwischen Biologie und Sozialwissenschaften, sowohl im methodischen Zugang, als auch in der thematischen Substanz (Degler 1991:90-100). Er konzeptualisierte Kultur im Gefolge Spencers als etwas Außerkörperliches, als das „Superorganische“ (superorganic, Kroeber 1917; dazu kritisch Bidney 1968) und schließt daraus: „Wir können uns dem, was Kultur ist, annähern, indem wir sagen, sie ist das, was die menschliche Spezies hat und was anderen sozialen Spezies fehlt.“ (Kroeber 1923; Übers. nach de Waal 2005:202)

Vermeintliche „Kulturuniversalien“ wurden von Kroeber als rein „biopsychischer Rahmen“ gesehen und zu „subkulturellen“ Universalien degradiert. Er bezeichnete sie als „… actually mainly subcultural in nature ….“ (Kroeber 1949). Dementsprechend setzte er die Kulturanthropologie trotz seiner ausdrücklich vergleichenden Interessen scharf von Naturwissenschaften ab; er sah sie als Teil der Geschichtswissenschaften. Kroeber revidierte seine Haltungen zwar an anderer Stelle – und machte in den 1950er Jahren universale psychische Eigenschaften zur Arbeitshypothese (Kroeber 1948). Einer seiner Schüler war Earl Wendel Count, der Ethnologe, der in den 1950er Jahren wie kein zweiter Biologie und Ethnologie zusammenbrachte. Sein Konzept des „Biogramms“ (biogram) fasst die Physis und das Gesamtrepertoire möglichen Verhalten eines Tieres zusammen. Seine Forderung, die Anthropologie müsse die Entstehung des menschentypischen „kulturalisierten Biogramms“ klären (Count 1958:1066, 1970), beeinflusste viele spätere Studien (z.B. Tiger & Fox 1976: bes. 15-42). Sein Ansatz wurde kaum rezipiert und ist deshalb kaum bekannt (Degler 1991:220f.), so wie überhaupt in der Ethnologie extremere Standpunkte eine größere Wirkung hatten (Hauschild 2005a:26). Melville Jean Herskovits (1895-1963) radikalisierte das Konzept des Superorganischen, indem er schrieb, dass man Kultur unabhängig von ihren Trägergruppen untersuchen könne: „There is little doubt that culture can be studied without taking human beings into account“ (Herskovits 1966:21; Hervh. i.O.).

Wie Boas selbst waren die meisten Boasianer keine Ultrarelativisten; viele wandten sich z.B. explizit gegen ethischen Relativismus (Adams 1998:177-181). Universalistische Perspektiven waren ihnen durch den intensiven Kontakt mit der vergleichenden Sprachwissenschaft nahe gelegt worden. Universalien in der Sprachstruktur führten zur Frage, ob es diese nicht auch in der Kultur gebe. So suchte Robert Harry Lowie (18831957), obwohl als einer der relativistischsten Boasianer bekannt, wie neuere wissenschaftsgeschichtliche Arbeiten zeigen, explizit die Gemeinsamkeiten in der Vielfalt der Kulturen (Adams 1998:178f.). Ausnahmen von einer partikularistischen und relativistischen Haltung bildeten auch Alexander Goldenweiser (1922) und Clark Wissler (1965), die funktionalistisch dachten. Wissler hatte starkes Interesse an vergleichenden Fragen und stellte die oben schon angeführte Liste zusammen, die als Raster zum Datensammeln in allen Gesellschaften dienen sollte. Wissler sprach von „universalen Kulturschemata“ bzw. „Kulturmustern“ (cultural scheme, universal cultural pattern; Wissler 1965:265). Als Beispiele solcher universaler Muster listete er Sprache, materielle Kultur, Kunst, Religion, Soziales, privates Eigentum, Führung und Krieg auf (Abb. 10). Wissler erklärte sie einerseits mit biotischem Erbe, führte sie aber auch auf Diffusion zurück und er betrachtete Diffusion selbst als universelles Phänomen (Wissler 1923:99102). Im Vorgriff zum Universalienkatalog des „gemeinsamen Nenners von Kultur“ von Murdock (1948) fällt hier auf, dass Wissler neben allgemeinen, teils sogar trivialen, Kulturuniversalien schon damals auch sehr spezifische und zudem überraschend anmutende Universalien nannte, wie etwa Privateigentum.

Insgesamt war das universalistische Interesse in der Boas-Schule jedoch weniger empirisch orientiert, sondern stark vom Leitprinzip der Gleichstellung aller Menschen motiviert. Man suchte nach einem empirischen Fundament für universelles Recht, für das humanistische Ziel der Gleichstellung aller Menschen im Allgemeinen und speziell die Forderung des Rechts indigener Völker. Geistesgeschichtlich steht der Zugang der Boasianer in der Tradition des Naturrechts, innerhalb der er ein Beispiel des „konsensuellen“ Ansatzes in der Naturrechtstradition darstellt, einer Tradition, die auch noch in den Studien systematischen Kulturvergleichs im Rahmen der Murdock-Schule aufscheint (Adams 1998:182).

Konfigurationalismus und Culture-and-Personality

In den Jahren zwischen 1915 und 1934 waren drei relativistische bzw. partikularistische Postulate dominant: (a) Kultur ist ein distinktes und irreduzibles Phänomen; (b) Kultur ist inhaltlich arbiträr und (c) Kultur determiniert Verhaltensweisen. Trotz der angesprochenen universalen Interessen auch bei Kulturrelativisten wurde zwischen 1910 und 1940 von Ethnologen sehr wenig Explizites zum Thema Universalien geschrieben, obwohl das Interesse daran bestehen blieb. Der historische Partikularismus à la Boas und Kroeber dominierte. In der nordamerikanischen Ethnologie gab es zwar viele kulturvergleichende Studien, aber sie wurden (mit Ausnahme von Clark Wissler) mit partikularistischen Absichten durchgeführt, so dass eher Unterschiede als Ähnlichkeiten oder Universalien eruiert wurden (Kluckhohn 1953:512). Erst in den 1930er Jahren begehrten einige Boas-Schüler offen gegen einen allzu partikularistischen Kulturalismus auf (Hauschild 2004:124). Die Phase des klassischen Sozialevolutionismus mit den universalisierenden Modellen der gerichteten Kulturentwicklung in Stufen war um 1900 verebbt. Evolutionistische Argumente kamen erst wieder Mitte der 1940er Jahre mit dem „Neoevolutionismus“ (vgl. Antweiler 1988:12-77, Sanderson 2007:105-131), auf, der von Leslie Alvin White (1900-1975), Julian Haynes Steward (1902-1972), Elman Rogers Service (1915-1996) und Marshall David Sahlins (*1930) geprägt wurde.

Kein anderes Werk war effektiver in der Verbreitung der Position, dass die Biologie für die Formung menschlicher Gesellschaft irrelevant sei, als „Patterns of Culture“ von Ruth Benedict (Benedict 1955, orig. 1934). Benedicts Ziel war es, die Zufälligkeit der Kulturvarianten zu zeigen und gleichzeitig für Toleranz gegenüber anderen Kulturen zu werben. In diesem Werk kontrastiert sie drei ethnische Gruppen, „friedliche“ Zuni, „aggressive“ Dobu und „statusfixierte“ Kwakiutl. Sie argumentiert kulturrelativistisch bis kulturdeterministisch, vertritt aber gleichzeitig bestimmte Werte und Normen, wie Toleranz und Schönheit. Gleichzeitig stellte Benedict Kulturen als Persönlichkeiten dar, was der Richtung den Namen Culture-and-Personality-Schule gab. Bis heute ist ihr zuerst 1946 veröffentlichtes Werk „The Chrysanthemum and the Sword“ zur japanischen Nationalpersönlichkeit von größtem Einfluss, außerhalb der Ethnologie z.B. in der interkulturellen Organisationswissenschaft. Eine erst kürzlich erschienene deutsche Übersetzung mag das aktuelle Interesse signalisieren (Benedict 2006). Der Kulturrelativismus wurde gelegentlich verabsolutiert und radikale partikularistische bzw. kontextualistische Positionen wurden dann in den 1950er Jahren bis in die 1970er Jahre im Rahmen der methodologischen Kontroverse um eine Binnenperspektive vs. einer Außensicht, die sog. emic/etic- bzw. insider/outsider-Debatte vertreten (Headland, Pike & Harris 1990, Pike 1993, Lonner 2005:13f., Helfrich 2006:430f.).

Als Schülerin von Franz Boas (und Ruth Benedict) war auch Margaret Mead (19011978) deutlich kulturrelativistisch orientiert: Sie stellte die Plastizität des Menschen heraus. Ihre Position stützte sich zum einen auf Durkheim und sein Konzept der sozialen Tatsachen (faits sociaux, Durkheim 1895) sowie zum anderen auf den Behaviorismus Watsons (1925; vgl. Mead 1928, 1971, Somit 1992:282). Dazu kam der Tatbestand, dass die Biologie damals pseudowissenschaftlich missbraucht wurde (Sozialdarwinismus) und dass die Evolutionsbiologie noch uneinheitlich war, da sich die evolutionäre Synthese des Neodarwinismus (Synthetic Theory bzw. Neo-Darwinian Synthesis) noch nicht herausgebildet hatte (vgl. Wuketits 1983, Mayr 1985, 2003; Kutschera 2006:59-83). Mead wurde die berühmteste Schülerin von Boas, weil sie den Kulturrelativismus in den Wissenschaften und weit darüber hinaus popularisierte. Ihre enorme Wirkung beruhte auf der Wahl von öffentlich relevanten Themen (Erziehungsprobleme, Geschlechterrollen), kontrastverstärkendem Kulturvergleich sowie ihrer sehr konkreten Sprache in Vorträgen und Schriften und einer bisweilen dramatisierten Form der Darstellung (Degler 1991:133-137, Mitchell 1996).

