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Der Untergang der Maya

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Die Gesellschaft der Maya war viel extremer polarisiert als andere frühe Kulturen. Könige und Adlige herrschten nicht nur als religiöse Führer und durch ihr Gewaltmonopol, sondern auch, indem sie den Wasserzugang in der Trockenzeit kontrollierten. Im Austausch gegen Wasser konnten die Adligen Nahrungsmittel und Arbeitskräfte für den Bau ihrer Plätze, Tempel und Paläste fordern. Mit dem Wachsen der Bevölkerung wuchsen auch die Ansprüche der Elite. Die Adligen schmückten ihre Kleidung mit den Federn des seltenen Quetzal-Vogels und rotteten ihn fast aus. Die Könige ließen immer mehr Monumente und die Aristokraten immer mehr Paläste bauen. Alle erhaltenen Maya-Inschriften beschreiben die Könige und Adligen, ihre Eroberungen, diplomatischen Triumphe und ihr Verhältnis zu den Göttern. Gewöhnliche Menschen kommen nirgends vor.

Keine Maya-Stadt konnte die anderen beherrschen und ein Reich gründen. Als die wachsende Bevölkerung das Gebiet zwischen den Stadtstaaten füllte, bekämpften sie einander in einem Crescendo von Kriegen und Gewalttaten und suchten in Eroberung und Menschenopfern eine Kompensation für den Niedergang ihrer Wirtschaft.43

Im 9. Jahrhundert begannen die Städte des Petén zu implodieren. In Copán stammt die letzte Erwähnung eines Königs von 822, und 850 brannte der Königspalast ab. Anderswo in der Region stammt die letzte Inschrift von 909. Von maximal 20 000 Bewohnern oder mehr sank die Bevölkerung des Copán-Tals auf 15 000 im Jahr 950, weniger als 8000 Bewohner 1150 und fast null im Jahr 1250.

Nicht überall brach die Maya-Gesellschaft gleichzeitig zusammen. Während das Petén sich entvölkerte, entstanden auf der Halbinsel Yucatán Städte wie Mayapán und Chichen Itzá, bis auch sie um 1450 verlassen wurden. Danach gab es keine Städte mehr, keine monumentalen Steinbauten, keine Inschriften, keine Kultur. Die Maya überlebten, aber stark dezimiert; Archäologen schätzen, dass die Bevölkerung um 90–99 Prozent zurückging.44

Was war die Ursache eines solchen Niedergangs? Diese Frage ist von Archäologen diskutiert worden, seit die Ruinen dieser einstmals so eindrucksvollen Kultur ans Licht kamen. Ihre zahlreichen Erklärungen beziehen sich entweder auf die Gesellschaft oder auf die Umwelt. Die sozialen Erklärungen drehen sich um die Themen Bevölkerung und Politik. Die Skelette von Menschen, die nach 800 starben, zeigen Spuren von Unterernährung und eine steigende Sterberate bei Frauen und Kleinkindern.45 Hunger unter den Bauern und wachsende Forderungen von Königen und Adligen lösten vielleicht soziale Unruhen aus. Für den Archäologen Michael Coe wurden „Könige und Adel, einschließlich der Schreiber … vielleicht von einer aufgebrachten Bevölkerung umgebracht.“46

Die alternative Erklärung betont das Verhältnis der Maya zu ihrer Umwelt. Durch die Rodung der Wälder und die wiederholte Bebauung jedes Fleckens Lands erschöpften die Bauern die Fruchtbarkeit des Bodens und ließen die Hügel erodieren.47 Die Erosion wiederum ließ Kanäle und Zisternen verschlammen, während Kriege deren Instandhaltung störten, was zu einem Rückgang der Nahrungsproduktion führte.48 Coe schreibt: „Am Ende des 8. Jahrhunderts war die Bevölkerung der klassischen Maya-Periode im südlichen Flachland wahrscheinlich so stark angewachsen, dass sie die Belastbarkeit des Landes überstieg, egal welches System der Landwirtschaft man anwandte. … Die Apokalypse der Maya, denn das war sie, hatte mit Sicherheit ökologische Wurzeln.“49 David Webster kommt zu dem Schluss: „Viele Archäologen glauben, dass die Maya sich in einer Art von ökologischer Falle fingen, die sie selbst gestellt hatten. Das Bevölkerungswachstum geriet außer Kontrolle und die Produktivität der Landwirtschaft sank, als die menschliche Belastbarkeit erreicht oder überschritten war.“50

