Читать книгу Shinobi - Der Weg der Schatten - Danny Seel - Страница 10

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4. Umzingelt

„Er entkommt!“, schrie einer der Polizisten enttäuscht, als er sah, wie der Shinobi um die Ecke verschwand.

Bald habe ich sie abgehängt, dachte Yujiro zufrieden, während er sein Tempo beschleunigte. Mit jeder Sekunde vergrößerte sich der Abstand zwischen ihm und den Dōshin.

Abrupt bog er wieder um die Ecke und lief plötzlich einer Handvoll Polizisten fast in die Arme. Er wollte sich umdrehen, um in die andere Richtung zu rennen, doch die andere Gruppe von Dōshin holte ihn ein, sodass er in dieser Gasse von zwei Seiten umringt wurde.

Die Worte, die ihm seit seiner Kindheit beigebracht worden waren, blitzten unerwartet in Yujiros Gedächtnis auf. Eines der wichtigsten Prinzipien der Philosophie der Shinobi, ist es, den Kampf zu vermeiden und im Falle des Entdecktseins sofort zu flüchten.

Mit diesem Satz im Geiste schaute er sich hastig um, als ihm etwas ins Auge fiel. Links von ihm auf der Straße stand ein Haus, das von einer schmalen Veranda umgeben war, während darauf, unter dem Dach, Papierwände zu sehen waren. Yujiros rechter Mundwinkel zuckte. Er hatte Glück, dass die Außenwände dieses Gebäudes nicht aus Holz bestanden.

„Jetzt haben wir dich!“, stieß einer der Polizisten mit einem triumphierenden Grinsen aus, der ihm bedrohlich und mit erhobenem Schwert näherkam.

„Das denken auch nur Sie!“, rief Yujiro verächtlich, bevor er auf die kleine Veranda sprang und, seine beiden Arme schützend vors Gesicht hebend, sich gegen die Wand des Gebäudes warf.

Die Papierwand gab unter seinem Gewicht nach und zerriss, als er etwas ungeschickt im Inneren des Hauses aufkam, was ihm die Luft aus den Lungen schlug. Sein Blick fiel sofort auf einen Mann und eine Frau, die an einem niedrigen Tisch saßen und ihr Mittagessen aßen. Die Frau schrie auf, sobald sie ihn sah und klammerte sich an ihren Mann, der den Eindringling erschrocken anstarrte.

„Packt ihn!“, vernahm Yujiro hinter sich eine Stimme und spürte, wie er am Fuß ergriffen wurde.

Instinktiv trat er nach dem Dōshin, doch dieser ließ nicht los. Bedenkenlos griff er nach einem Shuriken und schleuderte ihn auf seinen Gegner, so gut wie er es in dieser Position nur konnte. Der Polizist zuckte auf und lockerte den Griff kurz genug, um dem Shinobi Zeit zu verschaffen, sich freizubekommen. Das Starren der Bewohner des Hauses ignorierend, rappelte sich Yujiro blitzschnell hoch und lief eiligst, nach dem Ausgang suchend, durchs Zimmer.

„Verzeihung“, murmelte er, da er immer noch die Schreckensschreie der Frau hören konnte.

Schnell öffnete er die Tür, wobei er die Flüche der näherkommenden Dōshin vernahm, die bereits das Gebäude betreten hatten, und rannte aus dem Haus. Draußen bemerkte er, dass er sich in einer engen Gasse befand. Er schaute nach rechts und sah Polizisten, die auf der Hauptstraße vorbeiliefen. Einer von ihnen warf zufällig einen Blick in den schmalen Durchgang und weitete die Augen, als er den Shinobi dort erblickte.

„Er ist hier! Hier entlang!“

Yujiro unterdrückte eine Verwünschung. Flink bog er nach links ab, und versuchte seine Verfolger abzuschütteln, indem er jedes Mal unvermittelt in eine andere Gasse lief. Er meinte das Adrenalin in seinen Adern aufsteigen zu spüren, während er sich stark bemühte, zu entkommen. Die Schreie der Dōshin waren sehr nah zu hören, als er plötzlich in eine Gasse einbog, die nur einen Ausweg hatte, nämlich geradeaus, auf die Hauptstraße.

Zu seinem Entsetzen erschienen dort zwei Polizisten und blockierten ihm den einzigen Fluchtweg. Alarmiert drehte er sich um und versuchte zurückzurennen, doch seine anderen Verfolger hatten bereits diese Gasse erreicht, und versperrten ihm somit alle Auswege.

