Читать книгу Jenseits der Unschuld - Desirée Scholten - Страница 13

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Kapitel 9

»Heilige Scheiße!«, keuchte Cathrynn, als sie neben Smith getreten war. Geschockt wandte sie den Blick von der Leiche des Ahnen ab, als Übelkeit in ihr aufwallte.

Nachdem sie Winfield gestern nicht mehr erreicht hatten, hatte Frank heute beschlossen, sie und Smith zu ihm zu schicken.

Nathan hatte überraschend ärgerlich darauf beharrt, dass Winfield vielleicht ihre einzige Chance sei, um herauszufinden, was in den Reihen der Sieben Ahnen vor sich ging und sie und Frank hatten den Entschluss, Winfield zum Teufel zu jagen, noch einmal überdacht.

Sie blickte kurz zu Smith, der ebenfalls einige Töne blasser geworden war. »Davon werde ich jetzt sicherlich die nächsten Nächte Albträume bekommen«, murmelte Smith mit geschlossenen Augen, dann blickte er sie besorgt an. »Wenn du rausgehen willst, dann mache ich das hier allein, Cat«, bot er an.

Cathrynn schüttelte unwillig den Kopf. »Gib meinem Magen eine Minute, dann helfe ich dir«, wiegelte sie ab. Sie atmete einige Male tief durch, doch der allgegenwärtige süßliche Verwesungsgeruch, gemischt mit dem Gestank von Kot und Erbrochenem, drohte sie endgültig in die Knie zu zwingen. Sie begann zu würgen, während sie noch um ihre Fassung rang. Das war seit Jahren der schlimmste Tatort, den sie gesehen hatte.

»Wenn du kotzen musst, dann mach das bitte draußen, sonst rasten die Jungs von der Forensik aus«, wies der ehemalige Secret Service-Agent sie an.

Cathrynn winkte mit einem schwachen Grinsen ab. »Danke, ich glaube, es geht schon wieder«, flüsterte sie und bemühte sich, möglichst flach zu atmen.

Smith stieß einen leisen Pfiff aus. »Eins steht schon mal fest: Das war eine gezielte Hinrichtung«, murmelte er, als er den Fotoapparat zur Hand nahm.

Langsam wandte Cathrynn den Blick wieder zur Leiche des Ahnen. Nach Smith Reaktion, begann Neugierde ihren Ekel etwas zu überwiegen. Versonnen betrachtete sie den kopfüberhängenden Leichnam, während sie einige Schritte nähertrat, um Details erkennen zu können. Winfields Bauch war geöffnet worden, doch sie stellte überrascht fest, dass keinerlei Gedärm aus der Öffnung quoll. Schnell angelte sie nach dem Paar Latexhandschuhen in einer ihrer Beintaschen, um dem Phänomen genauer auf den Grund zu gehen. Dann glitt ihr Blick unabsichtlich zum Mund des toten Ahnen. Seufzend zog sie sich die Handschuhe trotzdem über, wenngleich die Frage nach dem Verbleib seines Darms, sich bereits geklärt hatte. »Ich glaube, der Mörder war der Meinung, dass Bart zu viel Scheiße geredet hat«, rief sie zu Smith herüber, der gerade irgendwelche Flecken auf dem Boden fotografierte.

»Sagst du das als Profilerin oder sollte das witzig sein?«, fragte Smith trocken, ohne in seiner Arbeit innezuhalten.

Cathrynn verdrehte die Augen. Für einen Moment hatte sie vergessen, dass es zu den Einstellungsvoraussetzungen des Secret Services gehörte, völlig humorlos zu sein. Sie betrachtete noch einen Moment das Gesicht des Ahnen. Das Gedärm in seinem Mund wirkte wie eine Gabelladung rötlich-brauner Makkaroni, roch nur leider nicht ganz so gut. Dann entdeckte sie den rosa Fleischfetzen auf seiner Stirn, der irgendwann mal seine Zunge gewesen war. Das Herausschneiden der Zunge war ein Klassiker, dachte sie kopfschüttelnd. Allerdings bestätigte es ihre Vermutung, dass Winfield bewusst zum Schweigen gebracht worden war.

