Читать книгу Shinobi - Der Weg der Schatten - Danny Seel - Страница 8
Оглавление2. Dreizehn Jahre später
Japan, Nagahama, August 1578
Hunderte von Menschen hatten sich auf dem Marktplatz versammelt. Auf den Straßen von Nagahama befanden sich viele Marktstände, wo alles Erdenkliche zum Verkauf stand: von Pfirsichen, Aprikosen und Bohnenquark bis zu den diversesten und farbenfreudigsten Kleidern. Die Okonomiyaki, gebratene Pfannkuchen, die mit verschiedenen Zutaten gefüllt waren, wie zum Beispiel Fleisch, Fisch, Käse oder Gemüse, erregten besonders viel Aufmerksamkeit bei ein paar Jungen, die zu erraten versuchten, was diese enthielten und jedes Mal in Gelächter ausbrachen, wenn im Pfannkuchen etwas drin war, was derjenige, der ihn abbiss, nicht mochte.
Inmitten des ganzen Geschehens versuchte ein Bauer, der einen blauen Kimono, ein traditionelles, japanisches Gewand, trug, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen. Seine feingeschnittenen Gesichtszüge deuteten eine Männlichkeit an, die vor nicht allzu langer Zeit eingetreten war. Seine Haut war leicht gebräunt, anscheinend eine Folge der Feldarbeit.
Er schaffte es nach einigen Minuten die Straße zu verlassen und auf eine noch überfülltere als die Letztere zu gelangen. Die dumpfen Schläge von Reisschälmaschinen waren sogar von weitem zu hören, während Händler, die ihre Waren anpriesen, den Lärm zu übertönen versuchten.
Der junge Mann ignorierte all dies und ging direkt auf einen anderen Bauern zu, der mindestens zehn Jahre älter wirkte und durchtrainiert aussah. Die Glätte der Gesichtshaut des Letzteren wies auf eine frische Rasur hin. Sein umherschweifender Blick verlieh ihm den Anschein der Vorsicht, sodass man wegen seines imposanten Gesamteindrucks nicht verleugnen konnte, dass er eher gutaussehend war.
„Suzaku, muss ich noch lange auf dich warten?“, fragte dieser und hob unzufrieden die Augenbrauen.
Suzaku zuckte einfach nur mit den Achseln. „Entschuldige, ich wurde kurz aufgehalten.“
Der Mann schüttelte einfach ungläubig den Kopf, bevor er sich von neuem am Ende einer Warteschlange anstellte. Diese wartete vor einem großen Gebäude auf dem in schöner Schrift „Gamo – Reis besserer Qualität findet ihr in ganz Nagahama nicht“ geschrieben stand. So viele Menschen wollten ihren Reis bei Gamo kaufen, dass die zwei Bauern lange in der Schlange anstehen mussten.
„Yujiro“, wandte sich Suzaku an seinen Begleiter. „Ich finde, wir sollten auch einen kleinen Sack Reis kaufen. Du weißt schon … um keinen Verdacht zu erregen.“
Er sagte die letzten Worte im Flüsterton, sodass ihn keiner außer seines Gefährten hören konnte.
„Das habe ich auch vorgehabt“, antwortete Yujiro mit einem leichten, listigen Lächeln.
Sie warteten eine ganze Weile lang, bis auch sie schließlich an die Reihe kamen und betraten dann ein luxuriös aussehendes Haus. Volle Fässer, die mit vielen verschiedenen Sorten von Reis gefüllt waren, standen zu beiden Seiten des Eingangs. Ein kaufmännischer Angestellter näherte sich ihnen und verbeugte sich.
„Guten Tag, wie kann ich ihnen helfen?“
Die Bauern erwiderten die Verbeugung, bevor sie eine Antwort gaben.
„Wir sind wegen zweier Angelegenheiten gekommen“, begann Yujiro. „Wir möchten gerne einen Sack Reis kaufen und würden vorzugsweise noch Gamo-san sprechen.“
„Verzeiht mir, doch das ist leider nicht möglich“, antwortete der Angestellte ein wenig verlegen. „Gamo-san empfängt niemanden.“
„Aber dies ist äußerst dringend“, widersprach Suzaku.
