Читать книгу Revolverfreunde: Wichita Western Sammelband 6 Romane - Conrad Shepherd - Страница 45

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Diese Stadt war ein Dreckloch. Was Beine oder Räder hatte, musste durch den Morast der Main Street. So gesehen, waren hier in Deadwood alle Menschen gleich.

Nat Love ritt auf den Eingang des Gern Saloons zu. Dort sprang er aus dem Sattel auf die Gehsteigbretter.

Der Mann, der sich vom Türrahmen abstieß und auf ihn zukam, sah aus, als würde er vor Kraft nicht gehen können. »Sklaven werden hier nicht bedient!«

Nat ging dem Wichtigtuer entgegen. Der Mann war einen Kopf größer als er und etwa doppelt so breit. Sein Gesicht hatte die Form eines Vollmonds. Vor allem aber war er weiß, wie die meisten Leute in der Stadt. Deshalb glaubte er offenbar, das Sagen zu haben, wenn er einem Menschen mit dunkler Hautfarbe gegenüberstand.

»Gehört dir der Saloon?«, fragte Nat.

»Fragen von Sklaven werden hier nicht beantwortet«, entgegnete der Riesenkerl herablassend. »Außerdem ist morgen der 4. Juli. Da soll unsere Stadt sauber sein. Also verpiss dich, schwarzer Mann, bevor es ungemütlich wird.«

»Tja, wenn das so ist.« Nat spielte Bedauern, indem er die Schultern hob, sie wieder sinken ließ und laut seufzte. Einen Schritt vor dem Saloonwächter blieb er jedoch stehen und bewegte sich weder vor noch zurück.

Auch dann nicht, als der Kerl ihn mit dem Bauch rammte.

»Häh?«, machte der Riese, denn ihm war, als wäre er gegen eine Wand aus amerikanischer Eiche geprallt.

Im nächsten Atemzug verschluckte er sich und lief grünlich gelb an. Gleichzeitig ging ein Ruck durch seinen Körper. Er riss den Mund auf, brachte aber keinen Laut hervor. Nur die Hände bekam er noch hoch, um sie sich auf den Brustkasten zu pressen – dort, wo es ihn getroffen hatte.

Was es gewesen war, hatte er nicht einmal mitgekriegt, doch es hatte die Wucht eines Vorschlaghammers gehabt.

Stumm kippte er hintenüber und landete krachend auf den Planken des Gehsteigs.

Erst jetzt wurden die Leute aufmerksam. Allerdings hatten nur wenige, in unmittelbarer Umgebung, eine Ahnung, was sich abgespielt hatte. Ungläubig blickten sie auf den reglos am Boden liegenden Mann, der keinerlei Anstalten machte, wieder aufzustehen.

Es schien nicht einmal sicher, dass der schlanke schwarze Cowboy dafür verantwortlich war, denn niemand hatte richtig gesehen, dass er zugeschlagen hatte. Seinen blitzartigen, eisenharten Fausthieb hatte kein Mensch mit Blicken verfolgen können. Ohnehin konnte sich niemand vorstellen, dass einer den massigen Kerl aus dem Saloon mit einem einzigen Schlag niederzustrecken vermochte. Zudem war es kein Treffer ans Kinn oder sonstwo an den Schädel gewesen.

Aber eine Gerade auf den Brustkorb oder in die Magengrube? Und dann eine solche Wirkung? Keiner der Umstehenden konnte sich erinnern, so etwas jemals erlebt zu haben. Alle hielten respektvoll Abstand. Jene, die den Gehsteig unter dem Vordach noch nicht erreicht hatten, verharrten im Schlamm der Main Street. Die anderen, die es in den Saloon geschafft hatten, spähten aus der Sicherheit hinter der Schwingtür nach draußen.

Eine Fortsetzung des Kampfes schien unausweichlich.

Doch der Kraftprotz mit dem Mondgesicht lag da wie tot.

Nat Love ließ sich von den staunenden und bewundernden Blicken nicht aus der Ruhe bringen. Ungerührt warf er die Zügel seines Braunen über den Haltebalken und drückte die breite Krempe des Stetsons nach oben, wie er es stets tat, wenn er freies Blickfeld brauchte. Sein Haar war schwarz und naturgelockt. Es reichte ihm fast bis auf die Schultern und bildete einen starken Kontrast zu dem helleren Braunton seiner Gesichtshaut. Ein markant geschnittenes Gesicht war es, beinahe hager in seiner ovalen Form. So schmal wie sie waren, erinnerten auch der Nasenrücken und die Lippen mit ihrer Form mehr an einen weißen Mann als an einen Amerikaner afrikanischer Herkunft.