Entgegen der breiten Rezeption mehr oder minder extremer Positionen des Partikularismus und Kulturdeterminismus gab es durchaus auch gemilderte Versionen des Kulturrelativismus. So begrüßte Kroeber im Jahre 1955 ausdrücklich das seinerzeit erneut aufkeimende Interesse an der Natur des Menschen, 40 Jahre nachdem er gegen jegliche Relevanz der Biologie und gegen die Suche nach Universalien gewettert hatte (Degler 1991:220; vgl. Kroeber 1948). Margaret Mead machte in späten Werken zunehmend universalistische Aussagen. Ferner postulierte sie auf einer Konferenz 1968 - entgegen ihren früheren kulturdeterministischen Positionen und entgegen dem damaligen Zeitgeist, dass die biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern beim Menschen und anderen Säugern möglicherweise erheblich seien (Mead 1969:220). In Bezug auf die Universaliendebatte wurde Mead kurz vor ihrem Tode noch einmal wichtig. Sie setzte sich mit ihrem öffentlichen Gewicht gegen die Verunglimpfung des Soziobiologen Edmund Wilson ein, der stark universalistische Thesen vertritt.

Die 1930er bis 1950er Jahre waren von einem starken Kulturrelativismus geprägt (Rudolph 1968). Die Frage nach Universalien war so unpopulär wie die Eruierung einer „Natur des Menschen“. Insbesondere die Jahre zwischen 1935 und 1950 gelten in der amerikanischen Cultural Anthropology als die Periode, in der die „Schlacht gegen die menschliche Natur“ (Singer 1961:22) gewonnen wurde. Kulturanthropologie und Biologische Anthropologie wurden immer strikter getrennt, was durch zunehmende Organisation in Departements zementiert wurde. Hinzu kam eine Auffächerung der Cultural Anthropology in Subdisziplinen. Erst jüngste wissenschaftsgeschichtliche Untersuchungen zeigen, dass die viel beschworene amerikanische Vierfelder-Anthropologie (Four-Field Anthropology), also die Verquickung von Kulturanthropologie, Linguistischer Anthropologie, Ur- und Frühgeschichte und Biologischer Anthropologie unter einem Dach, nicht nur heute wenig ausgebildet ist, sondern schon damals weitgehend programmatisch blieb.

Zwischentöne und Grenzgänger

Einige kulturrelativistische Autoren gestanden zu, dass es Universalien gebe, argumentierten aber, diese basierten auf angeborenen (inborn) psychobiotischen Gleichheiten. Menschliches Verhalten sei demgegenüber aber autonom, da es biotisch nicht vorgegeben, sondern durch Kultur ausformbar (malleable) sei. Ferner findet sich auch manch widersprüchliche Aussage. Ruth Benedict vertrat keine durchgehend kulturdeterministische Position. Wie Boas meinte sie, dass genetisches Erbe wichtig sei, wenn auch nur für die Formung von Individuen in Familien. Ohne Begründung postulierte sie dagegen, dass die Annahme einer genetischen Prägung auf überfamiliärer Ebene ein reiner „Mythos“ sei (Benedict 1955). Melville Herskovits verwendete – als Boas-Schüler und Kulturrelativist – durchaus viele kulturenübergreifende Begriffe, nämlich der später als „formalistisch“ bezeichneten generalistischen Wirtschaftsethnologie. Auch George Peter Murdock, der später zum Begründer des systematischen interkulturellen Vergleichs werden sollte, war zunächst unentschieden. In seinen frühen Schriften begriff er Kultur noch als eigenen Bereich, der in keiner Weise biologisch zu erklären sei (Murdock 1932). Wilson charakterisiert die widersprüchliche Entwicklung des Kulturrelativismus hin zu einer Verhärtung gegen jede Form von Biologie prägnant:

„Während der kulturelle Relativismus einst angetreten war, die Vorstellung auszuräumen, daß es erblich bestimmte Unterschiede im Verhalten ethnischer Gruppen gebe – ein unbestreitbar völlig unbewiesenes und ideologisch gefährliches Konzept –, wandte er sich nun gegen die Idee einer menschlichen Natur, die sich auf ein gemeinsames Erbe gründet.“ (Wilson 1998:248; Hervh. CA)

In der Zwischenkriegszeit suchten einige Forscher nach empirischen Befunden für einzelne postulierte Universalien. Eine ganze Riege prominenter Ethnologen – darunter Bronislaw Kaspar Malinowski, Ruth Fulton Benedict, Margaret Mead, Edward Sapir und Abraham Kardiner (1891-1981) – versuchte, die Psychoanalyse als Grundlage universaler Strukturen der Persönlichkeitsbildung mittels Kulturvergleich zu testen (Fahrenberg 2004:194). Ferner wurden Arbeiten zur Inzestvermeidung und zum Ödipuskomplex veröffentlicht, z.B. von Carleton Stevens Coon (1904–1981; Coon 1946, White 1949). Dazu kamen die ersten Arbeiten des ethnologischen Strukturalismus, auf die ich weiter unten eingehe. Unabhängig von der Boas-Schule war Robert Redfield (18971958), der auch der Culture-and-Personality-Schule fernstand (Kearney 1984:37). Er wurde von der amerikanischen Soziologie und der Britischen Sozialanthropologie beeinflusst und forderte, hinter dem Augenschein der Vielfalt Gemeinsamkeiten zu suchen und die universale menschliche Natur explizit zusammen mit der kulturellen Variabilität zu untersuchen. Redfield postulierte, dass sich die Universalien in kulturellen Mustern und in einer Modalpersönlichkeit niederschlagen müssen (Redfield 1957:129). Er thematisierte speziell universale Dimensionen im Weltbild von Kulturen und postulierte eine Taxonomie dichotomer Unterscheidungen als universal (Redfield 1953:Kap.4). Die grundlegende Dichotomie ist danach die zwischen Raum vs. Zeit und die zwischen Self vs. Other (so auch Kearney 1984:107). Innerhalb des Bereichs Self bestehe die Trennung von I vs. Me, innerhalb des Other zwischen We vs. They und andererseits zwischen Human und Nonhuman. Innerhalb des Bereichs Human wird getrennt zwischen Old vs. Young und im Bereich Nonhuman zwischen Nature und God (vgl. Kearney 1984:39, Fig. 1). Als idealistisch orientierter Ethnologe fragte er allerdings kaum nach Genese und Handlungsrelevanz dieser universalen Weltbilddimensionen.

Einer der wenigen Ethnologen, der sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts explizit mit universalen Theorien auseinandersetzte, allerdings als expliziter Gegner, war Weston LaBarre. Er untersuchte nichtsprachliche Kommunikation und argumentierte mit einer Fülle von Beispielen dafür, dass Emotionen und Gesten nicht universal, sondern kuturspezifisch und kulturgeprägt seien (LaBarre 1981, orig. 1947; vgl. Efron 1972). Whites „Kulturologie“ (culturology) verschärfte die kulturrelativistische und die superorganizistische Richtung dann zu einem echten Kulturdeterminismus. Kultur wurde in Whites Kulturologie als ausschließlich extrasomatisch, als „Superorganisches“ im Spencerschen Sinne gesehen. Nach White spielen weder Umwelt noch handelnde Individuen eine wichtige kausale Rolle für kulturellen Wandel. Kultur kann nur mit Kultur erklärt werden; sie muss als Phänomen sui generis gesehen werden (White 1949:163-168). David Bidney (1908-1987) wandte sich gegen eine solche Verdinglichung von Kultur als autonomer Entität. Er rief dazu auf, Kultur stattdessen als „Selbst-Kultivierung der menschlichen Natur“ aufzufassen und sich dem universalen Ethnozentrismus zu stellen (Bidney 1947, 1968:424). Diese Einzelstimme verhallte aber weitgehend ungehört.

Funktionalismus: Universalien als Kategorien

Einflüsse des Konfigurationalismus und des Funktionalismus schlugen sich z. T. schon früh in bekannten Werken nieder. Dazu gehören aus der kulturrelativistischen Tradition Werke, wie Ralph Lintons „The Study of Man“ (1936, besonders 132ff.) und Melville Herskovits´ „Man and His Works“ (1948, besonders 229-240). Unter den konfigurationalistischen Werken, die mehr an der Entdeckung der menschlichen Natur durch empirische Studien von Parallelen orientiert waren, ist Robert Redfields „Human Nature and the Study of Society“ (1962: besonders 442ff.; vgl. Wrong 1999:55) zu nennen. Die funktionalistische Arbeiten versuchten, kulturelle Institutionen in Beziehung zu funktionalen sozialen Erfordernissen (functional prerequisites bzw. requirements) zu setzen. Universalien sind in dieser Sicht Systemleistungen, die in jeder Gesellschaft erbracht sein müssen, wenn sie dauerhaft bestehen will. Danach fragten auch so verschiedene Denker wie Parsons, Marx und Lévi-Strauss und in der Ethnologie Aberle, Goldschmidt und Hallpike. Zu diesen funktionalen Erfordernissen gehören Umweltveränderung, Arbeitsteilung sowie effiziente Enkulturation und transgenerationale Weitergabe (Aberle et al. 1950:104-111).

Zu den funktionalistischen Gegenstimmen zur relativistischen Grundtendenz im Fach gehörte der Strukturfunktionalist Alfred Reginald Radcliffe-Brown (1881-1955). Er trat schon 1935 für eine Ethnologie ein, die nomothetisch ausgerichtet ist, eine „Wissenschaft der Kultur“. Radcliffe-Brown betonte, dass jede (!) menschliche Kultur durch das systemische Zusammenwirken von Regeln und damit verbundenen Überzeugungen und Praktiken gekennzeichnet sei. Damit stellte er etwas klar, was für die partikularistische Ethnologie und die Universalienforschung gleichermaßen wichtig ist. Menschen leben nicht nur als Individuen (Organismen) in Sozialverbänden, sondern als Personen (Komplexe sozialer Beziehungen) in (jeweils spezifisch ausgeformten) Sozialstrukturen (Radcliffe-Brown 1952:189, 193f.). Die „Sozialstruktur“ in diesem Sinn ist eine Universalie der Kulturen. Kultur ist also nicht einfach nur erlerntes Verhalten. Radcliffe-Brown überzeichnet hier den Unterschied zu Tieren. Wichtig ist aber die Unterscheidung von einer ganz anderen Auffassung. Diese fasst in der Tradition Tylors „Merkmale“ (traits) als kulturelle Grundbausteine von Gesellschaften auf, die in jeweiligen Konglomeraten Kulturen und Areale charakterisieren. Diese Annahme wurde von so verschiedenen Ethnologen wie Boas, Herskovits, Wissler und Murdock verwendet (Klass 2003:39f.).

