Читать книгу Die Erlebnisse des Herrn A. - Christoph-Maria Liegener - Страница 14
ОглавлениеEssen mit Hindernissen
Es geschah an einem Sonntag im Wonnemonat Mai: das Malheur mit dem Essen. Frau A. wollte eine Freundin besuchen, die auf dem Land wohnte. Da das Ehepaar nur über ein einziges Auto verfügte, das normalerweise Herr A. nutzte, und Herr A. es an diesem Tag selbst für eine Weile brauchte, erbot sich der pflichtbewusste Ehemann, sie hinzufahren und anschließend, wenn sie anriefe, wieder abzuholen. Sie würde über Mittag bleiben.
„Was wirst du zu Mittag essen“, fragte alsdann die fürsorgliche Hausfrau ihren Mann. Man muss wissen, dass Herr A. zu dieser Zeit noch rank und schlank war. Allerdings machte er auch damals nicht den Eindruck, als könne er jeden Moment verhungern. Jedoch weckte seine oft lebensuntüchtige Art ihren Fürsorgetrieb. Nur so lässt sich verstehen, dass Frau A. sich darum Sorgen machte, was er essen würde. Es ging auch weniger darum, dass er etwas äße, als was. Er sollte nicht lauter ungesundes Zeug in sich hineinstopfen.
Herr A., der nicht kochen konnte, meinte nur, das wäre nicht nötig. Sie könnten immer noch gemeinsam essen, wenn sie wieder da wäre.
„Na, wir wollen doch nicht, dass du in der Zwischenzeit Hunger leidest. Außerdem werde ich dort essen“, wies ihn seine Frau zurecht.
„Dann mache ich mir Spagetti mit Ketchup“, meinte Herr A. achselzuckend.
„Ich denke, du magst keine Spagetti!“
„Das schon, aber das ist alles, was ich selbst hinkriege.“
„Papperlapapp, du musst etwas Vernünftiges essen“, beharrte seine Frau und erklärte sich bereit, ihm ein anständiges Mittagessen vorzubereiten. Herr A. wollte wissen, was denn seine Aufgabe bei der Sache wäre.
„Keine Angst. Es ist ganz einfach: Die Kartoffeln lässt du eine halbe Stunde auf niedriger Stufe kochen, das Gemüse mit dem Hackfleisch stellst du für zwei Minuten in die Mikrowelle. Das wird dich doch nicht überfordern.“
Nein, das würde Herr A. gerade noch hinkriegen.
Insgeheim hoffte er, mit dem Essen doch warten zu können, bis seine Frau wieder da wäre.
Das versuchte er dann auch. Das Problem war nur, dass seine Frau schon einen Grund gehabt hatte vorzusorgen. Sie hatte nämlich heimlich bereits damit gerechnet, dass ihre Mission länger dauern würde als angekündigt.
Herr A., der ein Optimist war, ging vom Gegenteil aus und erwartete sie früher zurück. Daher zögerte er die Operation Essen so weit wie möglich hinaus. Schließlich kam der Zeitpunkt, da er es nicht mehr aushielt. Sein Magen knurrte.
Missmutig schaltete er den Herd an und setzte den Kartoffeltopf darauf. Eine Viertelstunde später klingelte – wie hätte es anders sein sollen – das Telefon und seine Frau bat um Abholung.
Zerknirscht und ratlos erklärte Herr A. ihr die Situation: Die Kartoffeln waren auf dem Herd und hatten erst die Hälfte der Zeit hinter sich. Seine Frau beruhigte ihn:
„Keine Sorge. Mach einfach den Herd aus und lass den Topf darauf stehen. Ich kümmere mich nachher darum.“
So wurde es gemacht und bald war Frau A. wieder zu Hause und wollte das Essen retten. Dabei stellte sich heraus, dass Herr A. vergessen hatte, Wasser zu den Kartoffeln zu geben, bevor er sie aufsetzte. Natürlich waren sie angebrannt. Die verkohlten Erdäpfel konnten höchstens noch als Eierbriketts herhalten.
Frau A. verlor nicht die Nerven. Sie entsorgte die Bescherung und setzte einen neuen Topf mit Kartoffeln auf. Eine halbe Stunde später war das Essen fertig.
Dann servierte sie es ihrem Mann und setzte sich zu ihm, während er hungrig alles, was er auf dem Teller vorfand, in sich hineinschaufelte. Sie erzählte ausgiebig von ihrem Tag und er hörte interessiert zu.
Er hatte sich bereits ausgiebig für das Malheur entschuldigt. Jetzt wollte er noch eins draufsetzen. Als er fertig war, fühlte er sich bemüßigt, sich zum Essen zu äußern. Umständlich holte er aus:
„Was das Essen betrifft, da muss ich Folgendes sagen: Es gibt nicht viele Frauen, die in kürzester Zeit ein fantastisches Essen zaubern können, …“
„Ach, das war doch nichts Besonderes“, wollte seine Frau abkürzen. Herr A. fuhr ungerührt fort:
„… aber leider gehörst du nicht zu ihnen …“
Frau A. schnaubte vor Wut, konnte aber ein Lachen kaum unterdrücken. Sie rief:
„Na warte!“
Damit kam sie um den Tisch gestürmt, gab ihm einen leichten Klaps auf den Kopf und verwuschelte seine Haare.
„Schon gut“, besänftigte er sie lachend. „So schlecht war es ja gar nicht.“
Dann fragte er sie, was sie denn eigentlich selbst zu Mittag bekommen habe. Sie erzählte, dass ihre Freundin ihr ein Steak vom Kobe-Rind kredenzt habe.
Als sie sich daraufhin bei ihrem Mann entschuldigen wollte, dass seine Mahlzeit da nicht mithalten könne, wehrte er ab und versicherte ihr, dass er sich nichts Besseres hätte wünschen können. Jeder Bissen sei von ihr mit viel Liebe für ihn zubereitet worden, damit er ihn in ihrer Abwesenheit genießen könne. Er sei ihr sehr dankbar dafür.
Seine Frau gab ihm einen Kuss und eröffnete ihm, dass sie ihm auch ein Kobe-Steak mit Grüßen von ihrer Freundin mitgebracht habe. Sie würde es ihm am nächsten Tag braten. Herr A. war begeistert.
Seine Frau war die beste.