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Minuten später jedoch, als die Wagenstraße über eine letzte Anhöhe vor der Ranch führte, war Nat gezwungen, das Zugpferd zu zügeln. Die Hitze war unerträglich, raubte ihnen nahezu den Atem.

Von den Ranchgebäuden war aus der Vogelperspektive nichts zu sehen. Der Rauch überdeckte alles. Doch immer öfter schien jetzt die Glut des Feuers durch das quellende Schwarz.

»Weiter!«, schrie Carolina. »Fahr weiter, Nat! Wir müssen hinunter!«

Seine Freude darüber, dass sie ihn geduzt hatte, wenn auch aus Not und Anspannung heraus, paarte sich mit Entschlossenheit. Dort unten, zu ebener Erde, war die Hitze sicherlich weniger stark. Doch selbst, wenn das nicht so gewesen wäre, hätten sie sich überzeugen müssen.

Sie mussten wissen, ob es noch eine Menschenseele gab, die sie retten konnten.

Die rasende Abwärtsfahrt schien eine Ewigkeit zu dauern. Mit jedem Yard, den sie der Ebene näherkamen, wuchs das Grauen. Die Hitze war in der Tat weniger stark, aber immer noch gewaltig. Nat zügelte den Grauschimmel rechtzeitig, bevor ihnen das Atmen unmöglich wurde.

Das Feuer war nun zu sehen. Machtvoll lodernd, von grellem, fast gelblichem Rot, bis zu dunkler Scharlachfarbe, hatten die Flammen von dem gesamten Anwesen Besitz ergriffen. Sie heulten und pfiffen wie ein Sturm, und das Balkenwerk der Holzgebäude krachte und prasselte unter ihrer gierigen Gewalt. Währenddessen zerplatzten die Ziegelsteine des Haupthauses mit laut knackenden Geräuschen. Fensterscheiben zerbarsten klirrend.

Doch das, worauf Nat und Carolina hofften, ja, was sie beinahe ersehnten, war nicht zu hören.

Schreie von Menschen.

Das Feuer wütete wie ein urwelthaftes Ungeheuer und hatte bereits jegliches Leben vernichtet.

Tiere und Menschen, die sich auf der Ranch aufgehalten hatten, existierten nicht mehr.

Dennoch liefen Nat und Carolina auf das Flammenmeer zu, umrundeten es und versuchten, einen Weg zu finden, näher heranzukommen. Es war unmöglich. Sobald sie dem Inferno zu nahekamen, legte sich die mörderische Hitze wie eine Tonnenlast auf sie und verschloss ihnen die Atemwege. Die niederschmetternde Erkenntnis war, dass sie nichts tun konnten, wenn sie am Leben bleiben wollten.

Sich in die Flammen zu stürzen, hätte den sicheren Tod bedeutet.

Womit sie nur jenen einen Gefallen getan hätten, die das grauenvolle Verbrechen an diesem Ort begangen hatten.

So kehrten sie zu den Pferden und dem Wagen zurück, und das Warten begann. Bevor das Feuer nicht heruntergebrannt war, konnten sie sich keinen Überblick verschaffen.

»Es gibt doch etwas, was wir tun können«, sagte Nat.

»Ja?«, erwiderte Carolina mit bebender Stimme. Tränen standen in ihren Augen, als sie ihn ansah.

»Spuren suchen«, antwortete er. »Wir könnten herausfinden, wie viele es waren, woher sie gekommen sind und wohin sie geritten sind.«

»Einverstanden«, sagte Carolina. Auch sie schien froh zu sein, etwas tun zu können, statt das Grauen tatenlos ansehen zu müssen.

»Kannst du reiten?«, erkundigte sich Nat und stellte ohne Staunen fest, dass er wie selbstverständlich zum »Du« übergegangen war, nachdem sie ihn dazu ermutigt hatte.

»Natürlich«, erwiderte sie, ohne etwas dagegen einzuwenden. »Auch ohne Sattel, falls du das meinst.« Sie deutete auf den Grauschimmel in seinem Zuggeschirr.

»Den nehme ich«, entschied Nat. »Du nimmst meinen Braunen. Er wird dich mögen.«

»Woher weißt du das?« Carolina sah ihn an, und die Tränen in ihren Augen nahmen den Glanz von Dankbarkeit an.

