Читать книгу Die 3 Quellen echten Lebensglücks - Dami Charf - Страница 41
ОглавлениеDEIN KÖRPER – DEIN LEBEN, DEINE HEIMAT
»Die Reise nach innen ist genauso aufregend wie Reisen durch die Welt.«
Dein Körper, dein Leben. Das klingt plakativ, ist aber wahr. Ob uns das nun gefällt oder nicht, ist eine andere Frage. Doch wenn unser Körper stirbt, ist unser Verstand machtlos. Auch wenn du glaubst, dass nach dem Tod noch etwas kommt – dieses Leben ist mit dem Tod unseres Körpers zu Ende. Gleichzeitig sollte es uns zu denken geben, dass es für unseren Körper möglich ist, ohne unseren Verstand weiterzuleben.
Wir sind inzwischen in hohem Maße abgespalten von unserem körperlichen Sein. Dies zeigt sich an vielen Stellen, und es schadet uns. Eine gute Selbstregulation und unser Lebensglück sind existenziell damit verbunden, wie wir in unserem Körper zu Hause sind. Ich möchte erklären, was ich darunter verstehe.
Zunächst, was ich nicht darunter verstehe: Es hat nichts damit zu tun, dass du täglich duschst oder Sport treibst und ständig auf dein Gewicht achtest. Es hat nichts mit Schönheit oder Attraktivität zu tun. Es hat nichts damit zu tun, ob dein Körper »funktioniert« oder ob du Schmerzen hast. Unser Körper ist unsere Heimat. Wir werden mit ihm geboren, und wir werden mit ihm sterben. Wir haben keine zweite Version, auf die wir zurückgreifen können.
Dennoch gehen wir mit unserem Körper oftmals genauso um wie mit der Erde, auf der wir leben. Wir müllen ihn zu, und ignorieren alle Anzeichen, dass das Gleichgewicht gestört ist. Häufig stehen wir sogar auf Kriegsfuß mit dem eigenen Körper und Spiegelbild. Wir hätten gern dies und jenes anders und sind dauernd damit beschäftigt, was alles »falsch« ist. So kommen wir gar nicht dazu zu realisieren, dass dies die einzige Heimat ist, die wir wirklich haben und die uns unser ganzes Leben begleitet. Unser Körper soll funktionieren. Punkt. Und gut aussehen. Was immer das heißen mag.
ZU HAUSE IN MIR
Unser Körper ist ein Resonanzraum, über den wir unsere eigenen Gefühle, unsere Geschichte und unsere Umwelt wahrnehmen. Wir können Gefühle und Emotionen nur über unseren Körper fühlen – im Grunde fühlen wir Lebendigkeit ausschließ lich über ihn. Liebe, Wut, Freude, Lust, was immer du in deinem Leben spürst, du spürst es über deinen Körper.
Empathie ist nichts anderes als die Resonanz auf andere Menschen, die du in deinem Körper wahrnimmst. Menschen, die sich nicht fühlen, können kaum wirklich empathisch sein.
Du möchtest eine Entscheidung treffen? Überraschung! Auch das funktioniert nur, wenn du deinen Körper spürst, denn von ihm bekommst du die ausschlaggebenden Informationen in Form von angenehmen oder unangenehmen Empfindungen.
Je besser wir in unserem Körper wohnen und ihn spüren, desto mehr Präsenz entwickeln wir. Präsente Menschen geben uns das Gefühl, dass sie wirklich da sind, wenn sie bei uns sind. Wir merken sehr schnell, wenn jemand abgelenkt ist, während sie oder er mit uns spricht.
Bitte versuche jetzt einmal kurz, deinen Körper zu spüren: Was genau nimmst du wahr? Und wie nimmst du das wahr, was du spürst? Wenn du so bist wie die meisten Menschen, dann spürst du wahrscheinlich die Lehne in deinem Rücken, die Füße auf dem Boden und ob dir kalt oder warm ist.
Ich möchte weiterfragen:
Empfindest du deinen Körper als Raum oder eher als zweidimensional?
Fühlst du den Raum, den deine Haut umschließt oder den deine Rippen und dein Becken umfassen?
Fühlst du, wo es kribbelt und wo du Spannungen hast?
Fühlst du, wo du dich nicht fühlst?
