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Vorwort

Humanismus – der Titel mag skeptisch stimmen, gerade wenn er aus der „religiösen Ecke“ kommt. Haben sich nicht viele Humanisten westlicher Prägung deutlich von der Religion distanziert? Daisaku Ikeda ist im ostasiatischen Kulturkreis aufgewachsen. Dort speisen sich menschliche Werte aus der konfuzianischen Tradition und aus dem Buddhismus – beides nicht-theistische Philosophien. Man darf also neugierig sein, welche humanistischen Impulse aus diesem Gedankengut entstehen. Darüber hinaus reflektiert Daisaku Ikeda beide Ansätze des Humanismus – den westlichen und den östlichen – und versucht, sie miteinander zu verweben.

Was sind die Kennzeichen des Humanismus, den Ikeda vertritt? Er beruht auf drei Säulen, wie es Olivier Urbain in seinem Buch Daisaku Ikedas Philosophy of Peace (London, 2010) treffend analysiert hat:

1. Selbst-Transformation

Ikeda beschreibt die Notwendigkeit eines Wandels vom kleinen, eigensüchtigen Selbst zum großen, mitfühlenden Selbst, und nennt die Ressourcen, die für eine solche Entwicklung in jedem Menschen vorhanden sind. Er sieht den gegenwärtigen konsum-orientierten Individualismus kritisch, bejaht jedoch uneingeschränkt die Entfaltung des Individuums. Ihm geht es um den Aufbau eines viel stärkeren Selbst, das lebensschädigende Impulse – egal ob von innen oder außen kommend – eindämmen oder gar positiv verwandeln kann. Menschen mit einem solchen Selbst lassen sich weder korrumpieren noch einschüchtern. Sie setzen sich voller Energie für das Wohl aller Menschen ein und finden vor allem eines: den Weg zu einem produktiven, liebenden und erfülltem Dasein.

2. Dialog

Ein direktes Mittel, zu diesem großen Selbst zu gelangen, ist die aufrichtige Auseinandersetzung mit Menschen, die anders sind als wir. Dialoge bereichern unser Selbst und führen zu einer umfassenderen Wahrheit. Dialoge vernetzen die Menschheit und verwandeln Konflikte in Kreativität. Für Daisaku Ikeda ist das produktive Gespräch der Königsweg zum Frieden auf allen Ebenen. Für ihn selbst ist der Dialog eine Lebensform: Der weitaus größte Teil seines schriftstellerischen Werkes besteht aus Dialogen interreligiöser und interdisziplinärer Art. Früh war es ihm ein Anliegen, mit anderen zu etwas Neuem aufzubrechen und gemeinsam die Weisheit für ein friedliches Zusammenleben zu finden.

3. Weltbürgertum

Weltbürgertum im Sinne Ikedas hat nichts mit polyglotten, weitgereisten Eliten zu tun, sondern zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, die ganze Menschheit im Herzen zu tragen. Wer sein Mitgefühl so weit ausdehnen kann, der denkt, fühlt und handelt als Weltbürger. In diesem Sinne kann jeder ein Weltbürger sein, auch wenn er sein Dorf nie verlassen hat. Nur wenn es ausreichend viele solcher Weltbürger gibt, können wir ethnische, nationale, religiöse und wirtschaftliche Zentrismen überwinden und den Weltfrieden Wirklichkeit werden lassen. Neben der Transformation des Selbst erkennt Ikeda auch den Bedarf an neuen Strukturen und Institutionen – deutlich wird dies in seinem Eintreten für eine Reform der Vereinten Nationen oder in seinem Engagement für die Abschaffung aller Atomwaffen oder im gesellschaftlichen Gestaltungswillen der SGI, der buddhistischen Laienorganisation, deren Präsident er ist.

Selbst-Transformation, Dialog und Weltbürgertum – diese drei Elemente sind in jeder der vorliegenden Reden erkennbar. Sie stärken sich gegenseitig und bilden ein produktives, offenes System, das dem 21. Jahrhundert den Weg in eine menschengerechte, lebensbejahende und friedvolle Zukunft weisen kann.

Der Buddhismus, insbesondere die Schule des Reformators Nichiren Daishonin, ist die Inspirationsquelle für Ikedas Denken, Handeln und seiner Vision einer humanistischen Weltgesellschaft. Der Buddhismus, so wie er ihn versteht und lebt, ist zwar eine eigenständige, impulsgebende Religion, doch seinem Wesen nach offen und integrierend: Jede andere Religion, Philosophie oder Denk-Tradition kann und muss ihren Beitrag zum Weltfrieden leisten. So überrascht es nicht, dass Ikeda von vielen westlichen Denkströmungen ebenso inspiriert ist wie von seiner Heimatphilosophie. Dabei verknüpft er unterschiedliche Sichtweisen miteinander, baut Brücken zwischen Gegensätzlichem und belebt vergessene Ideale neu. In seinen Dialogen mit Menschen aus anderen Denk- und Glaubenstraditionen entwickelt er seine Ansichten weiter – hin zu einer universalen Sichtweise. Kurz: Ikedas humanistischer Entwurf speist sich zwar aus dem Buddhismus, doch man muss kein Buddhist sein, um ihn zu verstehen und – so hoffe ich – attraktiv zu finden.

In Ikedas Werk finden wir beides: Eine große Vision und wohldosierte, konkrete Schritte. Letztere entwickeln sich immer weiter, wie in seinen jährlichen Friedensvorschlägen an die Vereinten Nationen.

Auch in diesem Buch wird beides sichtbar: Eine Zukunft zum Erhoffen und eine Zukunft zum Gestalten. Mögen die hier beschriebenen Ansätze es viele weitere gute Gespräche auslösen und Menschen zusammenbringen.

Leonardo Duricic

Generaldirektor der SGI-D

Humanismus

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