Читать книгу Shinobi - Der Weg der Schatten - Danny Seel - Страница 13

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7. Der Samurai

Yujiro musterte seine Gegner und versuchte dabei ihre Stärken sowie Schwächen einzuschätzen. Seine Entschlossenheit wich etwas von ihm und einen kurzen Moment lang bekam er Zweifel. Obwohl er wusste, dass er keine Chance gegen sie alle hätte, schmiedete er sich trotz alledem einen Plan.

Wenn er nur noch zwei oder drei von ihnen ausschaltete, war er sich sicher, dass er die anderen mit seinen Fertigkeiten allein in die Flucht schlagen könnte. Doch das war viel leichter gesagt, als getan.

Nichts ist unmöglich, versicherte er sich selbst und steckte sein Ninjatō wieder in seinen Obi, um Verwundbarkeit vorzutäuschen.

„Gibst du auf?“

Seine Widersacher begannen, sich ihm bedrohlich zu nähern, wobei den meisten ihre Verwirrung im Gesicht geschrieben stand.

„Jetzt bist du nicht mehr so vermessen, was?“, spottete einer der Diebe.

Yujiro antwortete nicht. So reglos wie eine Statue stand er da und bewegte sich nicht. Das einzige, was überhaupt Bewegung erzeugte, waren seine Augen, die prüfend über seine Gegner huschten. Sein Instinkt ahnte eine Gefahr voraus und ließ ihn zur Seite blicken.

Kiai!“, schrie ein Bandit und rannte mit erhobener Naginata, einer schweren, Gleve-ähnelnden Schwertlanze auf den Shinobi zu. Die Waffe sauste pfeilgeschwind auf Yujiros Kopf herunter, doch der Letztere konnte sich zurückspringend noch rechtzeitig in Sicherheit bringen.

Sein Widersacher war jedoch erstaunlicherweise schnell und griff ihn wieder an. Diesmal schwang er die Naginata von seiner rechten Seite diagonal auf die Brust seines Gegners zielend. Instinktiv wich Yujiro zur Seite aus, sich seinem Widersacher nähernd. Er wusste, dass es sich mehr lohnte, der Gleve aus dem Weg zu gehen, als sich ihr zu widersetzen. Bei diesem Angriff war die Seite des Räubers einen kurzen Augenblick lang ungeschützt und der Shinobi trat dem Mann kraftvoll in die Nieren.

Vom Aufprall zuckte der Dieb zusammen und ließ die Naginata los. Yujiro nutze diesen Moment der Verwundbarkeit seines Gegners aus und versetzte ihm einen starken Faustschlag ins Gesicht. Der Bandit taumelte und fiel bewusstlos zu Boden.

Die Räuber scheinen gar nicht kampferprobt zu sein, dachte Yujiro. Ich wundere mich, wer ihnen das Kämpfen beigebracht hat … wahrscheinlich niemand.

Statt alle zusammen anzugreifen, was ihre Erfolgschancen gewaltig erhöht hätte, waren die Diebe äußerst zögerlich. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie der Anführer einigen seiner Leute zunickte.

Plötzlich warfen sich zwei von ihnen gleichzeitig auf ihn. Genau darauf hatte Yujiro gewartet. Als der Bandit, der ihn als Erster erreichte, mit seinem Yari nach ihm stach, riss der Shinobi sein Ninjatō aus dem Obi.

Blitzschnell schlug er damit den Speer seines Widersachers zur Seite und stach ihm mit ganzer Kraft in die Brust. Der Räuber hatte zwar so einen Angriff vorhergesehen, wurde jedoch von der Geschwindigkeit, mit welcher er exekutiert wurde, überrascht, sodass er nur zu spät zurückspringen konnte.

Während der stöhnende Dieb auf den feuchten Boden des Waldes stürzte, wurde Yujiro von dem zweiten Banditen attackiert. Er reagierte beinahe zu langsam und versuchte auszuweichen, wobei die Spitze des gegnerischen Yari seine Hüfte streifte.

Den brennenden Schmerz ignorierend, wich Yujiro zur Seite, um außerhalb der Reichweite des Räubers zu gelangen. Kaum hatte er dies getan, spürte er zwei weitere Angriffe von beiden Seiten.

„Kiaaaaaiiiii!“, schrien seine beiden Angreifer wie aus einem Mund und stürzten sich auf den Shinobi. Er konnte unmöglich zwei Schwerthiebe von links und rechts zugleich mit einer einzelnen Waffe blockieren.