„Lass die Waffen fallen und ergib dich!“, warnte ihn einer der Dōshin, als sie ihm langsam näherkamen.

Unverzüglich sah sich Yujiro um. Frustriert verengte er die Augen. Die Wände der Häuser um ihn herum bestanden alle aus Holz; keine einzige war aus Papier. Somit hatte er keine andere Wahl, als sich seinen Verfolgern zu stellen. Er wusste jedoch, dass es besser wäre im Kampf zu sterben, statt von ihnen gefangen genommen zu werden. Spione folterte man, bis sie die Geheimnisse ihrer Auftraggeber verrieten … oder bis sie starben. Umzingelt wusste er, dass es keine Fluchtmöglichkeit mehr gab. Es würde zu einem offenen Kampf kommen.

„Erleichtere uns die Arbeit und ergib dich einfach!“

Yujiro antwortete nicht, als er seine Gegner beobachtete. Unaufgefordert holte er eine Kusarigama, eine sichelförmige Waffe, an deren Heftende eine lange Kette befestigt und an deren Ende ein Metallgewicht angebracht war, heraus und begann die Kette mit dem Metallgewicht über seinem Kopf zu kreisen, bevor sie ihn ergreifen konnten.

Aufgrund der großen Reichweite der Waffe traten alle Polizisten einen Schritt zurück. Bedrohlich betrachtete Yujiro sie, wobei er seinen Kopf ein wenig gesenkt hielt, sodass sein Strohhut einen Schatten auf seine Augen warf. Vorsichtig trat er einige Schritte zurück, bis sein Rücken nur noch einen Meter von der Wand eines Lagerhauses entfernt war. Somit hatte er alle potenziellen Angreifer in seinem Blickfeld. Vollkommen angespannt schätzte er seine Überlebenschancen ein.

Nicht so gut, musste er sich eingestehen. Er hatte gegen sie keine Chance. Er konnte nur Ausschau auf eine Fluchtmöglichkeit halten. Ein Pluspunkt war jedoch, dass die Dōshin nicht so hochqualifiziert waren wie normale Samurai. Hastig durchzählte er seine Angreifer.

Zwei Samurai und drei Komono.

Wütend biss er sich auf die Lippen. Über die Komono machte er sich keine Sorgen. Es waren die zwei Bushi, die ihm alles erschweren würden. Trotzdem war er ein wenig erleichtert. Es war eher eigenartig, dass sie so viele Komono bei sich hatten, während sie, die eigentlichen Polizisten, so wenige waren.

Wahrscheinlich verfolgen die meisten Dōshin entweder Rintaro oder Suzaku, dachte er.

Die zwei Samurai zogen ihre Katana heraus, während die Komono nach den Waffen griffen, die sie eben dabeihatten. Yujiro zweifelte nicht daran, dass sie diese gegen ihn einsetzen würden. Obwohl Polizisten meistens Kriminelle entwaffneten und unversehrt ins Gefängnis brachten, wo sie blieben, bis man sie verurteilte, würde es diesmal nicht der Fall sein, wenn sie wirklich wussten, wieso er hier war.

Einer der Dōshin, der eine Narbe auf seiner linken Wange hatte, näherte sich Yujiro.

„Bereit zu sterben?“, fragte er grinsend, ohne seinen Gegner dabei aus den Augen zu lassen. Die anderen sahen dies als Aufforderung an, ihm zu folgen.

Auf einmal stürzten sich zwei Männer gleichzeitig auf ihn und er drehte sich leicht in ihre Richtung. Rasch warf Yujiro das Metallgewicht der Kusarigama gegen den Kopf eines der Komono. Dieser hatte keine Erfahrung darin, wie man jemanden mit einer seilartigen Waffe bekämpfen sollte und konnte dem Angriff gerade noch entkommen, indem er sich duckte und ängstlich zurückwich.

Inzwischen war der andere Angreifer mit hoch erhobenem Schwert sehr nah an den Shinobi herangekommen und hackte nach diesem. Yujiro benutzte die sichelförmige Klinge, um den Angriff zu parieren, konnte jedoch der Stärke des Dōshin nicht standhalten. Mithilfe einer Rückwärtsrolle brachte er sich in Sicherheit, wobei ihm sein Strohhut vom Kopf flog.

Währenddessen stürzten sich die drei Polizisten auf ihn, die nun seitlich hinter ihm waren. Yujiro kreiste die Kusarigama noch einmal über seinem Kopf und schwang sie dann in einem Kreis auf ihre Füße zu. Dabei erwischte er einen, der mit einem Schrei niederging, während sich die anderen eilig zurückzogen.