»Er ist ein kluges Tier. Wen sein Herr mag, den mag auch er.«,

Carolina hauchte Nat einen Kuss auf die Wange. Er musste sich zusammenreißen, um nicht den Verstand zu verlieren. Das furchtbare Geschehen führte ihn mit der Frau zusammen, zu der er zurückkehren würde, wenn er getan hatte, was er tun musste.

Wenn er die Mörder ihrer Familie gestellt hatte.

Er schirrte den Grauen ab, übernahm die Winchester von Carolina und half ihr in den Sattel des Braunen. Dann schwang er sich auf den Rücken des Zugpferds, und sie machten sich auf den Weg.

Die Möglichkeit, dass das Feuer von selbst ausgebrochen war, schied von vornherein aus. Das wussten sie beide. Auch Nat kannte die Familie Menendez gut genug, um überzeugt zu sein, dass sich niemand auf dem Rancho Nuevo eine Unachtsamkeit geleistet hätte, die zu einem derart verheerenden Feuer führen konnte. Nein, dieser Brand war eindeutig gelegt worden, an mehreren Stellen gleichzeitig und mit Hilfe von Teer. Vielleicht hatte sich die Mörderbrut nicht einmal nahe herangewagt, sondern Brandpfeile abgeschossen, wie sie es von den Indianern gelernt hatten.

Letzteres bestätigte sich schon nach kurzer Spurensuche. Nat zeigte seiner Begleiterin die Hufabdrücke auf den Hügelkuppen rund um die Ranch. An einer der insgesamt fünf Stellen fanden sie eine verloschene Fackel, die offenbar zum Anzünden der Brandpfeile benutzt worden war.

Während Carolina im Sattel blieb, sah Nat sich auf den fünf Hügelkuppen auch zu Fuß um. Jedes Mal fand er leere Patronenhülsen im Gras. Winchester-Munition im Kaliber 45. Zunächst beschloss er, Carolina nichts davon zu sagen. Doch dann, als sie bereits zum Sammelpunkt der Reiter nördlich der Ranch unterwegs waren, erklärte er es ihr.

»Es waren zehn bis zwölf Pferde«, sagte er. »Und da war noch etwas.«

Am Klang seiner Stimme hörte sie, dass es ihn bedrückte. Sie sah ihn an.

»Du brauchst keine Rücksicht mehr zu nehmen«, beschied sie ihn energisch. »Ich bin auf alles gefasst, Nat.«

»Sie haben nicht nur Brandpfeile abgeschossen.«

»Du hast noch mehr gefunden«, folgerte Carolina.

Nat nickte. »Patronenhülsen. Sie haben mit Winchestergewehren gefeuert.«

Carolina schloss die Augen einen Moment. Sie atmete schwer.

Nat hätte sie am liebsten in die Arme genommen. Aber sie saßen beide auf ihren Pferden, und es wäre eine reichlich unbeholfene Geste gewesen. Nichtsdestoweniger sah er, wie sehr ihr die Mitteilung zu schaffen machte trotz aller Gefasstheit.

Vor ihrem geistigen Auge mussten die unvermeidlichen Bilder erscheinen. Er hatte sie heraufbeschworen, und es schmerzte ihn, Carolina leiden zu sehen. Doch vielleicht war es besser, sie gleich hier und jetzt mit dem Schlimmsten zu konfrontieren, als ihr womöglich noch tagelang immer neue Schocks versetzen zu müssen.

So ließ ihr Vorstellungsvermögen sie jene furchtbaren Augenblicke durchleben, in denen ihre Eltern, ihre Schwester und ihr zukünftiger Schwager ermordet worden waren. Voller Verzweiflung mussten sie versucht haben, den sich ausbreitenden Flammen zu entrinnen. So waren sie ins Freie gelaufen – nur, um dort von den Kugeln der Mörder niedergestreckt zu werden.

Carolinas Hoffnung, ihre Familie als Überlebende in den Hügeln vorzufinden, erfüllte sich nicht. Nat hatte diese Hoffnung bereits aufgegeben, als er die Patronenhülsen gefunden hatte.

Umso überraschter waren sie beide, als sie unvermittelt den reglosen Körper eines Mannes vor sich auf dem Weg liegen sahen.

»Gary!«, riefen sie wie aus einem Mund. Eilends schwangen sie sich von den Pferden und liefen auf ihn zu. Er blutete aus vielen Wunden.

