Читать книгу Jenseits der Unschuld - Desirée Scholten - Страница 7

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Kapitel 3

Mit einem tiefen Seufzen ließ Cathrynn sich neben Gray auf die Bank fallen. Ihr Blick schweifte kurz über ihre Kollegen, die sich inzwischen in allen erdenklichen Stadien von Nacktheit befanden, als sie begann, ihre Kampfstiefel aufzuschnüren. Seit das Hochgefühl vergangen war, dass sie ihr erstes Kommando, ohne die befürchteten humanen Verluste, überstanden hatte, hatte der, seit heute Morgen, schwelende Ärger sich wieder breitzumachen begonnen.

Sie blickte kurz auf, als McDermott und Dustin lachend aus der Dusche kamen, während sie nur mit halbem Ohr den Gesprächen ihrer sieben Kollegen, die mit ihr auf ihrem ersten Einsatz gewesen waren, lauschte. Fahrig trat sie die schweren, schwarzen Stiefel von ihren Füßen, während sie sich zwang, ein Grinsen über Montgomerys derben Witz zu zeigen, als er in der Dusche verschwand.

Ihre Gedanken kreisten, nach wie vor, um den Einsatz, der zu keinem Ergebnis geführt hatte. Dafür, dass sie einen Ahnen am Einsatzort zu stellen erwartet hatte, war das Ganze viel zu einfach gewesen, brachte sie es mürrisch auf den Punkt. Grübelnd ließ sie die schwarze Cargohose an ihren Beinen hinabgleiten und griff zu ihrer ausgewaschenen Jeans. Ungeachtet ihrer mürrischen Überlegungen, musste sie kurz schmunzeln, als sie sich wieder daran erinnerte, dass sie vor einigen Jahren fast einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, bei der Mitteilung, dass es im Büro der Hunter nur eine einzige Umkleide gab. Sie konnte gerade noch das Lachen unterdrücken, als ihr dabei bewusst wurde, dass ihr inzwischen selbst die gemeinsame Dusche keine Schweißperlen mehr auf die Stirn trieb.

Gemächlich zog Cathrynn die Jeans an, bevor sie sich an den Knöpfen des schwarzen Baumwollhemdes zu schaffen machte. Sie überlegte automatisch kurz, ob sie heute einen BH trug, dann glitten ihre Gedanken, mit einem geistigen Achselzucken, zurück zu den wichtigen Themen dieses Tages. Erst jetzt bemerkte sie, dass alle Gespräche verstummt waren. Sie blickte irritiert auf. Ihre Kollegen sahen sie erwartungsvoll an.

»Wo willst du heute Abend hin, Boss?«, wiederholte McDermott, der, nur mit einem Paar Shorts bekleidet, mitten im Raum stand.

»Ist mir egal; sagt mir nur, wo ihr seid, dann komme ich nach«, antwortete sie mürrisch. Sie konnte in diesem Moment beim besten Willen nicht erklären, warum sie zusehends wütender wurde. Der Einsatz war, trotz des unbefriedigenden Ergebnisses, gut verlaufen und sie hätte in bester Stimmung sein müssen, dass ihre Kollegen sich am Riemen gerissen hatten.

»Fick dich, Rayven! Du kommst mit oder es setzt was«, fuhr Montgomery, der gerade wieder aus der Dusche kam, sie an. Der Rest des Alpha-Teams nickte bestätigend. »Du wirst hier nicht mit der Tradition brechen, nur damit wir uns richtig verstehen«, betonte der massige Hunter ärgerlich, als er seine Jeans überstreifte.

Zustimmendes Gemurmel hob unter den anderen Männern an, verstummte allerdings abrupt, als Nathan die Hand hob, nachdem er sich das T-Shirt übergestreift hatte. »Was ist los?«, fragte der stellvertretende Direktor ruhig, sein Blick hatte sich dabei allerdings, überraschend angespannt, auf sie geheftet.