Schlagartig stieß sich Yujiro mit ganzer Kraft vom Boden ab und sprang hoch, während ihn die gegnerischen Klingen verfehlten. Als er sich über ihnen befand, streckte er seine Beine, wie in einem Spagat, in zwei entgegengesetzte Richtungen aus und trat dabei den beiden bestürzten Dieben gleichzeitig in die Brust.

Vorläufig aus dem Weg geschafft, gingen sie zu Boden. Ohne ihm Zeit zum Verschnaufen zu geben, griffen ihn zwei weitere Banditen an. Yujiro parierte einen Stoß, musste jedoch aufgrund der Anzahl seiner Widersacher zurückweichen. Mühevoll versuchte er seine hektischen Atemzüge zu verbergen, damit seine Gegner nicht merkten, wie erschöpft er bereits war und unterdrückte jedes Mal ein Stöhnen, als er sein verletztes Bein anstrengte.

„Bald haben wir dich!“, brüllte ihr Anführer. „Wir werden dir keine Gnade erweisen!“

Plötzlich hörten sie alle ein leises Rascheln, das gleich darauf von einem Ruf gefolgt wurde: „Und wir werden euch keine Gnade erweisen!“

Erschrocken zuckten die Räuber zusammen, als zwei Gestalten mit gezogenen Schwertern wie aus dem Nichts auftauchten. Unverzüglich stürzten sich diese auf die Diebe, die wie aufgeschreckte Hühner auseinanderliefen. Ein Lächeln erschien auf Yujiros Gesicht, sobald er sah, wer es war.

„Hey, wo wollt ihr hin?“, fragte ein grinsender Suzaku.

Rintaro stand neben ihm und genoss die Bestürzung der Banditen, die er ihren Gesichtern ablesen konnte.

„Ich werde es euch noch heimzahlen, ihr Gauner!“, rief der Anführer der Räuber zurück, der vor Wut kochte.

Ein paar Sekunden später war er zusammen mit seinen Kumpanen verschwunden. Das Einzige, das dann noch die Stille brach, war das Gelächter der drei Shinobi.

„Yujiro, wieso hast du uns nicht gerufen?“, fragte Suzaku lachend. „So einen Spaß verpasse ich nur ungern.“

„Habt ihr ihre Gesichter gesehen?“, wollte Rintaro wissen, während er ein Kichern unterdrückte. Doch dann wurde er etwas ernster. „Was ist hier eigentlich passiert? Wir haben lange auf dich gewartet. Und als wir das Geschrei hörten, haben wir nach dir gesucht.“

„Na ja“, begann Yujiro. „Auch ich bin den Schreien gefolgt, um herauszufinden, was los sei. Es stellte sich heraus, dass ein Samurai von diesen Räubern angegriffen wurde. Ich wollte gerade gehen, als ich von ihnen entdeckt wurde – der Samurai! Den habe ich ganz vergessen!“

Als ob der Bushi auf ein Kommando gewartet hatte, fing er an, zu stöhnen. Die als Komusō verkleideten Männer drehten sich um und erblickten den verletzten Mann, der wieder verstummte und sich nicht mehr bewegte. Er lag blutend und verdreckt auf dem Gras mit dem Kopf neben einem Stein.

„Lasst uns schnell abhauen, bevor er zu sich kommt“, schlug Suzaku vor.

Yujiro nickte, konnte jedoch nicht rechtzeitig antworten, denn Rintaro kam vor ihm ans Wort. „Der Mann ist verwundet und braucht unsere Hilfe, die wir ihm natürlich nicht verweigern werden.“

„Aber das geht uns doch gar nicht an!“, widersprach Yujiro, doch es war schon zu spät, denn sein Gefährte näherte sich bereits dem Samurai und sprach ihn an.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte Rintaro den Verwundeten.

Doch er bekam keine Antwort.

„Lebt er überhaupt noch?“, flüsterte Suzaku.

Plötzlich öffnete der Bushi seine Augen.

„Wo … wo bin ich?“, wollte er wissen und tastete seine Stirn ab, sobald er die Kontrolle über seinen Arm zurückhatte. „Und … wer seid ihr?“

„Eure Retter“, antwortete Suzaku, bevor jemand ihn aufhalten konnte.

Der Samurai betrachtete die drei Männer misstrauisch und versuchte, sich zu erheben.

„Wartet, Ihr habt einen Pfeil im Fuß“, hielt Rintaro den Bushi vom Aufstehen ab. „Er muss zuerst entfernt werden.“

Der Verwundete warf einen verwirrten Blick auf seinen Fuß. Tatsächlich!, dachte er. Dort steckte ein Projektil. Sobald er es bemerkte, begann die Wunde ihm schrecklich wehzutun. Er schaute wieder zu seinen angeblichen Rettern auf. Zwar vertraute er ihnen noch nicht, doch er war nicht in der Lage, sich ihnen zu widersetzen.