Ihr Blick glitt weiter, in der Hoffnung, noch etwas Aufschlussreicheres zu finden, als Bestätigungen ohnehin schon getroffener Vermutungen - einen Hinweis auf den neuen Mann innerhalb der Sieben Ahnen, vor dem diese Bastarde so viel Angst hatten. Ihr Blick fiel auf die entblößte Brust des Ahnen, in der mehrere Silbermünzen steckten. Cathrynn beugte sich vor, um die Münzen etwas genauer zu betrachten; es waren, soweit sie es erkennen konnte, allesamt Vierteldollarstücke. »Ich glaube, der Killer war so blöd zu glauben, dass Werwölfe auf Silber allergisch sind«, informierte sie Smith, der noch immer systematisch den Raum untersuchte. Für einen Moment konnte sie sich die Vorstellung, Serpentine irgendwann mit einer Knoblauchkette stranguliert vorzufinden, nicht verkneifen. Vorsichtig betastete sie eine der Münzen, die in die Haut des Toten eingebrannt worden sein mussten. Das musste höllisch weggetan haben, aber, es war, ihrer Ansicht nach, nicht die Todesursache gewesen. Sie betrachtete die Münzen weiter versonnen, die in unregelmäßigen Abständen in dem Ahnen stecken. Wenn sie sich nicht verzählt hatte, dann waren es dreißig. Das brachte etwas in ihr zum Klingeln, sie wusste gerade nur nicht was.

Genervt trat sie einen Schritt zurück. Sie musste hier etwas übersehen haben; es konnte nicht sein, dass sie hier keinen brauchbaren Hinweis auf den Mörder fand. Als sie aus der kurzen Entfernung noch einmal ihren Blick auf die Münzen in der Brust des Ahnen richtete, stieß sie erstaunt die Luft aus. »Christian, das solltest du dir ansehen«, rief sie Smith zu, der mit wenigen schnellen Schritten zu ihr trat. »Möglicherweise haben wir es hier mit einem Serienkiller zu tun«, erklärte sie ihm, als ihr sein scharfes Luftholen verriet, dass auch er den Namen, den die Münzen bildeten, gesehen hatte. »Wenn wir wieder im Büro sind, werde ich den Modus Operandi mal durchlaufen lassen, vielleicht haben wir ja Glück und seine Signatur taucht noch irgendwo anders auf.«

Sie hörte Smith fassungsloses Lachen und wandte sich ihrem Kollegen zu, der sie ungläubig anstarrte. »Das ist keine Signatur, Cat«, widersprach Smith trocken. Sie hob fragend die Augenbrauen. »Das ist eine ziemlich deutliche Botschaft.«

Nun war es Cathrynn, die zu lachen begann. »Was für eine Botschaft soll das sein?«, fragte sie skeptisch über seine Vermutung. »Er wollte uns bestimmt nicht mitteilen, dass er auf Judas Priest steht, oder?«

Smith blickte sie noch immer an, als hätte sie den Verstand verloren. »Ich bin mir sicher, dass hier nicht die Metal-Band gemeint ist, sondern Judas Ischariot«, belehrte er sie kopfschüttelnd.

»Ach was, du kennst den Kerl, der das getan hat?«, fragte Cathrynn interessiert.

Smith machte ein Gesicht, als würde er sie gleich ohrfeigen. »Lass mich raten, das sind exakt dreißig Münzen«, wechselte er das Thema.

Wieder blickte Cathrynn ihn überrascht an, dann machte sich Ärger in ihr breit. »Christian, wenn du irgendetwas weißt, das uns hilft, diesen beschissenen Ischariot zu schnappen, dann solltest du endlich Klartext reden!«, fuhr sie ihren Kollegen genervt an.

»Ich glaube das nicht«, stöhnte Smith, während er die Augen schloss. Cathrynn hörte ihn einige Male tief Luft holen, bevor er sie wieder anblickte. »Du weißt wirklich nicht, wer Judas Ischariot ist«, stellte er, nach einem kurzen Blickkontakt mit ihr, seufzend fest.

