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7. MESMERISMUS UND MAGNETISCHES HEILEN IN NORDAMERIKA
ОглавлениеNordamerika unterlag in der Mitte des 19. Jahrhunderts in vieler Hinsicht enormen Veränderungen. Von den 1830ern bis in die Zeit nach dem Bürgerkrieg vollzogen sich große kulturelle Umwälzungen, die durch Urbanisierung, rasche Industrialisierung und autonome intellektuelle Bestrebungen ausgelöst wurden. Die strenge religiöse Weltsicht der puritanischen Vorväter dominierte nicht länger über eine sich zunehmend säkularisierende Gesellschaft. Viele Nordamerikaner empfanden sich als orientierungslos dahintreibend, ohne Sinn innerhalb eines sich schnell verändernden Lebens. Die Medizin befand sich in schrecklicher Unordnung und verfügte über keine zusammenhängende Theorie; ihre Eingriffe führten oft zu mehr Unglück, als dass sie Hilfe erbrachten. Die Probleme, vor denen die Nordamerikaner des 19. Jahrhunderts standen, wurden weder von der Medizin noch von den zeitgenössisch dominierenden religiösen Lehren angesprochen. Es war eine Zeit, in der neue Ideen zur Erläuterung neuer Weltsichten gesucht wurden. Die Zeit war reif, um eine neue Psychologie auszuprobieren.
Der Mesmerismus erfüllte diese Bedürfnisse. Er bot eben diese neue Psychologie und darüber hinaus eine neue Form des Heilens in einer Zeit, da die Öffentlichkeit nach genau solchen Angeboten dürstete. Obgleich der Mesmerismus keine Religion war, wandelte er entlang der Grenze zwischen Religion und Wissenschaft, spielte verschiedene Rollen und befriedigte zugleich verschiedene Bedürfnisse. Er ebnete außerdem den Weg für eine kommende, noch größere Bewegung, zu deren Teil er dann wurde – für den Spiritismus. Dies geschah – wie später noch ausführlicher erläutert – auf verschiedene Arten und Weisen. Der Mesmerismus trug nicht nur direkt zum Spiritismus bei (in Form einer Mischung aus Mesmerismus und Swedenborgianismus), sondern er diente auch dazu, den Swedenborgianismus zu popularisieren. Der Historiker Whitney R. Cross notierte die Chronologie des öffentlichen Interesses wie folgt: „Mesmerismus führte zum Swedenborgianismus – und der Swedenborgianismus zum Spiritismus.”199
Der Begründer des Mesmerismus war Franz Anton Mesmer. Mesmer erhielt 1766 seinen medizinischen Doktortitel von der Universität Wien. Anfänglich war er in Analogie zu Newtons Theorie der Schwerkraft am Transfer der Energie himmlischer Körper an die menschliche Form interessiert. Dabei argumentierte er zugunsten einer universalen Kraft, die auch der planetarischen Schwerkraft zugrunde liege. Er bezeichnete sie als ‚animalische Schwerkraft’. Mit der Zeit wandelten sich allerdings seine Anschauungen und er begann, einen harmonischen Energietransfer von einem Körper zum anderen zu erkennen, wobei das Mentale diesen Transfer antreiben sollte.200
Mesmer wendete seine neuen Theorien in neuen Heilungsverfahren an, die er entwickelte. Sie umfassten Eisenspäne und Magnete. Zunächst ließ er einen Patienten eine Eisenlösung trinken und wendete dann Magnete an ihm an, um ihn zu therapieren.