„Wir ziehen ihn gleich heraus“, versprach ihm Rintaro, worauf Yujiro ihm sofort einen ärgerlichen Blick zuwarf. Der Erstere kniete sich untersuchend vor den Bushi, wobei sich seine Miene kurz darauf verfinsterte.

„Der Pfeil ist tief ins Fleisch eingedrungen. Haltet ihn fest.“

Suzaku und Yujiro, die begriffen hatten, dass es nichts nützte, ihrem Waffenbruder zu widersprechen, setzten sich neben den Samurai, um ihn festzuhalten.

„Ich werde den Pfeil durch Ihren Fuß stecken müssen, um ihn herauszuziehen. Wenn ich ihn sonst direkt rausziehe, werde ich ein Stück Fleisch aus Ihrem Körper mit herausreißen“, erklärte er, um nicht größeres Misstrauen des Verwundeten zu wecken. „Sind Sie bereit?“

Der Bushi nickte nervös. Trotz dieser Reaktion hatte er einen entschlossenen Blick in den Augen.

„Ich zähle bis drei, dann fange ich an.“

Rintaro brachte sich in eine bequemere Position, um seine Arbeit leichter machen zu können.

„Eins … zwei … drei!“, warnte er den Samurai und begann das Projektil durch seinen Fuß zu stoßen.

„Aaaaaahhhhh!“

Der Bushi schrie wie ein wild gewordener Bär auf und versuchte sich aus Yujiros und Suzakus Armen zu entreißen. Nur mit großer Mühe konnten sie den starken Samurai festhalten. Beinahe befreite er sich und sie mussten den Großteil ihrer Kraft anwenden, um mit der Stärke des Verwundeten mitzuhalten, die sich aufgrund seiner wahnsinnigen Schmerzen erhöht hatte.

„Wie lange brauchst du noch?“, fragte Yujiro, während er den Mann wieder zu Boden drückte.

„Haltet ihn besser fest! Ich bekomme den Pfeil sonst nicht raus!“, rief Rintaro, um die Schmerzensschreie des Verwundeten zu übertönen, als er das Projektil tiefer ins Fleisch des Bushi drückte. Jetzt brüllte dieser so laut, dass Rintaro schon glaubte, dass man ihn meilenweit hören konnte.

Plötzlich brach das Pfeilende ab.

„Nein!“, rief er aus.

Dies erschwerte seine Aufgabe um das Dreifache. Das Geschrei des Samurai war beinahe unerträglich. Mit einem weiteren verzweifelten Versuch drückte Rintaro noch fester. Auf einmal hörte er das ekelerregende Geräusch von zerreißendem Fleisch.

„Ich habe ihn herausbekommen! Er ist raus!“, schrie er aufgeregt auf. „Ich bin fast fertig!“

Hastig zog er ein Tantō aus seinem Obi. Die Schreie des Bushi ignorierend, griff er nach dem Fuß des Verwundeten. Mit einer schnellen Bewegung schnitt Rintaro die Pfeilspitze ab, die seitlich aus der Sohle ihres Opfers herausragte. Dann begann er das, was vom Projektil übrig geblieben war, durch die Eintrittswunde aus dem Fleisch zu ziehen. Die Resistenz des Verwundeten schwankte, als er kurz vor dem Verlust seines Bewusstseins stand.

„Ihr könnt ihn loslassen!“, rief Rintaro, der den Pfeil endlich vollständig herausgezogen hatte.

Seine beiden Kameraden befolgten den Befehl nur zu willig. Doch sobald sie den Samurai losließen, schlug dieser Rintaro brüllend und aus Instinkt mit unmenschlicher Kraft ins Gesicht. Rintaro taumelte rückwärts, vom Schwung des Faustschlags angetrieben.

„Meine Güte!“ Suzaku schien schockiert zu sein, als er zu seinem Waffenbruder rannte und ihm auf die Beine half. „Geht es dir gut?“

„Na ja“, antwortete Rintaro, der sich das Kinn rieb und matt grinste. „Als Dankeschön habe ich etwas anderes erwartet.“

Der Bushi beruhigte sich etwas, setzte sich auf und versuchte seinen Atem zu normalisieren.

„Entschuldigung“, flüsterte er.

Yujiro riss ein Stück seines Gewandes ab, um die Blutströmung zu stemmen.

