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Der 4. Juli 1876 bescherte den Einwohnern und Gästen von Deadwood das Wetter, das sie sich für das große Ereignis gewünscht hatten. Bei Tagesanbruch zeigte sich der Himmel ohne Wolken, und im Tal lag feiner Nebel. Beides zusammen war die Garantie für einen ungetrübten Festtag, der ohne Regen ablaufen würde. Obwohl Deadwood erst in diesem Jahr gegründet worden war, kannten sich die Menschen mit den Witterungsbedingungen in ihrem Tal der Black Hills bereits bestens aus.

Als die Sonne über den Höhenzügen im Osten buchstäblich explodierte, waren die Festvorbereitungen längst abgeschlossen. Schon seit dem Morgengrauen standen auf den Hügeln rund um die Stadt Posten in Vierergruppen, mit Gewehren bewaffnet und mit Kisten voller Munition gerüstet. Falls Indianerbanden vorhatten, die Feierlichkeiten zu stören, würden sie es nicht überleben. Das hatten sich die Männer dort oben fest vorgenommen. Sie waren wild entschlossen, ihre Stadt zu verteidigen, zumal ihnen eine ordentliche Entschädigung dafür winkte, dass sie an der Hundertjahrfeier nicht teilnehmen konnten. Während des gesamten 5. Juli und in der Nacht zum 6. Juli würde ihnen das komplette Angebot des Gern Saloons kostenlos zur Verfügung stehen – sowohl Drinks als auch Huren.

Die Posten auf der Anhöhe im Nordwesten der Stadt hatten freies Blickfeld auf jenes Seitental, in dem die 3000 Longhornbullen aus Arizona untergebracht worden waren. Nach dem kräftezehrenden Trail mussten sich die Tiere wie im Paradies fühlen. Das Gras war so hoch, dass es ihre Bäuche kitzelte, und das Seitental hätte genügend Platz für eine dreimal so große Herde geboten. Auch Wasser war ausreichend vorhanden; ein kristallklar fließender Creek durchschnitt das satte Grün des Graslands.

Die Longhorns wurden ebenfalls bewacht. Ihre neuen Eigentümer hatten zu diesem Zweck acht Männer eingestellt, die für ihre Arbeit allerdings festen Lohn erhielten. Mit den Wachtposten auf der nordwestlichen Anhöhe standen sie in Blickkontakt, sodass sie sich bei drohender Gefahr jederzeit gegenseitig warnen konnten.

Unterdessen begann das Festprogramm in der Stadt mit dem Gottesdienst. Preacher Smith, der allseits beliebte Prediger, war auch in den benachbarten Goldgräber-Camps ein gefragter Mann. Doch er hatte sich von den maßgeblichen Persönlichkeiten Deadwoods überzeugen lassen, dass er hier und nirgendwo sonst seine Predigt zur hundertjährigen Wiederkehr des Unabhängigkeitstages halten musste. Für die Bürger von Deadwood war indessen klar, dass die Überzeugungskraft Al Swearengens und der anderen Honoratioren in der Zahl der Geldscheine bestanden hatte, mit der sie die Nachbarorte überboten und die Entscheidung des Gottesmannes zu ihren Gunsten beeinflusst hatten.

Weil es noch keine Kirche gab, wurde der Tanz- und Theatersaal des Gern Saloons für den Gottesdienst hergerichtet derselbe Ort, an dem am Nachmittag das Preisboxen stattfinden sollte. Auch ein Glockenstuhl mit einer richtigen Kirchenglocke war noch nicht vorhanden. Lediglich auf dem Dach des Hotels, etwa in der Mitte der Main Street, befand sich ein behelfsmäßiges Gerüst mit einer kleinen Glocke, die eigentlich Alarmzwecken diente. An diesem Tag wusste jedoch jeder in Deadwood, dass das dünne Bimmeln weder eine Feuersbrunst, noch einen Sturm oder andere Naturkatastrophen ankündigte.

Bereits tun acht Uhr begann die Andacht, damit anschließend genügend Zeit für die übrigen Programmpunkte blieb. Die Choräle wurden von einer achtköpfigen Blaskapelle gespielt, zu der sich die Musiker der einzelnen Saloons zusammengefunden hatten. Die Band übernahm die Führung, als die Menschen aus der Behelfskirche strömten. Mit dem »Yankee Doodle« wurde der Festumzug schwungvoll eingeleitet. Einmal die Main Street hinauf und hinunter ging es, vorbei an den vielen Attraktionen, die schon einmal kurz in Augenschein genommen werden konnten.