Nimm dir in den nächsten Tagen jeweils zehn Minuten oder, wenn das zu viel ist, fünf Minuten, und tue nichts. Du setzt dich auf einen Stuhl oder auf die Couch (bitte nicht hinlegen) und machst nichts anderes, als deinen Körper zu spüren. Du versuchst, einfach nur wahrzunehmen, welche Empfindungen entstehen, wo es kribbelt, wo es warm ist, wo es sich weich anfühlt oder fest. Wenn Gedanken oder Gefühle auftauchen, dann fragst du dich:
Wie fühle ich das in meinem Körper?
Welche Empfindungen tauchen auf, wenn ich dies oder jenes denke oder fühle?
Das mag sich unglaublich banal anhören, doch du wirst merken, dass in dir eine Menge passiert, während du dich auf deinen Körper einlässt. Es kann sein, dass du viel bewusster wahrnimmst, wie es dir eigentlich geht. Das kann manchmal angenehm sein und ein anderes Mal unangenehm. Versuche, die Gefühle, die aufkommen, einfach zuzulassen, und frage dich immer wieder: Wie nehme ich dieses Gefühl im Körper wahr?
Körperwahrnehmung ist die Basis von Selbstregulation, es ist nicht möglich, das eine ohne das andere zu erreichen.
Je länger du diese kleine Übung machst, desto mehr wirst du im Alltag merken, wie du dich bewusster wahrnimmst. Wie du deutlicher spüren kannst, wie es dir geht und was du brauchst.
Das geheime Versteck
Die meisten Menschen leben heute in einem entfremdeten Zustand. Sie haben ihr Zuhause verloren und suchen verzweifelt nach dem Gefühl von Geborgenheit und Zugehörigkeit.
Das, was wir suchen, ist so nah und zugleich so fern. Es gibt dazu eine Geschichte, die als Hindu- und auch als Sufi-Legende erzählt wird. Heute kursiert sie in verschiedenen Versionen. Hier eine davon: Verärgert über die Unwissenheit und Überheblichkeit der Menschen beschlossen die Götter, den Schlüssel zur Glückseligkeit vor ihnen zu verstecken. Einer machte den Vorschlag, ihn auf dem höchsten Berg zu verwahren, ein anderer schlug die tiefste Höhle vor. Doch allen war klar, dass die Menschen ihn überall finden würden. Da hatte einer der Götter eine Eingebung und sprach: »Lasst ihn uns in den Menschen selbst verstecken, dort suchen sie nie!«
Das trifft auf viele Menschen zu. Viele von uns scheuen sich, wirklich Kontakt zu sich selbst aufzunehmen. Wir wissen, dass uns dort auch Dinge begegnen werden, die schmerzlich sind. Das können unverarbeitete Erlebnisse aus der Vergangenheit sein, der Schmerz der Unverbundenheit heute oder auch die Einsicht, dass wir so toll gar nicht sind. Die Reise nach innen ist genauso aufregend wie Reisen durch die Welt. Wir werden immer neue Facetten finden, und es gibt kein Ende auf dem Weg der Selbstentdeckung.
Dennoch ist die Reise nach innen nicht vollständig, wenn es die einzige ist. Auch die Reise nach außen gehört zu einem erfüllten Leben. Je mehr wir echte Verbindungen aufbauen können zu der Welt, in der wir leben, und zu den Menschen um uns herum, desto mehr fühlen wir uns erfüllt und reich.
Die Grundlage dafür ist die Verbundenheit mit uns selbst und unserem Körper, diese zarte, verletzliche Verbindung mit der Fragilität und Kraft unseres Lebens. Ein »Irdischsein« im besten Sinne.
EXPERIMENT: INNEHALTEN
Bevor du jemanden triffst oder auch, bevor du dein Handy oder Tablet hervorholst, versuche einmal, möglichst viel in deinem Körper zu spüren.
Während du dann mit jemandem sprichst oder am Computer sitzt, frage dich kurz: Wie viel von mir fühle ich jetzt noch?
Sehr wahrscheinlich spürst du dich gar nicht mehr in deinem Körper. Vielleicht fühlst du noch deinen Kopf, aber das war es dann leider auch.
Die wenigsten Menschen können mit sich selbst in gutem Kontakt bleiben, während sie mit der Aufmerksamkeit bei einer anderen Person sind oder in eine Beschäftigung wie mit dem Computer eintauchen.