»Denkt ihr nicht, dass der Einsatz ein bisschen zu reibungslos verlaufen ist?«, fragte Cathrynn ihre Kollegen scharf, als das schwarze Baumwollhemd von ihren Schultern glitt.

Montgomery begann scheppernd zu lachen. »Kann es ein, dass du ein bisschen zu lange mit McConaghey verheiratet warst, Perle?«, murmelte er grinsend, bevor er sich abwandte und an seinen Spind herantrat.

Cathrynn spürte, wie Wut sich in ihrem Magen zusammenballte, als sie die läppische Äußerung des Ex-Rangers hörte. Das war mit Sicherheit nicht, wie unterstellt, ihre Variante der Selbstzweifel, in denen McConaghey sich, nach jedem seiner Kommandos, tagelang gesuhlt hatte, wenn Unwägbarkeiten aufgetreten waren. Sie sah in der derzeitigen Entwicklung ein ernstzunehmendes Problem und konnte, nach wie vor, nicht glauben, dass ihre Kollegen davor die Augen verschlossen. Sie hörte kurz auf, nach ihrem Trägertop zu suchen, als sie Montgomerys Blick suchte. »Das hat nichts mit Selbstzweifeln zu tun, Vince«, schnappte sie. Sie wusste nicht zu sagen, warum sie plötzlich auf Konfrontationskurs ging.

Montgomery bedachte sie mit einem skeptischen Stirnrunzeln, das jedes weitere Wort hier unnötig machte.

»Komm schon, Vincent: Sprich dich aus«, fuhr sie ihn harsch an. Aus dem Augenwinkel fing sie Nathans erstaunten Blick auf, als sie ärgerlich einen Schritt auf den angesprochenen Hunter zutrat.

»Fick dich! Wäre es dir lieber, wenn einer von uns in Gras gebissen hätte?«, bellte Montgomery.

»Darum geht es nicht, Vince.«

»Worum geht es dann?« Er trat nun ebenfalls einen Schritt auf sie zu, sodass sie sich in der Mitte der Umkleide gegenüberstanden.

»Es geht darum«, setzte Cathrynn betont ruhig an, als sie zu dem mehr als einen Kopf größeren Agenten aufblickte. Sie wollte unter allen Umständen vermeiden, dass es ausgerechnet heute Abend zwischen Montgomery und ihr eskalierte.

»…, dass du genauso eine Heulsuse, wie unser letzter DO bist«, fiel er ihr lautstark ins Wort.

»Dann erkläre mir glaubhaft, warum wir Mayfield nicht gestellt haben und nur unbedeutende Laufburschen, die wahrscheinlich nicht einmal seine waren, gekillt haben«, brüllte sie zurück. »Bis ich dafür nämlich keine gute Erklärung von dir gehört habe, pisst du Hurensohn mich nicht wieder an!« Auch die letzten Gespräche waren über ihrem Gebrüll verstummt und alle Augen hatten sich, wieder einmal, auf sie gerichtet, erkannte Cathrynn peinlich berührt. War sie hier zu weit gegangen, fragte sie sich, als ihre Wut wieder auf ein normales Maß herunterkochte.

Montgomery blickte sie erstaunt an, dann begann er scheppernd zu lachen. »Scheiße, Katie. Dich kann Frank echt nicht verleugnen.« Belustigung und Stolz spiegelten sich in seinen hellbraunen Augen, als er ihr kameradschaftlich eine Hand auf die nackte Schulter legte.

Cathrynn verdrehte bei seinen Worten die Augen, beließ es aber dabei, als sie wieder zu ihren anderen Kollegen blickte. »Fahrt ohne mich, ich komme nach«, wies sie die Männer noch einmal an, bevor sie das Trägertop überstreifte und zu ihrer kurzen Trainingsjacke griff.

»Was hast du vor?«, erkundigte Nathan sich. Sein Tonfall verriet, dass er damit rechnete, dass sie etwas Dummes anstellen würde.