Nichtsdestotrotz standen bei Radcliffe-Brown mehr allgemeine funktionalistische Postulate als die theoretische Argumentation für Universalien oder die empirische Suche nach ihnen im Mittelpunkt. Deutlich universalistischer als der britische Strukturfunktionalismus war der Biofunktionalismus von Bronislaw Kaspar Malinowski (18841942), der, angesichts Lewis Henry Morgans als klassischem Vorläufer, auch als „Neofunktionalismus“ bezeichnet wird. In seinem Buch „Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur“ präsentierte er 1944 eine „Liste universaler Typen von Institutionen“ (Malinowski 2006:19,111f.,123). Er argumentierte, dass sieben Integrationsprinzipien (Universalien) in jeder Gesellschaft zu sieben kulturellen Antworten (cultural responses) führen. Grundlegend seien sieben organische Basisbedürfnisse (basic needs): Stoffwechsel, Reproduktion, Körperbehaglichkeit, Sicherheit, Bewegung, Wachstum, Gesundheit. Dazu kämen abgeleitete Bedürfnisse (imperative, derived needs).

Malinowski postulierte also weniger Universalien im engeren Sinn, sondern vielmehr universale Bedingungen der menschlichen Existenz. Für ihn war das natürlich Gegebene beherrschend. Zu erfüllende Aufgaben und Funktionen sind vorgegeben und der Aktionsradius von Kultur(en) ist auf bestimmte eingegrenzte Bereiche beschränkt. Kulturen wird also nicht zugetraut, dass sie selbständig ihre Gestaltungsräume abstecken und darin Ziele festlegen. Statt Kultur einen Primärstatus (Hansen 2003:267-272) einzuräumen oder von einer dialektischen Beziehung auszugehen, wird Kultur als nachgeordnet betrachtet. Kultur ist instrumentell; sie erscheint als „… Erfüllungsgehilfin vorgegebener Bedürfnisse …“, die „… Frondienste leistet für die Befriedigung kreatürlicher Bedürfnisse“ (Hansen 2003:268, 269). Malinowskis Ansatz ist damit eine Theorie des Sekundärstatus von Kultur. Manche Kritiker betrachten Malinowskis Universalien deshalb als „fake universals“ (Lonner 1980).

Die Begründung solcher und anderer universaler Erfordernisse liegt letztlich im gemeinsamen evolutionären Erbe der Menschheit und der Notwendigkeit der Anpassung an Umweltgegebenheiten (Munroe & Munroe 1997:174, Berry et al. 2002:229). In ähnlicher Weise wie Malinowskis individuelle Bedürfnisannahmen wurden funktionale Erfordernisse auch auf der Ebene ganzer Gesellschaften postuliert. In jeglichen dauerhaft existierenden menschlichen Gesellschaften gebe es acht functional prerequistites of society, so Aberle et al. (1950; ähnlich die vier „elementaren Relationsstrukturen“ bei Fiske 1991:25). Herskovits, eigentlich ein Erzkulturrelativist, näherte sich universalistischen Positionen in Reaktion auf Malinowski an (Herskovits 1948:229-240). Bezüglich Malinowskis Konzept der Bedürfnisse problematisierte er die Bereiche Religion und Ästhetik. Wie sollten Glaubens- und Schönheitsvorstellungen auf Bedürfnisse zurückgeführt werden? Herskovits brachte kulturrelativistische Annahmen dann mit dem Konzept von begrenzten Universalien zusammen. Er postulierte vor allem historische Universalien für Toleranz und gegen „ethnozentrischen Absolutismus“, ein Konzept, das allerdings stark mit normativen Vorstellungen und humanistischen Idealen durchtränkt war.

Mancher Ethnologe außerhalb dieser Richtungen des Kulturrelativismus, Konfigurationalismus und Funktionalismus hatte universalistische Interessen. Dennoch dominierte bis in die 1950er Jahre die Perspektive auf Universalien, sie als allenfalls allgemeine Rahmenkategorien zu sehen. Sie wurden als universale Kategorien gedacht, die es erlauben, Kultur zu klassifizieren, quasi wie Kapitelüberschriften (so schon Boas 1911, vgl. kritisch dazu Holenstein 1985b: 125). Dies stellt eine ausdifferenzierte Variante des damals gängigen und kanonisierten Musters dar, ethnologische Monographien zu gliedern. Diese Einschätzung wurde in der kognitivistischen „neuen Ethnographie“ der 1960er Jahre in der Weise verschärft formuliert, dass die Einträge in Universalienlisten nur in der Sicht der Untersucher existieren (dazu Adams 1998:179; und Harris 2001/1968:568-604).

Neoevolutionismus und George Peter Murdock

Die Ethnologie zur Jahrhundertmitte wurde offener für universalistische Fragen. Die Nachkriegszeit zeitigte insgesamt ein zunehmendes Interesse an vergleichenden Untersuchungen, an Regelhaftigkeiten kultureller Entwicklung, und im Gefolge des Darwinjubiläums eine Offenheit für evolutionäre Fragen (Stocking 1987:291). Wichtige Schritte zur expliziten Erforschung von Universalien wurden im Neoevolutionismus und in der Kulturökologie (cultural ecology, ecological anthropology) gemacht, z.B. bei Alexander Lesser, Leslie Alvin White, Alfred V. Kidder, Julian Haynes Steward, Elman Rogers Service und dem frühen Marshall Sahlins (Lesser 1985, White 1939, Kidder 1940, Steward 1950, 1955). Kidder unterschied nach dem Detailgrad der Übereinstimmung „likenesses“ von „identities“. Julian Steward wandte sich gegen unilineare Evolutionsmodelle. Unter dem Begriff „multilineare Evolution“ untersuchte er partielle Gemeinsamkeiten (similarities, parallels) zwischen Kulturen. Er meinte damit „echte oder bedeutungsvolle“ Ähnlichkeiten in Form, Funktion und Verlauf zwischen Kulturen eines Areals (Steward 1955:18ff.; vgl. 1950). Die Ähnlichkeiten führte er weder auf die menschliche Natur noch auf Diffusion, sondern auf durch spezifische Umwelten gegebene Erfordernisse zurück. Sein weitergehendes Ziel war es, den Ursprung bestimmter Merkmale zu suchen (1955:18f.). Steward schuf das Konzept des Kulturkerns (culture core), in dem er Parallelen mit Funktionen in bestimmten Umwelten erklärte. Aus darwinistisch-variationsökologischer Sicht ist das kurzschlüssig (Alland 1970:169). Steward untersuchte nur regionale, nicht weltweite Ähnlichkeiten. Für die Universalienforschung war er aber dennoch wichtig: methodisch sein explizit empirisch vergleichender Ansatz und theoretisch seine Suche nach Ursachen von kulturellen Gleichheiten.

Den wichtigsten Schritt zur modernen Universalienforschung in der Ethnologie kam vom kulturvergleichenden Ethnologen George Peter Murdock (1897-1985). Murdock steht in der komparativen Tradition Herbert Spencers. Er war nämlich Schüler von Albert Galloway Keller (1874-1956), dessen Vorgänger an der Yale University ab 1872 William Graham Sumner (1840-1910) war. Sumner hatte dort an einem „Science of Society“ benannten Department, in dem Soziologie und Ethnologie kombiniert waren, die komparative Richtung begründet (Ember & Ember 2001:11). Sumner wiederum war ein Schüler von Herbert Spencer. Keller und Sumner bewunderten Spencers Werk „Descriptive Sociology“ (1879-1934). In dreizehn Bänden hatte Spencer hierin eine umfangreiche Kompilation ethnologischer Daten geliefert. Die Besonderheit des Werks bestand darin, dass die Daten in komparativer Absicht mit Kategorien indiziert waren. Sumner schloss daran an und arbeitete an seinem Lebensabend an einem großen Werk, das die gesamte Bandbreite menschlicher Kulturen vergleichend darstellen sollte. Der letzte Band des vierbändigen Werks, das Keller vollendete (Sumner & Keller 1927), enthält ethnographische Fallbeispiele, die mittels eines Index präzise auf die anderen drei Bände bezogen sind. Dieser Index bildete das Modell für Murdocks vergleichende Studie zur Verwandtschafts- und besonders Familienstruktur von 250 Gesellschaften („Social Structure“, 1949) und für die universalen Kategorien im „Outline of Cultural Materials“ (Murdock et al. 1971, vgl. Harris 2001:607f.).

Murdock hatte seine früheren relativistischen Ansichten aus der oben genannten Veröffentlichung von 1932 revidiert und strebte nun an, Kulturen mit einer rigoros systematischen Methode zu vergleichen. Er gründete 1937 eine kulturvergleichende Datensammlung unter dem Titel Cross-Cultural Survey, die seit 1947 Human Relations Area Files (HRAF) heißt (Ember & Ember 2001). Diese Datensammlung war ursprünglich angelegt worden, um die Vielfalt der Kulturen zu dokumentieren. In diesem Kontext systematisch quantitativen Kulturvergleichs brachte Murdock 1945 unter dem Titel „Der gemeinsame Nenner von Kulturen“ das Thema Universalien erstmals voll ins Rampenlicht der Ethnologie (The Common Denominator of Cultures, Murdock 1945, vgl. 1958, 1965). Aufgrund des Vergleichs von rund 100 Gesellschaften gibt Murdock hier ein Inventar menschlicher Universalien in Form einer Liste von 73 Universalien, die ich hier nur wiedergebe und kurz erläutere, weil sie in Kap. 7 ausführlich diskutiert und mit anderen Listen verglichen wird.

