Читать книгу Shinobi - Der Weg der Schatten - Danny Seel - Страница 15
Оглавление9. Der Jōnin
Etwas nervös betraten Suzaku, Rintaro und Yujiro den großen Empfangsraum, dessen Boden mit Tatami bedeckt war. Aufrecht saß der Jōnin auf einer Estrade am anderen Ende des Zimmers, während ein paar ältere Männer, darunter auch Kojima, seitlich hinter ihm knieten. Flüchtig nahm Yujiro das Gemälde eines Kirschbaums wahr, das an der Wand hinter dem erhöhten Boden hing und welches er zuvor noch nie gesehen hatte.
Es muss neu sein, dachte er, als er und seine zwei Begleiter sich vor Momochi verbeugten und sich respektvoll auf dem Boden hinknieten. Dabei berührten sie die Strohmatten mit der Stirn, bevor sie sich aufrecht setzten, immer noch im Knien verharrend. Dann blieben sie still und warteten auf die Erlaubnis zu sprechen. Die alten Männer hinter Tanba beendeten ihren Wortwechsel und setzten unbewegte Mienen auf, als sie ihre Aufmerksamkeit schweigend den Hereingekommenen zuwandten.
„Kiyonori-san“, vernahmen sie eine maßgebende Stimme. „Erstattet Euren Bericht.“
Yujiro, dessen Nachname Kiyonori war, hob den Blick und richtete ihn auf den Jōnin. Momochi war zwar vermutlich gerade in seinen Sechzigern, dennoch machte sein Körper einen aktiven und energischen Eindruck. Er hatte sich in förmlicher Weise gekleidet, wobei seine grauweißen Haare ihm ein sehr kompetentes, wenn nicht weises, Aussehen verliehen.
„Ich muss Ihnen mit Bedauern berichten, dass wir unseren Auftrag … nicht vollständig haben ausführen können“, erklärte Yujiro. Nervös schluckte er und wartete auf eine Antwort.
„Wie bitte?“ Verärgert hob Tanba die Augenbrauen. „Erklärt mir das bitte ausführlicher.“
„Nach einem Monat des Lauschens, der Spionage und Befragung, bekamen wir … äh … Schwierigkeiten und mussten fliehen, als wir von Dōshin entdeckt wurden. Aber–“
„Heißt das, dass ich demnächst neue Agenten wieder schicken muss, um mir die benötigten Informationen zu verschaffen?“ Die Irritation des Jōnin war unüberhörbar. „Alles, was ihr zu tun hattet, war mir Auskunft über den Waffenhandel, den Lieferanten des größten Nahrungshändlers Nagahamas sowie die Rekrutierung von Kriegern zu verschaffen. Das würde uns den Handelsverkehr zwischen anderen Clans offenlegen und wir könnten somit leichter erkennen, wie sie zueinander stehen.“
Momochi machte eine kleine Pause und strich sich nachdenklich über den Bart.
„Mein Herr, wie ich schon sagte, wir sind nicht ergebnislos zurückgekehrt.“
Hoffnungsvoll sah ihn Tanba an. „Sprecht weiter.“
Froh darüber, dass er vielleicht den Jōnin noch besänftigen könnte, fuhr Kiyonori fort: „Wir haben uns Informationen über den Handel von Feuerwaffen und die Anheuerung von Kriegern verschaffen können.“
Interessiert hörte ihm Momochi zu, als dieser ihm berichtete, was er in Erfahrung gebracht hatte.
„Ist das alles?“, fragte Tanba.
Der Gesichtsausdruck des älteren Mannes war unvorhersehbar. Unsicher zögerte Yujiro einen Moment und senkte den Blick.
„Ja, Momochi-sama.“
Nervös biss er sich auf die Lippen. Das Einzige, was er tun konnte, war zu hoffen, dass diese Informationen ausreichend wären. Ansonsten würde er sich mit einer schlechteren Stelle befriedigt geben müssen. Eine Stelle, die – wie der Jōnin einst gesagt hatte – sich nicht einmal in Iga befand.
Kojima, der rechts hinter Momochi saß, beugte sich leicht vor und flüsterte dem Letzteren, der ihm aufmerksam zuhörte, etwas zu. Tanba nickte zustimmend. Er dachte einen kurzen Augenblick lang nach. Es war eines dieser Momente, in denen Yujiro sich wünschte die Gedanken seines Clan-Anführers lesen zu können. Der Jōnin verengte grübelnd die Augen und wandte sich schließlich an die drei Männer vor ihm.
„Vielen Dank für eure Mühe. Ihr seid entlassen.“
Kiyonori unterdrückte ein Seufzen der Erleichterung und versuchte seine Freude zu verbergen. Wortlos erhoben sich die drei und verbeugten sich noch einmal, doch Momochi hatte sich bereits umgedreht und ein Gespräch mit Saeki angefangen. Erleichtert verließen die drei das Anwesen und blieben still davor stehen.
