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Die Domestizierung der Tiere

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Um Kandidaten für die Domestizierung zu sein, mussten Tiere es tolerieren, auf engem Raum zusammengepfercht zu sein, ohne in Panik zu geraten, und sich in Gefangenschaft fortpflanzen. Diese Eigenschaften besaßen nur wenige Tiere.5 Zu ihrer Domestizierung gehörte meist eine Mutation namens Neotenie, das Behalten von kindlicher Physiologie und Verhalten im Erwachsenenalter. Junge Säugetiere sind voller Neugier, haben keine Angst vor Tieren anderer Arten und lernen gerne neue Tricks; so verhalten sich etwa Hauskatzen wie die Kätzchen von Wildkatzen. Solche Eigenschaften waren besonders nützlich, wenn Tiere in ein neues Gebiet auswanderten, was während und nach der Eiszeit häufig geschah. Menschen machten sich dieses Verhalten zunutze, indem sie Jungtiere fingen, jene behielten, deren kindliches Verhalten am längsten anhielt, und sie sich paaren ließen. Nach wenigen Generationen besaßen sie Tiere, die von konstant kindlichem Verhalten waren und ihr kindliches Aussehen wie kürzere Schnauzen, rundere Köpfe, eng sitzende Zähne und kleineres Gehirn beibehielten. Nach vielen Generationen sahen ihre Fänger, dass sie die unerwünschten Eigenschaften weggezüchtet hatten. Das funktionierte nicht bei allen Tieren. Wildrinder wurden Stiere, gefährliche und aggressive Tiere. Eber kehrten leicht in die Wildnis zurück. Sogar Schaf- und Ziegenböcke konnten gewalttätig werden. Für aggressive männliche Tiere fanden die Menschen ein anderes Kontrollmittel, nämlich die Kastration.6

Neben den erkennbar domestizierten Tieren nehmen andere eine Nische zwischen wild und domestiziert ein. Wenn indische Elefanten jung gefangen werden, lassen sie sich zum Tragen von Holzstämmen erziehen. Die Lappen Nordskandinaviens folgen den Rentierherden durch die Tundra und erlegen manchmal eines. Die meisten Rentiere sind scheu, tolerieren aber Menschen in ihrer Nähe. Manche lassen sich sogar melken oder vor einen Schlitten spannen.

Dann gibt es die „Kommensalen“, wörtlich Tiere, die mit dem Menschen „den Tisch teilen“. Mäuse, Ratten und Spatzen leben eng bei den Menschen wegen des Abfalls, den diese produzieren, und der Nahrung (vor allem Getreide), die sie lagern. Dasselbe gilt für Fliegen, Flöhe, Kakerlaken und andere Insekten, die den Menschen lieben. Andere Tiere folgen dem Menschen auf etwas größere Entfernung: Möwen, Schwalben, Waschbären, Rehe, Kaninchen, Tauben und andere.7

Katzen nehmen einen Platz zwischen den Kommensalen und den Domestizierten ein. Der früheste Hinweis auf domestizierte Katzen findet sich auf altägyptischen Grabmalereien und in den Tempeln des Sonnengottes Ra, der als Kater, und denen der Fruchtbarkeitsgöttin Bast, die als Katze dargestellt wurde. Lange vorher wurden aber Wildkatzen (Felis sylvestris libyca) von den Ratten, Mäusen und Spatzen angezogen, die überall dort reichlich vorkamen, wo in jungsteinzeitlichen Dörfern Korn gelagert wurde. Ihre Nachkommen wurden schließlich bei den Menschen heimisch.8

Pflanzenfressende Herdentiere wie wilde Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde fanden es nützlich, sich mit Menschen zusammenzutun, ebenso Allesfresser wie Schweine.9 Menschen und ihre Hunde boten Schutz vor anderen Raubtieren, vor allem für die verletzlichen Jungtiere. Einzelne Tiere wurden von den Menschen, mit denen sie lebten, zwar gegessen, aber für die Art war die Domestizierung deutlich von Vorteil. Heute, wo es Millionen von domestizierten Tieren gibt, haben nur noch wenige ihrer wilden Verwandten wie Wölfe, Luchse, Wildschweine und Wildpferde überlebt. Manche, wie der Auerochse als Vorfahr der Rinder, sind verschwunden.

Wie die Hunde domestiziert wurden, ist umstritten. Manche Forscher meinen, dass altsteinzeitliche Jäger die Wolfswelpen adoptierten, die am wenigsten aggressiv waren; nach vielen Generationen entwickelten sich ihre Nachkommen zu Jagdgenossen.10 Andere sagen, die Vorfahren der Hunde seien nicht jagende Wölfe, sondern kommensale Aasfresser gewesen, die bei mesolithischen Dörfern lebten.11 Nachdem sie bei den Jägern und Sammlern blieben, passten die Hunde sich später der Welt der jungsteinzeitlichen Viehzüchter an. Als Menschen begannen, Schafe und Ziegen in Herden zu halten, wurden die Tiere auf die Hunde geprägt, die unter ihnen aufgezogen worden waren und die sie dann bewachten. Schäferhunde hüten Schafe auf dieselbe Art wie Wölfe Herden von wilden Pflanzenfressern angreifen, indem sie die Herde umkreisen und Ausreißer einfangen. Sie töten sie aber nicht.

Macht euch die Erde untertan

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