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Die Maya-Kultur

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Als die Maya-Ruinen zuerst von Menschen europäischer Herkunft entdeckt wurden, galten sie als archetypische „vergessene Kultur im Dschungel“. Später nannte man die Maya das Beispiel einer friedliebenden Gesellschaft brillanter Künstler und Architekten. Als ihre Hieroglyphen entziffert wurden, wurden sie berühmt für ihre blutdürstigen Kriege und Foltermethoden. Warum diese hoch entwickelte Kultur unterging und was mit ihren Menschen geschah, ist nach wie vor ein Rätsel.

Die von den Maya bewohnte Region umfasste drei sehr verschiedene Lebensräume: das Hochland Südguatemalas, das Petén (Flachland) Nordguatemalas und die Halbinsel Yucatán in Ostmexiko und Belize. Das Plateau, das sich von den Bergen Guatemalas herunter nach Yucatán erstreckt, besteht aus Karst, einem porösen Kalkstein, der den Regen aufnimmt, sobald er die Erde berührt, und auf der Oberfläche nur wenige Flüsse oder Feuchtgebiete zurücklässt.

Wie viele tropische Gebiete hat das Maya-Land zwei sehr unterschiedliche Jahreszeiten. Die Regenzeit dauert von Mai oder Juni bis November und bringt zwischen 44 Zentimeter Regen am Nordrand Yucatáns und bis zu 400 Zentimeter im südlichen Petén. Von Dezember bis April oder Mai regnet es wenig oder gar nicht, und die Bajos (Sümpfe), die in der Regenzeit Wasser sammeln, trocknen aus. Der Regen ist nicht verlässlich; in manchen Jahren gibt es drei- oder viermal so viel Regenfälle wie in anderen, und gelegentlich richten Wirbelstürme großen Schaden an. Auf Yucatán liegt das Grundwasser dicht unter der Oberfläche, sodass es das ganze Jahr über durch Cenotes oder kreisförmige Trichter zu erreichen ist, die durch den Einsturz unterirdischer Höhlen entstehen. Obwohl das Petén mehr Regen bekommt, gibt es dort keine Seen oder Flüsse, die es bewahren, und das Grundwasser ist unzugänglich.36

Vor dem Beginn des Ackerbaus war das Petén ein Wald aus Mahagoni, Sapodilla (Breiapfelbaum), Brotnussbaum, Avocado und anderen Bäumen und Sträuchern, während Yucatán mit Dornbüschen und Savanne bedeckt war. Wie in vielen tropischen Regenwäldern war der Felsboden von nur 10 bis 20 Zentimetern Erde bedeckt, und die meisten Nährstoffe steckten in lebender oder gerade abgestorbener organischer Materie. Das Fällen und Verbrennen der Bäume bedeutete daher den Verlust von Nährstoffen und machte den Boden zu hartem Laterit (verwittertem Stein) oder legte den nackten Kalkstein frei.37 Bischof Diego de Landa, einer der ersten Spanier, die das Gebiet im 16. Jahrhundert erforschten, schrieb dazu: „Yucatán ist das Land mit der wenigsten Erde, das ich je gesehen habe, denn alles ist Fels und es gibt erstaunlich wenig Erde.“38

Schon um 1800 v. Chr. begannen Menschen, dieses Land zu bebauen. Ihre Milpa genannte Methode ähnelte der Brandrodung in Neuguinea und anderen tropischen Wäldern. In der Trockenzeit rodeten und verbrannten Bauern die Vegetation und ließen den Boden ein oder zwei Jahre durch die Asche düngen. Während der Regenzeit pflanzten und ernteten sie Mais, Bohnen, Kürbis, Chilischoten, Maniok und Baumwolle. Nach 2 Jahren verlor der Boden seine Fruchtbarkeit, und die Bauern brannten ein neues Waldstück ab und ließen die alten Felder 4–20 Jahre lang brach liegen. Ihre Äcker waren über das Land verteilt und ihre Dörfer häufig mobil.

