Читать книгу Revolverfreunde: Wichita Western Sammelband 6 Romane - Conrad Shepherd - Страница 54
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ОглавлениеNat spürte die feindselige Stimmung schon, kaum dass er den Halfway Saloon betreten hatte. Es war der größte Saloon in Red Springs, doch verglichen mit den Etablissements von Deadwood hatte man hier das Gefühl, in eine Kirche geraten zu sein. Nur knapp die Hälfte der Plätze an den Tischen war besetzt, und an der Theke stand niemand. Falls es überhaupt Gespräche gegeben hatte, so hatten sie jetzt schlagartig aufgehört.
Es herrschte Totenstille.
Alle Blicke richteten sich auf Nat, während er eintrat und hinter ihm die Schwingtür auspendelte. Er tippte an die Hutkrempe und grüßte freundlich. Zielstrebig ging er auf die Theke zu. Er hatte noch eine halbe Stunde Zeit, dann würde Carolina ihre Besorgungen erledigt haben. Er wollte sich mit ihr vor dem Laden der Schneiderin treffen.
Der einzige Barkeeper war ein glatzköpfiger Mann mit speckig glänzendem Gesicht und listigen Schweinsäuglein. Er sah den neuen Gast genauso feindselig an wie der Rest der Männer. Frauen gab es nicht in diesem Saloon. Auch kein Klavier, an dem ein Pianist flotte Lieder geklimpert hätte. Ebenso fehlten Berufsspieler, Glücksritter, Revolvermänner und all die anderen zwielichtigen Gestalten, wie man sie in Deadwood und ähnlichen Boomtowns antraf. In ihrer Gesellschaft hätte Nat sich wohler und sicherer gefühlt als in diesem vor Sauberkeit und Ordnung blitzenden Laden.
Nat trat vor den Glatzkopf hin, fischte ein paar Münzen aus der Tasche und schob sie auf den Tresen.
»Einen Whiskey, bitte«, sagte er höflich. Wären die Blicke hinter ihm Dolche gewesen, hätte er bereits einen vollständig durchlöcherten Rücken gehabt.
»Gibt’s nicht«, erwiderte Schweinsauge mit einer ungewöhnlich hohen Stimme.
»Grundsätzlich nicht?«, fragte Nat nach. »Oder wird hier nur Milch getrunken?«
Der Keeper antwortete nicht, starrte ihn nur an, als hätte er die Sprache verloren.
»Wer nicht hören will, muss fühlen« , sagte Nat knapp und packte zu.
Mit beiden Fäusten schnappte er sich den Kerl. Die Lederweste des Mannes war haltbar. Er quiekte entsetzt, als er wie eine Puppe hochgehoben wurde und eine Zwangsflanke über den Tresen machte. Im nächsten Moment landete er auf dem Hinterteil, zwischen zwei Spucknäpfen. Nat rückte ihn ein wenig zurecht, sodass er ordentlich mit dem Rücken an der Theke saß.
Nat richtete sich auf. »Gegen ein Bullenkalb bist du ein Leichtgewicht«, sagte er lachend. »Trotzdem solltest du dir nichts darauf einbilden. Du musst dringend abnehmen, Amigo. Sonst stirbst du bald an Herzverfettung.«
»Hilfe!«, piepste der Glatzkopf. »Warum hilft mir denn keiner?« Er wagte nicht, sich aufzurappeln. Furchtsam blickte er zu seinem Bezwinger auf.
»Hilf dir selbst, dann hilft dir dein Gott«, sagte Nat kalt. »Meiner hilft dir bestimmt nicht. Der ist nur für schwarze Jungs zuständig.«
Der Keeper gab ein lautes Wimmern von sich.
Nat überflog kurz die Köpfe im Saloon. Er hatte es mit zwei Dutzend Kerlen zu tim, die ihn feindselig anstarrten. Wenn sie alle gleichzeitig auf ihn losgingen, hatte er gute Aussichten, geteert und gefedert zu werden. Falls es einen Town Marshal gab, handelte es sich wahrscheinlich nur um eine Marionette der Mächtigen in dieser Stadt. Er, Nat, würde also gezwungen sein, sich mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Schöne Aussichten für die bevorstehende Hochzeitsfeier.
»Du hast die Wahl«, erklärte er dem Wimmernden zu seinen Füßen. »Entweder, du schenkst mir jetzt einen Whiskey ein, oder du sitzt da unten, bis du so schwarz wirst wie ich.«
Der Glatzkopf stieß einen herzerweichenden Klagelaut aus.
Einer der Männer an den Tischen schien sich seiner erbarmen zu wollen.