Eine dritte Erklärung betont den Klimawechsel, den einige Forscher wie Richardson Gill als einzigen Grund anführen: „Der Zusammenbruch war nicht das Ergebnis schlechten Managements, administrativer Versäumnisse oder schlechter Agrartechniken. Er war das Ergebnis von Kräften, über die sie keine Kontrolle hatten und für die sie keine Lösung fanden.“51 Die Kräfte, die Gill erwähnt, waren die regelmäßigen Dürren, unter denen das Land litt. Mehrmals hatten die Maya vor dem Untergang solche Dürren überlebt. Wegen einer großen Dürre von 150 bis 200 v. Chr. wurde El Mirador aufgegeben. Nach einer langen Folge nasser Jahre von 250 bis 760, besonders ab 550 – dem Höhepunkt der klassischen Maya-Kultur –, kamen zwei Jahrhunderte trockener Jahre, die trockensten in den letzten 8000 Jahren. Eine Dürre zwischen 535 und 593 verursachte einen scharfen Rückgang der Bevölkerungszahl und der Bautätigkeit, vor allem in Tikal, gefolgt von Aufständen und Bürgerkriegen. Doch nach jeder dieser Episoden erholte sich die Bevölkerung, und der Städtebau begann erneut, denn die Bevölkerung hatte die Belastbarkeitsgrenze des Landes noch nicht überschritten. Dann kam die Megadürre von 750 bis 850, die das Petén entvölkerte und die klassische Periode der Maya beendete. Schließlich richtete die Dürre von 1451 bis 1454 die letzten Maya-Städte zugrunde und entvölkerte Yucatán.52

Beweise für die Dürrehypothese sind vor Kurzem ans Licht gekommen. Nach den Erkenntnissen des Klimaforschers Gerald Haug und seiner Mitautoren belegen Sedimente von Seeböden, die die Niederschlagsmenge zeigen, die Intensität der Dürre: „Eine saisonal bereinigte Messung des Titaniums zeigt, dass der Zusammenbruch der Maya-Kultur am Ende der klassischen Periode während einer längeren außerordentlich trockenen Periode geschah, in der intensivere mehrjährige Dürren um 810, 860 und 910 n. Chr. stattfanden.“53 Die Dürren waren nicht ausschließlich naturgegeben. Die Entwaldung durch die Maya senkte die Gesamtverdunstung der Bäume, was wiederum die sekundären Niederschläge auf der windabgewandten Seite der entwaldeten Gebiete reduzierte. Mit anderen Worten, vielleicht machten die Maya die natürlichen Dürren noch schlimmer.54

Die Dürrehypothese ist nicht unwidersprochen geblieben. Patricia McAnany und Tomás Gallareta Negrón weisen darauf hin, dass die gegenüber der Dürre verletzlichsten Städte eine Weile überlebten, im Gegensatz zu Gegenden, die besseren Zugang zu Wasser hatten. Weil der Zusammenbruch der Städte des Petén über ein Jahrhundert dauerte, kommen sie zu dem Schluss: „Es ist unwahrscheinlich, dass die Dürre die wichtigste Triebkraft für sozialen Wandel war.“55

Damit es zu einem totalen Zusammenbruch kam, musste mehr geschehen als das Erreichen der Belastbarkeitsgrenze der Umwelt, sofern das Klima vorteilhaft war. Es war das Zusammenwirken von Umweltbelastungen und einer rigiden sozialen Hierarchie, was die Maya-Gesellschaft anfällig für Umweltveränderungen machte. Um zu verstehen, warum die Dürren des 9. Jahrhunderts und danach zum Untergang der Maya-Kultur führten, muss man die einzigartigen Speicherbecken von Petén untersuchen, die von der Elite kontrolliert wurden. Die Macht der Herrscher beruhte auf einem impliziten Handel zwischen den einfachen Leuten, den Herrschern und den Göttern: Im Austausch gegen die Opfer und die Arbeit der einfachen Leute führten die Herrscher die Zeremonien aus, die sicherstellten, dass die Götter dem Volk Wasser gaben. Wenn in einer mehrjährigen Dürre alle anderen Quellen trocken waren, kontrollierte die Elite die letzten Trinkwasservorräte. Als das Wetter das Volk im Stich ließ, verlor es das Vertrauen zu seinen Herrschern. Nicht nur der Hunger trieb einfache Leute dazu, ihre Könige und Herren anzugreifen, Gebäude anzuzünden und aus den Städten zu fliehen; es war der Durst. Darum implodierten im südlichen Flachland die Städte so vollständig, und die Bevölkerung sank um bis zu 99 Prozent. In Yucatán mit seinen Cenotes dagegen überdauerten die Städte noch mehrere Jahrhunderte.

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