»Entschuldige, ich habe nicht jeden Hurensohn, der irgendwann mal jemanden umgebracht hat, auswendig drauf«, verteidigte sie sich schnippisch. Smith seltsame Reaktion begann sie ganz langsam wirklich zu ärgern.

»Judas Ischariot war der Jünger, der Jesus an die Römer verschachert hat«, erklärte Smith, bevor er sie vorsichtig anblickte. »Du weißt aber wenigstens, wer Jesus ist, nicht dass du nachher im Büro eine Fahndung rausgibst«, vergewisserte er sich schnell.

Cathrynn nickte. »Natürlich weiß ich, wer Jesus ist!«, fuhr sie ihn empört an, bevor sie ihm einen wütenden Blick schenkte. Smith hielt ihren Blick skeptisch fest. »Das war der beschissene Zimmermannssohn aus Nazareth«, rief sie ärgerlich. Sie konnte für einen Moment nicht fassen, dass Smith offenbar glaubte, dass sie das wirklich nicht wusste. »Hältst du mich etwa für blöd?« Sie bekam keine Antwort auf ihre Frage.

Wortlos folgte sie ihrem Kollegen aus dem Raum, während sie zu ihrem Handy griff, um Frank anzurufen. Unruhig fragte sie sich, ob damit zu rechnen war, dass sie demnächst ähnlich enden würde, denn sie hatte keinen Zweifel daran, dass Winfield umgebracht worden war, weil er hatte reden wollen. »Er ist tot, Frank«, erklärte sie ihrem Vorgesetzten trocken, als er sich gemeldet hatte. »Wir sind auf dem Weg zurück ins Büro.«

*

»Ich würde sagen, das war wirklich gute Arbeit, Gentlemen«, betonte Elias Duncan zufrieden, als sein Blick kurz zu den beiden Männern glitt.

Jason warf McConaghey einen Seitenblick zu und verdrehte die Augen auf die plakative Selbstgerechtigkeit auf den Zügen des schwarzhaarigen Agenten hin. Er hatte diesen arroganten Klotz vom ersten Tag an gehasst und schon während ihrer gemeinsamen Zeit bei den Huntern mit einer Vehemenz, die ihn selbst manchmal erstaunt hatte, versucht, ihm etwas anzuhängen. Jason nahm die unvermittelte Bewegung des Hünen neben sich wahr, offensichtlich hatte er nicht mitbekommen, dass der Waffenlobbyist sie gerade entlassen hatte. Er musste jetzt endlich zur Sache kommen, sonst würde er sicherlich nicht mehr sobald die Möglichkeit bekommen. Wenn Duncan erst einmal zurück in Washington wäre, konnte es unter Umständen Monate dauern, bis er wieder mit ihm sprechen konnte. »Mr. Duncan, es gibt noch etwas, über das wir sprechen müssen«, betonte er vollkommen ruhig, wenngleich es in ihm ganz anders aussah. Er wusste, dass er sich auf verdammt dünnes Eis begab, vor allem, weil er seinen Verdacht nicht beweisen konnte.

Sowohl Duncan, als auch McConaghey richteten ihre Blicke auf ihn. Jason hoffte, dass ihm das überlegene Grinsen besser gelang, als es sich anfühlte. »Ich vermute, dass es einen weiteren Doppelagenten in unseren Reihen gibt«, brachte er es ohne Umschweife auf den Punkt. Wenn er sich nicht irrte, hatte McConaghey bei dieser Eröffnung zusammengezuckt.

»Mr. Singer, wie Sie wissen, haben Mr. McConaghey und Mr. Serpentine sich dieses Problems, durchaus gewissenhaft, angenommen«, betonte Duncan kopfschüttelnd.

