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III.Geschäftsfähigkeit

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131Die Geschäftsfähigkeit ist von der Rechtsfähigkeit, also der Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, zu unterscheiden. Sie bedeutet, dass der Betreffende selbst rechtsgeschäftliche Handlungen vornehmen kann, aus denen Rechte und Pflichten erwachsen.

132Dabei geht das Gesetz grundsätzlich davon aus, dass derjenige, der rechtsfähig ist, zugleich geschäftsfähig sein soll, es sei denn, es bestehen Einschränkungen gem. §§ 104 ff. BGB. Die wichtigsten dieser Einschränkungen betreffen Minderjährige, die allenfalls beschränkt geschäftsfähig sein können.

133So ist nach § 104 BGB geschäftsunfähig, wer noch nicht sieben Jahre alt ist oder sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern dieser ­Zustand nicht seiner Natur nach ein vorübergehender ist (z. B. bei fortgeschrittener Demenz, IQ unter 60). Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig, das heißt, von vornherein gegenstandslos, § 105 Abs. 1 BGB.25 Das Gleiche gilt für eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder lediglich vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird, § 105 Abs. 2 BGB, so bei Vollrausch oder unter Drogeneinfluss.

134Komplizierter ist es bei der Gruppe der Sieben- bis 17-jährigen, die gem. § 106 i. V. m. § 2 BGB in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind.

135Ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, i. d. R. also der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, darf der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige nur Willenserklärungen abgeben, durch die er lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Das ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 107 BGB. Einwilligung bedeutet dabei die im Vorhinein erteilte Zustimmung zu der beabsichtigten Erklärung.

Lediglich rechtlich vorteilhaft ist z. B. die Annahme einer Schenkung, der Erwerb von Rechten durch oder der Verzicht von Dritten auf Rechte gegenüber dem Minderjährigen. Auf einen wirtschaftlichen Vorteil kommt es dagegen nicht an. Deshalb ist der Kauf eines Autos mit einem Verkehrswert von 5.000 € zum Preis von 1.000 € eben nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weil der Minderjährige damit seinerseits eine rechtliche Verpflichtung eingeht.

136Wenn der beschränkt Geschäftsfähige ohne eine Einwilligung einen Vertrag abschließt, der für ihn nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, dann ist dieser gem. § 108 Abs. 1 BGB zunächst schwebend unwirksam. Der gesetzliche Vertreter kann aber im Nachhinein zustimmen. Macht er dies, dann wird der Vertrag wirksam.

137Der Geschäftsgegner, der klare Verhältnisse will, kann den gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen nach § 108 Abs. 2 BGB zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. In diesem Fall kann die Genehmigung nur ihm gegenüber und nur innerhalb von zwei Wochen erklärt werden; andernfalls gilt sie als verweigert und das Rechtsgeschäft ist unwirksam.

138Von der Bestimmung des § 107 BGB, nach welcher der beschränkt Geschäftsfähige allein nur Rechtsgeschäfte abschließen darf, die für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft sind, gibt es drei Ausnahmen: die erste betrifft den sog. Taschengeldparagraphen (§ 110 BGB), die zweite den selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (§ 112 BGB) und die dritte Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisse (§ 113 BGB).

139Nach § 110 BGB gilt ein von dem beschränkt Geschäftsfähigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.

140Wichtig ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der Minderjährige eigene Gelder nicht am gesetzlichen Vertreter vorbei nach eigenem Gutdünken verwenden kann. Mittel, die ihm z. B. von den Großeltern heimlich und ohne Wissen der Eltern zugesteckt werden, fallen nicht unter § 110 BGB.

141In der Überlassung oder Zustimmung des gesetzlichen Vertreters liegt damit eine konkludent erteilte Einwilligung, so dass man § 110 BGB auch als Unterfall von § 107 BGB begreifen kann.26 Deshalb ist stets durch Auslegung zu bestimmen, ob die konkrete Verwendung von der elterlichen Einwilligung gedeckt war, was im Zweifel nur dann anzunehmen ist, wenn sich diese in einem vernünftigen Rahmen hält. Nicht von § 110 BGB dürfte damit z. B. der Kauf einer Pistole, von Pornomagazinen oder Alkohol umfasst sein.27

142Zuletzt muss die dem Minderjährigen obliegende Leistung bereits bewirkt sein. Solange sich der Minderjährige also nur zur Leistung, beispielsweise zur Zahlung eines Kaufpreises verpflichtet, diesen jedoch nicht entrichtet hat, ist das nicht der Fall, das Geschäft also weiter gem. § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam. Bei einer Teilerfüllung kommt es darauf an, ob Leistung und Gegenleistung teilbar sind. Ist das der Fall, wie etwa bei einem Miet- oder Mobilfunkvertrag, wird der Vertrag infolge der Zahlung jeweils für den entsprechenden Zeitraum wirksam. Andernfalls, z. B. bei einem Kredit- oder Ratenzahlungsgeschäft, bei dem noch nicht alle Raten beglichen wurden, ist § 110 unanwendbar.28 Auch bei einer Teilbarkeit bleibt es für künftige Zeiträume dabei, dass das Geschäft schwebend unwirksam ist, so dass der gesetzliche Vertreter die Genehmigung verweigern und den Minderjährigen ungeachtet etwaiger Kündigungsfristen aus dem Vertrag lösen kann.

143Nach § 112 Abs. 1 BGB ist der Minderjährige, der durch seinen gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt wurde, für solche Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, grundsätzlich unbeschränkt geschäftsfähig. Dasselbe gilt nach § 113 Abs. 1 BGB für Rechtsgeschäfte welche die Eingehung bzw. Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder die Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen betreffen, soweit der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen ermächtigt hat, in Dienst oder Arbeit zu treten.

