Читать книгу Jenseits der Unschuld - Desirée Scholten - Страница 10

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Kapitel 6

Stöhnend öffnete Cathrynn die Augen und schloss sie auch sofort wieder, als Übelkeit sie begrüßte. Automatisch zog sie die Bettdecke über den Kopf.

Dustin, der neben ihr schlief, knurrte etwas Unverständliches, als er sich zu ihr herumdrehte und sie, offensichtlich noch im Tiefschlaf, in seine Arme zog.

Für einen Moment wunderte Cathrynn sich darüber, dass sie, trotz ihres spektakulären Katers, noch vor dem Wecker wach geworden war. Was für ein Abend, dachte sie, gegen ihren Willen amüsiert, als sie sich wieder daran erinnerte, dass sie wirklich schon wieder versucht hatte, Montgomery unter den Tisch zu trinken. Natürlich hatte sie, wie jedes Mal, wenn sie in einem Anfall von Wahnsinn, etwas in dieser Art versuchte, kläglich versagt und war übel abgestürzt, vermutete sie weiter, als ihr auffiel, dass ihr einige Details des hinter ihr liegenden Abends fehlten. Allem voran das Detail, wie sie nachhause gekommen war, fasste sie zusammen, obwohl sie fast darauf gewettet hätte, dass sie in ihrem Zustand noch gefahren war. Sie konnte sich ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass sie jemals so betrunken sein könnte, um ihren Firebird irgendwo anders, als vor ihrer Wohnung oder der Tiefgarage unter dem Bürokomplex, in dem sie arbeitete, über Nacht stehen zu lassen.

Unwillig spähte sie unter der Bettdecke hervor zum Wecker auf dem Nachttisch, um herauszufinden, wie viel Zeit ihr noch blieb, um wieder richtig ansprechbar zu werden. »Scheiße!« Sie erstarrte, als ihr Blick auf das Display fiel, das ihr schadenfroh zuzwinkerte mit der freudigen Mitteilung dass es bereits halb acht war.

Wieder murmelte Dustin irgendetwas Unverständliches.

Sie war inzwischen hellwach, als sie aus dem Bett sprang. Soviel zu: Vor dem Wecker wach geworden, dachte sie mit beginnender Panik, während ihr Schädel zu explodieren drohte. Sie hatte das Scheißding viel mehr nicht gehört, als es vor fast einer Stunde geklingelt hatte. »Dustin, steh auf, wir kommen zu spät«, rief sie, als sie hektisch ins angrenzende Badezimmer stürmte.

Mit fliegenden Fingern absolvierte sie ihre Morgenroutine und erhaschte dabei einen kurzen Blick in den Spiegel. Sie fuhr zusammen, als sie ihre blutunterlaufenen Augen und ihre bleiche Haut sah, befand dann allerdings, dass sie, für das, was sie gestern Abend noch hinter sich gebracht hatte, erstaunlich lebendig wirkte. Schnell riss sie sich von ihrem Anblick im Spiegel los und rauschte zurück ins Schlafzimmer.

Dustin hatte sich noch keinen Millimeter aus dem Bett bewegt.

»Beschissen großartig«, knurrte sie, als sie ans Bett herantrat. Wenn ihr Freund sich nicht endlich von den Toten erhob, würden sie auf jeden Fall erheblich zu spät kommen. »Dustin, verdammte Scheiße! Schieb deinen Arsch aus dem Bett«, bellte sie ärgerlich, während sie ihr Kopfkissen nach ihm warf. Sie brauchte noch drei weitere Anläufe, bis ihn schließlich, ein nicht besonders zimperlicher Schlag gegen die Schulter weckte.

»Was machst du denn für einen Krach, Cat?« nuschelte er, noch bevor er die Augen aufgeschlagen hatte und zog sie wieder an sich.