»Ich will Winfield auf den Zahn fühlen. Für mich sieht es, nach wie vor, danach aus, dass bei den Ahnen etwas im Busch ist.«

Nathan nickte versonnen, als er sich auf die Bank setzte und seine Schnürsenkel zuband. »Soll ich dich begleiten?«

Sie fing an zu lachen, als sie sein Angebot hörte und schüttelte den Kopf. »Hast du eine Vorstellung davon, was Frank mit mir anstellt, wenn ich dich in Winfields Nähe lasse und du ihn abknallst?«, rief sie, ungläubig darüber, dass er diesen Vorschlag wirklich gemacht hatte. Sie war vielleicht manchmal durchgeknallt, aber sie war nicht so blöd, Nathan zu einem Treffen mit dem Ahnen mitzunehmen, der nachweislich seine schwangere Frau umgebracht hatte. »Jetzt schieb eure dämlichen Ärsche endlich hier raus. Ich werde nicht lange brauchen«, befahl sie ihren Kollegen erneut und blickte ihnen noch einen Moment mürrisch nach, als sie endlich gingen.

Seufzend griff sie zum Handy. Sie wäre gern sofort mit ihnen losgezogen, doch sie wusste, dass ihr die schwelende Ungewissheit den ganzen Abend über, keine Ruhe gelassen hätte. Sie suchte im Telefonbuch die Handynummer des Ahnen, dem Frank vor einigen Jahren einen Handel angeboten hatte. Dadurch war er zu einem ihrer wertvollsten Informanten innerhalb der Sieben Ahnen geworden. Sie lauschte dem Tuten, während sie in ihre Turnschuhe schlüpfte.

»Ich bin beschäftigt«, knurrte Winfield anstelle einer Begrüßung, als er das Gespräch nach dem zweiten Anruf, doch annahm.

»Drauf geschissen! Bring die Schlampe schneller um und triff mich in zwanzig Minuten an gewohnter Stelle«, knurrte sie, bevor sie die Verbindung wieder grußlos unterbrach. Sie schob das Handy zurück in ihre Gesäßtasche, als sie sich genervt erhob, um sich auf den Weg zum Treffpunkt zu machen. Sie verspürte kein großes Verlangen, Winfield zu treffen, aber sie musste wissen, was innerhalb der Reihen der Sieben Ahnen lief, wenn sie jemals wieder ruhig schlafen wollte. Sie brauchte die Gewissheit, ansonsten würde sie über kurz oder lang durchdrehen.

*

Mit einem amüsierten Grinsen reichte McConaghey der Rothaarigen das Weinglas. Sein Blick glitt noch einmal an ihrer schlanken Silhouette entlang. Sie war ziemlich groß, selbst jetzt, da sie sich ihrer Pumps entledigt hatte, reichte sie ihm immer noch fast bis ans Kinn. Ganz zu schweigen davon, dass die Proportionen zwischen ihren Brüsten und dem Rest ihres Körpers für seinen Geschmack nicht unbedingt stimmten. Hoffentlich würde sie trotz allem ihren Zweck erfüllen, dachte er genervt. Er musste sich endlich wieder einmal austoben, ansonsten würde er über kurz oder lang durchdrehen. Die Situation, die sich seit Jasons Auftauchen anzubahnen drohte, zermürbte ihn jetzt schon und das obwohl der kleine Bastard erst seit vier Tagen da war.

Sie nahm das Glas mit einem Lächeln entgegen, das er, bestenfalls, als ein bisschen dümmlich bezeichnen konnte und er verfluchte sich dafür, dass er sich für sie und nicht für die kleine Brünette mit dem flachen Arsch entschieden hatte. Jetzt im Licht seines Schlafzimmers betrachtet, entsprach die rothaarige Schnepfe entschieden nicht mehr seiner Vorstellung von einer gelungenen Eroberung. Hoffentlich ist sie wenigstens gut, ansonsten raste ich aus, murrte McConaghey im Geist, als sein Blick noch einmal über die Frau glitt. Zumindest musste er nicht befürchten, dass sie auseinanderbrechen würde, wenn es ein bisschen härter wurde. »Sarah.« Er prostete ihr mit einem weiteren Grinsen zu, als er sich aufs Bett setzte.

