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Einwirkung des Menschen?

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Man nimmt weithin an, das Erdklima sei vor der industriellen Revolution und dem Verbrennen fossiler Brennstoffe vor zweieinhalb Jahrhunderten allein von Naturkräften bestimmt worden. Tatsächlich ist das relativ stabile Klima, das im größten Teil der Welt in den letzten 12 000 Jahren, dem sogenannten Holozän, herrscht, durchaus abnormal.74 Weil die Zyklen der Sonneneinstrahlung regelmäßig und vorhersagbar sind, hätte sich das Klima der letzten 10 000 Jahre längst abkühlen und einer neuen Eiszeit annähern sollen.

Der Klimaforscher William Ruddiman hat argumentiert: „Hätte die Natur die volle Kontrolle behalten, so wäre das Erdklima deutlich kühler geworden. Stattdessen bewirkten vom Menschen produzierte Treibhausgase eine Erwärmung, die die natürliche Abkühlung weitgehend ausglich. Der Mensch war zum Rivalen der Natur als Kraft im Klimasystem geworden.“75

Die beiden Treibhausgase, die das Klima am stärksten beeinflussen, sind Methan und Kohlendioxid. Eine Bilanz ihrer Konzentration in der Vergangenheit, die in Luftblasen im Grönland- und Antarktiseis aufbewahrt ist, ist vor Kurzem in Eiskernen aus diesen Eisschilden geborgen worden. Die Konzentration dieser Gase in der Atmosphäre schwankt wegen natürlicher Ursachen. Bei Methan folgt sie dem Zyklus der Sonneneinstrahlung, weil mehr Sonnenlicht in den nördlichen und mittleren Breiten mehr Pflanzenwachstum bewirkt, dadurch auch mehr davon abstirbt und mehr Methan in die Atmosphäre entlässt. Daher folgt die Methankonzentration normalerweise einem 22 000 Jahre-Zyklus. Wäre sie dem Muster früherer Zwischeneiszeiten gefolgt, so wäre sie von 725 Teilen pro Milliarde vor 10 000 Jahren um 250 Teile auf heute etwa 475 Teile pro Milliarde zurückgegangen. Sie sank erst auf 575 Teile, ging aber vor 5000 Jahren nicht weiter zurück, sondern stieg auf über 700 Teile pro Milliarde kurz vor der industriellen Revolution an. Natürliche Methanquellen wie Feuchtgebiete können diesen Anstieg nicht bewirken, weil tropische Feuchtgebiete in den letzten 10 000 Jahren geschrumpft und die nördlichen Feuchtgebiete Sibiriens stabil geblieben sind.

Beim Kohlendioxid zeigt seine Konzentration in der Atmosphäre alle 100 000 Jahre einen starken Anstieg und danach ein langsames und unregelmäßiges Absinken. Nach den normalen Zyklen, die während vergangener Eiszeiten und Wärmeperioden wirkten, hätte die CO2-Konzentration, die vor 11 000 Jahren mit 265 Teilen pro Million einen Höhepunkt erreichte, auf 240 Teile sinken sollen. Stattdessen sank sie zunächst nur auf 260 Teile pro Million, sank aber vor 8000 Jahren nicht weiter, wie es normal gewesen wäre, sondern stieg auf 280–285 Teile pro Million kurz vor der industriellen Revolution an.76

Was verursachte diese Normabweichungen? Nach Ruddimans Auffassung ist der einzige neue Faktor, der sie erklären kann, die Landwirtschaft. Die Entwaldung gemäßigter Teile Eurasiens begann mit der Einführung des Ackerbaus und beschleunigte sich, als Bauern Pflüge mit Ochsengespannen benutzten, was jedes Jahr einen kleinen Teil CO2 in der Atmosphäre hinzufügte. In Nord- und Mitteleuropa mussten jungsteinzeitliche Bauern jedes Jahr pro Person 3 Hektar Wald roden; an manchen Orten verbrannten sie Torf. In China, der ersten großen entwaldeten Region, begannen Menschen vor 3000 Jahren mit dem Verbrennen von Kohle. Ruddiman schreibt: „Irgendwie hatten die Menschen in der Periode zwischen 6000 v. Chr. und dem Beginn der industriellen Epoche anscheinend 300 Milliarden Tonnen Kohlenstoff oder mehr in die Atmosphäre abgegeben.“77

Der Methanüberschuss stammte ebenfalls aus der Landwirtschaft, aber auf andere Weise. Der wichtigste Faktor waren die Reisfelder in China, Indien und Südostasien, da Vegetation, vor allem Unkraut, im Wasser zerfiel und Methan freisetzte. Diese Anbaumethode nahm vor 5000 Jahren stark zu. Gleich hinter dem Reisanbau kommt das Anwachsen der Viehherden, vor allem von Rindern, die Methan durch ihren Dung und durch Rülpser aus ihrem Pansen abgeben, dem zweiten Magen, in dem sie Gras verdauen. Darüber hinaus wurde Methan durch das Verbrennen von Biomasse und den Zerfall menschlicher Exkremente freigesetzt, ein Ergebnis der wachsenden Bevölkerung.

Die jedes Jahr in die Atmosphäre entlassene Menge von Kohlendioxid und Methan war sehr klein; über die Jahrtausende vom Beginn der Landwirtschaft bis zur industriellen Revolution war es aber ebenso viel wie in den letzten 250 Jahren. Ohne diesen menschlichen Klimaeingriff wäre die Erde viel kälter gewesen, selbst vor der Industrialisierung, und ein Eisschild hätte in Nordostkanada zu wachsen begonnen. Stattdessen war, wie Ruddiman erklärt, „das warme und stabile Klima der letzten 8000 Jahre vielleicht ein Zufall. Vielleicht spiegelt es ein zufälliges Fast-Gleichgewicht zwischen einer natürlichen Abkühlung wider, die hätte beginnen sollen, und einer ihr entgegenwirkenden menschengemachten Erwärmung.“78

Natürlich ist Ruddimans Erklärung für das Klima des Holozäns umstritten. Ob die von Menschen vor der industriellen Revolution produzierte zusätzliche Menge an Kohlendioxid und Methan ausreichte, um eine natürliche Klimaabkühlung auszugleichen, oder ob das stabile Klima des Holozäns andere Ursachen hatte, wird immer noch diskutiert.79

Macht euch die Erde untertan

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