Zunächst aber versammelten sich Männer, Frauen und Kinder rund um das Podium, das vor dem Hotel zusammengezimmert worden war. Bürgermeister E.B. Famum, Sheriff Seth Bullock und Al Swearengen hatten gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Honoratioren auf dem Podium Aufstellung genommen. Swearengen hatte zwar kein offizielles Ehrenamt inne, doch als Gründer Deadwoods war er ohne Frage der wichtigste Mann in der Stadt.

Nachdem alle Anwesenden, begleitet von der Band, das Lied »Should Auld Acquaintance Be Forgot« gesungen hatten, trat Mayor Famum an das Rednerpult und hielt seine Festrede.

Noch während er sprach, begann die Menschenmenge, sich aufzulösen. Kinder zerrten ihre Mütter zu den Ständen an der Main Street. Vor allem die Süßigkeiten-Händler wurden belagert, aber auch Spielsachen wie Kreisel, Kaleidoskope und Puppen fanden reißenden Absatz. Ein Zauberer zeigte unglaubliche Kunststücke. Jedes Mal, wenn er ein weißes Kaninchen aus seinem Zylinder zog, kreischten seine kleinen Zuschauer vor Vergnügen, und die Erwachsenen fragten sich, wo der Mann die Tiere versteckte. Geschichtenerzähler zogen die Mädchen und Jungen in ihren Bann. Vor der noch geschlossenen Bühne einer Minstrel Show verkündete ein Schild, dass hier in zwei Stunden alle Einzelheiten über das tragische Schicksal der Siedlertochter Mary Anne zu erfahren sein werde, die nach ihrer Entführung durch blutrünstige Wilde vom Stamm der Cheyenne über zehn Jahre als Sklavin des roten Mannes verbracht habe, ehe sie endlich von Wild Bill Hickok, dem tapferen und berühmten Helden des Westens, gerettet worden sei.

Nachdem drei oder vier weitere Reden gehalten worden waren, löste sich die Versammlung in der Main Street schnell auf. Vor allem die Männer waren es, die zum Wettkampfplatz am südlichen Stadtrand eilten. Nur die Berufsspieler unter ihnen bogen direkt in die Saloons ab, wo bis spät in die Nacht Poker und Faro gespielt werden würden. Zum rasch anwachsenden Publikum des Cowboy-Wettkampfs gehörten dagegen auch zahlreiche Frauen, unter ihnen die Prostituierten aus den Saloons, erkennbar an der besonderen Farbenpracht ihrer Kleider.

Der Wettkampfplatz war eine weite, ebene Fläche, die unter der Sonne der letzten Tage ausreichend getrocknet war. Der Schlamm hatte sich hier nicht annähernd so lange gehalten wie in der Main Street, im Schatten der Gebäude und der Behelfsbehausungen aus Zeltplanen. Das Publikum wurde am Rand des Platzes durch einen langen Zaun aus Eichenpfählen und schweren Planken vor möglichen Zwischenfällen geschützt. Für die führenden Persönlichkeiten und ihre Frauen war eine einfache Tribüne aufgebaut worden. Die Prostituierten hatten dort keinen Zutritt; ihnen blieben nur die Plätze unter den Männern am Zaun.

Nat Love und die übrigen Cowboys von der fernen Gallinger-Ranch saßen in den Sätteln ihrer Pferde und hatten in einer mustergültigen Linie Aufstellung genommen, die jeden Kavalleristen zu einem anerkennenden Nicken veranlasst hätte.

Al Swearengen erhob sich von seinem Platz in der vordersten Tribünenreihe und ließ seine sonore Stimme über den Platz hallen.

»Ladies and Gentlemen! Ich begrüße Sie zum ersten großen Höhepunkt unseres Festprogramms. Vor Ihren Augen werden die besten und berühmtesten Weidereiter des Westens in einen fairen Wettstreit treten. Es handelt sich um jene Männer aus Arizona, die gestern mit 3000 Longhornbullen hier eingetroffen sind. Seit dem Frühjahr waren sie unterwegs, und 1300 Meilen haben sie zurückgelegt – teilweise durch allergefährlichstes Indianerland. Was das bedeutet, können wir alle ermessen, wenn wir uns das Schicksal General George Armstrong Custers und seiner Männer von der Siebten Kavallerie vor Augen halten. Ladies and Gentlemen«, Swearengens Stimme nahm einen feierlich vibrierenden Klang an, »ich bitte Sie, zum Gedenken an General Custer und seine Truppe eine Schweigeminute einzulegen.«

Die Anwesenden befolgten die Aufforderung sofort, indem sie die Hüte abnahmen – bis auf die Frauen natürlich – und die Köpfe senkten. Die Stille wurde nur durchbrochen vom Schnauben der Wildpferde und vom Stampfen ihrer Hufe.

