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DIE THEOLOGISCHE PHASE
ОглавлениеIn der Tat gab Swedenborg das wissenschaftliche Arbeiten auf. Seine Schriften befassten sich von da an ausschließlich mit zwei Themen: dem tieferen Verständnis der Bibel und seinen eigenen spirituellen Erfahrungen. Beide Themen sind in der großen Mehrheit seiner übrigen Schriften vertreten. Er begann unmittelbar mit ausgedehnten Studien der Bibel und erstellte im Laufe von drei Jahren einen umfassenden ‚Bibel-Index’. Nebenbei führte er über 20 Jahre lang ein ‚spirituelles Tagebuch’, eine getreue Aufzeichnung seiner Erfahrungen mit der anderen Welt. Diese sollten eine große Auswirkung auf sein Leben und die Interpretation der Bibel haben. Sowohl der Index zur Bibel als auch das spirituelle Tagebuch bildeten die Grundlage für seine folgenden Werke und die sich darin entwickelnde Theologie. Manche Historiker sind in diesem Zusammenhang der Meinung, dass an diesem Punkt der Mann des religiösen Glaubens und der Empiriker begannen, Hand in Hand zu arbeiten.90
Würde man Swedenborgs Leben in drei Phasen einteilen, dann bezeichnete dies die dritte Phase. Die erste Phase umfasst seine Ausbildung zum und seine Arbeit als Ingenieur, in der zweiten Phase war er der Verwalter, Staatsmann, Philosoph und Wissenschaftler (insbesondere Anatom); die letzte Phase bestünde schließlich aus den letzten 27 Jahren seines Lebens, in denen er sich der Wahrheitssuche mithilfe des Bibelstudiums widmete. Um zu neuen Einsichten zu gelangen, nutzte er dabei die Meditation zu geistigen Themen und die Bestätigung durch spirituelle Erfahrungen. Und er teilte diese in Gestalt eines theologischen Schriftstellers mit. Obgleich er sich 1747 nach 31 Jahren Pflichterfüllung aus dem Bergwerksdirektorium zurückzog, erfüllte er interessanterweise weiterhin pflichtgemäß seine politische Rolle in der Adelskammer, war sozial aktiv und während seines ganzen Lebens für jedermann erreichbar.91
Im Juli 1745 kehrte Swedenborg nach Stockholm zurück, erwarb ein Grundstück jenseits des Flusses und bezog dort bald darauf ein Haus, das er selbst instand gesetzt hatte. Er legte einen Kräutergarten an, errichtete ein Sommerhaus mit Bibliothek, installierte eine Hausorgel, die er gerne spielte, und ließ sich also in einem bequemen Haus nieder. Mit Ausnahme seiner Auslandsaufenthalte sollte er hier den Rest seines Lebens verbringen.92
Swedenborgs spirituelle Erfahrungen und sein Verständnis der Bibel waren eng miteinander verwoben, und er betrieb beides engagiert. Er folgte beiden als Pfaden zu größerem Verständnis und größerer Weisheit. Seine spirituellen Erfahrungen häuften sich; oft ereigneten sie sich, während er zu Hause über bestimmte Themen still meditierte, aber auch in der Öffentlichkeit, sogar während er in öffentlichen Ämtern diente. Sie distanzierten ihn offensichtlich nicht von seinen persönlichen und öffentlichen Pflichten. Über viele Jahre hinweg hielt er sie geheim und veröffentlichte seine theologischen Schriften 20 Jahre lang sogar anonym. Dabei empfand er tief, dass die Einsicht, die er aufgrund seiner Erfahrungen erlangt hatte, ihn zu einer genuinen Konzeption der Realität führte, denn sein neues Verständnis und seine neue Weltsicht begriffen sowohl spirituelle als auch natürliche Erfahrung als vollständig kompatibel und als integrales Ganzes.93