Nat beugte sich über ihn und tastete nach seiner Halsschlagader. Im nächsten Moment leuchteten Nats Augen.

»Er lebt noch«, flüsterte er beinahe andächtig. »Er hat viel Blut verloren, aber wenn wir ihm Notverbände anlegen und ihn schleunigst in die Stadt bringen, zum Doc ...«

»Nicht nach Red Springs«, unterbrach ihn Carolina. »Auf keinen Fall dorthin.«

Sie machten sich an die Arbeit. In den Satteltaschen des Braunen führte Nat Verbandsmaterial mit sich. So versorgten sie Garys Wunden so gut sie konnten. Sein Atem ging flach und unregelmäßig, und er kam nicht zu Bewusstsein, aber zu Nats und Carolinas großer Freude schlug sein Herz weiter.

»Weshalb nicht nach Red Springs?«, fragte Nat, nachdem sie den Sitz der Verbände noch einmal überprüft hatten.

»Das erkläre ich dir, wenn wir unterwegs sind«, antwortete Carolina, »und zwar nach Seymour. Holst du den Buggy?«

Nat wollte sie nicht allein lassen, aber dann stimmte er doch zu. Er sah ein, dass es die einzige Möglichkeit war. So ließ er Carolina mit der Winchester bewaffnet zurück. Unterdessen nahm er das zweite Gewehr mit und ritt auf dem sattellosen Rücken des Grauschimmels zu der Stelle nahe der Ranch, wo sie den Wagen zurückgelassen hatten. Schon zehn Minuten lenkte er den Buggy um die Wegbiegung, hinter der er Carolina und Gary wusste.

Als er sie von weitem erblickte, riss er unwillkürlich die Winchester an die Schulter.

Zwei Männer waren bei Carolina. Hinter ihnen standen ihre Pferde mit hängenden Zügeln, und die beiden Männer knieten vor dem am Boden Liegenden. Schon von weitem konnte Nat erkennen, dass die Gesichter der beiden Neuankömmlinge bleich vor Entsetzen waren.

Carolina hob die Hand und signalisierte ihm, dass alles in Ordnung sei.

Erleichtert steckte Nat das Gewehr in die Halterung. Gleich darauf, als er vom Kutschbock gesprungen war, lernte er die beiden Cowboys der Menendez-Ranch kennen. Adam Carson und Rory Fuller. Sie hatten die Rauchwolke von der Nordweide aus bemerkt, doch nun hatten sie erfahren müssen, dass sie viel zu spät gekommen waren.

Umso tatkräftiger packten sie nun mit an, als es galt, Gary Shaffer so behutsam wie möglich auf die Ladefläche des Buggys zu betten. Adam, Rory und auch Nat lösten ihre Deckenrollen von den Pferden und verwendeten die Decken, um Garys rollende Lagerstatt auszupolstern und ihn zuzudecken. Trotz der Hitze würde er die zusätzliche Wärme brauchen.

Bei der Ranch machten sie noch einmal Halt.

Das Feuer war heruntergebrannt, die Rauchwolke in sich zusammengesunken.

Ohne lange suchen zu müssen, fanden sie Carolinas Eltern hinter der Ruine des Haupthauses, nur etwa zehn Yard von der Hintertür entfernt. Von dort aus mussten sie versucht haben, zu den angrenzenden Hügeln zu fliehen. Doch beide waren von mehreren Kugeln getötet worden.

Mit einem Aufschrei suchte Carolina in Nats Armen Zuflucht. Schluchzend und zitternd schmiegte sie sich an ihn, und er war dankbar, dass er sie wie selbstverständlich festhalten und ihr Trost spenden durfte.

Für Gary Shaffer zählte jede Minute. Deshalb erboten sich Adam und Rory, ihn nach Seymour zu bringen. Adam übernahm es, den Buggy zu lenken. Sein Pferd ließ er für Carolina zurück. Rory erklärte, dass er für den Begleitschutz des Verwundetentransports sorgen werde.

