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Allein zu Haus

Frau A. wollte eine Schulfreundin aus alten Tagen wiedertreffen, die mittlerweile in der amerikanischen Provinz lebte. Sie fragte ihren Mann, ob er sie begleiten würde, aber der hatte keine Lust. Nicht nur, dass er sich wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt hätte, er litt auch unter Flugangst und wollte sich den Flug über den Atlantik ersparen. So würde er zu Hause bleiben und weiterhin ganz normal jeden Tag zur Arbeit gehen. Kein Problem.

Da Herr A. ein Handymuffel war, gab ihm seine Frau eins von ihren Handys und wies ihn an, dass er es immer bei sich haben sollte für den Fall, dass sie ihn dringend erreichen müsste. Um es gleich zu sagen: Dazu kam es nicht.

Trotzdem gab es einiges zu erledigen. Gründlich instruierte Frau A. ihren Mann für diese Zeit. Auf keinen Fall dürfe er versäumen, täglich morgens und abends die Blumen zu gießen. Ihr Wohnzimmer sah aus wie ein Gewächshaus. Sie beschrieb ihm für jede Pflanze, wieviel Wasser sie brauchte und wie oft. Die ganze Prozedur dauerte jedes Mal eine halbe Stunde. Herr A. wunderte sich, woher seine Frau immer diese Zeit genommen hatte. Er bemühte sich, es schneller zu schaffen, aber es gelang ihm nicht.

So einfach war es nicht, das Blumengießen in seinen Tagesablauf zu integrieren. Manchmal vergaß er es einfach. Er goss dann beim nächsten Mal etwas mehr und hoffte, dass es seiner Frau nicht auffallen würde.

Insgesamt kam er immer öfter mit dem Alltagskram durcheinander, seit er sich um alles selbst kümmern musste. So geschah es, dass er eines Tages vor seinem Büro stand und feststellen musste, dass er den Büroschlüssel zu Hause vergessen hatte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als wieder nach Hause zu fahren. Dort angekommen, fiel ihm siedend heiß ein, dass er am Morgen nicht die Blumen gegossen hatte und es auch am Vortag vergessen hatte. Da half alles nichts: Das musste sofort nachgeholt werden.

Als er fertig war, geriet er in Panik – er war viel zu spät dran. Nichts wie los! Erst auf halbem Weg in die Firma fiel ihm auf, dass er den Büroschlüssel wieder hatte liegenlassen. Upps!

Ein weiterer Problemfall, über den seine Frau ihn noch gründlich aufgeklärt hatte, war die Waschmaschine. Herr A., der sich noch nie um die Wäsche gekümmert hatte, fühlte sich wie der Ochs vorm Berg. Wichtig war Frau A. gewesen, ihm klarzumachen, dass er nach dem Waschvorgang unbedingt die Maschine ausräumen und ausschalten müsse.

„Sonst pumpt die Maschine das Schmutzwasser wieder in die Wäsche“, drohte sie mit dem ernstesten Gesicht von der Welt. Sie hoffte, damit sein Langzeitgedächtnis zu erreichen.

Lag es daran, dass sie keine Miene verzog? Das Unfassbare war, dass Herr A. ihr das tatsächlich abnahm. Von praktischen Dingen hatte er eben keine Ahnung. Seine Frau konnte es dennoch nicht übers Herz bringen, ihn dumm zurückzulassen und klärte ihn auf. Vielleicht würde er es sich ja trotzdem merken.

Was die Gute zu erklären versäumt hatte, war die Sortierung der Wäsche. Als Herr A. nach einer Woche einen Haufen Wäsche angesammelt hatte, füllte er einfach alles in die Maschine und warf sie an. An die Temperatureinstellung dachte er nicht. Eingestellt war die Maschine auf Weißwäsche. Pech nur, dass ein knallrotes T-Shirt dabei war sowie die weiße Lieblingsbluse seiner Frau.

Als Herr A. die Maschine später ausschaltete, war er noch ganz stolz, diesen Handgriff nicht vergessen zu haben. Der Schock kam, als er die Wäsche ausräumte: Alles war rot gefleckt. Bei seiner Unterwäsche störte ihn das nicht. Die würde außer seiner Frau niemand zu sehen bekommen. Aber die Lieblingsbluse seiner Frau war auch verfärbt und außerdem eingelaufen. Herr A. konnte sie seiner Frau unmöglich so präsentieren.