Murdock ordnet die Universalien einfach alphabetisch, also nicht nach theoretischen Gesichtspunkten, um die Vielfalt der Universalien zu betonen, wie er sagt. Offenbar wollte er aber auch verhindern, dass man ein System dahinter vermutet (Eibl 2004:355). Er verbindet mit der Liste keinerlei Vollständigkeitsanspruch: er bezeichnet sie explizit als „a partial list“ (1945:124). Murdock benennt die Methoden der Gewinnung nicht genau, sondern sagt, dass diese „Gleichförmigkeiten und Übereinstimmungen“ sich beim systematischen Vergleich von Gesellschaften aufdrängen. Die Universalien durchgreifen sämtliche großen Kulturbereiche, wie Erziehung, Gestik, Sprache, Musik, und Werkzeugherstellung und betreffen verschiedenste Detailebenen:

“Age-grading, athletic sports, bodily adornment, calendar, cleanliness training, community organization, cooking, cooperative labor, cosmology, courtship, dancing, decorative art, divination, division of labor, dream interpretation, education, eschatology, ethics, ethnobotany, etiquette, faith healing, family, feasting, fire making, folklore, food taboos, funeral rites, games, gestures, gift giving, government, greetings, hair styles, hospitality, housing, hygiene, incest taboos, inheritance rules, joking, kin-groups, kinship nomenclature, language, law, luck superstitions, magic, marriage, mealtimes, medicine, modesty concerning natural functions, mourning, music, mythology, numerals, obstetrics, penal sanctions, personal names, population policy, postnatal care, pregnancy usages, property rights, propitiation of supernatural beings, puberty customs, religious ritual, residence rules, sexual restrictions, soul concepts, status differentiation, surgery, tool making, trade, visiting, weaning, and weather control.” (Murdock 1945: 89)

Ein Blick auf diese Liste zeigt, dass man die Universalien nach Themen in große Gruppen einteilen kann. Wendell Oswalt (1972:5) benutzt eine Variante von Wisslers oben angeführter Kategorisierung und teilt die 73 Universalien in folgende Gruppen, wobei er betont, dass diese Anordnung teilweise arbiträr sei:

1 Sprache

2 Subsistenz (wirtschaftliche Selbstversorgung)

3 materielle Kultur

4 Wissen (wissenschaftliches, Volks-, mythisches)

5 Übernatürliches

6 Gesellschaft

7 Besitz

8 Politische Führung

9 Gewalt

Die Benennung als „gemeinsamer Nenner“ hebt hervor, dass es sich um Ähnlichkeiten der Form und nicht notwendigerweise des Gehalts bzw. des behavioralen Details handelt. Wenn z.B. Trauer (mourning) eine Universalie ist, so sind die spezifischen Formen des Trauerns sehr unterschiedlich (Oswalt 1972:6). Murdock sieht nicht alle genannten Phänomene als strenge Universalien, sondern als „Rahmenkategorien“ („empty frames“, „blanket categories“; 1945:124; 1965:89). Er betont weiterhin erstens, dass echte Universalien (substantive universals) am ehesten in der Art und Weise, wie Menschen klassifizieren und kategorisieren, zu finden sind und zweitens, dass die Gemeinsamkeiten von Kultur in den Faktoren liegen, welche die Übernahme von Gewohnheiten (aquisition of habitual behavior) bestimmen. Nach Murdock lassen sich einzelne dieser Universalien weiter zerlegen (vgl. Eibl 2004:355). Ein Beispiel ist Browns neuere Studie zu über 20 spezifischen Universalien zum Komplex des Ethnozentrismus, den schon Sumner hellsichtig als Syndrom bezeichnet hatte (Brown 2005).

Die ethnologische Universalienforschung erfuhr 1953 einen Schub mit einem Aufsatz von Clyde Kay Mayben Kluckhohn (1905-1960). Unter dem Einfluss der 1952 veröffentlichten Entdeckung allgemeiner Muster im Lautsystem der Sprachen durch Roman Jacobson argumentierte Kluckhohn als erster Ethnologe gegen das von Murdock vertretene und von Wissler vertiefte klassische Dogma, dass Universalien nur inhaltlich leere allgemeine Rahmenkategorien sind. Ferner wandte er sich gegen Kroebers Reduktion von Universalien auf rein Biologisches und argumentierte für eine phänomenologische Bestimmung von Universalien (Kluckhohn 1953: 516, 520f.). Nachdem er sich von der relativistischen Kultur-und-Persönlichkeits-Schule abgewandt hatte, konzipierte Kluckhohn den Begriff der „universalen Kategorien von Kultur“. Dies sind universale Faktoren, die an verschiedenen Orten wirken und zu parallelen Wandlungen führen können. Kluckhohn führte aus, dass gewisse Aspekte der Kultur historischen Zufällen zu verdanken sind, während andere durch universelle Kräfte gestaltet sind. Dabei verwendete er zwar einen etwas nebulösen Begriff der „Formung“ bzw. Geformtheit von Kultur durch universale Kräfte (vgl. dazu Geertz´ Kritik 1992:63,67). Er machte aber darauf aufmerksam, dass es ganz unterschiedliche Ursachen für universale Kulturmuster geben kann. Darin liegt ein großer Unterschied zu Malinowskis biotischen Basisbedürfnissen. Neben biotischen und psychischen Gemeinsamkeiten sah Kluckhohn als Faktoren (a) Parallelen in sozialen Interaktionsmustern und (b) in der Beschaffenheit der externen Welt (bzw. dadurch in den Beziehungen zur materiellen Umwelt). Dieser öfter wieder abgedruckte Aufsatz war zusammen mit Murdocks Katalog einer der konkretesten Beiträge zum Thema Universalien bis in die 1960er Jahre:

”... there is a generalized framework that underlies the apparent and striking facts of cultural relativity. All cultures constitute so many somewhat distinct answers to essentially the same questions posed by human biology and by the generalities of the human situation.” (Kluckhohn 1961:105; Hervh. CA)

Schon zehn Jahre vorher hatte Kluckhohn ähnliche Überlegungen in einem Aufsatz geäußert, in dem er ein Konzept von Kultur als Anpassungsinstrument charakterisierte, die – als Antwort auf ein unentrinnbares Existenzproblem – die gesamte Umwelt des Menschen stabiler und damit sicherer und verlässlicher mache. Schon hier führt er Universalien nicht ausschließlich auf biotische Vorgaben zurück:

„Da sich alle Menschen demselben Dilemma gegenübersehen, sind alle Kulturen genauso viele verschiedene Antworten auf identische Fragen … Alle Kulturmuster kristallisieren sich um gewisse unveränderliche Bezugspunkte: die von der Biologie, der Beschaffenheit der externen Umwelt und durch Universalitäten der sozialen Interaktion vorgegebenen Bedingungen. Es geht dabei um sehr einfache und doch außerordentlich wichtige Dinge, wie z.B. die Existenz von zwei Geschlechtern, die Hilflosigkeit von Säuglingen, die gegenseitige Abhängigkeit der Mitglieder einer Gruppe und Tod.“ (Kluckhohn 1950:78, in der Übersetzung von Kapp 1983:233)

Strukturalismus und Kognitionsethnologie

Insgesamt waren die Jahre zwischen 1950 und etwa 1970 von einer leichten Erosion des kulturellen Relativismus geprägt (vgl. Schöfthaler 1983:337). Im ethnologischen Strukturalismus wurden statt konkreter Gemeinsamkeiten abstrakte Universalien postuliert, insbesondere im Bereich von menschlichen Kompetenzen. Grundlegend ist die Annahme einer Dualität bzw. Binarität im Denken. Strukturalisten suchen nach nur indirekt beobachtbaren und unbewussten Strukturen, die hinter der offensichtlichen Vielfalt stehen (Lévi-Strauss 1949). Anders als bisherige Ansätze der Ethnologe ging Lévi-Strauss von einem einheitlichen Kulturkonzept aus. Kultur ist danach kein Phänomen sui generis, sondern ein System allgemeiner Regeln, die in der Natur der Menschen wurzeln und – in abgeleiteter Form – in spezifischen lokalen bzw. historischen Umständen unterschiedlich konkretisiert werden. Als verdeckte kulturelle Grammatik determinieren diese Regeln die kulturellen Konkretisierungen. Dementsprechend suchte er gemeinsame formale Strukturen in verschiedensten Kulturbereichen, wie Verwandtschaft, Siedlungsformen, Mythen, Ernährungsweisen und in der Ästhetik.

Die von Lévi-Strauss postulierten Universalien bestehen also in universell wirksamen Gesetzen des Denkens, die als unbewusste Denkmuster die Handlungen und materiellen Produkte von Menschen leiten. Er postuliert die Neigung des Menschen, in binären Oppositionen zu denken (z.B. Mann-Frau, oben-unten, roh-gekocht), wobei jedes Oppositionspaar zugleich eine Einheit in Relation zu anderen Oppositionen bildet. Das Paar Mann-Frau steht als Einheit „Mensch“ in binärer Relation zur Einheit „Nicht-Mensch“ (Ruijter 1991:33). Lévi-Strauss ist zwar radikal darin, dass er sagt, dass sämtliche menschliche Verhaltensäußerungen diesen Regelmechanismen des Denkens unterliegen, aber er stellte ausdrücklich heraus, dass es sich um Universalien formaler Art handle, die nicht etwa inhaltlicher Art seien (Lévi-Strauss 1958:76/1966:65). Er sieht sie als einheitliches „strukturelles Schema“ (Lévi-Strauss 1968:21), das in unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Kontexten existiert und operiert. In den Mythologica arbeitet Lévi-Strauss besonders stark seine These heraus, dass Kultur funktional als System der Sinngebung wirkt (Ruijter 1991:125f.). Diese Sinngebung folgt entsprechend der Denkstruktur allgemeinen Bahnen, was interkulturelle Kommunikation und in methodischer Hinsicht interkulturellen Vergleiche ermöglicht. Zu den spezielleren abstrakten Universalien zählen die emische kategoriale Unterscheidung von Handlungen und hergestellten Gegenständen in normal/natürlich/korrekt vs. unnormal/übernatürlich/fehlerhaft und damit verbunden universale Tendenzen zur Symmetrisierung und Vereinfachung, z.B. in Artefakten bzw. Kunstwerken. Diese lassen sich denkökonomisch deuten. Edmund Leach bringt das auf folgenden Nenner: „Nature is said to abhor a vacuum; human beeings abhor complexity“ (Leach 1982:112).

