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Bio-Piraterie und die Kolonisierung der Zukunft

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Unsere Reise zu den versteckten Gefahren in unseren Lebensmitteln beginnt in einem kleinen indischen Dorf, noch bevor die erste Saat zu keimen versucht.

Zum Leidwesen der Umweltaktivistin Vandana Shiva verfolgen große multinationale Konzerne, allen voran »Monsanto«, hier nämlich schon seit geraumer Zeit eine Strategie, um letztlich alle Bauern der Welt ihrer Freiheit zu berauben und die Nahrungsmittelproduktion, von der Aussaat bis zur Ernte, vollständig zu kontrollieren. Manche Forscher vermuten sogar, dass genetisch veränderte Pflanzen auch unsere Gene verändern — nicht im positiven Sinne versteht sich.

Aber wie läuft die Patentierung von Samen, Pflanzen und Genmaterial eigentlich ab? Und wieso ist sie überhaupt erlaubt?

Nehmen wir an, ein Abgesandter eines Agrarmultis reist nach Indien, weil er von einer Heilpflanze oder einer besonders ertragreichen Getreidesorte gehört hat, die dort seit Jahrtausenden von der einheimischen Bevölkerung traditionell kultiviert wird. Erweisen sich seine Informationen als richtig, nimmt er die Samen mit ins Labor eines großen Chemiekonzerns, lässt sie dort genetisch verändern, meldet ein Patent auf sie an, vertreibt sie als Produkt seines Unternehmens und verbietet den ursprünglichen indischen Nutzern, die die Samen nie als persönliches Eigentum verwendet haben, sie auszusäen ohne dafür zu bezahlen. Denn die Erhebung eines Patents gibt den Agrarmultis Eigentumsrechte an Pflanzen, Tieren und dem Leben selbst. "Selbst der menschliche Körper ist mittlerweile zu einem begehrten Sezierobjekt patentgieriger Wissenschaftler und Konzerne geworden", echauffiert sich Richard Rickelmann in seinem Buch »Tödliche Ernte — wie uns das Agrar- und Lebensmittelkartell vergiftet«. "Vergleichbar dem Goldrausch in Kalifornien erleben wir seit Jahren eine Hatz auf Patentierung aller Formen des Lebens. Diese werden zum Eigentum jener erklärt, die beim »Run auf Patente« die Nase vorn haben, wie inhaltlich absurd die Besitzansprüche auch sein mögen. Ob menschliches Sperma, Eizellen oder die Gene von Spitzensportlern, ob griechischer Bergtee oder wilder Brokkoli: Alles, was wächst und atmet, zählt zu den lohnenden Objekten der Geschäftemacher. Und das Europäische Patentamt (EPA) in München nickt nahezu alle Arten von Anträgen ab — verantwortungslos und ohne Rücksicht auf die teilweise gravierenden Folgen."

Dieser Raub läuft deswegen so reibungslos ab, weil die Großindustriellen Absprachen mit Patentämtern, wie EPA und Co treffen und das Diebesgut als eigene »Erfindung« deklarieren, obwohl es in den meisten Fällen nur minimal genetisch verändert wurde. So werden aus traditionellen Heilpflanzen Medikamente, aus freiem Saatgut GV-Hybride und aus echter Natur künstliche Fabrikate. Besonders in den sogenannten »GATT-Verträgen« sehen Bauern aus aller Welt eine existenzielle Bedrohung für den Erhalt der biologischen und kulturellen Vielfalt, genauso wie für die Ernährungssicherheit ihres Landes. Vor allem der Artikel 27 des GATT-Vertragsentwurfs, der die »Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights«, kurz »TRIPS«, beinhaltet, gefährdet das Überleben natürlicher Landwirtschaft in aller Welt.

Wieso? Was sagt dieser Paragraf denn aus?