Er musste Ersatz besorgen. Das dürfte schwierig sein, da sie die Bluse von einer Urlaubsreise mitgebracht hatten. Es gab nur eine Lösung: Er musste eine neue Bluse kaufen, die noch schöner war. Er durstöberte das Internet und die Geschäfte seiner Stadt.

Zeit genug hatte er. Nicht, dass es ihm an Alternativen gemangelt hätte. Es gab das Angebot einiger Kollegen, mit ein paar Kästen Bier anzurücken, um die leere Wohnung zu füllen, aber er hatte dankend abgelehnt, weil er sich vorstellen konnte, wie die Wohnung hinterher aussehen würde. Das wieder so herzurichten, dass seine Frau bei ihrer Rückkehr keinen Schock bekommen würde, grenzte an ein Ding der Unmöglichkeit.

Also machte er sich in aller Ruhe auf die Suche – mit der verdorbenen Bluse als Vergleichsstück. In einem kleinen, aber noblen Laden, in dem die Verkäuferin gleichzeitig die Chefin war, wurde er schließlich fündig. Die Bluse, die ihm gezeigt wurde, kam der gesuchten am nächsten. Nur der Preis störte ihn. Nein, nein, er war nicht zu hoch – sondern zu niedrig!

Herr A. erlag hier einem uralten Irrtum aller Männer, nämlich zu glauben, dass schön nur wäre, was auch teuer war. Das ließe sich wohl aus irgendwelchem Protzgehabe der Urmenschen in ihren Höhlen erklären, logisch war es nicht. Der verblendete Herr A. lehnte daher die Bluse mit den Worten ab:

„Die wäre schon gut, aber auf mich wirkt sie ein bisschen billig. Haben Sie keine teurere?“

„Augenblick, ich sehe mal nach“, flötete die Ladeninhaberin und verschwand nach hinten, wo sie das Preisschild von der bemängelten Bluse entfernte, ein neues befestigte und auf dieses den doppelten Preis notierte. Dann kehrte sie lächelnd zurück.

„Da hätten wir noch etwas“, strahlte sie Herrn A. an und reichte ihm die neu ausgezeichnete Bluse.

Der nahm sie, las das Preisschild und war begeistert Er kaufte die Bluse sofort. Durch den horrenden Preis konnte er sein schlechtes Gewissen einigermaßen besänftigen.

Als seine Frau von ihrer Reise zurückkam, fiel sie nicht gleich in Ohnmacht. Die Wohnung war im Großen und Ganzen in Ordnung. Sie war auf Schlimmeres vorbereitet gewesen. Sie wollte ihr Handy wieder an sich nehmen und bemerkte, dass es tot war.

„Was hast du denn damit schon wieder gemacht?“, fragte sie entsetzt ihren Mann.

„Gar nichts. Ich habe es immer bei mir getragen, wie du es gewünscht hast.“

„Aber es geht nicht mehr! Dir kann man doch wirklich nichts in die Hände geben!“

Herr A. ließ den Kopf hängen und schwieg. Ein Bild des Jammers! Er konnte einem wahrhaftig leidtun.

Und was war es nun? Was war der Grund, dass das Handy nicht mehr funktionierte? Der Akku war leer!

Sie luden es auf. Herr A. bekam eine Entschuldigung und einen dicken Kuss. Er meinte:

„Macht nichts. Ich bin gewohnt, an allem schuld zu sein.“

Vorsicht! Nicht zu weit aus dem Fenster lehnen! Denn jetzt war es an der Zeit, seiner Frau das Missgeschick mit der Bluse zu beichten, und da war er ja wirklich schuld gewesen.

Schnell bot er ihr das neue Stück als Ersatz an, nicht ohne zu erzählen, wie hart er es erkämpft hatte. Frau A. hätte die neue Bluse wahrscheinlich nicht sonderlich gefallen, aber die Geschichte rührte sie. Dass ihr Mann sich tagelang damit beschäftigt hatte, die beste Bluse für sie zu besorgen, die er finden konnte, erfüllte sie mit einem Gefühl der Dankbarkeit, das sie den Verlust vergessen ließ. Er hatte die ganze Zeit an sie gedacht! War das nicht romantisch? Sie gab ihrem Mann noch einen Kuss und versicherte ihm, dass dies ab sofort ihre Lieblingsbluse sei.

Die Erlebnisse des Herrn A.

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