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Das Sutra dieser Welt
ОглавлениеDas Lotos-Sutra, das Herz der Lehre des Mahayana, beschreibt die Dynamik des schöpferischen Lebens auf vielfältige Weise und ermöglicht damit ein umfassendes Verständnis dieses Begriffs. Einerseits ist das schöpferische Leben frei von allen Begrenzungen durch Zeit und Raum; es hat die Freiheit, sich auszudehnen und zu wachsen. Gleichzeitig ist dieses schöpferische Leben in all seiner Ausdehnung in jedem einzelnen Moment jedes individuellen Lebens enthalten. Der erste Teil des Lotos-Sutra erklärt, wie alle Phänomene von einem fundamentalen Gesetz regiert werden (der wichtigsten Wirklichkeit des Universums). Wenn wir eins werden mit dem Gesetz, können wir erkennen, dass alle Phänomene innerhalb unseres Lebens zusammengefasst sind, und zu gleicher Zeit durchdringt unser Leben das Universum. Im letzten Teil des Sutra wird der Buddha als ohne Anfang und Ende geschildert, wodurch die ewige Natur des Lebens enthüllt wird. Zudem sind Vergangenheit und Zukunft im gegenwärtigen Augenblick enthalten (da die Gegenwart die Wirkung der ursächlichen Vergangenheit ist und zugleich Wirkursache für das Zukünftige). Als Ganzes erklärt das Lotos-Sutra die Dynamik des schöpferischen Lebens, die, da sie keine Grenze oder Beschränkung kennt, frei ist von den Fesseln von Raum und Zeit.
Was unsere alltäglichen Aktivitäten angeht, so bringt uns die schöpferische Energie zur ungehemmten Verwirklichung der Selbst-Vervollkommnung. Was das Lotos-Sutra von anderen Sutras unterscheidet, ist sein unmittelbarer Fokus: Es setzt das Streben, den Weg des Bodhisattva im Hier und Jetzt zu verwirklichen, direkt in die unruhige, profane Welt. Das bringt uns dazu, uns selbst zu erheben, unser „kleineres Selbst“ zu transzendieren und das universelle Gesetz hier und jetzt, inmitten der gewöhnlichen Realität, zu behaupten.
Das Lotos-Sutra ist reich an malerischen, dramatischen und literarischen Bildern. Der Mittelteil enthält eine Beschreibung der Zeremonie in der Luft, worin ein gewaltiger Juwelenstupa, geschmückt mit sieben Kostbarkeiten (einschließlich Gold, Silber, Lapis Lazuli und Perlen) am Himmel erscheint. Ins Universum aufsteigend, symbolisiert er die Größe und Würde des Lebens. Im Kapitel „Die Lebensspanne des Tathāgata“ wird die friedliche Welt als ein Land beschrieben, das „allzeit“ bevölkert ist von Göttern und Menschen; ein Land „mit Gärten, Hainen und Pavillons, die geschmückt sind mit verschiedenen Juwelen, voller Juwelenbäume mit zahlreichen Blüten und Früchten, und die Lebewesen wandeln darin voller Glück; die Götter rühren die göttliche Trommel und führen viele Musikdarbietungen auf; es regnet Māndārava-Blüten, die sich über den Buddha und die große Versammlung verteilen.“3
Malerei, Musik und poetische Bilder wetteifern miteinander, um eine wahrlich wundervolle Welt entstehen zu lassen. Es gibt Zeiten, in denen Kunst und Religion sich durchaus als Gegenspieler verhalten. Im Lotos-Sutra aber harmonisieren sie miteinander und ergänzen einander.