"Er behandelt die handelsbezogenen Rechte am intellektuellen Eigentum und stellt den Versuch westlicher Industrieländer und Konzerne dar, sich das tausendjährige Wissen indischer und anderer Bauern über Pflanzen und Tiere anzueignen, gentechnisch zu manipulieren, zu patentieren und zu monopolisieren", erklärt uns Vandana Shiva. Ein industrielles Verbrechen an unmündigen Völkern in aller Welt also, das sie als »Biopiraterie« und »Kolonisierung des Lebens, durch Gentechnik in Kombination mit GATT und TRIPS« bezeichnet.3

Auf der Grundlage dieses verbrecherischen Abkommens zwischen Industrie und Politik hat Monsanto 75 Angestellte ins Rennen geschickt, die sich der Ausforschung und juristischen Verfolgung von Bauern widmen.4 Wer Saatgut zurückhält wird wegen Patentrechtsverletzungen angeklagt und wer nicht zahlen kann, muss sein letztes Hemd hergeben oder sterben.

Aber nicht nur Dritte-Welt-Bauern, auch immer mehr Klein- und Hobbygärtnern wird heutzutage der Prozess gemacht, weil sie eigenes, traditionelles Saatgut verwenden. Das Online-Nachrichtenportal, »deutsche-wirtschafts-nachrichten.de« titelt am 25.04.13: »EU will Anbau von Obst und Gemüse in Gärten regulieren« und berichtet über das neue Vorhaben der EU folgendes: "Die Europäische Kommission will den Landwirten und Gärtnern in Zukunft die Verwendung von Einheits-Saatgut vorschreiben. Alte und seltene Sorten haben kaum Chancen auf eine Zulassung, ihr Anbau wird strafbar — auch wenn er im privaten Garten erfolgt. (…). Bisher waren alte und seltene Saatgut-Sorten ausgenommen, die in althergebrachter Tauschwirtschaft gezüchtet und in meist kleinen Mengen gehandelt wurden. Geht es nach den Plänen der Kommission, dürfen Kleinbauern oder Privatleute ihr selbst gezüchtetes Saatgut in Zukunft nicht einmal mehr verschenken." Eine logische Konsequenz davon ist also, dass viele konventionelle Gemüse- und Getreidesorten aus dem Anbau verschwinden werden!

Und: "Beim Tausch nicht zugelassener Saatgut-Sorten drohen hohe Strafen. Profiteure der Normierung sind allein die Lebensmittel-Konzerne, die schon jetzt den Großteil des Saatgut-Marktes unter sich aufteilen," kritisieren österreichische Umweltorganisationen.

Seit Jahren macht die Lobby der Agrarindustrie in Brüssel Stimmung für einen weiteren Schritt in Richtung Saatgut-Kartell. Ganze 200.000 Lobbyisten sind in Brüssel für die Interessen ihrer Unternehmen unterwegs, belehrt uns der Journalist Frank-Markus Barwasser besser bekannt als Kabarettist Erwin Pelzig. Ihr Ziel sei die Kontrolle der gesamten Lebensmittelproduktion durch einige wenige Großkonzerne. Schon heute werden kleinere Konkurrenten mittels Anzeigen von Monsanto und Co dazu gezwungen, ausschließlich GEN-Saatgut zu kaufen.

Der ahnungslose Konsument habe kaum mehr eine Wahlfreiheit, geschweige denn eine Übersicht darüber, was nun wirklich auf seinem Teller landet, weil Warnhinweise auf den Verpackungen nicht verpflichtend und Kennzeichnungen von Terminatorsaatgut freiwillig sind, heißt es in einem offenen Brief von mehr als einem dutzend europäischer Umweltschutzorganisationen an Kommission und EU-Parlament. Weniger Vielfalt heißt natürlich auch weniger Farben, Nährstoffkomponenten und Geschmäcker, und schlussendlich weniger Lebensmittelqualität. Findet keine komplette Neuausrichtung dieses laufenden Reformprozesses statt, droht eine rasante und lückenlose Zerstörung der Biodiversität, der Sortenvielfalt und insbesondere von Arten, die an lokale Bedingungen angepasst sind, weil selbst Privatleute ihre Obst- und Gemüseprodukte nicht mehr verbreiten dürfen, wenn sie nicht den EU-Normen entsprechen.

