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Ärztliche Empfehlung

Herr A. litt unter Hitzewallungen, die ihn mehrmals täglich heimsuchten. Seine Mutter, bei der er sich beklagte, meinte, das sei bei Frauen eine Begleiterscheinung des Klimakteriums – bei Männern sei es ihr unbekannt. Er solle zum Arzt gehen.

Folglich konsultierte Herr A. seinen Hausarzt, Herrn Dr. Knochenbrech. Dieser fragte ihn nach sämtlichen Symptomen und danach, wann er sie an sich beobachtet hätte. Alle Symptome traten während der Arbeitszeit auf, und zwar dann, wenn Kollegen sein Büro betraten, noch genauer: bei Anwesenheit einer gewissen Kollegin, Frau B., die neu in der Firma war. Als Symptome benannte Herr A. neben der aufsteigenden Hitze vor allem Erröten, Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüche, Verwirrung und vermehrten Blutzufluss in einer Körperregion, die zu benennen Herrn A. peinlich war.

Herr Dr. Knochenbrech führte einige Untersuchungen durch, konnte keine physischen Leiden feststellen und teilte Herrn A. mit, dass es sich um eine psychosomatische Störung handele, eigentlich nicht einmal eine Störung, sondern nur eine besonders starke Manifestation einer Verhaltensform, die nun einmal zum Leben dazugehöre. Man spreche von „Morbus amatoris“, zu Deutsch „Liebeskrankheit“ oder „Liebeskummer“. Kurz: Er sei in seine neue Kollegin verliebt.

Zur Therapie empfehle er, die betreffende Dame anzusprechen, sie zum Essen einzuladen und ihr näher zu kommen.

Gekostet hat dieser Ratschlag Herrn A. nichts. Das übernahm die Kasse. Herr A. indes erwies sich als vorbildlicher Patient und befolgte die ärztliche Verordnung.

Demzufolge sprach er am folgenden Tag Frau B. an. So unbefangen er sonst mit seinen Kollegen umging, so verkrampft war er in diesem Gespräch. Obwohl er am liebsten im Erdboden versunken wäre, gab er sich einen Ruck und legte los.

Nur stockend brachte er seine Einladung vor: Ob sie sich eventuell vorstellen könne, mit ihm in ein Restaurant essen zu gehen? Er kenne da ein hervorragendes Lokal, sehr gutes Essen, zwanglose Atmosphäre. Aber nur, wenn es ihr auch wirklich nichts ausmache. Er wolle sie nicht drängen. Es müsse ja auch nicht so bald sein. Wenn es ihr derzeit gerade nicht passe, dann vielleicht später. Vor allem bitte er vielmals um Entschuldigung, dass er überhaupt gefragt habe, aber es sei in der ehrenhaftesten Absicht geschehen.

Zu seinem Erstaunen war Frau B. durchaus erfreut und antwortete:

„Sehr gerne. Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich darauf.“

Sie vereinbarten Ort und Zeit und trafen sich noch am gleichen Abend in Herrn A.s Lieblingsrestaurant.

Man unterhielt sich angeregt und verstand sich gut. Zum Essen tranken sie jeder ein Glas Wein; die Atmosphäre war entspannt, ja sogar fröhlich. Zum Schluss des Abends verabredeten sich die beiden erneut.

Herr A. brachte Frau B. dann noch nach Hause. Es gestaltete sich fast schon romantisch. Zu einem Abschiedskuss kam es dennoch nicht.

Die klassische Variante wäre gewesen, dass Herr A. Frau B. zum Abschied geküsst hätte. Warum geschah das nicht?

Um mit Frau B. zu beginnen, die Herrn A. als konservativen Menschen kennengelernt hatte: Sie scheute sich, ihrerseits die Initiative zu ergreifen, weil sie befürchtete, damit einen falschen Eindruck zu erwecken. Alles, was sie tun zu dürfen glaubte, war, ihr Gesicht behutsam ein paar Zentimeter in Herrn A.s Richtung zu bewegen und einladend zu lächeln.

Das nutzte leider absolut nichts.

Sei es, dass Herr A. die Botschaft nicht verstand, sei es, dass er sich nicht traute: Er stand da wie zur Salzsäule erstarrt. Zwar wusste er, dass dies die übliche Gelegenheit für einen ersten Kuss darstellte, und er war auch kurz davor, aktiv zu werden, doch fehlte ihm das letzte Quäntchen Entschlossenheit.

So blieben sie beide an diesem Abend ungeküsst, was ihnen jedoch nicht die Laune verdarb. Was nicht war, konnte ja noch werden.

In jedem Fall fühlte Herr A. sich nunmehr großartig und das blieb die nächste Zeit so. Seine Beschwerden waren mit einem Schlag verflogen.

Die Erlebnisse des Herrn A.

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