Swedenborg studierte die Bibel intensiv und verfertigte mehrere vorbereitende Studien, bevor er sein erstes großes theologisches Werk, die Arcana Coelestia26* in den Jahren 1749 – 1756 veröffentlichte. Es handelt sich um ein umfangreiches achtbändiges Werk, mit 5.800 Seiten und 10.000 sorgfältig nummerierten Abschnitten, in denen die Bücher Genesis und Exodus Kapitel für Kapitel, Vers für Vers, Wort und Wort dargelegt und kommentiert werden. Dabei wird der den Buchstaben der behandelten Bücher innewohnende spirituelle Sinn enthüllt. Swedenborg behauptete zu Beginn, dass die Bibel im Literalsinn27* formulierte, verborgene Bedeutungen enthalte, deren sich die christliche Welt nicht bewusst sei. Er führte weiter aus, dass er vom Herrn durch spirituelle Einsicht angeleitet und instruiert sei, diese inneren, tieferen Bedeutungen, die in den Buchstaben enthalten seien, mitzuteilen. In seinen gesamten theologischen Schriften stellte Swedenborg fest, dass ihm seine Einsichten vom Herrn und nicht von Engeln oder Geistern gewährt worden seien. Obgleich er spirituelle Erfahrungen mit solchen Wesenheiten machte, lehrten sie ihm nichts Neues. Eher bestätigten sie Einsichten, die ihm schon gewährt worden waren.94
Zwischen den Kapiteln fügte Swedenborg zahlreiche Essays über Lehrthemen und über Erfahrungen der anderen Welt ein. Dabei maß er dem Lehrmaterial die gleiche Bedeutung zu wie der biblischen Darlegung. Später überarbeitete er vieles von diesem Material, das er zwischen die Kapitel eingefügt hatte, und veröffentlichte es 1758 in vier kleineren Werken.95
Der Charakter von Swedenborgs theologischen Schriften ist deutlich von demjenigen seiner früheren wissenschaftlichen Werke unterschieden. Seine wissenschaftlichen, insbesondere seine anatomischen Werke zitieren Informationen zeitgenössischer Autoritäten, woraufhin seine eigenen Schlussfolgerungen zu dem präsentierten Material folgen. Seine theologischen Werke hingegen sind von ganz anderem Ton. Sie sind mehr im Stil einer Autorität formuliert, die sich aus eigenständiger spiritueller Erfahrung und biblischer Exegese begründet – ohne jeden Bezug auf weitere Autoritäten. Auch dabei ging Swedenborg die Themen zwar noch in einer umfassenden und analytischen Weise an, die auf Erfahrung beruhte, doch nun handelte es sich um seine eigenen Erfahrungen und nicht um die von anderen. In seinen theologischen Werken ist deutlich ein gesteigertes Selbstvertrauen und entsprechende Gewissheit zu bemerken.
Swedenborg veröffentlichte die Arcana Coelestia anonym 1749 – 1756 in London. Obgleich es in Schweden tatsächlich keine Druckerei gab, derartige Werke zu verlegen, so ist es doch auch wahrscheinlich, dass einige schwedische Autoritäten manchen der theologischen Ideen in seinem Werk widersprochen hätten; dies insbesondere, da es einige Konzepte enthielt, die sich radikal von jener der lutherischen Kirche, der schwedischen Staatsreligion, unterschieden. So publizierte Swedenborg in den folgenden 20 Jahren seine theologischen Werke anonym und änderte dieses Vorgehen erst viele Jahre später. Zudem schien es in London leichter, anonym zu veröffentlichen, als in Amsterdam, wo er gut bekannt war.96