Aber dass können wir uns von den EU-Politikern doch nicht gefallen lassen. Und wer hat denen überhaupt erlaubt solche tiefgreifenden Entscheidungen zu treffen!

Gute Frage. Eins ist klar: "Es ist bezeichnend für die mangelnde demokratische Legitimation der EU, dass solche grundlegenden Entscheidungen durchgezogen werden, ohne dass die Bürger davon etwas mitbekommen." beklagt sich sie österreichische Umweltorganisation. Und nimmt vorweg "Ist die Verordnung einmal beschlossen, sind die Lebensmittel-Konzerne im Recht und die Bürger in der Defensive und werden größte Schwierigkeiten haben, die gesetzlichen Regelungen wieder rückgängig zu machen.5

Das ist ja skandalös was das Agrarkartell da anstellt und versucht, mithilfe seiner Lobbyisten durchzubringen.

Durchgebracht hat: »Am 1. Mai (2013) hat die EU den Tausch von Saatgut untersagt«, lesen wir in Brigitte Warenskis Artikel mit der Überschrift »EU verbietet Hobbygärtnern Saat-Tausch« "Nun fürchtet man auch um den Fortbestand der alten Regionalsorten. Seit Jahrtausenden haben Bauern aber auch Saatgut aus ihrer Ernte aufbewahrt, verbessert, getauscht und wieder ausgebracht und Hobbygärtner haben Pflanzensamen über den Gartenzaun weitergereicht", erinnert sie uns an unsere traditionelle Landwirtschaft.

Geht es nach der Novelle der EU-Erhaltungssortenrichtlinie, die mit dem 1. Mai in Kraft getreten ist, sind für den Tausch von Saatgut — das im Sortenregister eingetragen ist nun hohe Verwaltungsstrafen vorgesehen. Aber "Der Tausch bzw. die freie Weitergabe von alten Sorten darf für Private einfach nicht eingeschränkt werden", sagt Bernd Kajtna, Geschäftsführer und Stellvertreter von Arche Noah.

Jedoch sieht die Realität mal wieder anders aus. Denn Saatgut ist längst zum Milliardengeschäft geworden, wie neueste Zahlen zeigen. So kontrollieren die zehn führenden Saatgut- und Agrochemiekonzerne — wie Bayer und Monsanto — inzwischen 70 Prozent des weltweiten Marktes und lassen Sorten — oft auch in Bausch und Bogen — registrieren. "Besonders mit den Hochzuchtsorten, mit Heilpflanzen und Pflanzen für die Gewinnung von Biosprit lässt sich ungeheures Geld machen", so Kajtna. Doch auch die Jagd auf exklusive Rechte von attraktiven Erhaltungssorten hat bereits begonnen. Sie können in einem beschleunigten und vereinfachten Zulassungsverfahren angemeldet werden und auch damit ist die Saat künftig für den Tausch tabu. "Uns geht so wertvolles Kulturgut verloren. Statt dass wir autark bleiben, werden wir total abhängig von großen Konzernen. Dazu kommt, dass auch die Auflagen für die Registrierung und damit für den Verkauf von Saatgut so groß geworden sind, dass das Kleinbauern und Hobbygärtner nicht mehr bewältigen oder sich sogar finanziell nicht mehr leisten können", kritisiert Andreas Kreutner, Gründer von »Urkorn Tirol«. Die Gefahr, dass verstärkt große Konzerne bestimmen, welches Saatgut zu welchen Bedingungen erhältlich ist, bestehe aber schon, wie sich am Paradebeispiel Baumwolle zeige. Und daher könne man sich auch in Tirol "nicht einfach zurücklehnen und zuschauen, was die Konzerne machen", sagt Partl.6

Aber dieses Verbrechen kann doch vor keinem Gericht der Welt durchkommen, oder?

Doch. Justitia hält nämlich eine Waage in der Hand. Und wer am meisten Geld auf seine Seite drauflegt, der gewinnt den Prozess meistens auch.

Die Weltgesundheitsformel 2

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