Hinter sich nahm Yujiro eine Bewegung wahr. Blitzschnell drehte er sich um und sah den Polizisten mit der Narbe auf ihn zukommen. Der Letztere schlug mit seinem Schwert nach dem Shinobi, der den Angriff nicht mehr rechtzeitig abwehren konnte.

Er versuchte sich in Sicherheit zu bringen, doch das Katana sauste seitlich von links auf ihn zu und bohrte sich leicht in seine Schulter. Noch weiter wegspringend, stöhnte er kurz vor Schmerz auf und warf vergeltend das Metallgewicht seiner Kusarigama mit einem Schwung auf seinen Gegner. Der vernarbte Dōshin versuchte ihr auszuweichen, doch vergeblich.

Während sich die Kette schnell um das Katana des Polizisten wickelte, blickte Yujiro hastig über die Schulter. Ohne zu zögern, warf er einen Shuriken auf die anderen Männer, die sich auf ihn stürzen wollten und die nun zurückwichen. Mit einem heftigen Ruck zog der Shinobi dann an der Kette, um seinen Widersacher zu entwaffnen. Der Samurai war fest entschlossen, sein Schwert zu behalten, und stolperte, aus dem Gleichgewicht gebracht, ein paar Schritte auf seinen Gegner zu. Dabei kam er Yujiro so nahe, dass dieser sich nicht davon zurückhalten konnte, ihm mit seiner sichelförmigen Klinge die rechte Wange aufzuschlitzen.

„Das sollte deine Narben ausgleichen“, sagte Yujiro hämisch grinsend.

Plötzlich schwang er seine Klinge und schlug mit deren Ende seinem Gegner mit solch einer Wucht gegen die Stirn, dass dieser das Bewusstsein verlor, noch ehe er überhaupt am Boden aufschlug. Während Yujiro durch ihn abgelenkt war, wurde er von hinten von drei weiteren Widersachern attackiert. Doch dieses Mal war es schon zu spät für ihn; er konnte es unmöglich schaffen, alle Stöße zu parieren.

Blitzschnell führte er eine Vorwärtsrolle durch, sprang auf, drehte sich wieder zu ihnen um, wich einem Komono aus, blockierte einen Hieb mit der sichelförmigen Klinge des Kusarigama, konnte jedoch nicht schnell genug reagieren, als der Dōshin einen Schwertstoß an ihm ausübte und seinen Schenkel traf. Yujiro zuckte zusammen und unterdrückte einen Schmerzensschrei, wobei er seine Kusarigama wegen der Heftigkeit des Angriffs fallen ließ. Er wusste, dass diese Waffe seine einzige Überlebenschance gewesen war, da deren immense Reichweite seine Gegner auf Distanz gehalten hatte.

Er spürte, wie Blut seinen Schenkel hinuntertropfte, als er geschwächt auf das Knie seines verwundeten Beines sank. Halb kniend, halb stehend riss er ein Ninjatō aus seinem Gewand, um weitere Schwerthiebe abzuwehren. Schnaufend sammelte er seine letzten Kräfte und erhob sich auf seine wackeligen Beine.

Die beste Verteidigung ist der Angriff, dachte er, während er seine Widersacher beobachtete, die ihm siegessicher näherkamen. Der unerwartete Angriff.

So schnell, wie es mit seinem verwundeten Bein nur möglich war, schlug er das Tantō, das Kampfmesser, eines angreifenden Komono zur Seite und sprang vorwärts. Beinahe erstarrte der unerfahrene Assistent der Dōshin vor Schreck wegen des unerwarteten Stoßes und versuchte der Klinge auszuweichen.

Mit einem Schwung seines Kurzschwertes schlitzte der Shinobi seinem Widersacher die Kehle auf. Die Augen des Komono wurden glasig und er fiel zu Boden, als Yujiro das Ninjatō wieder an sich zog.

Wegen dieses Angriffs verlor er nicht wenig Blut im Bein, sodass seine Sicht sich vernebelte. Zu allem Übel nutzte einer der Polizisten diesen Augenblick aus, um ihn von hinten anzugreifen. Instinktiv drehte sich Yujiro um und bemühte sich, dem Schwerthieb zu entkommen. Die gegnerische Klinge schlitzte ihm seinen Kimono an der Seite auf und streifte seine Haut. Er blockierte einen weiteren Angriff und zwang seinen Widersacher zurückzuweichen. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder allen seinen Gegnern zu, die jetzt insgesamt „nur“ noch zu dritt waren.

