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WIE WIR AUF STRESS REAGIEREN – DIE ÜBERLEBENSMUSTER
ОглавлениеEs gibt eine Begrenzung für das Toleranzfenster. Und zwar deswegen, weil in unserem Leben manchmal Situationen auftauchen, mit denen wir nicht mehr adäquat umgehen können. Das heißt, wir fühlen uns überfordert, können nicht mehr vernünftig reagieren oder sind gar überwältigt. Unsere Bewältigungssysteme – oder auch Copingsysteme (von engl. to cope, bewältigen) – sind völlig überlastet.
Wir reagieren auf übermäßigen Stress, der dann als Angst empfunden wird, mit drei, eigentlich vier evolutionären Reaktionsmustern:
Kampf
Flucht
Erstarrung
Totstellreflex
Leider werden diese Stressreaktionen bei den meisten Menschen in unserer Gesellschaft lediglich als eine Reaktion auf Todesgefahr gesehen. Durch diese eingeschränkte Sichtweise ist den meisten nicht klar, dass diese reflexhaften Reaktionen viel häufiger in uns ablaufen, als uns bewusst ist, nämlich dann, wenn in einer für uns als stressig empfundenen Situation Adrenalin ausgeschüttet wird.
Stress und als Steigerung Angst sind hochsubjektive Ereignisse. Das, was der einen Person Angst macht, lässt eine andere vollkommen kalt.
Die Schwelle der Überforderung hängt sehr stark davon ab, wie ein Mensch Ereignisse für sich interpretiert, also in welchem Licht sie ihm oder ihr erscheinen. Dies ist nicht unbedingt ein bewusster Prozess, aber ein sehr beständiger in seiner Qualität. Er beruht wiederum darauf, welche Verhaltensmuster Menschen in ihrer frühen Kindheit gebildet haben, welche Erfahrungen sie später machten und wie sehr sie sich zutrauen, auch schwierige Situationen zu meistern.
Stell dir einmal vor, ein kanadischer Ranger begegnet einem Grizzlybären. Für den Ranger ist es vermutlich nicht das erste Mal, und er weiß, wie er sich zu verhalten hat. Wahrscheinlich steigt sein Stresslevel an, aber nicht so sehr, dass er panisch wird.
Du oder ich, die keine Erfahrungen mit Bären haben, würden auf eine nahe Begegnung mit so einem Tier sicher mit gewaltigem Stress bis hin zu einer Angstreaktion reagieren.
Es ist wichtig, dass diese subjektiven Reaktionen völlig unterschiedlich ausfallen können, denn noch heute müssen sich manche Menschen eine zu hohe Sensibilität vorwerfen oder gar sagen lassen, dass sie sich nur anstellen würden. Angst ist kaum kognitiv, also rein verstandesmäßig zu kontrollieren. Wenn überhaupt, dann nur für sehr kurze Zeit. Gefühle und Emotionen sind Teil unseres evolutionären Erbes und nicht rational beherrschbar, auch wenn viele Leute dies noch glauben mögen.
Alle Gefühle finden also in diesem Toleranzfenster statt, manchmal bewegen wir uns in der Mitte, manchmal am oberen Ende, weil wir verliebt sind oder wütend. Manches Mal bewegen wir uns auch im unteren Bereich, wenn wir erschöpft, emotional ausgelaugt sind oder uns alles zu viel ist.
Doch all diese Zustände lösen noch nicht einen der oben genannten Reflexe aus. Erst wenn wir uns ohnmächtig, bedroht und vollkommen überfordert fühlen, wird unser Körper in eines der Überlebensmuster wechseln.
In einem solchen Fall schießt der Sympathikus in seiner Reaktion über das Toleranzfenster hinaus, und es werden die Reaktionen Flucht oder Kampf ausgelöst. Ab diesem Augenblick geschehen im Körper eine Menge Dinge gleichzeitig. In Millisekunden ist der Körper kampf- oder fluchtbereit.
Doch wer entscheidet eigentlich, welche dieser beiden Möglichkeiten wir aktivieren?
Man weiß heute, dass unser Gehirn aus zusammengesetzten Teilen besteht. Man spricht vom dreieinigen Gehirn. Das bedeutet, dass sich im Laufe unserer Evolutionsgeschichte das Gehirn nicht gleichmäßig fortentwickelt hat, sondern es Entwicklungssprünge gab, bei denen ältere Hirnteile beibehalten wurden und sich die neuen darauf aufgesetzt (»gestapelt«) haben.
Für unser Leben hat dies einen recht tief greifenden Einfluss, und es erklärt einige der Dinge und Verhaltensweisen, an denen wir im Alltag oft verzweifeln.