»Susannah«, korrigierte sie ihn trocken, während sie sich interessiert in seinem Schlafzimmer umblickte.

McConaghey verdrehte die Augen, beeilte sich aber dennoch entschuldigend zu nicken, wenngleich es ihm im Grunde scheißegal war, wie die Schnalle hieß. Er wollte sie vögeln und sich nicht mit ihr unterhalten.

»Wer ist das?«, fragte Susannah. Ihr Kinn wies auf das gerahmte Foto auf seinem Nachttisch.

Er folgte ihrem Blick, wenngleich er wusste, dass es ein Fehler war. Sofort versank er in den tiefgrünen Augen der abgebildeten Frau und natürlich drohten ihn seine Gefühle auch sofort wieder zu übermannen. »Meine Frau«, antwortete er der Rothaarigen mit einem Achselzucken. Noch immer hatte er es nicht fertiggebracht, den Blickkontakt mit dem Foto zu lösen. Wieder verfluchte er sich dafür, dass dieses beschissene Foto noch auf seinem Nachttisch stand. Er hätte es schon längst irgendwohin packen sollen, wo er es nicht direkt morgens als erstes nach dem Aufwachen sah.

»Was ist mit ihr?«

McConaghey runzelte die Stirn über diese ungewöhnliche Frage und wunderte sich über den Hauch von Mitgefühl, der in der Stimme der Rothaarigen mitschwang. »Was soll mit ihr sein?« Irritiert suchte er Susannahs Blick.

»Ist sie …?«, stammelte die Rothaarige unsicher und ließ den Rest des Satzes gewichtig zwischen ihnen im Raum schweben.

Der schwarzhaarige Hüne begann fassungslos zu lachen, als er begriff, was sie dachte und schüttelte den Kopf. »Soweit ich weiß, geht es ihr ausgezeichnet.« Wie um alles in der Welt kam diese Frau darauf, dass Cathrynn tot sein könnte? Etwas anderes konnte ihre halbe Frage nicht implizieren.

Die Rothaarige hob überrascht eine ihrer geschwungenen Augenbrauen.

»Soll ich dir meine beschissene Lebensgeschichte erzählen oder wollen wir vögeln?«, fuhr er sie harsch an. Der Umstand, dass er jetzt mit dieser Schnalle hier war und nicht mit Cathrynn, begann ihn zur Weißglut zu treiben.

Susannah suchte schockiert seinen Blick, tiefe Röte stieg in ihr Gesicht.

McConaghey seufzte, als er sich erhob und zu ihr trat. Er hatte gerade fraglos zu harsch reagiert, aber die Tatsache, dass er sich mit der rothaarigen Schabrake behelfen musste, wenn er mit Freuden seine Seele dafür verkauft hätte, seine Ehefrau hier in seinem Bett zu haben, entfachte seine Mordlust. »Tut mir leid, Honey«, flüsterte er versöhnlich, als er von hinten die Arme um sie legte, in ihr Ohr. »Ich rede ungern über meine Frau.« Seine Lippen begannen mit Susannahs Ohrläppchen zu spielen.

Sie entspannte sich mit einem wohligen Seufzen und er schloss erleichtert die Augen, dass er noch einmal die Kurve gekriegt hatte. Widerstandslos ließ Susannah sich nun endlich zum großen Doppelbett dirigieren, wo sie sich auf sein aufforderndes Nicken hin, langsam zu entkleiden begann. Zufrieden quittierte McConaghey, während er die Lederhose von seinen schlanken Beinen gleiten ließ, dass sich seine Erektion endlich einstellte. Wenngleich sich, im schummerigen Licht der indirekten Beleuchtung, sein vorheriger Verdacht bestätigte. Sie hatte ihre Brüste definitiv vergrößern lassen und mit aufkeimendem Widerwillen fragte er sich, was sie vielleicht noch alles hatte tunen lassen.

