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Annette Kolb (1870 – 1967) Auf der Freitreppe
Annette Kolbs Katholizität Hans-Rüdiger Schwab

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„Was wollt ihr noch von ihr wissen?“ fragt die angesehene Autorin 1932 in einem „Befohlenen Selbstporträt für Quartaner“: „Sie ist katholisch. Seinen frühen Schulkatholizismus gibt jeder eines Tages preis. Dazu bedarf es nicht viel. Nachträglich ihn dennoch beizubehalten, bedingt einen weit schwierigeren geistigen Prozeß. Dafür nimmt man sich einige Reservatrechte heraus, die einem besonders von Convertiten als ketzerhaft bestritten werden. Aber das schadet nichts.“1

Selbstbehauptung und Ironie durchdringen einander in dieser Aussage. Beides ist kennzeichnend für Annette Kolb. Die „Convertiten“ (denen gegenüber sie wiederholt fremdelte) werden hier stellvertretend für bestimmte Verhaltensmuster erwähnt. Was ihr missfällt, ist eine teils selektive, teils gleichsam überbietende Fixierung von Glaubensinhalten.

Innerhalb des Panoramas katholischer Intellektualität während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellt Annette Kolb in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahme dar. Sie ist eine der wenigen, die ins Exil gingen, gleich zweimal sogar. Während man unter dem Vorzeichen „katholischen“ Denkens zur Zeit der Weimarer Republik vielfach Ordnungsvorstellungen von Reich und Nation anhing, mahnte die überzeugte Demokratin und Europäerin lakonisch: „Mehr als die Völker bedarf der Völkerbund des Schutzes.“2

Auch sonst bewegte sie sich jenseits „typischer“ Fragestellungen und Konfliktlinien. Der Richtungsstreit über „katholische“ Literatur etwa interessierte sie nicht. Ihre eigenen Arbeiten erschienen seit 1905 bei S. Fischer, einem der führenden deutschen Verlage. Annette Kolb verfügte über die geistige Souveränität der Einzelgängerin. Sie war klug, aufmerksam, tapfer, ein wenig dickköpfig und schrullig auch, aber das macht sie gerade sympathisch.

Vom Milieu und seinen Organisationsformen hielt Annette Kolb sich fern. Dafür stand sie im Kontakt mit zahlreichen bedeutenden Persönlichkeiten des kulturellen und politischen Lebens: von Thomas Mann und Romain Rolland über Carl Jacob Burckhardt bis hin zu Auguste Rodin, Claude Debussy oder Ferruccio Busoni. Früher als andere bewunderte sie Proust und Joyce, umgekehrt wurden ihre eigenen Texte etwa von Rilke oder Hofmannsthal gerühmt. Bei Max Scheler hörte sie schon, als er an seinen ersten Werken arbeitete. Zu denen, die sie privat aufsuchte, zählen so unterschiedliche Denker wie der Positivist Hippolyte Taine und der religiöse Existentialist Gabriel Marcel.

Für diejenigen, die sie kannten, stand ihre katholische Prägung außer Frage, die allerdings ungewöhnlich, ja fast heterogen amalgamiert war. Eine „begeistert katholische (...) Autorin“ nannte Hermann Kesten sie – was von dem jüdischen homme de lettres ins scheinbar Widersprüchliche hinein präzisiert wird: „Sie war erzkatholisch und antiklerikal und liberal.“3 Auch Luise Rinser rühmte an Annette Kolb einen Katholizismus „von südlich-lateinischer Weltoffenheit“. „Kaum ein Werk“, übertreibt sie nur ein bisschen, in dem nicht „vom Katholizismus“ die Rede sei: „doch meist nur so, wie eben ein Habitué der Kirche es tut: als über das Selbstverständliche“.4 Im „Hochland“ wurde immerhin schon (oder erst) Anfang der 30er-Jahre, wenn auch mit einem verräterischen Einschub, ihr „eigenes, sehr persönliches – zuweilen sicher auch etwas zu persönliches – Verhältnis zum Katholizismus“ anerkannt und sie, ihr ganz unangemessen pathetisch, als „Weggenossin aller ins Lichte drängenden jungen Dichtungsbewegung“ gewürdigt.5

Eigensinn und Bindung

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