Die Arcana Coelestia enthielten u. a. den gesamten Verlauf der Verherrlichung Gottes (Swedenborgs Ausdruck für den Vorgang der Menschwerdung Gottes bzw. den Vorgang, wodurch dieser Mensch zum Auferstandenen und zum göttlichen Menschen wurde), die Geschichte der Religion und der geistigen Zustände der Menschheit, dazu das geistige Wachsen jedes Individuums – er bezeichnete dies als ‚Regeneration’ – sowie ausführliche Beschreibungen des Lebens nach dem Tod.97
Nachdem er das Buch Exodus in Arcana Coelestia abgehandelt hatte, änderte sich die Richtung seines Schreibens. Die fast 6.000 Seiten dieses Werks enthalten zahlreiche Querverweise zur übrigen Bibel und eine breite Palette an Themen. Swedenborg bearbeitete einige dieser Themen in weniger umfangreichen Büchern, die er rasch verfasste und 1758 veröffentlichte. Obgleich sie sich zwar stark auf die Arcana Coelestia beziehen, stellt doch jedes einzelne von ihnen eine eigenständige Arbeit zu einem allgemeinen Thema dar. Das populärste davon wurde De coelo et ejus mirabilibus.28* In diesem Buch beschrieb Swedenborg die Nahtoderfahrung und das Leben nach dem Tod ausführlich. Es handelt sich um ein exemplarisches Werk dafür, wie er Theologie und Beispiele seiner Erfahrungen mit der anderen Welt kombinierte, und es zählt bis heute zu seinen bekanntesten Werken.98
Während der 15 Jahre, die nach seiner spirituellen Erfahrung 1744 vergingen, verbrachte Swedenborg ein Leben komfortabler Anonymität. Er war sozial aktiv, empfing regelmäßig Besucher und genoss die Gesellschaft zahlreicher Gäste. Doch keiner in seinem Umkreis wusste darum, dass er spirituelle Erfahrungen hatte und der Autor eines Werkes wie der Arcana Coelestia war.99
Swedenborg verließ im Sommer 1758 sein Zuhause und brach zu einer siebten Auslandsreise nach England auf, um die fünf genannten Bücher zu veröffentlichen. Im Juli 1759, während seiner Rückkehr, geschah dann etwas, was in ganz Schweden und großen Teilen Europas Interesse auf sich ziehen sollte.
Swedenborg war im Westen Schwedens in Göteborg gelandet, einem Ort, der etwa 400 km von seinem Wohnort Stockholm entfernt liegt. Am Samstag, den 19. Juli, nahm er um 16 Uhr mit 15 anderen Gästen ein Abendessen im Anwesen des prominenten Bürgers William Castel ein. Um 18 Uhr verließ Swedenborg die Gesellschaft eine Zeit lang und kehrte blass und aufgeregt zurück. Als man ihn fragte, was los sei, antwortete er, dass im Süden Stockholms ein Feuer ausgebrochen sei und sich schnell auf sein Haus zu bewege. Er sagte, dass das Haus eines Freundes schon ganz abgebrannt und sein eigenes bedroht sei. Er ging mehrere Male hinaus in den Garten und kehrte jeweils mit weiteren Details über das Feuer zurück. Einige der Gäste kamen aus Stockholm und alle waren sehr besorgt. Gegen 20 Uhr atmete Swedenborg erleichtert auf und erzählte den Gästen, dass das Feuer gelöscht sei – es habe nur drei Häuser von seinem entfernt aufgehört.100