Zwischen Glutresten und Asche des völlig niedergebrannten Geräteschuppens entdeckte Nat mehrere Spaten und Schaufeln, deren Stiele natürlich nicht mehr vorhanden waren. Von einer Esche auf einem der Hügel schnitt er einen passenden Ast, indem er sein Bowiemesser benutzte. Mit dem Ast fischte er eines der Spatenblätter aus der immer noch beträchtlichen Hitze und passte in einiger Entfernung den Ast ein, wozu er das heiße Stahlblech wiederum mit Hilfe des Astes in den Boden steckte. Dann war sein Handwerkszeug fertig, und er ließ sich von Carolina die Stelle zeigen, an der sie ihre Eltern zur letzten Ruhe betten wollte.

Es war ein Hang östlich des Haupthauses. Knapp unterhalb der Hügelkuppe gab es einen Erdbuckel, auf dem Jesus Menendez oft mit seiner Frau gestanden und den Ausblick auf den Familienbesitz genossen hatte.

Nat hob ein Gemeinschaftsgrab für das Ehepaar aus. Carolina nutzte die Zeit, um mit ihren toten Eltern stumme Zwiesprache zu halten und Abschied von ihnen zu nehmen.

Nachdem sie die Toten begraben und ein Gebet gesprochen hatten, ließ Nat Carolina abermals ausreichend Zeit, damit sie ihre Trauer verarbeiten und neue Kräfte schöpfen konnte.

Er sah sich unterdessen an der Brandstelle um, fand aber nicht, was er suchte.

Als Carolina das Grab ihrer Eltern verließ, verharrte Nat an der Südseite des Ranchgrundstücks. Dort, außerhalb der Reichweite des Feuers, steckte ein Zweig in der Erde, an dem ein Zettel aufgespießt war. Nat zeigte stumm auf die krakelige Beschriftung des Zettels. Die wenigen Worte trieben Carolina Zornesröte ins Gesicht.

So geht es Negerfreunden!

»Ich bin an allem schuld«, sagte Nat voller Bitterkeit. »Warum musste ich unbedingt Trauzeuge werden?«

»Weil Gary es so wollte«, antwortete Carolina. »Weil Reyna es so wollte, und weil meine Eltern es so wollten.«

»Aber wenn ich abgelehnt hätte, wären sie jetzt noch am Leben.«

»Nat«, sagte Carolina leise und strich ihm zärtlich über die Wange. »Rede bitte keinen Unsinn.«

»Wieso ist das Unsinn?«, erwiderte er, obwohl er spürte, wie ernst sie es meinte.

»Weil ich den wahren Hintergrund kenne. Was da auf dem verdammten Zettel steht, ist nur ein Vorwand. Aber damit machen sie in dieser Gegend natürlich Stimmung. In den meisten Köpfen hier ist der Bürgerkrieg doch noch gar nicht zu Ende oder er hat überhaupt nicht stattgefunden.«

»Du meinst, diese Leute hätten es am liebsten, dass Kerle wie ich immer noch Sklaven wären.«

»Genau das. Hast du es im Saloon nicht gemerkt?«

»Doch, natürlich.« Nat nickte er grimmt. »Und was steckt wirklich dahinter?«

»Hier will sich jemand das Land meiner Eltern unter den Nagel reißen.«

»Wer?«

»John Gershenson. Er ist der größte Rancher im County, und er ist Bürgermeister von Red Springs. Außerdem ist er ein ehemaliger Sklavenhalter. Er besitzt immer noch eine Baumwollplantage drüben in Louisiana. Wären meine Eltern Mexikaner gewesen, hätte er längst einen Weg gefunden, um uns zu verjagen. Aber gegen Spanier konnte man nicht so gut Stimmung machen.«

»Das gelang erst jetzt«, folgerte Nat. »Weil ich diesem Gershenson den Anlass dazu gab.«

»Den hätte er so oder so gefunden«, sagte Carolina. »Also hör um Himmels willen auf, dir Vorwürfe zu machen. Lass uns lieber unsere letzte traurige Pflicht erfüllen und die Überreste meiner Schwester suchen.«

»Das habe ich schon getan«, antwortete Nat.

Carolina presste die Lippen zusammen. »Du brauchst mir ihren Anblick nicht zu ersparen. Falls es so sein sollte – ich habe schon verkohlte Leichen gesehen.«

Nat schüttelte heftig den Kopf. »Das ist es nicht, Carolina.«

»Sondern?«

»Ich habe Reyna nicht gefunden.«

»Was?«, hauchte Carolina. »Aber das könnte ja bedeuten ...«

»Dass sie noch lebt«, vollendete Nat ihren Satz.

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