Automatisch glitten seine Gedanken zu Cathrynn und ihrem durchtrainierten, makellosen Körper. Die Erektion wurde härter. Er lachte in sich hinein, das hatte bis heute immer funktioniert, er durfte nur nicht die Augen öffnen. Seine Hände glitten über den Körper der Frau unter sich, während er weiter vehement das Bild seiner Ehefrau im Geist forcierte, strikt bemüht, die Tattoos und Piercings, mit denen sie vehement versuchte, sich zu verunstalten, auszublenden. Es hatte in ihrer Ehe einige Grundsatzdiskussionen darüber gegeben und unwillig fragte er sich, ob in den Jahren, die sie nicht mehr zusammen gewesen waren, noch mehr dazu gekommen waren.

Hände begannen über seine Brust zu gleiten, als er in die Frau unter sich eindringen wollte. Der Ekel überfiel ihn unvermittelt. Der Körper unter ihm fühlte sich mit einem Mal falsch an.

Was, zum Teufel, tue ich hier eigentlich? Die Erektion verschwand unter einer Welle von Übelkeit. Mit einem Knurren löste McConaghey sich von dem Rotschopf. »Zieh dich an und geh«, murmelte er, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, als er sich aufsetzte und seine Lederhose vom Boden hob.

Susannah stieß fassungslos die Luft aus, als sie sich ebenfalls aufrichtete. »Jeder kann mal Startschwierigkeiten haben, Baby«, betonte sie dann jedoch mit weicher Stimme.

Der schwarzhaarige Hüne spürte Ärger in sich aufwallen, zügelte sich jedoch energisch.

»Komm, wir versuchen es noch einmal«, versuchte sie ihn weiter zu animieren, ohne zu ahnen, dass sie kurz davorstand, ihr Leben zu verlieren.

»Das wird wenig bringen«, knurrte McConaghey genervt, als er in die Lederhose schlüpfte. »Du bist einfach ekelerregend.«

Die Rothaarige öffnete entrüstet den Mund, schloss ihn aber sofort wieder, als er ihren Blick suchte. Etwas in seinen fast schwarzen Augen musste ihr deutlich gemacht haben, dass sie besser nicht mit ihm diskutierte. Ohne ein weiteres Wort erhob sie sich und zog das Kleid über, bevor sie, fast fluchtartig, wie ihm schien, seine Wohnung verließ.

Als sie gegangen war, ließ McConaghey sich zurück auf das Doppelbett fallen und blickte mit einem tiefen Seufzen zu Cathrynns Foto. Das war die Frau, die er wollte und nicht irgendeine dahergelaufene Schlampe aus einer Singlebar. Er nahm das gerahmte Foto zur Hand. Das war die Frau, die er vermutlich für immer verloren hatte, die Frau, die er, mehr als das, wohlmöglich töten musste, wenn Genesis wider Erwarten doch irgendwann Serpentines Vorschlag, die Hunter offensiv anzugehen, ins Auge fassen würde.

Unwillig versuchte er, die aufkommenden Gedanken an Cathrynn zu verscheuchen, doch natürlich gelang es ihm auch heute nicht. Das bekannte Kribbeln in seinem Magen hob an, als sich, wie immer, wenn er an die schwarzhaarige Agentin dachte, Sodbrennen ankündigte. »Was hast du mit mir angestellt?«, fragte er das Foto mürrisch. Bis heute konnte er nicht begreifen, was an ihr ihn derart fasziniert hatte, dass er mehr als einen One-Night-Stand mit der zwölf Jahre jüngeren Frau in Erwägung gezogen hatte. Davon, dass er sie nach wenigen Monaten, die sie eine monogame Beziehung geführt hatten, gebeten hatte, seine Frau zu werden, wollte er um seines Seelenfriedens willen, jetzt gar nicht erst anfangen. Was war anders an Cathrynn gewesen, als an all den anderen Frauen, die er vor und auch nach ihr gehabt hatte, fragte er sich versonnen, als er sich unwillkürlich wieder an den Anfang ihrer Geschichte erinnerte:

»Soll ich dich mitnehmen, Rayven?«, fragte McConaghey die junge Hunterin, die gerade den Aufenthaltsraum verlassen wollte. Soweit er sich erinnerte, war die Drecksschleuder von Firebird, die sie fuhr, in der Werkstatt. Er unterdrückte halbherzig das Grinsen, als sie errötete. Seit dem Barbecue bei Montgomery, am vergangenen Wochenende, als er sie ziemlich betrunken nach Hause gefahren hatte, war ihm nicht entgangen, dass sie sonderbar auf ihn reagierte. Lag es daran, dass es ihr peinlich war, ihn massiv angebaggert zu haben oder daran, dass er nicht darauf eingegangen war, fragte er sich belustigt.

»Bist du dir sicher, dass ich mir die Stichwunde nicht doch kurz ansehen soll?«, fragte sie, nachdem sie mit einem unsicheren Nicken auf sein Angebot geantwortet hatte.

McConaghey seufzte, als er seinen ordentlichen Pferdeschwanz löste. »Um zu verhindern, dass du heute Nacht, aus Sorge um mein Leben, nicht schlafen kannst, meinethalben«, lenkte er amüsiert ein, bevor er sich die Haare wieder zurückband und sich noch ein Bier aus dem Kühlschrank holte.

»Zieh dein Hemd aus«, bat sie ihn leise.

McConaghey lachte in sich hinein, als er sich wieder zu ihr umwandte, tat aber wie befohlen. »Nur das Hemd oder den Rest sicherheitshalber auch?«, erkundigte er sich freundlich, als er gemächlich das weiße Hemd auszog und auf einen der Sessel warf.

Anstelle einer Antwort ließ die junge Agentin den Verbandkasten fallen, während sie ihn aus schreckgeweiteten Augen anblickte.

McConaghey begann über ihre Reaktion schallend zu lachen, fragte sich aber noch in der gleichen Sekunde, warum ihn ihr unsicherer Blick dermaßen anmachte.

Ihre Augen glitten über seinen nackten Oberkörper und er sah selbst im Halbdunkel eine gewisse Röte in ihre Wangen steigen, als sie hart schluckte. »Das Hemd reicht«, stammelte sie, bevor sie sich bückte, um den Verbandkasten umständlich wieder aufzuheben.

McConaghey sog hörbar die Luft ein, als sich dabei ihr makelloser Arsch in die Höhe reckte. Honey, heute Abend bist du fällig, dachte er belustigt und ungekannte Vorfreude ließ seine Leistengegend pochen. Mit zwei Schritten war er hinter sie getreten.

Mit einem erstaunten Keuchen entglitt der Verbandkasten erneut ihren Händen, als der schwarzhaarige Hüne die zierliche Agentin am Oberarm fasste. Er drehte sie zu sich herum, bevor er sie zur Couch zog und direkt auf seinen Schoß dirigierte. Cathrynn folgte seinen Bewegungen mit überrascht aufgerissenen Augen. Seine Lippen erstickten den nächsten erschrockenen Ausruf, der ihr zu entfahren drohte, als seine Hand den Weg unter ihr Shirt fand.

Schnell löste sich ihre Erstarrung und sie entspannte sich merklich unter seinem Kuss. »Was tust du da?«, stammelte sie, als seine Finger sich routiniert an den Knöpfen ihrer ausgewaschenen Jeans zu schaffen machten.