„Das ist gerade mal gut gelaufen“, meinte Suzaku optimistisch.
Yujiro nickte zustimmend. „Das kannst du laut sagen! Doch jetzt ist es Zeit zum Abschied.“
„Wieso? Was hast du denn jetzt vor?“, erkundigte sich Rintaro, während Suzaku sich die gleiche Frage stellte.
Kiyonori lächelte müde. „Schlafen natürlich. Grüß deine Frau und Tochter von mir.“
Rintaro nickte. „Das werde ich. Bis später.“
Seine beiden Waffenbrüder schmunzelten belustigt zurück und verabschiedeten sich. Yujiro machte sich auf den Weg nach Hause. Im Dorf herrschte kaum Betrieb, denn beinahe alle waren mit der Ernte beschäftigt.
Gedankenverloren schritt er auf sein Haus zu, ohne seine Umgebung richtig wahrzunehmen. Er wollte gerade die Tür aufschieben, als er einen Ausruf der Freude hinter sich vernahm.
„Onkel Yujiro!“, rief ein erfreutes Mädchen und blieb vor ihm stehen.
Ihr offenes, schwarzes Haar fiel ihr über ihren hellen Kimono, der wegen der Hausarbeit, die sie verrichtet hatte, eine Spur von Dreck aufwies. Hinter ihr kam ein kleiner Junge barfuß angelaufen, dessen verschwitzter Körper seine unerschöpfliche Energie preisgab und der die Begeisterung des Mädchens widerspiegelte.
„Hey, beruhigt euch“, lächelte Kiyonori die Kinder an. „Ich war doch nicht so lange weg.“
„Doch!“, widersprach ihm der Sechsjährige, dessen Gesichtszüge eine starke Ähnlichkeit mit denen seiner Begleiterin hatten. „Es ist ja schon ein ganzer Monat vergangen.“
„Was macht ihr hier eigentlich?“, fragte Yujiro. „Ich dachte, ihr solltet bei der Ernte helfen.“
„Tun wir auch!“, antwortete der Junge energisch. „Wir haben jetzt aber eine kleine Pause.“
Er kratzte sich nachdenklich am Nacken, ohne seinen Onkel aus den Augen zu lassen.
„Erzählen Sie uns doch, welchen Auftrag Sie dieses Mal hatten“, bat das Mädchen, das ungefähr elf Jahre alt zu sein schien.
„Ja! Habt ihr gegen Wachen gekämpft? Hat man euch verfolgt? Seid ihr in eine Festung eingedrungen?“, wollte der Junge aufgeregt wissen.
„Taiki-kun, nicht so viele Fragen auf einmal!“, schmunzelte Kiyonori. „Wenn ihr es erfahren wollt, dann kommt heute Abend zu Izuya. Er hat mir übrigens gesagt, dass ihr auch Neuigkeiten habt.“
Taiki schien äußerst aufgeregt zu sein und konnte kaum still stehen. „Ja, raten Sie mal was–“
„Taiki!“, unterbrach ihn seine Schwester. „Unser Onkel ist sehr müde, siehst du das denn nicht?“
Sie musterte Yujiro mit einem Seitenblick. „Du kannst ihm das alles später erzählen.“
Kiyonori unterdrückte ein Gähnen. „Da muss ich dir Recht geben, Akemi-chan. Ich muss nun wirklich schlafen gehen, ich war nämlich die ganze Nacht unterwegs.“
„Gut, dann bis später“, rief Taiki seinem Onkel mit einer flüchtigen Verbeugung zu und rannte den anderen Kindern hinterher, die sich vorgenommen hatten, irgendwo anders zu spielen.
„Ja, dann bis heute Abend“, verabschiedete sich das Mädchen und wandte sich, um wegzugehen.
„Warte, Akemi-chan“, hielt Yujiro sie zurück.
Sie blieb stehen und drehte sich um.
„Bring deine Eltern mit, hörst du?“
„Ja, das werde ich“, rief Akemi und ging hüpfend weiter.
Yujiro stand noch einen Augenblick da und schaute den beiden Geschwistern hinterher.
Genauso wie Sayuri in ihrer Kindheit, dachte er, als er beobachte, wie Akemi aus seinem Blickfeld verschwand. Dann betrat er sein Haus und spürte auf einmal ganz deutlich seine Müdigkeit. Er ging in sein Zimmer, holte einen Futon aus einer Kiste hervor und legte es auf den Boden.
Endlich, der lang-ersehnte Schlaf, freute er sich und ließ sich erschöpft auf die Matratze fallen.