Der biogenetische Strukturalismus von Laughlin & D´Aquili versuchte eine Synthese von orthodoxem Strukturalismus und Evolutionstheorie. Eine Schwäche des Strukturalismus bestehe darin, dass Lévi-Strauss in neoplatonischer und schwer nachvollziehbarer Weise Strukturen aus Verhalten ablese und damit Strukturen reifiziere. Eine zweite sei der statische Ansatz. Die Autoren suchten die Basis menschlichen Verhaltens direkter in neurologischen Strukturen. Ihr Ansatz war darin radikal, dass explizit gesagt wurde, es gebe zwischen Homo sapiens als Organismus und der Umwelt keine Realitätsebene. Geist und Persönlichkeit seien Muster, die von introspektiven oder Verhaltensäquivalenten interner Gehirnprozesse abstrahiert seien. Damit wurde auch bestritten, dass Kultur eine Erklärung menschlichen Verhaltens sein könne. Kultur stelle nur eine analytische Ebene dar; „kulturelles“ Verhalten sei lediglich eine Variante universeller struktureller Gehirnmodelle (Laughlin & D´Aquili 1974:11ff. 195f.).

Entgegen der Wahrnehmung der Kognitionsethnologie als Untersuchung emischer Kognitionen in einzelnen Kulturen mittels universaler Verfahren, ist oft übersehen worden, dass Kognitionsethnologen immer auch nach kulturübergreifenden Denkmustern des Denkens und Fühlens fragten (vgl. Segall et al. 1999:184, 2002, Wassmann 2006:336f.). Andre Gingrich stellt das für die gesamte Kognitionsethnologie fest (1999:275f.). Einen Schritt in universalistische Richtung ging schon die Ethnoscience als Vorläuferin der Kognitionsethnologie, z.B. bei Ward Hunt Goodenough (*1919). In der Ethnosemantik wurden zwar primär emische kulturspezifische Konzepte gesucht. Aber man wollte sie mit universalen Methoden finden, z.B. mittels der Komponentenanalyse (Goodenough 1956). Ferner nahmen einige Ethnosemantiker an, dass hinter den kulturspezifischen Konzepten, z.B. Klassifikationen, universale Konzepte stehen würden. Schon diese frühe Kognitionsethnologie hatte eine induktive, eher emische und partikularistische, und eine deduktive, universalistische Seite. Die Kognitionsethnologie der 1980er Jahre suchte dann weniger nach universalen Bausteinen menschlichen Wissens, sondern nach universalen Bedeutungsrelationen als dem „Mörtel“, der sprachliche Bausteine verbindet (Werner & Schoepfle 1987a:96).

Immerhin nimmt etwa Kenneth Pike, Vertreter der Ethnoscience und Begründer des Begriffspaars emic/etic an, dass kulturelle Universalien die Vielfalt der Kulturen so begrenzen, dass Menschen jede ihnen zunächst fremde Kultur soweit verstehen können, dass sie in ihnen leben können (Pike 1993). Dennoch blieben die allgemeinen Annahmen zur Psyche in der Kognitionsethnologie bis heute „flach“, denn nach wie vor wird dem Einfluss von Kognition auf Kultur kaum Aufmerksamkeit geschenkt, ganz im Gegensatz zum umgekehrten Einfluss: „The mind is seen as a mere enabler of culture, a pure opportunity with no constraints attached, nothing that might contribute to shaping, or at least to biasing cultural contents.“ (Sperber 2006:431).

Noch bis in die 1960er Jahre wurde heftig über Universalien gestritten. Walter Rochs Goldschmidt führte unter der Bezeichnung „Vergleichender Funktionalismus“ (Comparative Functionalism) den Ansatz Malinowskis in veränderter Weise fort. Er argumentierte gegen die Konzentration des Fachs auf Ausnahmen und Besonderheiten und gegen die notorische Vernachlässigung des Individuums in der Kulturtheorie. Der Biofunktionalismus Malinowskis laufe jedoch Gefahr, für alles und jedes ad hoc eine Funktion zu postulieren. Damit sei er eine Sozialphilosophie im Gewand harter Wissenschaft, die keine empirisch fundierten Verallgemeinerungen erlaubt. Dagegen schlug Goldschmidt vor, universale Probleme, die jede Menschengruppe lösen muss, hypothesengeleitet zu suchen und die entsprechenden Institutionen als Lösungen vergleichend zu erforschen (Goldschmidt 1966, 1972, 1992:119f.). Damit vertrat er ähnliche Ideen wie Soziologen, die sich mit den oben genannten funktionalen Erfordernissen (functional prerequisites) befassten. Wohl vor allem wegen der Konzentration der Soziologie auf institutionelle Ebenen und dem geringen Interesse der funktionalistischen Soziologie an Individuen kam es hier jedoch zu keiner Befruchtung.

Irving Hallowell warf dem Fach vor, dass die in der Ethnologie seit Adolf Bastian viel beschworene „psychische Einheit des Menschen“ als Forschungsthema ein pures Lippenbekenntnis sei. Hallowell argumentierte für eine Synthese relativistischer und funktionalistischer Erklärungen. So meinte er, dass Individuen in einer kulturell überformten Umwelt (culturally mediated environment) leben, dass das menschliche Selbst (self) aber sowohl eine universale psychobiotische Notwendigkeit als auch ein kulturelles Konstrukt sei (Hallowell 1955). Mit Beginn der 1970er Jahre wurden Ethnologinnen und Ethnologen für die methodische Bedeutung universaler Begriffe für Vergleichsstudien sensibel. So wurde in der Verwandtschaftsethnologie mehr und mehr die Problematik universaler Konzepte hinterfragt. Ist die Kernfamilie universal? Kann man in allen Gesellschaften mit dem Begriff Heirat operieren? Zwischen den 1960er und den 1990er Jahren wurden dann viele kulturvergleichende Studien publiziert und entsprechend die Methodik verfeinert. Jedoch wurden Universalien auch in diesen komparatistischen Arbeiten zumeist nur implizit diskutiert.

In den 1970er Jahren wurden einige Ethnologen auch offener für die Frage nach angeborenen Verhaltensneigungen. Darunter waren die wenigen Kollegen, die biologische Literatur, insbesondere verhaltensgenetische Arbeiten, ernsthaft rezipierten, z.B. Elliot Chapple (1970). Ende der 1970er Jahre kamen ähnliche Stimmen vereinzelt auch von Vertretern des Mainstreams. Als Vertreter einer Ethnologie der Erziehung betonte George Dearborn Spindler, dass man die Möglichkeit, dass bestimmte Werte ein Teil der menschlichen Natur und Produkt biokultureller Evolution seien, ernsthaft erwägen müsse. Als Beispiele führte er soziale Konformität, Suggestibilität durch Prestigeträger, Bedürfnis nach moralischen Normen und Mut an (Spindler 1979:27ff.). Sogar symbolistisch ausgerichtete Kollegen wurden in den 1970ern wieder offener gegenüber der Suche nach Universalien. Victor Witter Turner (1920-1983) schrieb nach etlichen kulturpartikularistischen Arbeiten in späten Schriften, dass Kulturen aufgrund einer gemeinsamen Körperlichkeit der Menschen einander durch Empathie zugänglich sind. Ferner sagt Turner, dass er entgegen verbreiteten Axiomen der Ethnologie jetzt sehe, dass die Tendenz zur Ritualisierung von Verhalten eine allgemeinmenschliche Neigung ist. Er gesteht als Ursache dieser „... propensity to ritualization“ eine biotische Basis zu und spricht von „... inhärenten Widerständen gegen Konditionierung“. Er habe dies angesichts ethologischer Erkenntnisse zur Ritualisierung bei Tieren schon früher geglaubt, aber aus akademischen Befürchtungen heraus nicht öffentlich bekannt.14 Political Correctness ist kein neues Phänomen:

“The present essay is for me one of the most difficult I have ever attempted. This is because I am having to submit to question some of the axioms anthropologists of my generation – and several subsequent generations – were taught to hallow. These axioms express the belief that all human behavior is the result of social conditioning.” (Turner 1983:221)

Die Debatte um Rationalität und Denkweisen (modes of thought)

Debatten über Rationalität sind immer eng mit einer meist dualistisch gestellten Grundfrage der Anthropologie verbunden, nämlich in welchem Maße menschliches Handeln durch Vernunft, Emotion oder blinden Impuls geformt wird, und ob es durch egoistische bzw. individualistische Motive oder durch altruistische bzw. kollektivistische Orientierungen bestimmt ist. Nur ganz wenige der vielen denkbaren oder als Alltagstheorien verbreiteten Menschenbilder fanden Eingang in wissenschaftliche Rationalitätskonzepte und Handlungstheorien. Oft sind dies sehr einseitige Vorstellungen und überwiegend ökonomische Annahmen, wie in den verschiedenen Varianten des Homo oeconomicus als rational nutzenmaximierendem Akteur. Diese spezifischen Annahmen wurden dann für gewöhnlich anthropologisiert, indem sie für universal gültig in Bezug etwa auf Lebensstadium, Umweltsituation und kulturelles Umfeld gehalten wurden.