»Wir haben verschlafen«, informierte sie ihn genervt, als sie sich mit einem Ellenbogenstoß aus seiner Umarmung löste. »Sieh zu, dass du bei Drei lebensfähig bist.« Befriedigt quittierte sie, dass er sich endlich stöhnend aus dem Bett quälte, und warf ihm das Döschen mit den Kopfschmerztabletten zu, nachdem sie selbst vier Stück ohne Wasser heruntergeschluckt hatte. Eilig schlüpfte sie in ihre Klamotten vom Vortag. Wenn Dustin jetzt nicht zu trödeln begänne, bestand eine minimale Chance, dass sie doch noch gerade eben pünktlich zur morgendlichen Dienstbesprechung um neun Uhr im Büro sein könnten. Sie wollte nicht ausgerechnet an ihrem ersten offiziellen Tag als neuer DO der Hunter zu spät zum Dienst erscheinen.

»Sehe ich so schlimm aus, wie ich mich fühle?«, stöhnte Dustin, als er aus dem Badezimmer zurück ins Schlafzimmer schlurfte.

»Du siehst aus, als hättest du versucht, mit uns mitzuhalten«, erklärte sie genervt, als sie sich die Haare zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zurückband.

Cathrynn trommelte mit der Schuhspitze ihres Kampfstiefels auf den Boden, während sie darauf wartete, dass Dustin endlich fertig wurde. Trotz ihrer Hektik konnte sie sich das Grinsen nicht ganz verkneifen, als sie seine linkischen Bewegungen beobachtete. Dustin hatte nicht annähernd so viel getrunken, wie sie, war aber doppelt so heftig danach abgestürzt. Kurz erinnerte sie sich wieder an sein Versprechen, ihr in der Nacht auf dem Klo Gesellschaft zu leisten. Es hatte sich genau andersherum verhalten, dachte sie mit beginnender Schadenfreude, als ihr einige bruchstückhafte Erinnerungen in den Kopf schossen. »Singer, du brauchst länger als jedes Mädchen«, fuhr sie ihn unvermittelt an, als sie automatisch auf ihre Uhr blickte.

Ihr Freund verdrehte die Augen, als er sich auf die Bettkante fallen ließ und begann, seine Schnürsenkel zu binden. »Wie wäre es nebenbei mit Kaffee, dann bin ich wieder lebensfähig«, stöhnte er.

Cathrynn lachte fassungslos auf. »Fick dich«, fuhr sie ihn an, als sie ihm die Schlüssel ihres Firebirds zuwarf. »Du fährst«, wies sie ihn an. »Ich muss mich unterwegs wenigstens ein bisschen schminken.«

Dustin begann zu lachen. »Glaube mir, das bringt heute auch nichts mehr«, betonte er, als er neben ihr das Schlafzimmer verließ.

*

McConaghey blickte kurz von dem Bericht auf, als die Tür zu seinem Büro sich öffnete. Ein unwilliges Grunzen entwich ihm beim Anblick von Jasons dunkelblondem Schopf, als dieser mit einem breiten Grinsen und zwei Bechern Kaffee, eintrat.

Mit deutlicher Belustigung in den hellgrünen Augen trat der jüngere Agent an McConagheys Schreibtisch heran. Er stellte einen Becher vor ihm ab, bevor er sich unaufgefordert auf einen der Stühle setzte. »Ich war mir nicht mehr ganz sicher, wie du deinen Kaffee trinkst, Ian. Ich hoffe, schwarz war richtig«, erklärte er gut gelaunt.

McConaghey spürte, dass seine eigene Laune sich im selben Maß verschlechterte, wie Jasons Belustigung zunahm, als beide Männer sich über den Tisch hinweg kurz musterten. »Was willst du, Jason?«, knurrte er mürrisch, während er den Becher misstrauisch beäugte.