Das hat viel damit zu tun, dass wir als Kinder gelernt haben, unsere Eltern intensiv zu beobachten und immer zu wissen, wie es ihnen gerade ging. Vor allem diejenigen von uns, die Gewalt, Demütigung, Vernachlässigung erlebt haben, sind mit ihrer Aufmerksamkeit immer außerhalb von sich selbst, um bereit zu sein, falls Gefahr im Verzug ist.
Ein weiterer Grund besteht häufig darin, dass wir dafür sorgen mussten, dass es unseren Eltern gut ging. Dadurch haben wir gelernt, dass wir nur Zuwendung bekommen, wenn wir aufmerksam sind und unsere eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Wahrnehmungen verleugnen. Dieses Denken, dass wir nur Zuwendung erhalten, wenn wir für andere möglichst unkompliziert sind oder etwas für sie tun, behalten viele Menschen als Erwachsene bei.
Wie sieht das bei dir aus?
KÖRPERLOS UND KOPFLASTIG
Wir können nicht lieben, uns freuen oder traurig sein ohne unseren Körper. Wir leben wie betäubt, wenn wir ihn nicht fühlen. Dies hat zur Folge, dass wir unsere Gefühle auch nur wie betäubt wahrnehmen. Menschen, die sich und ihren Körper kaum spüren, glauben häufig nur, Gefühle zu haben. Diese existieren jedoch lediglich als Vorstellung in ihrem Kopf und sind deshalb oft völlig inkonsistent und wechselhaft. Deshalb haben solche Menschen große Schwierigkeiten, sich zu entscheiden oder zu erkennen, was gut für sie wäre.
Inzwischen sind viele von uns auf der Flucht vor ihren eigenen Gefühlen. In ihnen lebt die Erinnerung, dass zahlreiche ihrer Gefühle unangenehm oder sogar beängstigend sind. Dazu kommt, dass wir oftmals für Gefühle lächerlich gemacht worden sind oder gedemütigt wurden.
Gerade die Generation der Kriegskinder war oft nicht fähig, ihren Töchtern und Söhnen empathisch zu begegnen und aufgeschürfte Knie oder den ersten Liebeskummer mit angemessener Feinfühligkeit oder auch nur mit Interesse zu begegnen. Diese »Wehwehchen« waren so banal gegenüber den Bomben und der Angst ihrer eigenen Kindheit, dass diese Eltern nicht selten am Mitgefühl für ihre Kinder scheiterten.
Leider oder zum Glück gelingt diese Flucht vor sich selbst nicht oder nur teilweise, denn wir können nicht aus unserer Haut. Wir müssen und werden mit uns alt, egal, ob wir uns mögen oder nicht. Viele Menschen liegen im Krieg mit ihrem Körper, mit ihren Empfindungen und ihren Gefühlen – ein Krieg, der nicht zu gewinnen ist.
Der Umgang mit uns selbst ist häufig von Kritik und wenig Selbstliebe geprägt. Es ist wichtig, sich darüber klar zu werden, dass wir uns vor uns selbst nicht verstecken können. Und niemand wird uns dafür belohnen oder bedauern, dass wir uns selbst ein Leben lang niedergemacht, kritisiert, hässlich oder dumm gefunden haben. Dem Leben ist es vollkommen egal, wie wir mit uns umgehen. Wir werden mit uns alt, egal, ob wir nett zu uns sind oder ob wir uns hassen. Allerdings ist der Unterschied für uns selbst wie Tag und Nacht, denn dieser Krieg kostet uns einen hohen Preis: unsere Lebendigkeit und unsere Lebensfreude.
Gefühle zu spüren, angenehme oder unangenehme, machen uns lebendig. Und Gefühle finden im Körper statt (ich weiß, dass ich mich hier wiederhole, aber es ist so wichtig, das wirklich zu verstehen). Die Flucht in den Kopf ist die Lösung, um sich selbst und die eigenen Verletzungen nicht zu fühlen. Leider haben wir dann auch wenig Zugang zu unseren Bedürfnissen. Diese innere Flucht ist inzwischen epidemisch und drückt sich in unserer Gesellschaft und den Angeboten aus, sich zu zerstreuen. Traumatische Ereignisse oder mangelnde echte Zuwendung, Beziehung und Spiegelung als Kleinkind sind einer der Hauptgründe für diese Flucht aus dem Körper.