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V.Analogie und Umkehrschluss

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39In einigen Fällen führt die Anwendung der bestehenden Rechtsnormen zu ungerechten Ergebnissen, weil der Gesetzgeber schlicht übersehen hat, einen vergleichbaren Sachverhalt entsprechend zu regeln. In diesen Fällen kann eine Norm analogiefähig sein, das heißt: Man wendet eine Vorschrift, die eigentlich nicht „passt“, weil es nämlich an einer Voraussetzung fehlt, dennoch an.

40Voraussetzung einer Analogie ist zunächst eine planwidrige Regelungslücke. Denn wenn der Gesetzgeber unterschiedliche Sachverhalte bewusst unterschiedlich geregelt hat, muss das bereits wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung hingenommen werden. Der Rechtsanwender darf also Wertungen des Gesetzgebers nicht über eine Analogie korrigieren.

41Weiter muss die Interessenlage im konkreten Lebenssachverhalt derjenigen in dem ausdrücklich geregelten Fall vergleichbar sein.

Beispiel:

In § 1568 Abs. 1 Alt. 1 BGB finden wir eine Härteklausel, nach der eine Ehe nicht geschieden werden soll, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange ihre Aufrechterhaltung im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist. Diese Regelung gilt für leibliche und Adoptivkinder gleichermaßen. Für die der Scheidung vergleichbare Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft besteht eine solche Härteklausel dagegen in § 15 Abs. 3 LPartG nicht. Fraglich ist daher, ob § 1568 Abs. 1 Alt. 1 BGB insoweit analog angewendet werden kann.

Gegen eine planwidrige Regelungslücke könnte dabei zunächst sprechen, dass § 15 Abs. 3 LPartG in seiner derzeitigen Form durch das LPartÜG vom 15.12.2004 geschaffen wurde. Der Gleichklang von § 15 Abs. 3 LPartG einerseits und § 1568 Abs. 1 Alt. 2 BGB andererseits zeugt davon, dass der Gesetzgeber sich an den für die Ehe geltenden Regelungen orientiert hat. Allerdings bestand zu diesem Zeitpunkt noch das Verbot der Sukzessivadoption von Kindern durch eingetragene Lebenspartner, das erst mit Urteil des BVerfG vom 19.2.2013 für verfassungswidrig erklärt wurde.8 Der Gesetzgeber des LPartÜG hatte 2004 also schlechterdings keinen Anlass, Kinder eingetragener Lebenspartner zu schützen. Damit liegt jedenfalls zwischenzeitlich eine planwidrige Regelungslücke vor. Da die Interessenlage von Kindern, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, derjenigen ehelicher Kinder vergleichbar ist, worauf das BVerfG in der genannten Entscheidung ausdrücklich hinweist, sind die Voraussetzungen einer Analogie gegeben.

42Das Gegenstück zur Analogie ist der Umkehrschluss: Wenn der Gesetzgeber einen, ggf. ähnlich gelagerten Fall bewusst nicht geregelt hat, können wir dem entnehmen, dass die abweichende Rechtsfolge geboten ist.

Beispiel:

Nach § 1 Abs. 1 GewSchG hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person bei einer widerrechtlichen Verletzung von Körper, Gesundheit oder Freiheit die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Nun haben wir einen Lebenssachverhalt, in dem das Opfer durch Beleidigungen in seiner Ehre verletzt wurde.

Eine analoge Anwendung von § 1 Abs. 1 GewSchG scheidet aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, denn der Gesetzgeber hat die Ehre bewusst nicht in den Schutzkatalog aufgenommen. Im Umkehrschluss können wir entnehmen, dass die bloße Ehrverletzung gerade nicht für den Erlass einer Gewaltschutzanordnung ausreichen soll. Eine Auslegung des Merkmals „Körper“, die über sog. psychische Gewalt jedwede Ehrverletzung erfasst, wäre fehlerhaft.

Familienrecht und Einführung in das Zivilrecht

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