Nach und nach wuchs die Bevölkerung an. Auf dem Höhepunkt im 9. Jahrhundert n. Chr. erreichte die Bevölkerungsdichte etwa 400 Menschen pro Quadratkilometer, so viel wie im ländlichen China des 20. Jahrhunderts. Bei einer solchen Dichte reichte Brandrodung nicht mehr aus. Stattdessen probierten die Bauern verschiedene Verfahren aus, um dem Boden mehr Nahrung zu entlocken. Sie verkürzten die Brachezeit. Sie rodeten die Wälder und kultivierten Grenzertragsböden auf Hügeln. Nahe den Flüssen und Feuchtgebieten gruben sie kurze Kanäle und bauten mit dem Schlamm der Kanäle erhöhte Felder. Anderswo legten sie Terrassen an, um die Bodenerosion zu verhindern und das Wasser zurückzuhalten. Sie mulchten und düngten mit menschlichen Exkrementen oder kompostierten Pflanzen und bewässerten ihre Äcker durch Cenotes und Untergrundzisternen.39

Trotz ihrer Anstrengungen erreichte ihre Landwirtschaft im Vergleich zu anderen amerikanischen Kulturen nur eine niedrige Produktivität. Da die Maya keine Lasttiere und auch nur wenige schiffbare Seen oder Flüsse besaßen, musste fast alles auf dem Rücken von Menschen getragen werden. Nahrung ließ sich nicht viel weiter als 30 Kilometer transportieren; danach aßen die Träger alles, was sie tragen konnten. Somit ließ sich eine Nahrungsmittelknappheit an einem Ort nicht durch einen Überschuss anderswo ausgleichen. Die einzigen domestizierten Tiere waren Hunde, Truthähne und Moschusenten, und die Armen ernährten sich eiweißarm. Da der Mais sich im feuchten Klima nicht lange lagern ließ, hing das Überleben davon ab, dass jede Ernte für mindestens ein Jahr ausreichte.

Die landwirtschaftliche Produktivität war nicht nur niedrig, sie sank auch noch im Lauf der Zeit. Der ständige Anbau, ohne den Feldern zu erlauben, sich durch Brachliegen zu erholen, entzog dem Boden die Nährstoffe. Als die bebaute Fläche zunahm, gab es immer weniger wilde Ressourcen als Ergänzung. Das zeigt sich an der schlechteren Gesundheit der Menschen, wie man an der Abnutzung ihrer Zähne sieht. Im 8. Jahrhundert hatten die Maya die Grenze der Belastbarkeit ihrer Umwelt erreicht.40

Doch sie sind auch für ihre herrliche Monumentalarchitektur berühmt. An einem Fundort namens San Bartolo im Petén fanden Archäologen ein Mayac-Grab und Wandbilder, die sie auf etwa 100 v. Chr. datierten.41 Ihre Kultur erlebte eine erste Blütezeit zwischen 150 v. Chr. und 50 n. Chr., als die Stadt El Mirador auf fast 10 Quadratkilometer und 80 000 Einwohner wuchs, bis sie nach 150 n. Chr. verlassen wurde. Im 3. Jahrhundert begann die von Archäologen sogenannte klassische Maya-Periode. Bis zum 8. Jahrhundert entstanden viele Städte; die größten waren Tikal, Copán, Calakmul und Palenque. Sie besaßen atemberaubende Paläste, Tempel und Plätze, die von Bauern in der Trockenzeit gebaut wurden.

Auf dem Höhepunkt lebten in oder bei Tikal im Zentralpetén 60 000–80 000 Menschen. Das Stadtzentrum lag auf einer Anhöhe. Um die jährliche Trockenzeit zu überstehen, pflasterten die Bewohner die Plätze und Terrassen im Zentrum, um das Regenwasser zu sammeln, das in sechs große Speicherbecken geleitet wurde. Sie fassten über eine Million Kubikmeter Wasser, genug für die 9800 Mitglieder der Elite, die im Zentrum wohnten. Die Adligen hielten ihre Speicher sauber, indem sie Seerosen, Wasserhyazinthen und Farne züchteten, die Schadstoffe absorbierten, und nannten sich Ah Nab (Seerosenleute). Um das Zentrum herum lagen dicht besiedelte Wohnviertel mit mehreren kleineren Speicherbecken. Jenseits der Wohnviertel fingen große Becken das Abwasser der Stadt auf und bewässerten und düngten in der Trockenzeit die Felder vor der Stadt, was zwei bis drei Ernten jährlich erbrachte. Diese Speicherbecken fassten zusammen genug Wasser für bis zu 18 Monate. Die Menschen von Tikal hatten also eine künstliche Oase gebaut, die blühte, solange genügend Regen fiel.42

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