Auf der Main Street herrschte Betrieb. Viele Leute waren zu Fuß unterwegs, und Scharen von ihnen stapften auf den Gern Saloon zu. Unter ihnen auch etliche Huren, die vom Friseur oder vom Schneider zurückkehrten. Keiner der Männer ließ sich indessen herab, sie zu tragen. Die käuflichen Ladys waren gezwungen, durch den knöchelhohen Schlamm zu waten und dabei die Röcke zu raffen, so gut es ging.

Der Gehsteig vor dem Saloon belebte sich wieder. Auf dem Weg zum Eingang schlugen die Huren einen Bogen um den Bewusstlosen, ohne ihn zu beachten. Stattdessen warfen sie dem dunkelhäutigen Weidereiter unverhohlen lüsterne Blicke zu. Auch eindeutige, lockende Gesten und herausforderndes Zwinkern fehlten nicht.

Nat kannte das. In der Damenwelt hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass Männer seiner Hautfarbe in gewisser Beziehung besser ausgestattet seien als alle anderen. Im Gegensatz zu ihren sittsamen Geschlechtsgenossinnen machten die professionellen Ladys keinen Hehl aus ihrem Interesse, den Wahrheitsgehalt jenes Gerüchts zu überprüfen – natürlich immer noch gegen Geld. Als Mensch dunkler Hautfarbe musste man in solchen Situationen aufpassen, denn Weiße wurden neidisch, wenn sie es mitkriegten. Sie fühlten sich, als würde ihnen persönlich etwas weggenommen werden, wenn es zu einer Beziehung zwischen einer weißen Frau und einem schwarzen Mann kam –selbst wenn es sich um eine Käufliche handelte.

Es schien ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass weiße Frauen ausschließlich den weißen Männern gehörten. Daran hatte sich bis heute, elf Jahre nach dem Bürgerkrieg, nichts geändert. Nat hatte lernen müssen, dass sich die Nordstaaten wie sie oft noch immer genannt wurden in dieser Beziehung kaum von den Südstaaten unterschieden.

Er spürte, wie ihn die Männer mit ihren Blicken taxierten. Sie versuchten, das Rätsel zu lösen, wie er den Brocken von einem Kerl bezwungen hatte. Denn Nat war nur mittelgroß und ausgesprochen schlank. Bei oberflächlicher Betrachtung mochte er sogar schmächtig und schwächlich wirken, doch genaueres Hinsehen offenbarte schon einen Teil dessen, was wirklich in ihm steckte. Allein ein Blick auf seine Hände ließ die stählernen Muskeln ahnen, die sich unter dem rauen Stoff des Kattunhemds verbargen.

Die Menschen in Deadwood ahnten indessen nicht, dass ihnen eine weitere grandiose Darstellung dessen bevorstand, was dieser Mann zu leisten imstande war.

Obwohl er äußerlich gelassen wirkte, war Nat auf der Hut. Er hatte viel gehört über den Ort, an dem er sich befand. Wer in Deadwood sein Glück versuchte, konnte schnell ein reicher Mann werden. Ebenso schnell konnte er aber auch sein Leben verlieren, denn dies war eine Stadt, in der es mehr Outlaws gab und ein Menschenleben weniger bedeutete als irgendwo sonst im Westen. An den Lagerfeuern der Langreiter wurden über Deadwood die haarsträubendsten Geschichten erzählt.

Viele dieser Geschichten drehten sich um den Gern Saloon, ein berühmt-berüchtigtes Etablissement, dessen Ruf weit über die Grenzen von Deadwood hinausging. In Kansas City hatte Nat zum ersten Mal von anderen Weidereitern gehört, dass es in Deadwood diesen Saloon gab, in dem praktisch rund um die Uhr getrunken und gepokert wurde. Das allein war nichts Besonderes, denn es verhielt sich in Tausenden anderer Saloons des Westens genauso. Was den »Gern« jedoch so außergewöhnlich machte, waren seine Huren, sein Showprogramm und sein Inhaber.

Revolverfreunde: Wichita Western Sammelband 6 Romane

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