„Dies wird ein bisschen wehtun“, murmelte er und wickelte das Stück Stoff um den Fuß herum, das er schließlich mit einem kräftigen Knoten fixierte. Der Verwundete zuckte zwar auf, gab jedoch keinen Laut von sich. Sein vor Schmerz verzogenes Gesicht drückte deutlich aus, dass er von der ganzen Anspannung erschöpft war.

Erst jetzt konnte Yujiro den Mann näher betrachten. Dieser hatte einen kurzen, dunklen Bart, welcher im Vergleich zu seinem Schnurrbart zu schütter vorkam. Aufgrund der wenigen Falten in seinem Gesicht schien er Anfang Vierzig zu sein. Doch die lange Narbe, die sich von seiner rechten Schläfe über die Wange zum Kinn zog, deutete auf einen erfahrenen Krieger hin. Yujiro bemerkte sofort, dass der Bushi entweder Glück gehabt haben musste oder sehr begabt mit dem Katana war, um den Schwerthieb, der diese Narbe hinterlassen hatte, letztendlich doch abgewehrt haben zu können. Denn wäre die Klinge etwas tiefer in sein Gesicht eingedrungen, hätte es ihm das Leben gekostet.

Schließlich fragte einer der Shinobi indirekt: „Sie scheinen auf einer langen Reise zu sein …“

„Ich muss einen kleinen Auftrag für meinen Herrn erledigen“, erwiderte der Samurai vage. Er versuchte sich zu erheben, und grunzte dabei schmerzvoll. Mit Yujiros Hilfe stand er langsam auf sein wackeliges Bein auf.

„Koyama Kenzo zu euren Diensten!“ Er nickte dankbar und hatte ein frohes, jedoch auch schmerzverzerrtes Lächeln auf den Lippen aufgesetzt. „Ich danke euch sehr, dass ihr mir das Leben gerettet habt. Wenn die Etikette mir erlaubt hätte, mich vor euch zu verbeugen, ohne Unehre auf mich zu bringen, glaubt mir, ich hätte es getan.“

„Außer uns ist ja niemand da, deshalb dürfen Sie sich doch ruhig–“, begann Suzaku, ohne nachzudenken.

Irritiert stieß ihn Rintaro in die Rippen und warf ihm einen tadelnden Blick zu. Er wollte sich für diese rasche, unbedachte Bemerkung entschuldigen, als Koyama, der es mit Ausnahme eines kurzen Stirnrunzelns einfach ignorierte, vor ihm ans Wort kam.

„Dürfte ich die Namen meiner Retter wissen?“

Yujiro drehte sich um und schaute seine Gefährten unsicher an. Doch Rintaro schüttelte den Kopf.

„Ich befürchte nicht“, beantwortete Yujiro die Frage, als er sich erneut an Kenzo wandte und dessen beeindruckende Narbe musterte. „Es tut mir leid, aber wir möchten anonym bleiben.“

Der Verwundete nickte, sichtlich enttäuscht. „Könntet ihr mir dann bitte wenigstens sagen, wer ihr seid? Kriegsmönche schon mal nicht, da ihr die Kleidung der Komusō trägt, die sich in Kriege nicht einmischen. Was für Leute seid ihr?“

Mit einem etwas schiefen Lächeln gab ihm Yujiro wieder einmal nicht die gewünschte Antwort. „Ich bitte um Verzeihung, doch das dürfen wir auch nicht preisgeben.“

Kenzo gab auf, sich weiter nach ihrer Identität zu erkundigen und stellte stattdessen eine andere Frage: „Wie kann ich mich bei euch bedanken?“

„Erzählen Sie einfach bitte niemandem von diesem Vorfall, dafür wären wir Ihnen dankbar“, antwortete Rintaro, bevor Suzaku etwas vorschlagen konnte.

„Aber irgendwie muss ich mich doch bei euch für eure Hilfe revanchieren können“, widersprach Kenzo.

„Nein, danke, jemandem das Leben zu retten, ist uns schon Belohnung genug.“

Rintaro ließ Suzaku nicht zu Wort kommen, da er wusste, dass ihm bestimmt etwas Überflüssiges einfallen würde.

Der Samurai seufzte. „Dann hoffe ich, dass sich unsere Wege noch kreuzen werden, damit ich die Chance bekomme, meine Schuld zu begleichen.“

Die drei Männer verbeugten sich zum Abschied. „Möge Ihre Reise eine ruhige sein.“

Bevor der Bushi etwas erwidern konnte, verschwanden seine Retter genauso schnell, wie sie erschienen waren.

Shinobi - Der Weg der Schatten

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