Der dunkelblonde Agent begann schallend zu lachen, als er seinen Blick bemerkte. »Ich schwöre, das ist wirklich nur Kaffee«, betonte er mit einem schelmischen Blitzen in seinen Augen, bevor er McConaghey merklich amüsiert zuzwinkerte. »Den Spaß, dich mit meinen bloßen Händen umzubringen, würde ich mir nicht entgehen lassen.« Sowohl Jasons Stimme, als auch sein Blick blieben ausnehmend freundlich, bei diesem Kommentar, gleichwohl als hätte er lediglich eine Bemerkung über das Wetter gemacht.

McConaghey lehnte sich mit ausdruckslosen Zügen zurück, damit waren die Fronten eindeutig geklärt. Er hatte sich nicht getäuscht, als sein Bauchgefühl ihm versichert hatte, dass es zwischen Jason und ihm Probleme geben würde. Desinteressiert beobachtete er, wie Jason Augen rollend zu dem Pappbecher griff und ihn an seine Lippen führte. Angeekelt verzog der jüngere Agent das Gesicht, bevor er ihm den Becher wieder vor die Nase stellte. »Siehst du, alles in Ordnung«, murmelte er mit deutlichem Ekel in der Stimme, bevor er mit einem Schluck aus seinem eigenen Becher nachspülte. McConaghey grinste in sich hinein, als er sich erinnerte, dass Jason puren Kaffee hasste, dann seufzte er wieder. »Besteht die Hoffnung, dass du mir noch mitteilst, was du von mir willst?«, schnappte der schwarzhaarige Hüne bissig, als er sah, dass Jason sich entspannt im Stuhl zurücklehnte.

»Du enttäuscht mich, Ian«, feixte Jason, noch immer umspielte das spitzbübische Grinsen seine Mundwinkel.

McConaghey erinnerte sich unwillkürlich daran, dass er schon früher, als sie noch zusammen bei den Huntern gedient hatten, genau auf diese läppische Art angesprungen war, die Jason an den Tag legte.

»Ich wollte lediglich einem alten Freund einen Besuch abstatten«, behauptete der andere Agent mit einem Achselzucken, »und mich bei der Gelegenheit direkt erkundigen, wie es bei dir läuft.« Das höhnische Aufflackern in den hellgrünen Augen, versicherte McConaghey, dass Jason mitnichten hier war, um kollegialen Small-Talk mit ihm zu halten.

»Alles bestens«, erklärte McConaghey spröde. »Wenn du mich dann auch entschuldigst, ich habe zu arbeiten«, fuhr er trocken fort, bevor er sich demonstrativ wieder dem Bericht auf seinem Monitor zuwandte. »Das soll übrigens gegen offenkundige Langeweile helfen«, richtete er noch einmal herablassend das Wort an den anderen Agenten.

»Gut, dass du das ansprichst«, rief Jason, noch immer mit jener unerschütterlichen Fröhlichkeit, die McConaghey schon früher zur Weißglut getrieben hatte und sie beide einige Male in der Trainingshalle hatte landen lassen, um ein paar Grundsätze miteinander zu erörtern. McConaghey erinnerte sich, dass Jason ihm die meiste Zeit ebenbürtig gewesen war, wenn es hart auf hart gekommen war. »Ob du es glaubst oder nicht, genau das habe ich gestern Abend getan«, fuhr Jason in seine Gedanken hinein fort. Etwas in dem triumphierenden Unterton, den Jasons Stimme bei diesen Worten angenommen hatte, ließ einen Schauer über McConagheys Rücken laufen. »Da wir ohnehin gerade dabei sind, ein bisschen Ordnung in den Sauhaufen zu bringen, dachte ich mir, dass ich mich an einen, uns allen bekannten Spitzel der Hunter hänge«, erklärte Jason grinsend.

McConaghey stutzte. Winfields Rekrutierung hatte fast ein Jahr nach Jasons Zeit bei den Huntern stattgefunden. Warum, in Gottesnamen, wusste der Hurensohn davon? Mit einem angespannten Blick zu dem dunkelblonden Agenten, fragte McConaghey sich mit wachsendem Unbehagen, was Jason noch alles wusste.

