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Räumliche Verbindung

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Verglichen mit dem rigorosen Monotheismus des Christentums ist Japans religiöse Tradition in vielen Bereichen eher unbestimmt. Doch gibt es eine starke ästhetische Ausrichtung in der Religion Japans, die die Verbindung zum Universum herstellt. Der französische Schriftsteller André Malraux, einer der großen Denker der Nachkriegszeit, hat diese Dimension begriffen. Er empfand, die traditionelle japanische Ästhetik sei anders als die des Westens, und nannte sie eine „innere Realität“. Diese Einsicht zeigt sein klares Gespür für die religiöse Grundlage der japanischen Wahrnehmung von Einheit, von gemeinsamem Leben in Natur und Kosmos. Paul Claudel hat die westliche mit der japanischen Ästhetik verglichen; von der letzteren sagte er, sie sei eher darauf aus, eins mit der Natur zu werden als sie zu beherrschen. Das Bestreben, die Ganzheit zu erreichen, ob nun bewusst oder unbewusst, durchdringt in der Tat die gesamte Kultur Japans.

Schon seit einiger Zeit hat die Integrationskraft, die einst Kunst und Religion in der westlichen wie in der östlichen Kultur durchströmte, in dem Maße abgenommen, wie die Modernisierung uns eingeholt hat. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts haben entsprechend sensible Menschen Warnungen ausgesprochen, die ich hier nicht wiederholen möchte. Wenn aber die Menschen sich von der Natur und vom Universum abschneiden, schrumpfen auch ihre Bande untereinander und sterben schließlich ab. Als Folge davon sind die Menschen isoliert und allein; und schlimmer noch: Diese Situation ist so „normal“ geworden, dass sie nicht einmal als Problem erkannt wird.

Auch das Umfeld der Kunst hat sich stetig verändert, so wie die moderne Zeit voranschreitet. Man denke nur an das zeitgenössische Theater im Vergleich zum klassischen Zeitalter des griechischen Dramas, als das Publikum, im Amphitheater um die Bühne herum versammelt, zuweilen enthusiastischer bei den Aufführungen mitwirkte als die Schauspieler selbst. Wenn heute jedoch ein einzelner Künstler sich einem leeren Blatt Papier oder einer weißen Leinwand gegenübersieht – wie kann er oder sie sich auf diese Weise mit dem unbekannten Publikum verbinden? Gleichgültig wie talentiert der Künstler ist: Die Umwelt bietet uns heute keinen Ort der gegenseitigen Begegnung, keine organische Interessengemeinschaft mehr, wo die integrierende Kraft der Kunst uns mit der höchsten Wirklichkeit verbinden könnte.

Manche Menschen wollen eine untergegangene, prähistorische Dynamik retten und die starke Lebenskraft antiker Völker wieder auffinden. Andere träumen von einer wilden Natur, frei von aller Modernisierung. Der Kampf um eine neue Ganzheit nimmt viele Formen an. Andererseits scheint es seit dem späten 19. Jahrhundert manchmal so, als hätten gerade die größten Probleme eines jeden Zeitalters eine ganze Galaxie von Sternen hervorgebracht, die als prächtige Parade brillanter Geister an uns vorbeiziehen. Während wir heute mehr Möglichkeiten zu Freiheit und künstlerischer Vielfalt als je zuvor haben, sehen wir gleichzeitig die Fähigkeit schwinden, das Sichtbare zu transzendieren und auf diese Weise tiefer in die Wirklichkeit einzudringen, und die Sehnsucht, die unverbundenen Geister zu heilen, versiegt.

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