Später ließ er die Magnete fort und setzte die Patienten in speziell eingerichtete Räume. Dabei saßen die Patienten um Bottiche herum, die Eisenspäne und ‚mesmerisiertes’ Wasser enthielten. Sie waren alle verbunden, indem sich ihre Hände mit Zeigefinger und Daumen berührten, um die vitale Energie fließen zu lassen. Mesmer hatte ein starkes Selbstbewusstsein. Er trat in violetten Roben auf, spielte sanfte Musik und übermittelte mit seinen Händen, seinem ‚kaiserlichen Auge’ und einem mesmerisierten Stab fluidale Energie an seine Patienten. Diese Erfahrung löste bei seinen Patienten häufig eine Heilungskrisis aus.201
Mesmer führte seine Leistungen nicht ausschließlich auf die direkte Magnetkraft zurück, sondern auch auf die unsichtbare fluidale Energie des animalischen Magnetismus. Er glaubte, dass er ein ätherisches Medium entdeckt habe, welches alle Energie – Licht, Wärme, Magnetismus, Elektrizität – von einem Objekt zu anderen übermittle. Er erklärte, dass diese kosmische Essenz selbst im gesunden menschlichen Körper verteilt werde. Mesmer war der Überzeugung, dass Krankheit das Ergebnis eines gestörten Gleichgewichts im animalischen Magnetismus sei, was zu einer anormalen Funktion der einzelnen Organe führe und somit Krankheit erzeuge. Er lehnte Medikamente ab und stellte deutlich fest, dass es eine Ursache für Krankheit gebe: die fehlende Balance des animalischen Magnetismus. Und es gebe auch eine Heilung: die erneute Balancierung dieser fluidalen Energie mithilfe seiner Technik. Er erklärte, dass die Balancierung der fluidalen Energie des animalischen Magnetismus sämtliche Erkrankungen der Nerven unmittelbar heile und indirekt auch alle anderen Krankheiten. Mesmer lehrte, dass ein Praktiker mit geeigneter Konzentration und Willenskraft Heilungsenergien sammeln, speichern und sie anschließend von sich zum Patienten übermitteln könne. Er wies die medizinische Theorie seiner Zeit zurück und proklamierte: „Es gibt nur eine Krankheit und nur eine Heilung.” 202
Mesmer wurde 1777 ob dieses unorthodoxen Heilungsansatzes vom medizinischen und politischen Establishment gezwungen, Wien zu verlassen. Doch das hemmte ihn nicht. Der elegante und flamboyante Mesmer zog weiter nach Paris, wo er schnell eine große Zahl an Aristokraten anzog. Er etablierte eine Gesellschaft der Harmonie mit seinen wohlhabendsten Patienten, die sich ihr zu einem hohen Preis anschlossen. Die Mitglieder mussten einen Loyalitätseid auf Mesmer und die Gesellschaft leisten. Erst dann wurden sie mit Mesmers Methode in ihrer Komplexität vertraut gemacht. Nachdem ihre Einführung abgeschlossen war, durften sie allein praktizieren.203
Obgleich Mesmer eine bedeutende Anhängerschaft und öffentlichen Erfolg hatte, wurde er vom medizinischen Establishment kritisiert und kam niemals zu professioneller Anerkennung. 1784 wurde eine königliche Kommission der französischen medizinischen Gesellschaft eingesetzt, um die Behauptungen seiner Heilmethode zu evaluieren. Sie entschlossen sich dazu, ihr Urteil auf die Beweiskraft jenes unterstellten animalischen Magnetismus zu gründen. Dazu beobachteten sie Behandlungen, die von einem der angesehensten Schüler Mesmers durchgeführt wurden und stellten Messungen mit unterschiedlichsten Geräten an. Da sie keine objektiven Messergebnisse zu der proklamierten Kraft feststellen konnten, lehnten sie Mesmers Ergebnisse ab. Allerdings berücksichtigten sie dabei die behaupteten Heilungen von Patienten nicht.204
Mesmers Reputation sank bald, nachdem das medizinische Establishment ihn abgelehnt hatte. Offensichtlich egozentrisch, launisch und äußerst arrogant, gelang es ihm, jedermann um sich herum zu verletzen. So zog er sich schon bald aus Paris in ein kleines Landhaus zurück, wo er bis zu seinem Tod 1815 in Abgeschiedenheit lebte.