Fall:

Der 16-jährige Ferdinand bekommt monatlich 40 € Taschengeld von seinem allein sorgeberechtigten Vater, und kann damit machen was er will. Ferdinand will ein Pay-TV-Abo für 20 € monatlich erwerben und schließt einen entsprechenden Vertrag (Laufzeit: 12 Monate), den er fortan von seinem Taschengeld bezahlt. Nach sechs Monaten fällt dem Vater auf, dass Ferdinand in der Schule schlechter wird. Ferdinand beichtet, täglich mehrere Stunden fernzusehen. Der Vater schreibt einen wütenden Brief an den Pay-TV-Sender und fordert Rückzahlung des Entgelts für die vergangenen Monate. Zu Recht?

Lösung:

Der Vater könnte in Vertretung Ferdinands einen Anspruch auf Herausgabe der für die vergangenen sechs Monate entrichteten 120 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB haben.

Voraussetzung dafür wäre, dass der Pay-TV-Sender die entsprechenden Gelder von Ferdinand ohne rechtlichen Grund bekommen hätte. Als rechtlicher Grund kommt vorliegend der zwischen Ferdinand und dem Sender geschlossene Vertrag in Betracht. Fraglich ist jedoch, ob dieser wirksam ist.

Nachdem Ferdinand mit 16 Jahren gem. § 106 BGB in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist und eine Einwilligung des Vaters gem. § 107 BGB zu dem konkreten Vertrag nicht vorliegt, könnte sich dessen Wirksamkeit aus § 110 BGB ergeben. Danach gilt ein vom Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsgemäße Leistung u. a. mit solchen Mitteln bewirkt, die er zur freien Verfügung von seinem Vertreter erhalten hat.

Vorliegend hat Ferdinand das Taschengeld, von dem er die Kosten des Abonnements beglichen hat, von seinem Vater als gesetzlichem Vertreter zur freien Verfügung bekommen. Der Abschluss eines Abos war auch nicht in einem Ausmaß unvernünftig, dass von vornherein davon ausgegangen werden konnte, dass dieser von der konkludent erteilten Einwilligung nicht umfasst wäre.

Fraglich ist jedoch, wie es sich auswirkt, dass Ferdinand noch nicht die Kosten der gesamten Vertragslaufzeit von 12 Monaten beglichen hat. Insoweit ist darauf abzustellen, ob Leistung und Gegenleistung teilbar sind. Nur in diesem Fall wäre der Vertrag für die vergangenen Monate voll wirksam.

Eine solche Teilbarkeit wird von der Rechtsprechung u. a. bei Mobilfunkverträgen angenommen, die monatlich abgerechnet werden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb bei dem Pay-TV-Vertrag etwas anderes gelten sollte.

Damit scheidet eine Versagung der Genehmigung des Vertrags für die vergangenen Monate aus und liegt ein rechtlicher Grund für die Zahlung der 120 € vor.

Der Vater kann den Betrag deshalb nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurückfordern.

Anmerkung:

Für die Zukunft ist die Leistung nicht bewirkt und der Vertrag daher schwebend unwirksam. Insoweit kann der Vater die Genehmigung verweigern.

143aVon der Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden ist die Fähigkeit, in medizinische Behandlungen einzuwilligen. Nach § 630d Abs. 1 S. 1 BGB ist der Behandelnde vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine geschäftsähnliche Handlung. Da diese eine Entscheidung über ein höchstpersönliches Rechtsgut enthält, ist dafür nicht die Geschäftsfähigkeit, sondern die Einwilligungsfähigkeit maßgeblich.29

143bDie Einwilligungsfähigkeit erfordert die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten hinsichtlich der Art und Notwendigkeit, der Bedeutung sowie der Folgen und Risiken einer Maßnahme.30 Ist ein minderjähriger Patient einwilligungsfähig, muss zwischen geringfügigen und nicht geringfügigen Eingriffen unterschieden werden. Für geringfügige Eingriffe bedarf es zunächst nur der Einwilligung des Minderjährigen, während für nicht geringfügige Eingriffe die Einwilligung sowohl des Minderjährigen als auch der Sorgeberechtigten erforderlich ist (sog. Co-Konsens).31 Ist der Patient nicht einwilligungsfähig, bedarf es generell nur der Einwilligung der Sorgeberechtigten. Steht den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zu, müssen beide der Behandlung zustimmen. Wenn allerdings das Kind in Begleitung eines Elternteils beim Arzt erscheint und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Eltern unterschiedlicher Meinung sein könnten, ist zumindest bei Routineeingriffen davon auszugehen, dass der das Kind begleitende Elternteil durch den anderen dazu ermächtigt wurde, die Einwilligung für beide zu erklären.32

143cKann eine Einwilligung für eine unaufschiebbare (Notfall-)Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf die ärztliche Behandlung gem. § 630d Abs. 1 S. 4 BGB ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.33

Praxishinweis:

Vor dem Hintergrund dessen, dass die Einwilligungs- und die Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden sind, müssen die gesetzlichen Vertreter bei beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen nach § 107 BGB in den Abschluss des Behandlungsvertrags einwilligen bzw. diesen selbst abschließen. Soweit eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, ist die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit nach § 36 SGB I maßgeblich, die grundsätzlich ab einem Alter von 15 Jahren besteht, aber von den gesetzlichen Vertretern eingeschränkt werden kann.34

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