In der Ethnologie war das der Hintergrund der besonders seit Henri Lévy-Bruhl (1857-1939) bekannten Kontroverse um „primitives Denken" vs. „westliche Rationalität" (Lévy-Bruhl 1922, Hallpike 1990) und der Debatte um „kulturelle Vernunft“ vs. „praktische Vernunft“ (Sahlins 1981). Allgemeiner ging es um die kulturelle Relativität von Rationalität, weshalb man von Rationalitätsdebatte spricht. Besonders in den 1970er und 1980er Jahren wurde iüber allgemeine vs. kulturspezifische Weltbilder und Denkweisen (Modes of Thought) debattiert.15 In dieser Debatte wurde überwiegend die Relativität bestimmter Denkweisen herausgestellt. Im Mittelpunkt standen die Kontraste zwischen wissenschaftlicher Rationalität und z.B. magischem Denken oder der besonderen Rationalität, die den Hexereivorstellungen zugrunde liegt. Eine Minderheit argumentierte dagegen für universale Strukturen. So postulierte Robin Horton einen „allgemeinen kognitiven Kern“ des Weltverständnisses. In dieser kulturübergreifenden „Primärtheorie“ der Welt gebe es vor allem mittelgroße und dauerhafte Gegenstände, ein „Gegentaktkonzept“ von Kausalität, eine zeitliche Trichotomie, fünf Raumdichotomien und zwei grundlegende binäre kategorische Unterscheidungen, zwischen eigen und fremd und zwischen menschlich und nichtmenschlich (Horton 1982:260ff.).

Frühe Kognitionsethnologie, Kulturethologie und Relativismuskritik

Eine starke empirische Stütze der Universalienforschung bildeten ab den 1970er Jahren die Untersuchungen zu Farbtermini, die von einer Forschergruppe um Brent Berlin (*1936) und Paul Kay (*1934) durchgeführt wurden. Sie zeigten, dass das kontinuierliche Farbspektrum durch die Farbtermini von Sprachen nicht in zufälliger Weise eingeteilt wird und das sich die Farbgrundwörter (kurze Ausdrücke mit reiner Farbbenennungsfunktion) überall um rot, blau, grün und gelb konzentrieren. Elf benannte Fokalfarben („bestes” Grün, „bestes Rot“ etc.) gliedern das mentale Farbenspektrum auf und erweisen sich zwischen verglichenen Kulturen als stabil, wobei die Grenzen etwas variabel sind (Berlin & Kay 1969; vgl. Rosch 1972:19f, dazu kritisch Roberson et al. 2000.). In zunächst 20 Sprachen ließen sich universale Farbtermini nachweisen. Bei der evolutionären Ausweitung des Farbwortschatzes zeigte sich eine feste Sequenz des Auftretens zusätzlicher Farbtermini. Synchron gesehen, nimmt dieser Befund die Form von Implikationsuniversalien an. Wenn eine Sprache bspw. ein Wort für die blaue Farbe hat, hat sie auch Wörter für Grün und Gelb. Hinsichtlich der Methoden wurde an der ersten Studie kritisiert, dass das Sample der untersuchten Personen sämtlich aus bilingualen Sprechern aus der Gegend um San Franciso bestand und dass das Untersuchungsinstrument wegen Farbsättigungsunterschieden evtl. universale Artefakte produziere (Pollnac 1978:232ff.). Dieser Ansatz hat eine ganze Legion von Untersuchungen ausgelöst, vor allem innerhalb des von Berlin & Kay organisierten „World Color Surveys“, wo 110 Sprachen aller Weltgegenden verglichen wurden. Der Kritik an den Methoden wurde mit Verfeinerungen begegnet (Hardin & Maffi 1997, vgl. auch www.icsi. berkeley.edu/kay/; Zugriff 18. 2. 2009).

Die universalistische These wurde in der Tendenz gestützt, aber die Schlüsse daraus waren nicht in jeder Hinsicht eindeutig. Es gab aber auch harte – m.E. überzogene – Kritik dahingehend, dass die universelle Farbsemantik ein reines Trugbild sei, weil die Farbbegriffe ein Konstrukt westlicher Wissenschaft und Ausfluss spätkolonialistischer Evolutionstheorie seien (vgl. z.B. Saunders 2000). Ein Hauptgrund besteht darin, dass hier emisch orientierte Studien, die in der Tradition Whorfs die Innensicht der Akteure in den Mittelpunkt stellen, auf etisch ausgerichtete Forschungen treffen, die das Thema generalistisch und aus Betrachtersicht behandeln (Werlen 2002:62-84).

Unterstützung für die Universaliensuche kam auch aus der Verhaltensforschung (Ethologie) in ihrer Phase vor dem Aufkommen der Soziobiologie. Hier sind vor allem die spezifisch deutschsprachigen Schulen der Humanethologie und Kulturethologie zu nennen - beides Richtungen, die menschliches Verhalten naturwissenschaftlich studieren wollen und von einer Verschränkung von Erb- und Lerngut ausgehen (Koenig 1970:27). Damit stehen beide Richtungen sowohl dem Behaviorismus als auch rein geisteswissenschaftlichen Humanwissenschaften kritisch gegenüber. Die Humanethologie (human ethology) schließt an Darwins vergleichende Studien der Mimik und Gestik an und befasst sich vor allem mit menschlichem Ausdrucksverhalten. Ihr prominentester Vertreter ist Irenäus Eibl-Eibesfeldt.

Vor allem dessen Studien an taub-blind geborenen Kindern waren bahnbrechend, weil sie nachwiesen, dass es beim Menschen angeborene komplexe Verhaltensweisen gibt (Eibl-Eibesfeldt 1967). Humanethologische Befunde werden in vorliegendem Buch an mehreren Stellen herangezogen, weshalb ich hier nicht ins Detail gehe. Um Missverständnissen vorzubeugen ist festzuhalten, dass die Humanethologie einfach ein Teilbereich der Ethologie, der Vergleichenden Verhaltensforschung, ist. Die Bezeichnung meint ausdrücklich nicht etwa eine in den Geisteswissenschaften favorisierte Sonderstellung des Menschen, sondern soll das subjektiv verständliche größere Interesse am Menschen signalisieren, wie in der Entgegensetzung von Humanmedizin vs. Veterinärmedizin (Koenig 1970:25f.).

Die international kaum wahrgenommene Kulturethologie ist vor allem mit Otto Koenig (1901-1992) verknüpft (vgl. Liedtke 1994, 1994a). Sie ist quasi das vertikale Komplement zur Humanethologie. Während die Humanethologie auf die Spezies konzentriert ist, stellt die Kulturethologie Phänomene bzw. Gegenstände im Umweltkontext in den Vordergrund. Die Kulturethologie entstand an einem Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, das sich satzungsmäßig die „Vergleichende Verhaltensforschung an Lebewesen jeder Art“ zur Aufgabe machte (Koenig 1970:28). Die Gegenstände der Forschung ähneln denen der europäischen Volkskunde. Im Vordergrund stehen europäische Trachten, Uniformen und Ornamentik, die aber mit Kategorien der Verhaltensforschung analysiert werden. Idealtypisch sind Koenigs Untersuchungen zur Ritualisierung des Auges in der Ornamentik, die explizit vergleichend angelegt waren. Der auf Julian Huxley zurückgehende Begriff Ritualisierung bezeichnet Verhaltensweisen, die ursprünglich eine Funktion hatten und dann zu reinen praktisch nicht funktionalen Signalen oder Symbolen werden. Kulturethologen wenden dies auf Objekte der materiellen Kultur an, z.B. Epauletten an Uniformen. Das Konzept stellt in mancher Hinsicht eine Rückentlehnung aus der Ethnologie dar. Die Wahl der Forschungsgegenstände in der Kulturethologie resultierte daraus, dass Kulturethologen den Trugschluss der frühen Ethnologie, von heutigen einfachen Kulturen auf menschliche Frühformen zu schließen, vermeiden wollten. Kulturethologen suchten dementsprechend nach Gegenständen, über die (a) historisch verlässliche Daten über lange Zeitphasen verfügbar waren und die (b) aus Kulturen in Umbruchssituationen stammen, in denen Verhaltenstabus gelockert sind. Koenig sieht Volks- und Völkerkunde als ein Fach, aber meint, dass volkskundliche Daten reicher, mehrschichtiger und quantitativer seien und damit für die Humanethologie geeigneter als ethnologische Daten.

Eine zusätzliche, sehr spezifische und in der Literatur kaum diskutierte Annahme ist, dass spezialisiertes Verhalten und Primitivismen in Verhaltenssystemen immer gemischt auftreten, weil sie komplementär sind. Während bei Wildbeutern und Pflanzern das ökologisch notwendige situationsangepasste, spezialistische und flexible Verhalten durch ein extrem festgelegtes Sozialleben gepuffert sei, so wäre das hochtechnisierte Leben in Industriegesellschaften mit Tabulockerung assoziiert und zeige deshalb elementare Verhaltensformen besonders deutlich. Zusammengenommen mit methodischen Argumenten für die „Beobachtung vertrauter Lebewesen in vertrautem Gebiet“ ist damit Europa für Koenig das rezente Idealgebiet für das Studium elementarer menschlicher Verhaltensweisen:

„Die elementareren, wenn man will ´primitiven´, Verhaltensweisen des Menschen, seine ´Ureinstellungen´ und angeborenen Betrachtungsweisen werden wir daher im europäischen Zivilisationsbereich viel leichter und gründlicher erforschen können als im afrikanischen Urwald.“ (Koenig 1970:29)

Eine selbstständige Form der ethologisch orientierten Kulturforschung entwarf Friedrich Keiter mit seiner „Verhaltensbiologie auf kulturanthropologischer Grundlage“. Er strebte eine „Variationslehre des menschlichen Daseinsringens“ an und fragte: „Wieso ein Mensch Homo sapiens und doch 3000 Kultursysteme?“ (Keiter 1966:9, 301). Keiter arbeitete universale Themata der Kulturen heraus und gliederte sie nach der Orientierung auf den Leib, die Seele und den Geist (Keiter 1966:11, 19). Er ordnete sie organismischen Seinsschichten zu. Er benannte sechs „organismisch-leibliche Themen“, die schon bei Pflanzen vorkommen (z.B. Stoffwechsel), sechs „seelen- und sozialzentrierte Themen“, die bei Tieren existieren, und sechs „kulturzentrierte ´rein geistige´, fast allein menschliche Themen“ (Keiter 1956:251f., 1966:25-250). Die Besonderheit des Keiterschen Ansatzes liegt erstens in der Verknüpfung von Universalität und Pluralität anhand ethnologischer Daten und Argumente, z.B. von Wissler, Opler und Murdock, und zweitens in seinen quantitativen Analysen. Er führte kulturstatistische Analysen zu Extremerscheinungen (Keiter 1966:252-261) und statistische Inhaltsanalysen von Grundthemen in der Weltliteratur (Keiter 1966:262-297) durch.