Wie eine Schwarze Witwe sich einer Fliege nähert, so näherten sich die Polizisten Yujiro, um ihn zu erledigen. Seine Lage schien hoffnungslos zu sein. Sich gegen eine Schar Dōshin zu verteidigen war eine Sache, doch dazu noch umzingelt und verletzt zu sein, das war etwas anderes.

Er nahm flüchtig wahr, wie ein weiterer Polizist, der gerade angekommen war, sich den anderen anschloss.

Na toll, genau was ich jetzt brauche, dachte er sarkastisch. Noch mehr Gegner.

Jetzt waren die Dōshin nur noch drei Armbreiten von ihm entfernt. Erschöpft und verzweifelt suchte Yujiro nach einem Ausweg, obwohl er wusste, dass seine Zeit fast um war. Entschlossen verengte er die Augen zu Schlitzen, ohne sie von seinen Widersachern abzuwenden.

Zu seiner Überraschung und Freude streckte plötzlich einer der Polizisten einen anderen mit einem Schwertstoß nieder. Dann drehte er sich zu dem nächsten Komono, bevor er ihn mit der Flachseite seiner Klinge gegen die Schläfe schlug und ihn somit außer Gefecht setzte.

Unfähig zu begreifen, was passiert war, versuchte der letzte Komono, in Angst versetzt, auszuweichen. Ihm gelang es noch in letzter Sekunde einen Hieb zu parieren, bevor er die Flucht ergriff.

„Holt Verstärkung!“, schrie er, als er in Panik versetzt floh.

Yujiro blickte seinen Retter, diesen Dōshin, misstrauisch an. Sobald er jedoch dessen vertrautes Gesicht mit einem listigen Lächeln bemerkte, schmunzelte er freudig überrascht.

„Rintaro! Ich glaube, ich bin noch nie so froh gewesen, dich zu sehen“, rief er erfreut aus. „Wie hast du mich gefunden?“

Doch Rintaro schüttelte nur den Kopf. „Wir haben jetzt keine Zeit dafür. Die Dōshin kommen gleich zurück – aber dieses Mal mit Verstärkung!“

Yujiro wandte den Kopf zur Seite und sah, wie der geflüchtete Komono wieder auf sie zulief, wobei er dieses Mal mit einigen Dōshin zurückkehrte. Rintaro begann davonzurennen, drehte sich jedoch nach einer Weile um, als er sah, dass Yujiro etwas hinter ihm blieb.

„Beeil dich!“

„Ich renn’ schon, so schnell ich kann“, antwortete Yujiro und biss die Zähne zusammen, als Schmerz sein verwundetes Bein hochschoss.

Sobald Rintaro die Ursache von Yujiros Langsamkeit bewusst wurde, lief er zurück und schlang einen Arm um die Schulter seines Waffenbruders. Humpelnd eilten sie von ihren Verfolgern davon, welche ihnen dicht auf der Spur waren. Unter großer Anstrengung liefen sie weiter, wobei sie hörten, wie die Dōshin aufholten.

Hastig rannten sie um eine Ecke. Rintaro schaute sich flüchtig über die Schulter und bemerkte, dass niemand sie momentan im Blickfeld hatte.

„Hier hinein!“, flüsterte er laut und öffnete die Schiebetür eines zufälligen Gebäudes.

Völlig von der Unhöflichkeit der zwei unerwarteten Besucher überrascht, ging der Bewohner des Hauses, der gerade an seinem Grüntee genippt hatte, wilden Schrittes auf die beiden Männer zu.

„Was fällt euch ein?!“, fauchte er wütend. „Ihr–“

Abrupt stockte er mitten in seiner Rede, als ihm Rintaro ein Tantō an den Hals drückte.

„Seid still!“, zischte er im Flüsterton.

Der Mann wagte es nicht, auch einen Laut von sich zu geben, und schluckte vor Nervosität. Draußen vernahmen sie die Rufe aufgeregter Polizisten.

„Sie können doch nicht vom Erdboden verschluckt worden sein!“, beschwerte sich einer von ihnen.

„Weit können sie nicht gekommen sein … nicht mit so einer Verletzung am Bein!“

Sie hörten, wie die Schritte der Dōshin sich entfernten und Yujiro seufzte vor Erleichterung auf. Sie hatten es doch geschafft!

Shinobi - Der Weg der Schatten

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