Mesmers Praxis und seine Ideen verschwanden jedoch nicht mit seinem Rückzug und seinem Tod. Sein bekanntester Student Armand Marie Jacques de Chastenet, Marquis de Puységur trug die Fackel des animalischen Magnetismus weiter – freilich in eine neue Richtung. Puységur versetzte die Personen beim ‚Mesmeriseren’ in einem ungewöhnlichen schlafähnlichen Bewusstseinszustand. Er entdeckte, dass die Patienten in diesem Trancezustand oft ‚klarer’ wirkten und dazu fähig seien, Einsichten in ihre medizinischen Probleme und die anderer zu äußern. Ein paar gerieten in einen tieferen Trancezustand ‚außerordentlicher Luzidität’ und vollbrachten dabei Leistungen wie Telepathie, Hellsichtigkeit und Präkognition. Puységur schloss daraus, dass der animalische Magnetismus nicht auf eine fluidale Kraft zurückgehe, die von Körper zu Körper übertragen werde; vielmehr liege ihm eine Aktion des ‚Verstandes’ aufgrund des ‚vitalen Prinzips’ des Körpers zugrunde. Es handele sich dabei also nicht um eine Zurückweisung des fluidalen Konzepts, sondern vielmehr um dessen Reformation. Puységur wendete die öffentliche Aufmerksamkeit von den physikalischen Flüssigkeiten ab; dafür lenkte er das Interesse auf das besondere Verhältnis zwischen Magnetiseur und Magnetisiertem innerhalb eines sonambulischen Trancezustandes. Der Mesmerismus transformierte dadurch und wurde erneut sehr populär.205
Puységurs Arbeit stimulierte das Interesse in Europa und bald wurde der somnambulische Zustand von vielen neugierigen Personen erzeugt und studiert. Wenigstens neun Zeitschriften zum Thema erschienen zwischen 1835 und 1850 in Europa. Mit der Zeit entwickelte sich die Arbeit und vermischte sich mit dem neuen Gebiet der dynamischen Psychiatrie zur Hypnose. Gleichwohl wurden die europäischen Mesmeristen nicht von der Mainstream-Wissenschaft und der Medizin ihrer Zeit akzeptiert. Obgleich Puységur und die Mesmeristen den Schwerpunkt des Mesmerismus auf die Beziehung zwischen Patient und Mesmerist sowie auf die wichtige Rolle von Patienteneigenschaften wie Suggestionsfähigkeit, Wille und Erwartungen verlegten, verzichteten die Mesmeristen niemals vollständig auf die Hypothese einer unsichtbaren Substanz, welche das menschliche Bewusstsein mit einer höheren psychischen Realitätsebene verbinde.206
Der amerikanische Mesmerismus nahm 1836 durch einen Besuch von Charles Poyen seinen Anfang. Poyen war ein französischer Anhänger Puységurs. Er bezeichnete sich selbst als Professor des animalischen Magnetismus und unternahm 1836 eine Vortragsreise durch Neuengland. Poyen war überrascht, dass die Zuhörer kaum etwas über Mesmerismus wussten und das Thema eher geringschätzig behandelten. Diese Einstellung änderte sich rasch, als er damit begann, den magnetischen Bewusstseinszustand zunächst an einem professionellen Somnambulen und dann an Freiwilligen aus dem Publikum zu demonstrieren. Das Publikum war plötzlich wie elektrisiert. Viele Menschen kamen nach vorne und sahen, wie ihre Freunde und Bekannten vor ihren Augen in den magnetisch erzeugten Schlaf fielen und danach wieder normal wurden. Die magnetisch behandelten Freiwilligen erschienen als der physischen Welt entzogen. Sie reagierten nicht auf lautes Händeklatschen, Nadelstiche und nicht einmal auf Gläser voll Ammoniak, die unter ihren Nasen vorbeigeführt wurden. Poyens Art von Vortrags-Unterhaltung traf den Nerv des Publikums seiner Zeit und seine Vortragsreihe trug erfolgreich zur Ausbreitung des populären Mesmerismus bei.207
Poyen verwendete seine Technik auch im medizinischen Kontext. Viele der Freiwilligen auf seiner Vortragsreise durch Neuengland kamen zu ihm in der Hoffnung, eine Heilung spezifischer medizinischer Probleme zu erlangen. Er behandelte sie während ihrer Hypnose, indem er mit seinen Händen ‚Vorbeigänge’ an den betroffenen Teilen vollzog, um einen gesunden Fluss des animalischen Magnetismus zu erreichen und auf diese Weise die mangelnde Balance bei seinen Patienten wiederherzustellen, damit die Krankheit beseitigt würde. Viele dieser Menschen erwachten aus ihrem Trancezustand und behaupteten deutliche Verbesserung ihrer Zustände, von Rheumatismus und Rückenproblemen bis hin zu Nervosität und Leberleiden, zu verspüren.208