Der Mann stand langsam auf – groß und mit breiten Schultern. Sein kragenloses weißes Hemd spannte sich über mächtigen Muskelpaketen. Breite Hosenträger hielten seine Drillichhose. Seine Hände hatten das Format von Schaufeln. Das schwarze Haar trug er kurz geschoren, sodass die Wulstmuskeln seines Nackens deutlich hervortraten. Allem Anschein nach war er der Kraftprotz der Stadt. Er verließ den Tisch und ging auf Nat zu. Die Blicke der anderen folgten ihm dankbar und voller Bewunderung. Er würde die Situation für sie klären. Das entband sie von der Notwendigkeit, sich auf ein ungewisses Abenteuer einzulassen.
»Ich bin Hufschmied«, erklärte der Kraftprotz. »Ein Bullenkalb wäre für mich so was wie für einen normalen Mann ein Kaninchen. Ich stemme ausgewachsene Mustangs, noch bevor sie richtig zugeritten sind. Und dann kriegen sie von mir eins mit der Faust zwischen die Augen und sind lammfromm.«
»Alle Achtung«, sagte Nat und tat beeindruckt. »Vor Ihnen muss man den Hut ziehen.«
Der Hufschmied blieb breitbeinig vor ihm stehen und stemmte die Fäuste in die Hüften.
»Bist du dieser Champion?«, fragte er mit falscher Freundlichkeit. »Dieser Deadwood Dick?«
»Der bin ich«, antwortete Nat. Innerlich horchte er auf. Das Wettkampf-Ereignis hatte sich schnell bis nach Nordost-Texas herumgesprochen. Das konnte kein Zufall sein. Der Mann, der seinen toten Gefährten in der Wildnis zurückgelassen hatte, musste vor ihm in Red Springs eingetroffen sein.
»Dann fühlst du dich stark?«, wollte der andere wissen.
»Ja, tue ich«, antwortete Nat und grinste herausfordernd. »Ich fühle mich heute so stark, dass ich einen Hufschmied stemmen könnte.«
Dem Kraftprotz sackte das Kinn herab.
Die übrigen Anwesenden hielten den Atem an einschließlich des Barkeepers, der noch immer nicht wagte aufzustehen.
»Donnerwetter«, sagte Nats Gegenüber. »Dann denkst du wohl auch, es läuft überall so wie in Deadwood, wo du einen Kerl mit einem einzigen Fausthieb flachlegen konntest.«
Das war es also. Obwohl er es ansatzweise vermutet hatte, konnte Nat kaum glauben, was er hörte. Unwillkürlich blickte er in die Runde. Aber er konnte das Mondgesicht nirgendwo entdecken. Trotzdem musste Bud Shanks in der Stadt sein. Und er musste seine Geschichte bereits verbreitet haben.
Die Schaufelpranken des Hufschmieds zuckten plötzlich auf Nat zu.
Nat begriff und tauchte blitzartig weg. Der Kerl versuchte, mit ihm etwas Ähnliches zu machen wie das, was er mit dem Bartender gemacht hatte. Doch die Hände schrammten über seine Schultern hinweg. Noch aus der geduckten Haltung heraus konterte Nat mit einem gedämpften Hieb. Das reichte aus, um den Muskelprotz verdutzt glucksen zu lassen und ein kleines Stück auf Distanz zu bringen. Bevor der Mann sich von seiner Verwunderung erholte, kam Nat vor ihm hoch, packte seine Schultern und drehte ihn um 90 Grad mit dem Rücken zum Ausgang.
Der Hufschmied ahnte, was ihm blühte, doch er bekam die Fäuste nur noch halb hoch.
Da traf ihn bereits der Hammerschlag seines Gegners.
Der Hieb schleuderte ihn zu Boden und ließ ihn bis knapp vor die Schwingtür schlittern.
Nat war mit wenigen Sätzen bei ihm, zog ihn hoch und verpasste ihm den nächsten Hieb.
Diesmal flog der Mann unter den Flügeln der Schwingtür hindurch und rutschte über den Gehsteig bis in den Staub der Main Street. Er war zu diesem Zeitpunkt längst bewusstlos.
Draußen vor dem Saloon bildete sich rasch eine Traube von Neugierigen. Aufgeregtes Stimmengewirr setzte ein. Wahrscheinlich hätte es niemand für möglich gehalten, den stärksten Mann der Stadt jemals in einer solchen Verfassung sehen zu müssen.
Nats rechte Hand ruhte auf dem Revolverkolben, als er sich wieder der Theke zuwandte. Doch alle Gäste des Hauses hatten ihre Hände demonstrativ deutlich auf die Tischplatten gelegt. Und der Barkeeper hatte bereits seinen Platz hinter dem Tresen eingenommen und war eifrig damit beschäftigt, den Whiskey für Nat einzuschenken ...