»Ich danke Ihnen«, sagte Al Swearengen schließlich. Nachdem die Hüte wieder aufgesetzt worden waren, sprach er weiter: »Ich freue mich, Ihnen den Ablauf des Wettkampfs mm in aller Kürze beschreiben zu können. Mr. Bill Flanagan, seines Zeichens Trailboss, hat für jeden der Teilnehmer einen bestimmten Mustang ausgesucht. Sie sehen die Tiere dort drüben in dem Corral. Wie Sie wissen, haben wir diese zwei Dutzend Wildpferde rechtzeitig aus Wyoming liefern lassen. Unsere Hoffnung, dass wir die passenden Wettkampfteilnehmer dazu auch noch bekommen würden, hat sich buchstäblich in letzter Minute erfüllt.«

Beifall brandete auf. Swearengen brachte seine Zuhörer mit dämpfenden Handbewegungen zur Ruhe und rief: »Mr. Flanagan wird Ihnen jetzt erklären, was die Teilnehmer leisten müssen.«

Der Trail Boss war ein dunkelhaariger Mann mit buschigem Schnauzbart. Er lenkte sein Pferd in die Mitte des Platzes, wo er den Stetson zog und rief:

»Da gibt es nicht viel zu sagen, Ladies und Gentlemen. Umso mehr werden Sie zu sehen bekommen, das kann ich Ihnen versprechen.«

Erneut wurde Beifall laut. Begeisterte Rufe erschollen.

Es dauerte fast eine Minute, bis Flanagan weitersprechen konnte. »Ich habe jedem der zwölf Teilnehmer, also auch mir selbst, einen Mustang zugewiesen. Jeder der Männer weiß also, welche Bestie er sich dort aus dem Corral zu holen hat. Das klingt einfach, ist es aber nicht.«

Lachen erscholl aus den Zuschauerreihen.

Der Trailboss nickte, schmunzelte und nahm seinen Faden wieder auf. »Wenn die Jungs ihren Gaul am Lasso haben, folgt der Teil, den wir >Werfen< nennen. Das bedeutet, dass der Mustang lernt, wer der Herr im Haus ist – dadurch, dass er sich plötzlich am Boden wiederfindet. Und bevor er sich versieht, wird ihm auch noch das Maul gestopft.«

Wieder brachen die Zuschauer in lautes Gelächter aus. Viele klatschten. Die Scherze des Trailbosses waren nach ihrem Geschmack.

»Er macht also zum ersten Mal mit Kandare und Zaumzeug Bekanntschaft«, fuhr Bill Flanagan fort. »Wenn der Bursche dann auf die Beine kommt und denkt, >ha, ich habe meine Freiheit wieder<, gibt’s erst recht keine Verschnaufpause. Denn dann hat er plötzlich einen Sattel auf dem Rücken und im nächsten Moment seinen ersten Reiter.« Nach einer kurzen Pause fügte er verschmitzt hinzu: »Den will er natürlich so schnell wie möglich wieder loswerden. Davon können Sie sich überzeugen.«

Lachsalven und Beifall erschollen.

»Wohlgemerkt«, ergänzte Flanagan. »Bei diesem Wettkampf geht es nicht darum, möglichst lange im Sattel zu bleiben. Vielmehr wird die Zeit gemessen, die die Jungs brauchen vom Einfangen des Mustangs bis zum Aufsitzen.«

Auf einem langen Balken vor dem Corral waren Zaumzeug und Sättel für jeden der Wettkampfteilnehmer aufgereiht. Wie lang der Weg sein würde, den sie bis dorthin zurücklegen mussten, bestimmten die Männer selbst dadurch nämlich, wo sie ihren Mustang zu Boden zwangen.

»Für das Zeitmessen haben wir zwölf Gentlemen eingeteilt«, verkündete Al Swearengen und zeigte auf die Männer, die dem Corral gegenüber hinter dem Zaun standen in Sicherheit.

Zur Bestätigung reckten sie die Arme hoch. Die Sonne ließ die silbernen und goldenen Taschenuhren in ihren Händen blitzen.

»Mit dem Einbrechen der Mustangs wird der Wettkampf aber keineswegs schon beendet sein«, verkündete der Inhaber des Gern Saloons. »Dann beginnt für die Teilnehmer die zweite Runde. Dort drüben«, er zeigte nach rechts, wo eine kleine Holzplattform aufgebaut worden war, »werden sie zum Schießwettkampf antreten. Verschiedene Disziplinen sind vorgesehen. Aber darüber später mehr. Zunächst bitte ich unseren verehrten Bürgermeister, den Cowboy-Wettkampf zu eröffnen.«

Revolverfreunde: Wichita Western Sammelband 6 Romane

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