Spielerisch ließ McConaghey seine Zunge an ihrem Ohrläppchen hinabgleiten. »Cathy, ich beabsichtige, dich ins Koma zu vögeln«, raunte er heiser, als seine Lippen über ihren Hals fuhren. Überrascht erkannte er, wie sehr er diese Frau plötzlich wollte. Seine Lippen pressten sich wieder auf ihre, bevor sie bereitwillig seiner Zunge den Einlass gewährte, während er sie von den engen Jeans befreite. Seine andere Hand ging weiter unter ihrem Shirt auf Wanderschaft. Der jungen Agentin entfuhr ein kehliges Seufzen, als seine Fingerspitzen ihre Brustwarzen zu umkreisen begannen und McConaghey befürchtete zu kommen, sollte sie dieses aufreizende Geräusch noch einmal von sich geben.

Langsam begannen seine Finger ihr Werk, als sie in kleinen, konzentrischen Kreisbewegungen an ihrem durchtrainierten Körper hinabglitten. Cathrynn reckte sich ihm erwartungsvoll entgegen, als seine Finger ihren Bauch passiert hatten, während ihre Hände zaghaft über seine Brust glitten.

Ganz allmählich steigerte er den Rhythmus, als er sich aufrichtig darüber wunderte, dass er nie ein Freund solcher Vorspiele gewesen war. Er konnte nicht verhehlen, dass ihn, die, sich langsam aufbauende Spannung zwischen ihnen beiden, erst richtig anheizte. Sein Finger glitt tiefer.

Cathrynn fuhr mit einem erstaunten Keuchen zusammen, ihre Schenkel spannten sich.

Er blickte überrascht auf sie hinab. Unsicherheit zeigte sich auf ihren perfekten Gesichtszügen und ein absurder Verdacht überkam ihn, als sein Finger weiterglitt. Er spürte den schwachen Widerstand, als er in sie dringen wollte, dann stutzte er. Das kann unmöglich sein, schollt er sich einen Idioten, sie ist fast sechsundzwanzig. »Scheiße«, fluchte er, als seine Erektion sich unter der Ungewissheit buchstäblich in Luft auflöste. Er konnte diese Frau nicht mitten auf der zerschlissenen Couch im Aufenthaltsraum vögeln, wenn auch nur der Hauch einer Chance bestand, dass er der erste Mann für sie war. Frank würde mit Sicherheit höchst inspirierende Methoden finden, ihn langsam und qualvoll umzubringen, wenn er es sich wirklich wagte, seine Tochter zu entjungfern. Danach würde er vermutlich seinen Kopf ausgestopft an seine Bürotür hängen. So schnell McConaghey konnte, entfernte er sich von der jungen Agentin und griff zu seinem Hemd.

»Ian?« Sie klang verwirrt.

»Zieh dich an, ich fahre dich nach Hause«, befahl er ihr barsch, als er, überraschend ungelenk, die Knöpfe seines Hemdes schloss. Mit dem Rücken zu ihr wartete er, bis sie sich angezogen hatte. Er brauchte selbst noch eine Weile, um das in ihm tobende Inferno in den Griff zu bekommen. Schließlich wandte er sich wieder zu ihr um. Er sah Irritation in ihren großen grünen Augen schimmern und lachte bitter in sich hinein. Ich habe selbst keine Ahnung, was ich hier tue, Baby, antwortete er in Gedanken, dann wandte er sich brüsk ab und verließ den Aufenthaltsraum.

An den langsamen Schritten hinter sich hörte er, dass sie ihm unsicher folgte. Schweigend fuhren sie zusammen in die Tiefgarage, wo sie, mit deutlichem Widerwillen in ihrem Blick, in seine Corvette stieg. »Erklärst du mir, was das gerade war?«, murmelte Cathrynn noch immer völlig verunsichert unter einem nervösen Lachen, als er die Corvette aus der Parkbox lenkte.

McConaghey zog es vor, zu schweigen, er war selbst noch viel zu aufgewühlt, um mit ihr zu reden.

»Weißt du was? Lass mich da vorn an der Bushaltestelle raus«, murrte sie und griff zu ihrem Rucksack im Fußraum.