Keiter kombinierte in problematischer Weise deduktiv gewonnene Postulate, eigene Erfahrungen und empirische Daten. Der Ansatz blieb folgenlos, aber Keiter nahm damit spätere Untersuchungen vorweg, z.B. heutige Analysen evolutionistisch orientierter Literaturwissenschaftler. Keiters Konzept eines „Anthropo-Ethogramms“ (Keiter 1966:14) ähnelt dem oben genannten „Biogramm“, wie es von Count konzipiert und z.B. von Lionel Tiger und Robin Fox genutzt wurde, nicht aber dem Ethogramm im Sinn von Konrad Lorenz. Tiger & Fox argumentierten allerdings vorsichtig: es gebe nur „prozessuale Universalien“, nicht aber substantielle Universalien. Ihre Vorstellung war, dass universale Prozesse (bzw. eine „Biogrammatik“, biogram) verschiedene Resultate zur Folge haben. Dies verdeutlichten sie an Beispielen der Reproduktion und postulierten z.B. den Bedarf des Zusammenschlusses von Männern als Universalie (Tiger & Fox 1976, Fox 1989:113). Ähnliche Vorstellungen finden sich in der heutigen Soziobiologie und der Evolutionspsychologie (Abb. 11).


Abb. 11: Gegenüberstellung von Universalien und Oberflächenphänomenen im Bereich Verhalten in der soziobiologischen und evolutionspsychologischen Literatur (z. T. nach Bock 1980, Rolston 1999:152f.)

Relativismuskritik und universalistische feministische Anthropologie

Die 1970er und 1980er Jahre brachten ein Wiederaufleben des Interesses an Universalien auch dadurch, dass frühere Kritiken an Universalien durch Reanalysen kritisch beleuchtet wurden. Einige der bekanntesten relativistischen Beispiele gegen Universalien wurden neu untersucht. Zum einen wurden Edward Sapirs (1884-1939) und Benjamin Lee Whorfs (1897-1941) Befunde zur völligen Abhängigkeit des Denkens von der Sprache (starker Sprachrelativismus) kritisiert. Die Befunde zur kulturspezifischen Konzeption von Zeit bei den Hopi wurden weitestgehend widerlegt (Whorf 1963, dazu Gipper 1983, Malotki 1983, Franzen 1997, Haspelmath 1997, Beiträge in Pinxten 1976, Goddard 2003:420-426). Zum zweiten wurden Margaret Meads Schlüsse zu fehlenden Adoleszenzkonflikten in Samoa und Behauptungen, dass Adoleszenz als soziales Stadium nicht universal sei, sondern ein Produkt moderner Gesellschaften, widerlegt (Mead 1971, dazu Freeman 1983, Schweizer 1990, Current Anthropology Forum 2000, Schlegel 2007). Ebenso wurden ihre Befunde zur Relativität von Geschlechtsrollen anhand der Tschambuli (Chambri) in Papua New Guinea hinterfragt (Mead 1971/1935, Gewertz 1981). Schließlich erwies sich ein weiteres Paradebeispiel kulturrelativistischer Positionen, der extrem große Wortschatz der Inuit (Eskimo) für Schnee, als zumindest extrem übertrieben (Pullum 1991, Pinker 1996a:462f.). Ähnliche Behauptungen, wie die, dass argentinische Gauchos 240 Wörter für die Farbe ihrer Pferde verwenden (Steiner 1975:87, nach Berry 1986:70), wurden m. W. empirisch nie überprüft.

In den 1970er bis in die späten 1980er Jahre wurde in der Ethnologie viel über die weltweit verbreitete Ungleichbehandlung der Geschlechter diskutiert. Im Mittelpunkt stand die umstrittene These von Lamphere & Rosaldo, dass die kulturübergreifend verbreitete Unterdrückung von Frauen und auf der universalen Unterscheidung zwischen häuslicher und öffentlicher Sphäre beruhe (Lamphere & Rosaldo 1974). Sherry B. Ortner spitzte das 1974 zum strukturellen Dualismus der Geschlechter zu, in dem sie die Ungleichbehandlung auf eine universale konzeptuelle Gleichsetzung von Mann mit höher bewerteter Zivilisation (bzw. Kultur) und Frau mit (niedriger bewerteter) Natur zurückführte (Ortner 1996, kritisch dazu Beiträge in MacCormack & Strathern 1980). Mit den 1990er Jahren verlagerte sich das Forschungsinteresse in der ethnologischen Frauen- und Genderforschung weg von universalistischen und politökonomischen Fragen hin zu Relativierung, Historisierung, Subjektivität, Handlungsmacht (agency) und dem Aushandeln von Bedeutungen (Silverman 2002:23, Schröter 2005:51-57, 61-64). Universalistische Forschungen wurden als „totalisierend“ kritisiert und in Theorien traten materielle Faktoren in den Hintergrund. Im Mittelpunkt standen jetzt weniger Geschlechtsrollen von Frauen und die Ungleichheit der Geschlechter als vielmehr die soziale Konstruktion von Geschlecht (gender), wobei deren intra- und interkulturelle Fluidität und Multiplizität herausgestellt wurden.

Donald Brown: Nestor der modernen Universalienforschung

Donald Edward Brown (*1934), ein amerikanischer Ethnologe, veröffentlichte 1991 eine Monographie mit dem Titel „Human Universals“ (Brown 1991). Brown wurde akademisch im kulturrelativistischen und auf kulturelle Vielfalt konzentrierten Mainstream der Ethnologie sozialisiert. Während einer Feldforschung in Brunei wurde er sich jedoch plötzlich der universalistischen Grundlagen bewusst, die neben den kulturspezifischen Besonderheiten immer leicht übersehen werden. Er verdeutlicht das im Vorwort anhand von Verhaltensweisen beim Begrüßen und in der Interaktion mit seinen Informanten, die ihm zunächst spezifisch malaiisch erschienen. Er stellte dann jedoch fest, dass hinter zunächst merkwürdigem Verhalten auf abstrakterer Ebene Universalien verborgen sind, wie Höflichkeit, Humor und eine hohe Bewertung sozialen Rangs bzw. Status. Dies führte ihn dazu, die Literatur nach Universalien zu durchforsten und er wurde sehr fündig.

Brown bietet in diesem Buch eine theoriegeleitete Zusammenfassung von Resultaten der Universalienforschung inklusive einiger diesbezüglich relevanter relativistischer Gegenthesen, die er anhand von sechs Fallbeispielen diskutiert (Adoleszenskrise in Samoa, emotionaler Gesichtsausdruck, Ödipuskomplex, Zeitvorstellungen der Hopi, Genderrollen der Tschambuli, Farbklassifikation). Er kann zeigen, dass es viele und darunter etliche theoretisch wichtige Universalien gibt. Ein Hauptteil des Buchs widmet sich den kontroversen Erklärungen, die bislang zum Thema Universalien vorgebracht wurden. Schließlich skizziert Brown in einem gleichermaßen eleganten wie faszinierenden Kapitel, das sich wie ein Roman liest, ein imaginäres „Universalvolk“. In der internationalen Ethnologie und anderen Sozial- und Kulturwissenschaften wurde Browns Monographie zumeist hoch gelobt (z.B. Boehm 1992, Lonner 1994) und stark rezipiert. Browns Werk wird vielfach in Büchern zu Politik und Wirtschaft erwähnt. Francis Fukuyama etwa, der Globalisierung als die Verwirklichung von Universalien im speziellen Sinne dessen, was überall und für immer wahr ist, sieht, z.B. beruft sich in seinem Werk zur Biopolitik auf Browns Buch (Fukuyama 2002:198,318). In Werken zu interkulturellem Umgang und Management finden Browns Befunde ihren Niederschlag (z.B. Sherry 1995:286-290, Payer 2000). Während manche Forscher bekannten, Brown habe ihnen die Augen für das Thema geöffnet (z.B. Cronk 1999:24), reagierten andere kritisch (z.B. Sussman 1999, Roughley 2000). In den Kulturwissenschaften inkl. der Ethnologie wurde das Buch jedoch kaum wahrgenommen, was die vergleichsweise wenigen Zitierungen. Bekannt wurden Browns Ausführungen im deutschsprachigen Raum kaum durch fachliche Debatten (Roughley 2002), sondern durch Steven Pinkers populäre Aufbereitung (Pinker 1996a:464f., 2003:601-608). Noch 1977 konnten Greenwood & Stini zu Murdocks Universalienkatalog und der Betonung der Einheit der Menschheit mit einer gewissen Berechtigung feststellen: „The job has been pursued vigorously, especially in the earlier part of this century, and the universality of all the traits on Murdock´s list is generally accepted by anthropologists.” (Greenwood & Stini 1977:314) Diese zustimmende Grundhaltung wird jedoch spätestens seit Mitte der 1980er Jahre nicht mehr so eindeutig vertreten.