Die Nachricht über diese Geschichte verbreitete sich rasch. Swedenborg wurde am nächsten Morgen zum Haus des Provinzgouverneurs bestellt, wo er detailliert berichtete, wann das Feuer begonnen, wie es sich verbreitet habe und wie es gelöscht worden sei. Am folgenden Tag, einem Montag, kam ein Bote vom Handelsdirektorium, der während des Feuers fortgeschickt worden war. Am Dienstag kam ein zweiter Bote mit einem zweiten Bericht, wie das Feuer gelöscht worden und wie groß der Schaden sei. Diese Berichte stimmten genau mit Swedenborgs Beschreibungen überein. Damals waren Swedenborgs theologische Werke noch anonym und sein Anspruch, mit der Welt der Geister zu interagieren, war in Schweden noch unbekannt.101
Es gab einige weitere bemerkenswerte Ereignisse, die öffentliches Interesse an Swedenborg unabhängig von seinen veröffentlichten Büchern hervorriefen. Eine Geschichte handelt von einer Witwe, der er dabei half, einen verlorenen Beleg aufzufinden, der bewies, dass ihr verstorbener Gatte vor seinem Tod einige Rechnungen bezahlt hatte. Das bekannteste Ereignis jedoch betrifft Königin Ulrika von Schweden selbst.102
Im Oktober 1761 besuchte Swedenborg Graf Ulric Scheffer auf Bitten der Königin. Er teilte Swedenborg mit, dass die Königin von seiner Hellsichtigkeit gehört und ihren Hof gefragt habe, ob dies zutreffe oder ob er wahnsinnig sei. Der Graf antwortete ihr, dass der Mann empfänglich und gesund sei. Daraufhin sandte sie ihn zu Swedenborg, um ihn zu bitten, bei Hofe zu erscheinen. Swedenborg stimmte zu und begleitete Scheffer an den Königshof.103
Als sie dort ankamen, wurden Swedenborg und Graf Scheffer von der Königin und vom König empfangen. Königin Ulrika fragte Swedenborg, ob es wahr sei, dass er mit den Geistern der Verschiedenen umgehen könne. Er antwortete: „Ja, mit einigen.” Sie bat ihn, ihren Bruder August Wilhelm von Preußen zu kontaktieren, der vor drei Jahren verstorben war. Swedenborg stimmte zu und der König und die Königin nahmen ihn beiseite und sie gab ihm seinen Lohn.104
Zu dieser Zeit war bekannt geworden, dass Swedenborg jene theologischen Werke geschrieben hatte. Dies erregte Interesse in den gelehrten Kreisen Schwedens. Nachdem er seinen Lohn empfangen hatte, speiste Swedenborg am königlichen Tisch, wo ihm viele Menschen mit Fragen zusetzten, insbesondere über seine spirituellen Erfahrungen. Er bat auch die Königin, ihr Exemplare seiner theologischen Bücher schenken zu dürfen.105
Drei Tage später kehrte Swedenborg zum Hof zurück und ersuchte um eine Audienz bei der Königin. Er wurde zur Königin geführt und bat darum, mit ihr alleine zu sein. Sie antwortete, was er auch zu sagen habe, könne vor allen gesagt werden. Swedenborg antwortete, dass diese Botschaft ausschließlich für ihre Ohren bestimmt sei. Sie stimmte zu und sie gingen in einen anderen Bereich, obgleich sie noch von einem Eingang aus von einigen Mitgliedern des Hofes, darunter Graf Scheffer, beobachtet wurden: Sie wurde blass, als sie die Botschaft hörte, und trat zurück, als ob sie ohnmächtig würde und sagte: „Das kann nur mein Bruder gesagt haben!” Swedenborg hielt die Botschaft geheim und erzählte auch den Adeligen nichts, die bei ihm in den nächsten Wochen nachfragten und den Inhalt jener Botschaft erfahren wollten, die eine derartige Wirkung auf die Königin entfalten konnte. Dieser Sachverhalt wurde sorgfältig durch den früheren Premierminister Carl Gustof Tessin dokumentiert, der sich vier Jahre zuvor von diesem Posten zurückgezogen hatte. Dieses Ereignis und die Berichte über das Stockholmer Feuer sowie den verlorenen Beleg wurden später von Immanuel Kant untersucht und verifiziert. Kant schilderte dies auch 1763 in einem Brief an Charlotte von Knobloch.106
