Читать книгу Shinobi - Der Weg der Schatten - Danny Seel - Страница 17
Оглавление11. Sawadas Auftrag
Der Schweiß trat auf Yujiros Stirn hervor und rann ihm übers Gesicht. Die Sonne brannte heiß auf ihn herab, ohne jegliche Gnade zu erweisen.
Verärgert blickte er empor. Obwohl er eigentlich die letzten Wochen des Sommers genießen sollte, wünschte er, sich unter dem Schatten eines Baumes niederlassen zu können. Er war ein Mensch, der die Kälte bevorzugte und war äußerst froh über den Strohhut, den er auf dem Kopf hatte, denn ohne ihn hätte er schon längst einen Sonnenstich bekommen. Die Arbeit war hart, besonders wegen der großen Ernte. Ein wenig ermüdet bückte er sich, um die Wurzeln des Reises abzuschneiden, und verband sie dann in kleine Bündel.
„Hier, für Sie, Kiyonori-san“, sagte eine weibliche Stimme.
Yujiro drehte sich um und sah eine Frau in einem hellgrünen Kimono vor ihm stehen, die einen Wasserkrug in der Hand hielt, welchen sie ihm ihm anbot. Dankbar nickte er und nahm das Gefäß an. Nachdem er es vollständig gelehrt hatte, reichte er es zurück.
„Danke“, entgegnete er und verbeugte sich.
Die Frau entfernte sich, um den Krug noch einmal zu füllen und ihn den anderen Arbeitern anbieten zu können. Kiyonori wischte sich den Schweiß von seinem Gesicht ab. Ein paar Meter von ihm entfernt arbeiteten Izuya, Suzaku und Kuro.
„Ich habe zufällig mitbekommen, wie Kojima-san und Momochisama miteinander gesprochen hatten“, begann Kuro mit Anzeichen von Aufregung in seiner Stimme. „Sie glauben, Oda Nobukatsu bereitet sich auf den Krieg vor. Tausende von Truppen sammeln sich an unseren Grenzen.“
Verwundert hob Izuya die Augenbrauen. „Scheint, als würde er eine Invasion planen. Bist du dir sicher, dass er es auf Iga abgesehen hat?“
Kuro schüttelte den Kopf. „Ich habe gehört, dass der Jōnin bereits Spione in die Burg geschickt hat, die Lord Nobukatsu gerade verstärkt und dass–“
„Lord Nobukatsu baut eine Burg an unserer Grenze?!“, unterbrach ihn Suzaku alarmiert.
Nochmals schüttelte Kuro den Kopf. „Noch schlimmer. Er hat den Veteranen Takigawa Kazumasa geschickt, um diese Festung mitten in Iga zu errichten und deren Vollendung ist schon in Sicht. Falls der Oda-Clan uns anzugreifen plannt, werden sie die Invasion von dort aus starten. Einen anderen Grund so tief in unser Gebiet einzudringen und dort eine Armee aufzustellen, haben sie bestimmt nicht“, vermutete er.
„Ist das denn nicht viel zu auffällig?“, wollte Suzaku wissen.
„Da kennst du diese Kriegsherren nicht so gut wie ich“, gab Izuya ihm als Antwort. „Die Interessen dieser selbstsüchtigen Tyrannen liegen in nichts Anderem als sich Geld und Ehre zu verschaffen. Sie halten uns doch für geringwertig, für unwürdige Bauern, die nichts anderes zu tun haben, als für sie zu schuften. Deshalb bin ich froh, dass Iga nicht von einem einzigen Menschen regiert wird.
„Ich nehme an dieser Daimyō will ganz Iga erobern, um noch mehr Land zu besitzen sowie um mehr Steuern eintreiben zu können. Da habt ihr’s doch. Nur mehr, mehr und nochmals mehr. Das ist das Einzige, was sie interessiert!“
Die anderen nickten zustimmend mit ernsten Mienen.
„Was hältst du eigentlich von all dem, Yujiro? Du hast bisher noch kein Wort gesagt.“
Alle Blicke richteten sich auf ihn. Dieser stand schweigend da und hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt.
„Ich weiß es nicht“, antwortete er nach kurzer Überlegung. „Würde Lord Nobukatsu es tatsächlich wagen, uns anzugreifen? Diese Vermutungen bringen uns nirgendwohin. Vielleicht will er von dort aus die nächste Provinz attackieren. Schließlich gehört uns Iga aus seiner Sicht nicht.“
Kuro zuckte nur mit den Achseln.
„Wir sollten lieber weiterarbeiten“, schlug Izuya vor und betrachtete den Himmel. „Es wird bald dunkel.“
Jeder wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Die Sonne schien kurz vor dem Untergang zu sein und es würde nun kälter werden. Lange hatte Yujiro nicht gearbeitet, als er einige Minuten später leise Schritte hinter sich vernahm.
„Guten Abend Kiyonori-san“, hörte er eine ältere, aber dennoch kräftige Stimme.
Er drehte sich um und erkannte Sawada. Sawada war ein Chūnin, der mehr Unterrichtsstunden in Ninjutsu, den Künsten, in denen Shinobi ausgebildet wurden, für die nächsten Generationen gab als alle anderen Chūnin in Nabari. Sie verbeugten sich voreinander.