McConaghey blickte mit einem fassungslosen Prusten zu ihr. »Bilde dir mal nicht ein, dass ich dich in der Gegend nachts allein herumlaufen lasse.« Erst, als er ihr ungläubiges Schnauben hörte, würde ihm bewusst, was er soeben gesagt hatte.

»Ich habe eine ziemlich umfassende Nahkampfausbildung, Agent McConaghey«, erinnerte sie ihn trocken. »Abgesehen davon bin ich bewaffnet, nur für alle Fälle.«

»Fang nicht an, zu diskutieren«, fuhr er sie ärgerlich an. »Du turnst um die Uhrzeit hier nicht alleine herum und basta!«

»Schrei mich nicht an, um deine Selbstzweifel zu überspielen!«, schoss Cathrynn nicht weniger ärgerlich zurück.

Schockiert über ihre Worte, trat McConaghey mit einem fassungslosen Lachen die Bremse durch. Der Fahrer des SUV hinter ihnen, der ebenfalls hart in die Eisen hatte gehen müssen, hupte wild. »Analysierst du mich gerade?«, keuchte er mit einem ungläubigen Blick zu der hintergründig lächelnden Agentin, bevor er sich mit einem Handzeichen bei seinem Hintermann entschuldigte und weiterfuhr.

Mit einem versonnenen Lachen verscheuchte McConaghey die aufkommenden Erinnerungen.

An diesem Abend hatte die emotionale Achterbahnfahrt begonnen, die er in einem solchen Ausmaß niemals für möglich gehalten hatte. Bis heute hatte er nicht vollständig begreifen können, was an diesem Abend in ihn gefahren war, dass er sie, allen Vorbehalten zum Trotz, nicht sofort an Ort und Stelle flachgelegt hatte. Noch weniger wusste er allerdings zu sagen, woher plötzlich der Wunsch gekommen war, es, wenn überhaupt, langsam und anständig mit der zwölf Jahre jüngeren Agentin angehen zu lassen.

Wieder glitt sein Blick zu dem Foto in seinen Händen, als er weiter an die Frau dachte, die ihn, vom ersten Tag an, so sehr fasziniert hatte. In einem Moment war sie mehr ein schüchternes Mädchen gewesen, das erschrocken vor ihm zurückwich und im nächsten ein knallhartes Miststück, das ihm verbal den Arsch aufriss, bis er nicht mehr kontern konnte. Sie hatte ihn provoziert und auf allen Ebenen nah an seine Grenzen herangetrieben, wenngleich er sicher war, dass sie niemals erkannt hatte, wie ebenbürtig sie ihm wirklich gewesen war.

Nach dem ersten missglückten Versuch, mit ihr zu schlafen, erinnerte McConaghey sich weiter, hatte er sich einzureden versucht, dass seine Faszination vergehen würde, sobald er mit ihr intim gewesen wäre.

Er war mit ihr intim gewesen und sie hatte ihn vollständig in ihren Bann gezogen. McConaghey hatte versucht von ihr loszukommen, doch es war ihm unmöglich gewesen. Er hatte sogar in einem Anfall von Wahnsinn versucht, ihr auszureden, sich auf ihn einzulassen und hatte auf seine Psychopathie-Diagnose hingewiesen.

Cathrynn hatte nur hintergründig gelächelt, als er ihr zu erklären versucht hatte, dass er, wenn überhaupt, eine kurzlebige, rein sexuelle Affäre suchte, und lachend betont, dass sie selbst nichts anderes im Sinn hatte. Sie wolle ihn schließlich nicht heiraten, hatte sie ihm erklärt und bis heute erstaunte es ihn, dass ihm dieses Bekenntnis einen Stich versetzt hatte.

Schließlich war er dann an den Punkt gekommen, an dem er sich nicht mehr vormachen konnte, dass diese Frau nur eine weitere Bettgespielin war, die ihm nichts bedeutete. Da hatte er es bereits nur noch schwerlich einen Abend ohne sie ausgehalten.

Das Schrillen des Telefons unterbrach seine Gedanken.

Jenseits der Unschuld

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