Читать книгу Revolverfreunde: Wichita Western Sammelband 6 Romane - Conrad Shepherd - Страница 46

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Nat stieß die Flügel der Schwingtür auseinander, und die Neugierigen dahinter bildeten rasch eine Gasse für ihn. Das Gemurmel, das bis eben noch geherrscht hatte, endete schlagartig. Auch die Musik, aus dem Hintergrund, brach ab. Der Pianist und sein Kollege, ein Banjospieler, drehten sich um und spähten neugierig herüber.

»Verdammt, spielt weiter!«, erscholl eine markige Stimme von der Theke her. »Seit wann werden in meinem Saloon Lieder nicht zu Ende gespielt?«

Die beiden Musiker beeilten sich, die Anordnung zu befolgen. Es war eine flotte Version des Stücks »When You And I Were Young, Maggie«, die sie wiederaufnahmen.

Nat ging auf die riesige Theke zu. Weiter hinten arbeiteten zwei Barkeeper, deren Lederschürzen im hereinfallenden Sonnenlicht speckig glänzten. Am vorderen Ende des Tresens lauschte ein breitschultriger, schwarzhaariger Mann dem Tuscheln eines der Neugierigen, der vom Eingang herübergeeilt sein musste. Während er zuhörte, ließ der Schwarzhaarige den Neuankömmling nicht aus den Augen.

Nat ging ohne Umschweife auf ihn zu.

»Mr. Swearengen?«, fragte er.

»Der bin ich, junger Mann«, antwortete der Eigentümer des Saloons. Mit einer Handbewegung scheuchte er den Berichterstatter weg, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. »Wenn Sie eine Frage haben, heraus damit.«

»Keine Frage, Sir. Nur eine Bestellung. Whiskey.«

Swearengen tat erleichtert. »Na, da bin ich aber froh. Ich dachte schon, nach meinem Personal hätten Sie es nun auf mich abgesehen.«

Nat grinste. »Keine Sorge, Sir, solange Sie mich nicht beleidigen, passiert Ihnen nichts.«

Swearengen lachte dröhnend. Er erhob den Zeigefinger und rief: »Was hier in Deadwood passiert, junger Mann, bestimmt nur einer.«

»Sie.«

»Richtig. Und bevor Sie auch nur eine Chance hätten, mir ein Haar zu krümmen, würden Sie schon eines unnatürlichen Todes sterben. In Ihren Stiefeln.«

Nats Grinsen blieb unverändert. Er wollte die Arme auf die Tresenkante legen und seinem Gegenüber weiter zuhören. Aber noch aus dem Ansatz der Bewegung fuhr er herum.

Der Sechsschüsser lag so schwer und ruhig in seiner Rechten, als hätte er ihn schon die ganze Zeit so gehalten – mit der Mündung auf einen schnauzbärtigen Mann gerichtet, der vor dem Treppenpfeiler stand.

Der Schnauzbärtige hatte den Revolver nur knapp aus dem Holster gezogen; ihn in Schussrichtung zu heben, schaffte er nicht mehr. Er erstarrte vor Schreck. Mit hervorquellenden Augen stierte er auf den 45er Cavalry Colt, dessen Siebeneinhalb Inch-Lauf in der Eisenfaust des schwarzen Cowboys nicht um den Bruchteil eines Millimeters schwankte.

»Jake!«, brüllte Al Swearengen. »Wer, zum Teufel, hat dir erlaubt, auf Gäste meines Hauses zu schießen? Los, raus, verschwinde! Und wenn ich dich heute noch einmal hier sehe, empfange ich dich mit einer Kugel!«

Der Mann namens Jake erbleichte, sperrte den Mund auf, bekam aber keinen Ton heraus. Im nächsten Atemzug ließ er seinen Colt ins Leder sinken und spreizte die Finger, als wäre die Waffe plötzlich glühend heiß geworden. Dann warf er sich herum und verließ den Saloon fluchtartig durch den Hinterausgang.