„Versteht dies bitte nicht falsch, aber Gamo-san hat keine Zeit, um einfache Bauern zu empfangen. Vielleicht könntet ihr mir über euer Anliegen berichten und ich würde es ihm später mitteilen?“
„Ich bitte um Verzeihung, aber wäre es vielleicht möglich, dieses eine Mal eine Ausnahme zu machen?“
Die zwei Bauern blieben hartnäckig. Der Angestellte öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als er hinter sich Schritte vernahm. Er warf einen Blick über die Schulter, bevor er sich erleichtert wieder an seine Kunden wandte.
„Entschuldigt mich bitte für eine Sekunde.“
Ein übergewichtiger Mann, der aus einer anderen Tür im Zimmer gekommen war und zweifellos der Besitzer des Ladens war, ging direkt auf den Ausgang zu, als er von seinem Angestellten aufgehalten wurde. Ein paar Sekunden lang redeten sie leise miteinander, bevor Gamo aufseufzte und auf seine Kunden zusteuerte.
„Guten Tag. Ich bin zurzeit leider äußerst beschäftigt, deshalb wenn Ihr mich sprechen wollt, würde ich euch raten, es kurz zu fassen.“
Während er redete, setzte er ein höfliches Lächeln auf, doch es war offensichtlich, dass es bloß gezwungen war.
„Guten Tag, Gamo-san“, erwiderte Yujiro, nachdem weitere Verbeugungen des Grußes ausgetauscht worden waren. „Wir wollten uns nur darüber erkundigen, wie Sie solch einen guten Reis herstellen. Es ist außergewöhnlich, dass die meisten in Nagahama ihren Reis bei Ihnen kaufen, statt bei den anderen Händlern.“
„Ich hab’ ja auch die besten Reisschälmaschinen in ganz Nagahama“, prahlte er stolz. „Außerdem bekomme ich sie von einem zuverlässigen Freund von mir.“
„Ach, wirklich? Dann muss er doch etwas Besonderes mit dem Reis machen, sonst würde er sicherlich nicht so wohlschmeckend sein.“
Der Kaufmann bemerkte nicht, wie Yujiro ihn an der Nase führte und ihn so in ein angenehmes Gespräch zu verwickeln versuchte, um Gamo seine Geheimnisse preisgeben zu lassen.
„Ach was“, winkte dieser ab. „Es ist ein ganz normaler Reis, den ich aber nicht aus dieser Gegend bekomme. Die Reisfelder meines Lieferanten befinden sich nicht einmal hier in Omi, sondern auf der anderen Seite des Biwa-Sees!“
„Und in welcher Provinz wären die Reisfelder zu finden?“, fragte Suzaku unbedacht.
Yujiro hätte sich beinahe auf die Stirn geschlagen, als er die Voreiligkeit seines Begleiters hörte. Suzaku hatte alles vermasselt. Jetzt würde der Händler ihnen garantiert nichts mehr verraten.
Wie kann man bloß so naiv sein?, fragte er sich, Suzaku einen vorwurfsvollen Seitenblick zuwerfend.
Gamo blinzelte den Bauer einen Moment lang unverwandt an, bevor er seine Augenbrauen vor schockierter Erkenntnis hob.
„Entschuldigt, aber keine Fragen mehr! Ich habe jetzt auch sowieso keine Zeit – vielleicht sehen wir uns noch später. Auf Wiedersehen!“
Der Kaufmann ging wieder auf den Ausgang zu, als er plötzlich stehen blieb. „Oh! Ich hab’ meinen Geldbeutel vergessen!“
Er drehte sich um und eilte zurück durch die Tür, durch die er erst vor kurzem eingetreten war.
„Da habt ihr aber Glück gehabt“, flüsterte der Angestellte, sobald sein Arbeitgeber weg war. „Gamo-san weigert sich meistens mit seinen Kunden zu reden … natürlich, außer wenn es Samurai sind. Mit denen hat er ja keine andere Wahl.“
Die Bauern begriffen sofort, was der Angestellte damit meinte. Die Bushi, auch Samurai genannt, die dem Weg des Kriegers folgten, waren die Führungsklasse in ganz Japan und durften Kaufleute sowie Bauern hinrichten, ohne hierfür ein überzeugendes Motiv zu haben. Selbst die Nichtbeantwortung einer Frage wäre hierfür Grund genug.
Der Angestellte, der inzwischen einen kleinen Sack mit Reis gefühlt hatte, überreichte ihn seinen Kunden und nannte den Preis.
„Vielen Dank für euren Einkauf“, bedankte er sich und nahm das Geld entgegen.
„Schönen Tag noch“, antwortete Suzaku und ging zusammen mit Yujiro aus dem Laden heraus.