In den frühen 1760ern war Swedenborg sehr mit theologischen Arbeiten beschäftigt. Obgleich er seine Bibelexegese fortsetzte, konzentrierte er sich stärker auf thematische und systematische theologische Studien, die jedoch stets seine spirituellen Erfahrungen mit einschlossen. Er schrieb auf der Bibel beruhende Arbeiten insbesondere über das Buch der Offenbarung des Johannes, ebenso aber thematische Schriften wie Die göttliche Liebe und Weisheit oder Die göttliche Vorhersehung. In beiden Werken arbeitete er die einzigartige Rolle der Menschheit in der Antwort auf Gottes Liebe weiter aus. Demnach bestehe der Zweck der Schöpfung darin, einen Himmel für den Menschen zu bieten. Hierin betrachtete Swedenborg die Menschheit als durch Seele, Mentales und Körper charakterisiert. Ebenso legte er Wert auf die Bedeutung des geistigen Wachsens, welches auf freiem Willen während der gesamten Lebenszeit beruhe. Er bezeichnete dieses geistige Wachsen auch als ‚Regeneration’. Swedenborg hatte bereits den Ort unserer Erde im Universum und das Verhältnis zwischen unserer natürlichen Existenz und der zugleich existierenden geistigen Wirklichkeit beschrieben. Interessanterweise blieb er trotz der Konzentration auf höchst unterschiedliche Themen in den Arcana Coelestia inhaltlich konsistent.107
Während dieser Zeit verbreitete sich auch das Wissen darum, wer diese Bücher schrieb und Swedenborg wurde mit seinen theologischen Schriften weithin bekannt. Die Rezensionen schwankten zwischen begeisterter Unterstützung und Erklärungen, er müsse verrückt sein. Swedenborg ignorierte die Rezensionen und betrieb seine Mission unbeirrt weiter, den inneren Sinn des Wortes zu offenbaren und zu veröffentlichten.108
Ebenfalls interessant ist, dass Swedenborg während dieser Jahre gesellschaftlich sehr engagiert blieb. Wie bereits erwähnt hatte er viele Besucher in seinem Haus und seinen Gärten. Er wurde oft von Freunden und Bekannten zum Essen eingeladen – sowohl in Stockholm als auch auf Reisen. Er mochte insbesondere die Interaktion mit intelligenten Männern und Frauen. Es finden sich viele Beschreibungen von ihm, die alle darin übereinstimmen, dass er sogar im fortgeschrittenen Alter rüstig, geschmeidig und energiegeladen, mit einem Blitzen in seinen blauen Augen aufgetreten sei. Gewöhnlich ordentlich bekleidet mit einem schwarzen, weiß gefütterten Samtanzug, trug er stets ein Schwert mit silbernem Griff und einen Gehstock bei sich. Er wurde oft als sanft sprechend und intellektuell beschrieben, doch sehr bemüht darin, seine Ideen zu entwickeln und mitzuteilen . Er war freundlich zu Kindern und brachte Süßigkeiten für die Kinder der Familien mit, die er besuchte. Er war sehr unabhängig und führte ein schlichtes Leben ohne viel Unterstützung, obgleich er einen Gärtner und eine Haushälterin beschäftigte. Er hatte Umgang mit allen Ebenen der Gesellschaft, mit Leichtigkeit gegenüber Grafen und Königen wie gegenüber einfachen Menschen und Handelsleuten. In einer Quelle wird er als
„[…] stets mit sich und seinen Lebensumständen zufrieden […]” beschrieben. „Er verbrachte ein Leben, das in jeder Hinsicht glücklich war, nein, glücklich im allerhöchsten Grad.”