Poyen zufolge erfuhren etwa zehn Prozent der Magnetisierten einen tieferen Zustand ‚höchsten Grades’. Dieser Zustand war durch eine stärkere Beziehung zwischen dem Magnetiseur und dem Magnetisierten charakterisiert, der als eine höhere Rezeptivität für den animalischen Magnetismus empfunden wurde. Personen in diesem Zustand behaupteten, sie könnten telepathisch unausgesprochene Gedanken wahrnehmen. Sie erfuhren oft physische Sinnesempfindungen des animalischen Magnetismus, wie ein Stechen, das ihren Körper herauf und herunter liefe, oder sie sahen blendende helle Lichter oder führten Leistungen von ‚außerordentlicher Luzidität’ aus, wie sie Puységur bereits vor Jahren beschrieben hatte.209
Die Botschaft von Poyens Heilungen mithilfe des Magnetismus verbreitete sich durch Neuengland. Zeitungen in vielen Staaten druckten Artikel über seine Erfolge und er wurde in den verschiedensten Teilen der Gesellschaft bekannt. Während der Mesmerismus in Europa eine Angelegenheit der aristokratischen Elite gewesen war und auf sie beschränkt blieb, wurde er in Nordamerika auch in der Mittel- und Oberschicht bekannt und populär. Poyen hatte einen aktivistischen und evangelikalen Hintergrund. Nun nutzte er seine Überredungskünste, um die öffentliche Akzeptanz des Mesmerismus als Teil eines wissenschaftlichen Zugangs zur Beförderung der Humanität zu verstärken. Er prophezeite, wenn die amerikanische Gesellschaft den Magnetismus akzeptiere, dann könne Nordamerika ‚die vollkommenste Nation auf Erden’ werden. Er behauptete außerdem, dass der Mesmerismus auf wissenschaftlicher Beobachtung beruhe und auf einer Grundlage jahrelanger erfolgreicher Praxis stehe. Der Gedanke des Mesmerismus als einer Technik zur Verjüngung und Verbesserung des Menschen verband sich auf diese Weise mit dem amerikanischen Konzept einer offenbaren Bestimmung der Nation und fungierte wie ein Appell an viele Menschen dieser Zeit.210
1839 kehrte Poyen nach Frankreich zurück. Seine ‚Hauptmänner’ verbreiteten den populären Magnetismus auf dem Lande, indem sie seine Methoden demonstrierten und förderten. Als die Vortragenden damit auch in Klein- und schließlich Großstädte kamen, begegneten sie oft reisenden Phrenologen. Und obgleich beide Bewegungen unterschiedlichen Ursprungs waren, übernahmen viele Phrenologen den Mesmerismus.211
1839 kam ein ärztlicher Vortragsreisender aus England nach Nordamerika, Robert H. Collyer. Er war ein Student des Phrenologen Spurzheim gewesen und hatte zudem Interesse am Mesmerismus entwickelt. Mit einer Reihe von Vorträgen wollte er über die Fähigkeiten der Phrenologie berichten. Gleichwohl war er bei seiner Ankunft in Nordamerika bestürzt über das kulturelle Chaos und den Mangel an wirksamer medizinischer Praxis. Er betrachtete den Mesmerismus als natürliche Erweiterung einer nützlichen Phrenologie und sprach diese Verbindung auch an. Als sein Enthusiasmus und die Anwendungsbereiche des Mesmerismus zunahmen, änderte er seine Vorträge jedoch und wurde nun ein sehr bekannter und viel umherreisender Förderer des Mesmerismus. Collyer ist damit ein gutes Beispiel dafür, wie Vortragende zum Thema Magnetismus schnell den Vorteil des bereits etablierten Netzwerks nutzten, in welchem der Mesmerismus die Phrenologie in den Hintergrund drängte.212
1842 ‚entdeckten’ mehrere Phrenologen zur gleichen Zeit den ‚Phrenomagnetismus’ und Collyer galt als einer seiner bekannteren Entdecker. 1842 publizierte er The Mesmeric Magazine und noch im selben Jahr begannen er und andere damit, bestimmte Bereiche des menschlichen Kopfes zu stimulieren, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Für eine gewisse Zeit wurden die Begriffe ‚Mesmerismus’ und ‚Phrenologie’ nahezu synonym gebraucht. Gleichwohl wurde der Phrenomagnetismus durch den an Mesmer orientierten Ansatz verdunkelt. Die Nordamerikaner interessierten sich mehr für Mesmers Heilungsansatz durch Magnetismus als für die Phrenologie. So mutierten viele Phrenologen zu Vortragenden über magnetisches Heilen. Der aktive mentale Zustand der Magnetisierten wurde als dynamischer und stärker veränderungsfähig wahrgenommen als derjenige, der auf der Psychologie der Phrenologen beruhte. In den späten 1840ern hatte der Magnetismus die Phrenologie an Popularität überholt, wobei die Mesmeristen und die magnetischen Heiler entlang der früheren Pfade der Phrenologie erblühten. Über den Mesmerismus wurde in den vormals phrenologischen Zeitschriften und der entsprechenden Literatur geschrieben. Magnetische Heiler waren damit überall im Land präsent.213