Nat schob den Sechsschüsser ins Holster und wandte sich dem Mann zu, von dem er so verdammt viel gehört hatte. Einer der mächtigsten Männer in Dakota sollte er sein, dieser Al Swearengen – schwerreich und beliebt einerseits, grausam und skrupellos andererseits. Einer, der seinen Feinden das Genick brach oder ihnen die Kehle durchschnitt, wenn Argumente nicht mehr halfen. Auf diese Weise hatte er sich Respekt verschafft. Viele, die ihn verehrten, fürchteten ihn zugleich.

»Danke«, sagte Nat.

»Wofür?«, entgegnete Swearengen und musterte ihn aus schmalen Augen,

»Dafür, dass Sie mich als Gast bezeichnet haben.«

»Jeder, der hier reinkommt, ist mein Gast.«

Nat deutete zur Schwingtür. »Ihr Aufpasser da vorn war anderer Meinung.«

»Bud Shanks?« Swearengen ließ erneut sein dröhnendes Lachen ertönen und winkte ab. »Nehmen Sie es nicht krumm, junger Mann. Bud kann es manchmal nicht lassen, da muss er sich einfach aufspielen.«

Krachend flogen die Türflügel auseinander.

»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte Nat und wandte sich erneut um, diesmal zum Eingang hin.

Shanks, der Mann mit dem Mondgesicht, tappte herein wie ein betrunkener Grizzly. Er hatte die Nachwirkungen des Schlages noch nicht ganz verdaut. Schwankend stapfte er auf die Theke zu und hob die Fäuste.

»Dir werd ich’s zeigen!«, rief er wütend. »Verdammter Sklavenbastard!«

Al Swearengen ließ sein Gläserhandtuch fallen und eilte hinter dem Tresen hervor. Er stellte sich dem Zürnenden in den Weg und schnaubte: »Verdammt, Bud, jetzt reiß dich gefälligst zusammen!«

Shanks blieb stehen. Sein rundes Gesicht spiegelte grenzenloses Erstaunen.

»Aber Al«, stammelte er. »Der Hurensohn hat mich zusammengeschlagen.«

»Dafür siehst du aber noch ganz ordentlich aus«, entgegnete Swearengen spöttisch, und wie eine Mutter zu ihrem kleinen Kind fuhr er fort: »Ja, wo hat er dir denn weh getan, der Böse?«

Bud Shanks verstand die Welt nicht mehr. »Das lasse ich mir nicht gefallen!«, schrie er. »Lass mich vorbei, Al, damit ich dem Kerl den Kopf abreißen kann!«

»Nein«, widersprach der Saloon Inhaber schneidend. »Du hast den Mann beleidigt. Wenn du ein bisschen Anstand im Leib hättest, würdest du dich entschuldigen.«

Shanks’ Kinnlade klappte herunter. »Mein Gott, Al«, flüsterte er fassungslos. »Du hast doch gesagt, dass wir keine Indsmen, keine Chinks und keine Schwarzen ...«

»Blödsinn!«, fuhr Swearengen ihn an. »Ein Mann muss in seinem Denken anpassungsfähig sein.«

»Anpassungsfähig?«, echote Shanks und blinzelte begriffsstutzig. »Was ...?

»Was das heißt?«, schnitt der Saloon-Eigner ihm das Wort ab. »Das heißt, dass ein Mann sich nicht stur an alte Anweisungen halten muss, sondern auch darüber nachdenken sollte, ob sie noch zur aktuellen Situation passen.«

»Zur ... was?«

»Vergiss es.« Swearengen winkte ab. »Hast du mitgekriegt, dass wir 3000 Longhornbullen erwarten – hier in Deadwood? Erzähl mir nicht, dass du das vergessen hast.«

»Hab ich nicht, verdammt«, erwiderte Shanks. »Aber was hat das mit dem zu tun?« Vorwurfsvoll zeigte er auf Nat Love.

»Na, dann überleg mal«, sagte Al Swearengen schulmeisterhaft. Er zwinkerte den Umstehenden zu, die bereits zu grinsen und zu kichern begannen.

Bud Shanks war dafür bekannt, dass das Denken sich bei ihm im Schneckentempo abspielte.

»Keine Ahnung«, brummte er.