„Guten Abend, Sawada-san. Was bringt Euch hierher?“
„Ich würde Sie gerne sprechen“, antwortete der Chūnin. „Unter vier Augen“, fügte er hinzu. „Hättet Ihr noch viel zu tun?“
Yujiro schüttelte den Kopf. „Ich werde nur noch bis zum Sonnenuntergang arbeiten. Ich habe nicht mehr viel zu erledigen.“
„Dann erwarte ich Sie in meinem Haus. Kommt, sobald Sie mit der Feldarbeit fertig sind.“
Kiyonori zeigte sein Einverständnis. „Dann sehen wir uns in etwa einer Stunde.“
Sawada nickte zum Abschied und entfernte sich. In der folgenden Zeit vor dem Sonnenuntergang konnte sich Yujiro gar nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren. Sawada wollte ihn sprechen? Was hatte er vor?
Seine Aufregung wurde größer und ging allmählich in Nervosität über. Als er mit seiner Arbeit fertig wurde, hatte er den starken Drang seiner Gewohnheit nachzugehen und ein Bad zu nehmen. Er verstaute die Sichel in seinem Obi und rieb sich den Arm, wobei sich sein Gesicht zu einer Grimasse verzog, sobald er seinen Gestank wahrnahm. Am liebsten würde er sich zuvor waschen, doch ein Befehl war ein Befehl. Schleunigst verabschiedete er sich von seinen Kameraden und machte sich Richtung Sawadas Haus auf.
Als er dort ankam, klopfte er an die Eingangstür.
„Entschuldigung, dürfte ich hereinkommen?“, fragte er langsam.
„Kommt herein“, antwortete ihm jemand.
Er schob die Tür auf und trat ins Haus. Sein Blick fiel auf einen Irori mitten im Zimmer, über dem ein Wasserkessel kochte. Sawada saß rechts von der Feuerstelle und trank Tee. Sie begrüßten sich und Yujiro kniete sich eine Armlänge von dem Chūnin entfernt hin.
„Möchten Sie Sencha?“, fragte der Letztere und deutete auf den Grüntee.
Kiyonori verneinte höflich, doch als Sawada darauf bestand, gab er schließlich nach und der Alte schenkte ihm den Tee aus dem Kessel in eine Tasse ein. Es folgte Schweigen, bei dem jeder seinen Sencha genoss, bis Yujiro die drückende Stille nicht mehr aushalten konnte und ein Gespräch über das Wetter anfing. Nach einigen förmlichen Konversationen über dies und jenes stellte Kiyonori indirekt die Frage, die ihn schon seit Anfang an beschäftigte.
„Ich nehme an, dass diese Einladung nicht ausschließlich auf Ihrer Gastfreundschaft beruht …“
„Tatsächlich nicht“, antwortete ihm der Chūnin und nahm noch einen Schluck von seinem Tee. Gelassen atmete er durch. „Ich habe einen kleinen Auftrag für Sie. Es gibt etwas, das Ihr für mich tun müsst.“
Sawada hielt einen Moment inne. Widerwillig nahm Yujiro die Mattheit seines ehemaligen Lehrmeisters wahr. Seine Tage schienen sich ihrem Ende zu nahen; man konnte dies am Zustand des Alten deutlich erkennen.
Der Chūnin bemerkte diese Besorgnis und räusperte sich. „Ich weiß, was Sie jetzt denken und ich muss Ihnen zugeben, dass ich glaube, dass ich diese Welt bald verlassen werde.“
„Bitte, Sawada-san, sagt mir, dass Ihr es nicht ernst meint.“
Der Chūnin warf seinem Schüler einen betrübten Blick zu. „Ich befürchte es.“
Yujiro senkte den Kopf und seufzte bekümmert. Seinen Lehrmeister zu verlieren – den Mann, der ihn schon seit seiner Kindheit trainiert hatte … es wäre ein großer Verlust für ihn.
„Kiyonori-san, ich habe Sie nicht gerufen, um über meine Gesundheit zu reden“, versuchte Sawada wieder auf das Hauptthema zurückzukommen. „Ihre Mission lautet eine Schriftrolle an meinen Vetter, der im benachbarten Dorf des Sawada-Clans lebt, zu überbringen. Er heißt Sawada Chiharu … ach ja … übrigens ist er auch ein Chūnin.“
Yujiro hob wissbegierig eine Augenbraue. Also war sein vorheriger Lehrmeister tatsächlich aus dem Sawada-Clan gewesen. Er hatte sich immer nach dem Grund gefragt, was ihn dazu gebracht hatte, sich den Momochi anzuschließen, doch er wusste, dass es unhöflich wäre, ihn darüber zu fragen.
„Ich möchte, dass keiner außer ihm von der Existenz dieser Schriftrolle erfährt. Deshalb müsst Ihr sie versteckt halten, ist das klar?“
Kiyonori nickte und verbeugte sich.
„Haltet euch bereit“, fuhr der Chūnin fort. „Morgen werde ich sie Ihnen überreichen. Treffen Sie mich, während ich die Kinder in Ninjutsu unterrichte.“
Er sah Yujiro kurz an, um sich zu vergewissern, dass er alles verstanden hatte. Der Letztere drückte seinen Diensteifer mithilfe einer Verbeugung aus.
„Ich werde alles tun, was Sie mir aufgetragen haben, Sawada-san.“
Der Chūnin nickte mit einem schwachen Lächeln und die beiden standen auf; Kiyonori, um wegzugehen, und Sawada, um ihn bis zur Tür zu begleiten. Mit gemischten Gefühlen verließ Yujiro das Haus. Traurigkeit über den Zustand seines ehemaligen Lehrmeisters, Aufregung über den Auftrag und Begeisterung über das Ungewisse, das ihn am folgenden Tag begleiten würde, beschäftigten ihn sehr. Doch das stärkste Gefühl war der Kummer.