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VI.Bearbeitung unstreitiger Sachverhalte

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43Für die Arbeit an einem konkreten Sachverhalt wurden Techniken entwickelt, deren Zweck u. a. die Vermeidung von Fehlern ist.

44Hierbei müssen wir zunächst unterscheiden, ob es sich um einen streitigen oder unstreitigen Sachverhalt handelt.

45In der Praxis haben wir es ganz überwiegend mit streitigen Sachverhalten zu tun. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Beteiligten widersprüchliche Angaben machen und der „wahre“ Sachverhalt erst ermittelt werden muss.

Beispiel:

Im Verlauf eines Streits zwischen Anton und Frieda hat Frieda den Anton mit einem Messer verletzt. Anton beantragt nun den Erlass einer Anordnung nach § 1 Abs. 1 GewSchG und behauptet, er wisse nicht, weshalb ihn Frieda aus heiterem Himmel angegriffen habe. Frieda hingegen behauptet, sie habe mit dem Messer zugestochen, weil Anton eine Pistole in der Hand gehabt habe, mit der er sie erschießen wollte.

Falls die Angaben von Frieda zutreffen, hätte sie in Notwehr gehandelt. Der Erlass einer Gewaltschutzanordnung käme nicht in Betracht, weil ihr Angriff gem. § 227 BGB in Ausübung eines Notwehrrechts und damit nicht widerrechtlich wäre.

46Dagegen haben wir es an der Hochschule fast ausschließlich mit unstreitigen Sachverhalten zu tun. Hier wird uns ein Teil der Arbeit abgenommen, weil wir von vornherein wissen, was geschehen ist.

Beispiel:

Frieda greift Anton, mit dem sie sich freundlich unterhalten hatte, ohne Grund mit einem Messer an, sticht damit mehrfach auf ihn ein und fügt ihm so mehrere Schnittwunden an der rechten Hand zu. Anton bittet Sie nun um Prüfung, ob er dem Grunde nach eine Maßnahme gem. § 1 Abs. 1 GewSchG beantragen kann.

47Unstreitige Sachverhalte werden im Gutachtenstil geprüft.

48Hierzu beginnen wir mit dem Obersatz, den wir im Konjunktiv formulieren und in dem wir die Fallfrage unter Nennung der ersten in Betracht kommenden Rechtsgrundlage aufwerfen.

Anton könnte dem Grunde nach einen Anspruch auf Erlass einer gegen Frieda gerichteten Gewaltschutzanordnung aus § 1 Abs. 1 GewSchG haben.

49Sodann nennen wir im Bedingungssatz die Voraussetzungen, unter denen der Anspruch besteht. In den meisten Fällen ist das recht einfach, denn die Voraussetzungen können wir dem Gesetz entnehmen.

Das wäre unter anderem dann der Fall, wenn Frieda den Anton widerrechtlich am Körper verletzt hätte.

50Als nächstes müssen wir die im Bedingungssatz genannten Bedingungen definieren. Hierbei handelt es sich um den sog. Definitionssatz.

Eine Körperverletzung ist jedes üble, unangemessene Verhalten, durch die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Die Widerrechtlichkeit eines solchen Verhaltens wird indiziert, wenn keine Rechtfertigungsgründe bestehen.

51Damit können wir nun den vorgegebenen Lebenssachverhalt unter die genannten Definitionen subsumieren, also prüfen, ob deren Voraussetzungen vorliegen. Diese Subsumption ist das Kernstück einer jeden rechtlichen Prüfung.

Indem Frieda mehrfach mit dem Messer auf Anton eingestochen hat, liegt ein solch übles, unangemessenes Verhalten vor. Durch die dabei entstandenen Schnittwunden musste er Schmerzen erleiden; sein körperliches Wohlbefinden wurde folglich mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.

52Nun liegt das Ergebnis auf der Hand: Wir müssen es nur noch im Ergebnissatz festhalten.

Folglich hat Anton dem Grunde nach einen Anspruch auf Erlass einer gegen Frieda gerichteten Gewaltschutzanordnung aus § 1 Abs. 1 GewSchG.

53Bei mehreren in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen erfolgt die Prüfung jeweils gesondert. Es können also in einem Gutachten mehrere solcher Prüfungen gefordert sein.

Familienrecht und Einführung in das Zivilrecht

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