Deutschsprachige Ethnologie: frühe ausgesonderte Universalisten

Innerhalb der deutschsprachigen Ethnologie hatte es neben dem dominanten partikularistischen Strom immer auch universalistische Interessen gegeben. Gerade die deutsche Ethnologie schwankte in ihrer Geschichte zwischen universalistischen und partikularistischen Positionen (Hauschild 2004). Dies deckt sich mit Paul Radins (1881-1959) Vorwurf an die deutsche Ethnologie, von einer simplen Dichotomie zwischen psychischer Einheit einerseits und partikulären Ursprüngen kultureller Erfindungen andererseits besessen zu sein. Er warf deutschen Ethnologen vor, dabei fast nur empathisch und historisch-partikulär zu denken (Radin 1933:72, nach Hauschild 2004:123). Verschiedene Auseinandersetzungen innerhalb der deutschen Ethnologie führten aber dazu, dass mit dem Ausschluss bestimmter Ethnologen universalistisches Denken zunehmend aus dem Fach gedrängt wurde. Die „anthropologische Nation“ der deutschen Ethnologie wurde so auf Partikularismus und Idealismus verengt.

Eine auf Traditionspflege orientierte Geschichte deutschsprachiger Ethnologie stellt Pater Wilhelm Schmidt (1868-1954), Richard Thurnwald (1969-1954) und Leo Frobenius in den Mittelpunkt. Zusammen und in Auseinandersetzung mit Bastian formten sie die deutschsprachige Ethnologie maßgeblich. Alle drei bildeten Schulen und waren wichtig für die bis heute wichtigsten deutschsprachigen Fachorgane (Zeitschrift für Ethnologie ab 1869; Anthropos ab 1905; Paideuma ab 1938). Sie lehnten sich an die internationale Ethnologie an, indem sie die Feldforschung stark machten. Aber sie behielten zugleich die besonders deutsch geprägte historisch-philologische Orientierung bei (Hauschild 2004:129). P. W. Schmidt etwa bekämpfte Bastians universalistische Elementargedanken mit aller Schärfe (Chevron pers. Mitt. 2009). Mancher universalistische Denker geriet so aus dem Blickfeld, was insbesondere jüdische Wissenschaftler als marginalisierte Personen in einer marginalen Disziplin traf:

„Die Anthropologie als eine in der ganzen Welt von marginalen gesellschaftlichen Gruppen und besonders von Juden immer wieder gesuchte Disziplin weist in Deutschland eine lange Genealogie von Abgängen und Ausschlüssen jüdischer Forscher auf.“ (Hauschild 2004:134)

Zu nennen sind hier der Philosoph und Linguist Hajim (Chajim, Heinrich, Heyman) Steinthal (1823-1899) und der Philosoph Moritz (Moses) Lazarus (1824-1903). Lazarus und Steinthal waren interdisziplinär orientiert und betrieben sehr modern anmutende Forschungen, z.B. die stadtethnologischen Studien von Lazarus zu Berlin. Wie Bastian und Tylor vertraten beide die Vorstellung der psychischen Einheit der Menschheit (Chevron 2004:19) und sie hatten universalistische, vor allem völkerpsychologische Interessen. Dies manifestierte sich in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, die sie zwischen 1860 und 1890 herausgaben (Lazarus & Steinthal 1860) und die später in die Zeitschrift für Volkskunde mündete (Hauschild 2004:132f.,142, Hauschild 2005b:62f., vgl. Kalmar 1987:674ff., von Graevenitz 1999). Sie waren auch Mitbegründer der bis heute existierenden „Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“, die explizit Ethnologen und Naturwissenschaftler zusammenbringt. Trotzdem fanden sie wenig Gehör und in Darstellungen zur Geschichte der deutschsprachigen Ethnologie kommen sie kaum vor - ganz im Gegensatz zur Geschichte der Kulturpsychologie. Ihr kulturpsychologisches Großprojekt ist trotz aller Schwächen (Straub 2006:135-143) bis heute aktuell, denn es vereinigt materialistische mit idealistischen und universalistische mit partikularistischen Interessen:

„Die Gleichheit der Dinge unter irgendeinem abstracten Schema zu erkennen ist wahrlich nicht schwer; ihre Verschiedenheit aber und besondere Eigenthümlichkeit zu entdecken ist die Aufgabe wissenschaftlicher Arbeit.“ (Lazarus & Steinthal 1880, I,463, zit. nach v. Graevenitz 1999)

Zwei Schüler von Lazarus und Steinthal, nämlich Georg Simmel (1858-1918) und Franz Boas, bekamen ihren jüdischen Hintergrund zu spüren. Simmel endete als marginalisierter Soziologe in Straßburg; Boas ging in die USA, allerdings evtl. auch aus privaten Gründen. Insbesondere diese Ausschließung jüdischer Ethnologen ab etwa 1890 bedingte die Minderung universalistischer Forschung.16 Diese Ausschließungen waren gleichzeitig maßgeblich für die Isolierung der deutschen Ethnologie verantwortlich, die etwa hundert Jahre anhalten sollte, nämlich bis in die 1990er Jahre. Mit den Forschern wurden Ideen vertrieben; mit dem Ausschluss jüdischer Universalisten wurden auch universalistische Ansätze vergessen (Hauschild 2004:134,137,146, 2005b:62f.).

Einer der wenigen deutschen Universalisten hatte selbst antisemitische Tendenzen: Wilhelm Emil Mühlmann. Er vertrat eine kulturanthropologisch ausgerichtete „Ethnosoziologie“, war angesichts seiner antisemitischen Äußerungen ein umstrittener Wissenschaftler und wurde in mancher Hinsicht in der deutschen Nachkriegsethnologie marginalisiert. „Nicht inventarisierende ´Kulturkunde´ ist unser Ziel, sondern ´Menschenkunde´“, formulierte er mit Seitenhieb auf rein historisierende Richtungen. Er sah die Bedeutung „humananalogen“ Verhaltens bei Tieren und forderte die Öffnung der Ethnologie zu den Nachbardisziplinen, auch explizit zur Verhaltensforschung (Mühlmann 1966:19). Er fasste Universalien als „transkulturelle“ Konstanten und benannte folgende: die Bedürfnisse nach Nahrung, Obdach, „geschlechtlicher Ergänzung“, nach Reziprozität, den Hang zu Symboldenken, den Drang nach künstlerischem Ausdruck sowie das Vorhandensein normativer Ordnungsvorstellungen (1966:19f.).

Fazit: Pendelbewegungen zwischen Extremen

Im Rückblick auf die Forschungsgeschichte zu Universalien sehen wir Pendelbewegungen. Die Diskussion bewegte sich zwischen den polaren Positionen zu von Universalien. Die oben diskutierte (logisch nicht haltbare) Annahme einer Isomorphie von Konstruktivismus und Partikularismus wirkt sich gegen die Suche nach Universalien aus. Denn sie geht mit der ebenso falschen Annahme einer notwendigen Isomorphie von Universalismus mit Realismus einher. Es wird übersehen, dass sich partikulare Eigenschaften von Kulturen nur dann bestimmen lassen, wenn man ein Bild darüber hat, welche Verhaltensweisen, Bedürfnisse, Interessen, Werte und Institutionen universellen Charakter haben (Barkow 2001). Dementsprechend attackieren Kritiker häufig eine nur vermeintliche Allianz („forced alliance“, Strathern 1995:175). Die folgende Feststellung Andrew Stratherns 1995 zum Umgang der Ethnologie mit dem Problem der Beziehung zwischen Allgemeinem und Partikularem trifft den heutigen Stand noch immer:

“Perhaps the starting point to relate the particular to the general in anthropology is to realize that the problem is an old one but that, in the swings of intellectual fashion, there is currently an oscillation toward the particular and a tendency to evince scepticism about universals.“ (Strathern 1995:174)

Ferner wurden und werden Universalien für notwendig biotisch bedingt gehalten. Erst seit den 1990er Jahren wird zunehmend gesehen, dass Universalien aus verschiedenen Gründen entstehen können. Die Interaktion Bios-Kultur bzw. die sog. Koevolution kommt nach frühen Arbeiten des Kreises um Konrad Zacharias Lorenz (1903-1989) (vgl. Grossmann & Grossmann 2007:226f.) erst jetzt mehr und mehr in den Blickpunkt (als Übersicht Antweiler 1988, 2005, vgl. Deacon 1998, Bjorklund & Pellegrini 2002). Außerdem wird auf Theorie- und Methodenebene zunehmend der Zusammenhang zwischen kulturrelativen und kulturuniversalen Zugängen gesehen. Eine Konzentration auf Vielfalt muss nicht notwendigerweise mit mangelnder Beachtung gemeinsamer Muster einhergehen. Der Biologe David Barash argumentiert plausibel, dass Ethnologen besser als etwa Psychologen oder Soziologen in der Lage sind, gemeinsame Muster menschlichen Handelns zu entdecken, gerade weil sie sich stärker als jene der Verschiedenartigkeit der Menschen bewusst sind, da sie nicht nur moderne Gesellschaften untersuchen (Barash 1981:42). Als vergleichende anthropologische Forschung jenseits extremem Partikularismus und Exotismus fragt die Ethnologie nach systematischen Mustern der Vielfalt und nach Ursachen des Wandels. Einem „vergleichenden Bewusstsein“ (comparative consciousness“, Nader 1994: 85ff., 93ff.) ist es möglich, zwischen partikularistischen und generalistischen Herangehensweisen zu vermitteln.

Die Forschungsgeschichte zu Universalien in der Ethnologie spiegelt in vielem den allgemeinen Wandel der Theorien in der Ethnologie wider. Empirisch wurden Universalien meist nur im Rahmen der regionalen Ethnologie untersucht. Dies war vor allem dann der Fall, wenn in einer begrenzten Zahl von Gesellschaften bzw. in einer Region, Gleichheiten offensichtlich wurden, die nicht einfach durch kulturelles Erbe (gleiche Vorgängerkulturen), Kulturkontakt bzw. Diffusion erklärbar waren. Sie wurden also als Ausnahmen im Meer der kulturellen Vielfalt gesehen und mit Verfahren des „kontrollierten Vergleichs“ (vgl. Eggan 1954) angegangen.

Was ist den Menschen gemeinsam?

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