»Was würdest du sagen«, fuhr Swearengen geduldig fort, »was für einen Beruf unser Gast haben könnte? Ich meine, sieh dir mal an, was für Sachen er anhat.«

»Sehe ich«, knurrte Shanks. »Der hat Cowboyklamotten an, obwohl er genau wissen müsste, dass Sklaven dazu gar kein Recht ...«

»Es reicht jetzt, Bud«, fauchte der Saloon-Inhaber ihn an. »Menschenskind, in welcher Zeit lebst du? Der Bürgerkrieg ist seit elf Jahren vorbei.«

»Das weiß ich«, erwiderte Shanks beleidigt. »Aber du hast gesagt, damit ist das Problem trotzdem nicht gelöst. Weil die Freigelassenen sich jetzt überall breitmachen, auch bei uns. Und das dürfen wir nicht zulassen.«

»Was man gestern gesagt hat, muss man heute revidieren können«, erwiderte Al Swearengen salbungsvoll. »Menschen sollten ihren Verstand benutzen, um hinzuzulernen. So, wie ich es tue.« Er wandte sich den Zuhörern zu. »Wir müssen die Zeichen der Zeit erkennen, Freunde. Dieser tapfere junge Mann ...«, er zeigte auf Nat Love, »ist ein solches Zeichen. Seine Anwesenheit zeigt, welcher Umbruch uns bevorsteht. Bereits in wenigen Jahren werden die Goldminen in den Black Hills ausgebeutet sein. Kluge Männer bauen deshalb schon jetzt vor, indem sie an die Zukunft denken. Wir haben gutes Weideland, hier im künftigen South Dakota. Und diejenigen von euch, die als Goldsucher nicht das große Glück fanden, werden froh sein, wenn sie eines Tages einen Job auf einer der Ranches kriegen, die jetzt entstehen.« Einige der Umstehenden begannen zu klatschen. Swearengen dämpfte den beginnenden Beifall, indem er die Hände hob und ein gütiges Gesicht machte. »Unser Freund, Mister ...« Er wandte den Kopf. »Wie ist eigentlich Ihr Name?«

»Nat Love, Sir. Mein Rancher ist Pete Gallinger am Gila River in Arizona. Unsere Trail-Mannschaft ist heute am frühen Morgen in Deadwood eingetroffen. Mit den bestellten 3000 dreijährigen Longhornbullen.«

Al Swearengen nickte und fuhr fort: »Mr. Love ist ein Vorbote der neuen Zeit, liebe Freunde. Er zeigt uns, dass das, was ein Bud Shanks nicht verstehen kann, dort in Arizona längst selbstverständlich ist. Dass nämlich ein Mann wie Mr. Love den amerikanischsten aller amerikanischen Berufe ergreifen kann – den des Cowboys.« Der Saloon-Inhaber räusperte sich und blickte in die Runde. »All right, und nun wollen wir Mr. Love seine wohlverdiente Ruhe gönnen bei einem Drink und bei einem Wort von Mann zu Mann.«

Eine Kopfbewegung Swearengens genügte, und die Anwesenden wandten sich ihren ursprünglichen Beschäftigungen zu. Einige verschwanden mit den Huren in deren Zimmer. Pokerrunden wurden wiederaufgenommen, Gespräche fortgesetzt. Bud Shanks zog sich in die Ecke hinter dem jenseitigen Ende der Theke zurück, wo er sich auf einen Stuhl sinken ließ und mit düsterer Miene vor sich hinstarrte. Niemand wagte es, ihn anzusprechen. In Deadwood wusste man aus Erfahrung, dass es unklug war, sich mit jemandem zu verbrüdern, der bei Al Swearengen in Ungnade gefallen war. Immerhin bestand Al nicht darauf, dass Bud sich bei dem schwarzen Cowboy entschuldigte. Ob das aber schon als ein Zeichen zur Entwarnung gewertet werden konnte, blieb abzuwarten. Eine Rolle spielte es ohnehin nicht.

Denn die Tatsache, dass der schwarze Weidereiter eine Audienz bei dem mächtigsten Mann in Deadwood erhielt, war mehr als eine Entschuldigung. Es war eine Sensation.

Revolverfreunde: Wichita Western Sammelband 6 Romane

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