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Evolution

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Dass die jungsteinzeitliche Revolution die Zahl der Menschen dramatisch ansteigen ließ, ist unbestreitbar. Aber ging es ihnen besser? Früher glaubte man, es müsse so gewesen sein, da Ackerbau und Viehzucht einen großen Schritt zu einem höheren Zivilisationsniveau darstellten. Doch die Spuren beweisen das Gegenteil. Skelettanalysen aus dem östlichen Mittelmeerraum zeigen, dass die neolithischen Männer zwischen 5000 und 3000 v. Chr. im Durchschnitt 161,3 Zentimeter groß waren, 15,8 Zentimeter kleiner als ihre Vorfahren aus der Altsteinzeit. Frauen verloren 12,2 Zentimeter, von 166,5 Zentimetern in der Alt- zu 154,3 in der Jungsteinzeit. Auch die durchschnittliche Lebensdauer sank bei Männern von 35,4 auf 33,1 Jahre, bei Frauen von 30 auf 29,2 Jahre.60 Obwohl ihre Zahl stieg, waren Ackerbauern und Viehhirten kleiner, weniger gesund und starben früher als ihre jagenden und sammelnden Vorfahren.

Der Anthropologe Henry Harpending und der Physiker Gregory Cochran gehen noch einen Schritt weiter und werfen der Domestizierung die psychische und sogar physische Veränderung des Menschen vor: „Tatsächlich gibt es Parallelen zwischen dem Prozess der Domestizierung bei Tieren und den Veränderungen, die im Holozän bei Menschen aufgetreten sind. Bei Menschen wie bei domestizierten Tieren sehen wir ein verkleinertes Gehirn, breitere Schädel, Änderungen der Farbe von Haar oder Fell und kleinere Zähne.“61

Die Größe des Gehirns veränderte sich nach dem Ende der Eiszeit. Alle Werke über die menschliche Evolution betonen die Zunahme der Gehirngröße vom Australopithecus über den Homo erectus zum Homo sapiens, was impliziert, dass die Intelligenz entsprechend des Gehirnvolumens wächst. Was aber mit dem Gehirn des Homo sapiens nach der Eiszeit geschah, wird heruntergespielt oder völlig ignoriert. Schädelmessungen zeigen aber einen Rückgang von 9,9 Prozent bei Männern und 17,4 Prozent bei Frauen von der Mittelsteinzeit bis heute. Weder Ursache noch Bedeutung des Vorgangs sind klar. Ein Rückgang der Knochendicke und Körpergröße könnte Teil der Ursache sein. Andere mögliche Ursachen könnten eine interne Reorganisation des Gehirns sein, die weiterem Anwachsen entgegenwirkte. Bis jetzt sind Ursachen und Folgen aber unklar, denn Gehirngröße und Intelligenz stehen nicht in direkter Beziehung.62

Zwei Faktoren bewirkten eine schlechtere Gesundheit bei den neolithischen Bauern: Ernährung und Krankheiten. Im Gegensatz zu Jägern und Sammlern, die meist Fleisch und frisches Obst und Gemüse aßen, ernährten Bauern sich von Getreide und Knollen mit viel Kohlehydraten, aber wenig Eiweiß und Vitaminen. Diese stärkereiche Ernährung führte zu Zahnschäden und Diabetes. Zu den Mangelkrankheiten gehörten Skorbut (durch Vitamin C-Mangel), Pellagra (Vitamin B3-Mangel), Beriberi (Vitamin B1-Mangel) und Kropf (Jodmangel). Amerikanische Ureinwohner, die vor allem Mais aßen, waren kleiner als ihre Vorfahren; sie litten auch öfter an Anämie, denn Mais ist arm an Eisen. Schlechte Ernten brachten Hungerjahre, in denen das Wachstum der Kinder litt. Die Nahrung nomadischer Hirten enthielt dagegen viel Eiweiß und wenig Stärke.63

Die Folgen der neuen Lebensweise variierten stets aus genetischen Gründen. Als die Menschheit wuchs, wuchs auch die Zahl genetischer Mutationen, von denen manche positiv waren. Vor 8000 Jahren entwickelten Europäer und Zentralasiaten Laktosetoleranz, einige Jahrhunderte später auch afrikanische Viehhirten. Frühe Nahrungsproduzenten, die fermentierte Getränke herstellten, entwickelten auch eine Alkoholtoleranz. Weil es ihnen an sonnenlichtproduziertem Vitamin D mangelte, entwickelten Bauern im Norden eine helle Haut, die mehr Sonnenlicht durchließ, wodurch mehr Vitamin D gebildet werden konnte und Rachitis seltener wurde.64

Macht euch die Erde untertan

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