Sogar die Kritiker seiner Anschauungen, sofern sie ihn trafen, sprachen vorteilhaft von seiner Person.109
Obgleich die große Mehrheit von Swedenborgs späteren Schriften theologischen Charakters war, schrieb er doch gelegentlich auch über säkulare Themen und zeigte so seine fortgesetzte Anteilnahme an den Angelegenheiten seines Landes. Tatsächlich verfasste er beispielsweise noch im Jahr 1771 einen 50-seitigen Essay über Fragen der schwedischen Währung und der Finanzen für die Adelskammer.110
Gegen Ende der 1760 er wandte sich Swedenborgs Aufmerksamkeit dem Thema des spirituellen Aspekts der Ehe zu und er schrieb ein Buch über Liebe in der Ehe. Es ging ihm dabei um die wahrhafte, ‚conjugale’ Liebe in der Ehe, die er von der physischen Liebe abzugrenzen suchte. Diese wahrhafte Liebe zwischen Ehemann und Ehefrau (die seines Erachtens zu seiner Zeit nicht üblich war) setze sich nach dem Tod im nächsten Leben in die Ewigkeit fort. Swedenborg lehrte, dass dies für jedermann erreichbar sei, wenn nicht in diesem Leben, sodann im nächsten. Er veröffentlichte das Buch 1768 in Amsterdam im Alter von 80 Jahren. Es handelte sich um das erste theologische Buch, das er unter seinem richtigen Namen veröffentlichte. Auf dessen Rückseite veröffentlichte Swedenborg außerdem eine Liste seiner früheren theologischen Bücher. Diese formelle Enthüllung sollte zu Hause in Schweden zu Ärger führen.111
Swedenborg publizierte zeit seines Lebens zahlreiche theologische Bücher. Er hatte Schüler und interessierte Leser innerhalb wie außerhalb Schwedens. Oft sandte er Exemplare seiner neu veröffentlichten Bücher an Bischöfe, Kirchenführer und Universitäten in ganz Europa. Mit der Zeit nahm auch das lutherische Establishment Schwedens Notiz von Swedenborg. Die Jahre 1768/1769 verbrachte er überwiegend in Europa, wo er an seinem nächsten großen Werk Die wahre christliche Religion arbeitete und außerdem die Liebe in der Ehe veröffentlichte.112
Obgleich nun nicht mehr anonym, waren seine Werke doch in Latein geschrieben und daher größtenteils nur in gebildeten, Lateinisch sprechenden Kreisen bekannt. Gleichwohl hatten zwei von Swedenborgs schwedischen Unterstützern, Dr. Gabriel Andersson Beyer und Dr. Johan Rosen, beide aus Göteborg, Bücher in schwedischer Sprache geschrieben, um seine Ansichten zu verbreiten. Swedenborgs Ideen wurden dadurch öffentlich rascher bekannt, insbesondere in Schweden.113
Im Anschluss an seine zehnte Europareise kam Swedenborg 1769 nach Stockholm zurück und musste feststellen, dass Dr. Beyer und Dr. Rosen der Häresie beschuldigt wurden, weil sie öffentlich seine Theologie förderten. Swedenborgs Schriften umfassten Kritik sowohl an der protestantischen wie an der katholischen Theologie, darunter zu Lehrfragen wie der Natur Gottes, der Erlösung und zu wesentlichen Fragen des Glaubens bei anderen Individuen. Der Angriff gegen Swedenborgs theologische Schriften und Anschauungen wurde vom lutherischen Bischof Erik Lamberg und von Dekan Olof Ekebom geführt, die an das Göteborger Konsistorium appellierten, Swedenborgs Werke als häretisch und Beyer und Rosen als Häretiker zu verdammen. Die Angreifer gingen sehr weit in ihren Forderungen. Swedenborg machte seinen beiden Unterstützern ruhige Versicherungen, dass alles gut werden würde.114
Mit zunehmender Hitzigkeit der Angelegenheit wurde deutlich, dass Bischof Lamberg und das Göteborger Konsistorium Dr. Beyer und Dr. Rosen zensieren, sie aus ihren Arbeitsstellen entfernen und alle Exemplare von Swedenborgs theologischen Schriften in Schweden konfiszieren lassen wollten. Es sah so aus, als sollten die beiden zu Märtyrern werden. Sogar Swedenborg fühlte sich durch die öffentlichen Schikanen und den Aufruhr bedroht, den der Bischof anfachte. Er schrieb eine Petition direkt an König Adolf Friedrich und erbat den Schutz seiner Majestät für sich sowie für Beyer und Rosen. In dieser