Jason blickte kurz zu McConaghey, bevor er die Augen wieder auf Elias Duncan richtete. »Das ist das Problem bei der Sache, Mr. Duncan«, widersprach Jason trocken, erneut heftete sein Blick sich auf den schwarzhaarigen Agenten neben sich. Er konnte nicht anders, er musste seine Reaktion sehen, bei dem, was er Duncan zu sagen gedachte. »Ich vermute, dass Mr. McConaghey der besagte Doppelagent ist.«

Er hörte McConaghey empört nach Luft japsen, während ihm die Gesichtszüge vollständig entgleisten. Selbst wenn er sich hier irrte, dachte Jason zufrieden, es war diesen Anblick wert gewesen.

»Können Sie das begründen, Mr. Singer?«, fragte Duncan vollkommen ruhig, während McConaghey neben ihm fassungslos prustete.

Jason stellte erstaunt fest, dass er sich schon lange nicht mehr so gut amüsiert hatte, wie in diesem Augenblick. Die ehrliche Entrüstung, die der schwarzhaarige Agent hier zeigte, war unbezahlbar. »Soweit ich weiß, war er Phoenix-Agent«, antwortete Jason schlicht.

»Ich habe Phoenix auf Gonzales Befehl hin unterwandert«, korrigierte McConaghey ärgerlich. »Aber ich hoffe, Sie wissen, dass Mr. Singer schon während seiner Zeit bei den Huntern illoyal war«, fügte er auf Konfrontationskurs hinzu.

Jason begann schallend zu lachen, als er diesen billigen Versuch McConagheys, das Feuer von sich selbst abzulenken, hörte. »Ian, ich bitte dich! Wir haben beide für Deceit gearbeitet, um unsere Ärsche zu retten«, erinnerte er seinen früheren Kollegen kopfschüttelnd. Wieder sah er, dass McConaghey versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, genau wie an dem Morgen, als er ihn wegen seiner Frau hatte auflaufen lassen. Als Genesis ihm mitgeteilt hatte, dass er zu den Sieben Ahnen versetzt würde, um McConaghey als King of Spades zu ersetzen, hatte er einen immer stärker werdenden Brechreiz verspürt, doch inzwischen begann es ihm hier immer besser zu gefallen. »Abgesehen davon, denke ich, dass Mr. McConagheys Loyalität durchaus fragwürdig ist, wenn wir es mit den Huntern zu tun bekommen«, fuhr er unbeirrt vor.

»Das ist lächerlich«, schnappte McConaghey ärgerlich, seine Augen schossen Dolche auf Jason, der unbeeindruckt die Schultern hob.

»Geh und bring deine Frau um, dann glaube sogar ich dir«, forderte er ihn eiskalt heraus.

»Geht in Ordnung, Jay«, willigte McConaghey zu seiner Überraschung trocken ein, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte. Jason erschrak kurz über das infernale Feuer, das in seinen fast schwarzen Augen zu lodern begonnen hatte. »Wenn wir mit meiner fertig sind, dann bringen wir aber deine um.«

Diese Drohung war nicht unbedingt subtil gewesen und Jason spürte, wie Panik sich in ihm breitzumachen drohte, bei dem Gedanken, dass McConaghey ernst machte. »Fass Amber oder meine Kinder an und ich fick dich mit deinem beschissenen Jagdmesser, bis du vor Freude kotzt«, brüllte er, bevor er sich drohend vor dem Agenten aufbaute.

»Gentlemen, es reicht«, fuhr Duncan unvermittelt dazwischen, bevor er erst Jason und dann McConaghey einen vernichtenden Blick schenkte. »Wenn Sie weiterhin glauben, sich wie tollwütige Hunde aufführen zu müssen, dann werde ich Sie beide ersetzen«, betonte er ärgerlich. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ließ beide Männer grußlos stehen.

Jason warf noch einen kurzen Seitenblick zu McConaghey, der ihm mit offenkundigem Hass beäugte, bevor er sich ebenfalls zum Gehen wandte. Er blickte ihm noch eine Weile nach, der Verdacht, dass er sich den schwarzhaarigen Agenten heute endgültig zum Feind gemacht hatte, wurde in ihm laut.

Jenseits der Unschuld

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