Der Mesmerismus wurde nicht zuletzt deshalb in Nordamerika integriert, weil er als auf Erfahrung beruhendes Verbindungsglied zwischen Körper und Geist fungierte. Die Nordamerikaner waren in dieser Zeit durch eine religiöse Revitalisierung gegangen, die viel von jenem Enthusiasmus in sich trug, welcher die Bewegungen des 19. Jahrhunderts allgemein begleitet hatte, und sie glaubten, dass der Mesmerismus den ganzen Menschen behandle. Auch wenn der Mesmerismus keine Religion verkörperte, gingen einige doch davon aus, dass er einen religiösen Aspekt besitze, und sie waren der festen Überzeugung, er unterstütze swedenborgianische Ideen. Aber obgleich manche swedenborgianische Vorstellungen innerhalb dieser Bewegung durch Zeitschriften wie The Magnet verbreitet wurden, wurde der Mesmerismus niemals wirklich swedenborgianisch. Er schien einige Individuen in intensive Erfahrungssituationen und zu einer stärkeren inneren Harmonie mit unsichtbaren Kräften zu bringen. Zudem umfasste er eine Verbindung von bisher unerforschten Bereichen und Fähigkeiten des Mentalen sowie deren Einfluss auf den Körper. Wie auch immer man zu seinen fluidalen Erklärungsmodellen stand, der Magnetismus schien eine Art Einströmen zwischen Geist und Körper zu implizieren, was eine neue Wissenschaft vom Geist nahelegte. Man glaubte, im Trancezustand könnten Körper und Seele sich mittels einer magnetischen Flüssigkeit wechselseitig beeinflussen. Man meinte außerdem, die hypnotisierte Person befinde sich in diesem Zustand in einem harmonischeren und friedlicheren Kontakt mit einer geistigen Kraft214.
Einige Vertreter des institutionellen Swedenborgianismus betrachteten den Mesmerismus als Beweis für Swedenborgs Ausführungen über Körper, Mentales und Geist. Sie sahen in den mesmerischen Phänomenen den Nachweis für Swedenborgs Paradigma des Menschen als duale Geist-Körper-Natur sowie für die Existenz einer parallelen geistigen Wirklichkeitsebene, die mit dieser materiellen Welt koexistiere. Andere institutionelle Swedenborgianer standen dem Mesmerismus hingegen skeptisch gegenüber oder verhielten sich ihm gegenüber indifferent. Die mesmerische Bewegung entzündete großes Interesse im Swedenborgianismus aller Spielarten, in der institutionellen Neue Kirche ebenso wie bei nicht-separatistischen, kirchlichen gebundenen und bei kirchenfernen Swedenborgianern. Die Hellsichtigkeit wurde zu einer neuen Wissenschaft, zur ‚wahren Philosophie’ des Zeitalters, worin ‚das Geistige’ einen Bereich von Ursachen bildete – und die ‚Welten der Materie und des Verstandes’ vereint wären. Ende der 1840 er ließ sich ein plötzlicher Anstieg im allgemeinen Interesse am Swedenborgianismus beobachten, oft aufgrund seiner Verbindung mit dem populären Mesmerismus und dem magnetischen Heilen. Fowler & Wells halfen dabei, Material zu diesen Themen im Land zu verbreiten.215
Die 1840 er und frühen 1850 er wurden von einer enormen Popularität des Mesmerismus begleitet, der sich wie bereits erwähnt über viele Wege verbreitete, die von der Phrenologie bereits erschlossen worden waren. Dies korrelierte mit einem zunehmenden Interesse an swedenborgianischen Überlegungen, das sich wiederum durch die Neugier am Mesmerismus verstärkte. Viele Menschen schrieben dem Mesmerismus die Wiedereinführung swedenborgianischer Ideen zu und umgekehrt diente die Kosmologie Swedenborgs als eine Erklärung für die Phänomene des Mesmerismus. Obgleich sie anfänglich verschiedene Bewegungen bildeten, so koinzidierten sie doch im Nordamerika jener Zeit. Ein wichtiger Vertreter dieser Verschmelzung von Mesmerismus und Swedenborgianismus war Professor George Bush. Das Zusammenspiel von Mesmerismus und Swedenborgianismus bereitete zudem die Bühne für Andrew Jackson Davis, den wichtigsten Philosophen der nächsten bedeutenden Bewegung: des Spiritismus. Dies soll aber erst im Anschluss an einen Überblick über die swedenborgianischen Impulse der 1840 er und 1850 er erörtert werden.