Petition erinnerte Swedenborg daran, dass er immer offen und vollkommen ehrlich in Bezug auf seine Anschauungen gewesen sei sowie gemeinsam mit dem König und der Königin gespeist und mit ihnen seine theologischen Anschauungen detailliert erörtert habe. Swedenborg schrieb ebenso an die Universitäten von Uppsala, Lund und Abo. Der König beurteilte seinen Fall günstig. Im Dezember 1771 ordnete der Königliche Rat an, dass Swedenborg und seine Unterstützer gnädig und ohne Verwerfung behandelt werden sollten. Sie urteilten sogar: „Es gibt vieles, was in Swedenborgs Schriften gut und nützlich ist.” Der Fall wurde schließlich fallen gelassen und Dr. Beyer sowie Dr. Rosen konnten ihre Positionen behalten. Swedenborgs Ansichten verbreiteten sich daraufhin besonders im Umland Göteborgs, v.a. in Västergötland.115
Swedenborg schloss sein Werk Die wahre christliche Religion ab, das er teilweise als Antwort auf seine orthodoxen lutherischen Kritiker schrieb. In diesem Buch sprach er insbesondere Themen der lutherischen Theologie an und forderte ein Neudenken der orthodoxen Glaubensüberzeugungen, was diesen nicht notwendig widersprechen müsse, doch ein radikales Wahrnehmen von neuen Bedeutungen in vertrauten Worten erfordere.116
Im Juli 1770 bereitete sich der 82-jährige Swedenborg auf seine elfte und letzte Auslandsreise vor, wobei ihm offensichtlich klar war, dass es seine letzte sein würde. Er schrieb sorgfältig Abschiedsbriefe an seine Freunde, hinterließ seinem Agenten eine Liste seiner gesamten Besitztümer, stattete seinen Kollegen vom Bergwerksdirektorium einen letzten Besuch ab und richtete Pensionsfonds für seine Haushälterin und seinen Gärtner ein. Es gibt einen Bericht von seinem Besuch bei einem treuen Freund und Nachbarn, Carl Robsahm. Robsahm fragte, ob sie sich jemals wiedersehen würden. Swedenborg antwortete, dass er nicht wisse, ob er zurückkehren werde. Aber er wisse (der Herr habe es ihm versprochen), dass er nicht sterben werde, bevor er ein Exemplar von Die wahre christliche Religion vom Verleger in seinen Händen halten würde. Er versicherte Robsahm, dass sie sich in der nächsten Welt wiedersehen würden, wenn es in dieser nicht mehr sein sollte. Robsahm notierte, dass Swedenborg fröhlich und beschwingt gewesen sei, als er ging – als ob er auf dem Höhepunkt seines Lebens stehe.117
Swedenborg reiste zunächst nach Amsterdam und blieb dort acht Monate, während er Die wahre christliche Religion veröffentlichte. Dann ging er weiter nach London und wohnte bei seinem Freund Richard Shearsmith. Er setzte seine Schriftstellerei fort und arbeitete an einem Index für Die wahre christliche Religion. Kurz vor Weihnachten 1771 erlitt er einen Schlaganfall. Innerhalb eines Monats war er in der Lage, seine Schriftstellerei wieder aufzunehmen, obgleich sein Sprechen noch betroffen war. Es wurde ihm und den Freunden um ihn klar, dass Swedenborg sich dem Ende seines Lebens näherte. Tatsächlich teilte er Elizabeth Reynolds, der Magd Shearsmiths (sie wurde später dessen Ehefrau) mit, dass er am 29. März um fünf Uhr in die geistige Welt eintreten werde. Sie notierte, dass ihm diese Idee ganz angenehm erschiene, „[…] als ob er Urlaub machen würde.”118
Reynolds beschrieb, wie sie am Sonntag, 29. März 1772, am Bett Swedenborgs saß, als er die Glocke schlagen hörte und fragte, wie viel Uhr es sei. Als sie ihm sagte, es sei fünf Uhr, sagte er, das sei gut. Er dankte ihr, segnete sie und nach zehn Minuten verstarb er friedlich, nachdem er einen sanften Seufzer hatte hören lassen.119
Swedenborg Begräbnis fand in der schwedischen Kirche in London am Sonntag, 5. April 1772, statt. Der Gottesdienst war gut besucht, er füllte die kleine Kirche. In Schweden hielt der Konsistorialrat der Minen eine Lobrede in der Adelskammer. Emanuel Swedenborg hatte diese Welt verlassen, um gewiss selbst herauszufinden, was nach diesem irdischen Leben folgt.120