»Soll ich dir was sagen? Das war der Jackpot«, erklärte Jason gerade zufrieden, als McConaghey noch zu ergründen versuchte, inwieweit der Agent eine ernstzunehmende Gefahr für ihn darstellen konnte. McConaghey blickt seinen früheren Kollegen fragend an, als dieser sich erhob. Was hatte Jason herausgefunden, das ihn derart fröhlich stimmte? »Bart hat sich gestern Abend mit einer verdammt heißen Schwarzhaarigen getroffen und mehr als eine Viertelstunde angeregt mit ihr geplaudert«, beantwortete Jason seine stumme Frage bereitwillig.

McConaghey spürte, dass sein Herz für einen Schlag aussetzte. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wer diese heiße Schwarzhaarige gewesen war, doch offensichtlich, stellte er mit aufkommender Zufriedenheit fest, hatte Jason diesbezüglich keinen Schimmer. Er entspannte sich merklich, als damit seine bange Frage danach, wie viel Jason wusste, das ihm das Genick hätte brechen können, beantwortete wurde. »Danke für den Hinweis, Jay. Ich werde Bart noch einmal nachdrücklich daran erinnern, wie Genesis derzeit zu Nutten-Kontakten steht«, versprach er unverbindlich, bevor er ihn mit einem scharfen Blick hinauszitierte.

Mit einem knappen Nicken wandte der dunkelblonde Agent sich um und ging auf die Bürotür zu.

McConaghey erlaubte sich, erleichtert auszuatmen.

»Nimm es mir nicht übel, wenn ich das Thema doch noch einmal forciere, Ian«, richtete Jason, mit der Hand auf der Türklinke, wieder das Wort an McConaghey. »Ich muss gestehen, dass ich es, selbst für deine Verhältnisse, ein bisschen hart finde, die eigene Ehefrau als ‚Nutte‘ zu bezeichnen.«

McConaghey machte fast einen Satz aus dem Schreibtischstuhl, als er diese läppisch hingeworfene Anmerkung hörte. Jason wusste also doch über seine Beziehung zu Cathrynn Bescheid, schoss es ihm durch den Kopf. Sofort fragte er sich, ob dies nicht der Punkt werden könnte, an dem sein ehemaliger Kollege ihn packen konnte.

»Mein Gott, wo habe ich denn heute meinen Kopf?«, rief Jason, als er sich mit theatralischer Geste vor die Stirn schlug. McConaghey blickte unwillig zu ihm, während er noch den Schock zu verdauen versuchte, dass sein langjähriger Feind ihn möglicherweise in der Hand hatte, sollte es hart auf hart kommen. »Elias will dich wegen Barts Treffen mit den Huntern sprechen«, erklärte Jason ihm leichthin. »Da siehst du mal, was man alles vergisst, wenn man sich so blendend unterhält«, fügte er entschuldigend hinzu, bevor er sich mit einem läppischen Achselzucken abwandte.

McConaghey, der sich inzwischen hinter seinem Schreibtisch erhoben hatte, folgte ihm aus dem Büro auf den Flur hinaus, um sich umgehend mit Elias Duncan zu treffen.

»Und noch ein gutgemeinter Rat unter Freunden«, hörte er den jüngeren Agenten, als er kurz vor ihm auf den Gang trat und sich noch einmal umwandte, um seinen Blick zu suchen. »Den nächsten Agenten, den du mir auf den Hals hetzt, damit er mich observiert, werde ich in Scheiben zu dir zurückschicken.« Jason bedachte ihn zum Abschied mit einem unverbindlichen Lächeln, bevor er sich abwandte und den Gang entlangging.

McConaghey starrte ihm gebannt hinterher, während er im Geist einige Szenarien durchspielte, wie er seinen Rivalen so schnell wie möglich umbringen konnte, als er die entgegengesetzte Richtung zu Duncans Büro einschlug.

Jenseits der Unschuld

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