Читать книгу Jenseits der Unschuld - Desirée Scholten - Страница 16
ОглавлениеKapitel 12
Grinsend blickte Cathrynn sich in dem schicken Szene-Club um, in dem nicht mit den üblichen Klischees gegeizt worden war, während sie versonnen an dem umgedrehten Pentagramm spielte, das sie um den Hals trug. Schnell hatte sie Conrad Tyson erspäht, der es sich, abgeschottet von drei finster schauenden Leibwächtern, in einer der Nischen bequem gemacht hatte. Sie spürte, dass sich langsam Anspannung einstellte, während sie sich fragte, wie sie die ganze Geschichte angehen sollte. Wenn Tyson wirklich, wie sie aufgrund der religiösen Theatralik des Mordes annahm, dahintersteckte, dann würde er sicherlich keine Lebensbeichte ablegen, nur weil sie ihn unter Druck setzte.
Mit einem koketten Lächeln zum Barkeeper, der den alkoholfreien Cocktail vor ihr abstellte, griff sie zu dem Glas und machte sich auf den Weg zur Nische und den Leibwächtern. Kurz erwog sie, wenigstens einem ihrer Kollegen Meldung über ihre außerdienstlichen Aktivitäten zu machen, nur für den Fall, das etwas schiefging. Sie verwarf den Gedanken so schnell wie er gekommen war. Jeder ihrer Kollegen würde Frank postwendend darüber Bericht erstatten, wenn er sie nicht selbst an ihrem Vorhaben hinderte.
Kaum, dass sie die Nische erreicht hatte, verstellten die Leibwächter ihr den Weg, als sie versuchte unbemerkt an ihnen vorbei, zu Tyson zu schlüpfen. »Hier ist geschlossene Gesellschaft, Püppchen«, knurrte einer der bulligen Typen, als er ihren Arm fasste.
Cathrynns Blick glitt prüfend zwischen ihm und seinen beiden Kumpanen hin und her, als sie ein Szenario entwickelte, dass es ihr ermöglichte, die Männer mit wenigen Schlägen außer Gefecht zu setzen, sollte es zu der unangenehmen Situation einer Schlägerei kommen. »Sag deinem Boss, dass er besser mit mir redet, wenn er nicht will, dass es hier in zehn Minuten von Huntern wimmelt, Kleiner«, bluffte sie trocken.
Der Leibwächter blickte sie einen Moment unschlüssig, was er von dieser Drohung halten sollte, an, dann wandte er sich um und trat zu Tyson. Cathrynn beobachtete das Gespräch der beiden, in dessen Verlauf Tyson erstaunt den Blick auf sie richtete, während sie sich den Anschein von Langeweile gab, als sie an ihrem Cocktail nippte. Der Blick des schwarzhaarigen Ahnen, verharrte noch einen Moment forschend auf ihr, dann winkte er sie, mit einer, fast als huldvoll zu bezeichnenden, Geste heran. »Rayven, ich wollte dir schon beim letzten Mal sagen, dass du mir in Samt und Spitze außerordentlich gut gefällst«, begrüßte er sie mit einem anzüglichen Grinsen auf den Lippen.
»Du meinst an dem Abend, als die ISU uns unterbrochen hat, bevor ich dich darauf hinweisen konnte, dass du die Schwarze Messe ziemlich dilettantisch durchgeführt hast?«, konterte sie lachend. Tyson hob fragend die gepiercte Augenbraue. »Wenn ich mich recht erinnere, heißt es ‚In nomine magni dei nostri Satanas‘«, belehrte sie ihn noch immer grinsend.
»Du warst vermutlich die Einzige, der es aufgefallen ist«, winkte er mit einem Achselzucken ab. »Also, meine Hübsche, was kann ich für dich tun?«, wechselte er ohne Umschweife das Thema.
»Du könntest ein Schatz sein und mir erzählen, was gerade bei euch los ist«, antwortete sie mit gleicher Direktheit.
Tyson blickte sie ungläubig an, bevor er ein hartes Lachen ausstieß. »Leck mich, Rayven! Ich habe kein Interesse daran, wie Bart zu enden«, wiegelte er ärgerlich ab.
»Darf ich dich darauf hinweisen, dass Bart tot ist, obwohl er überhaupt nicht geredet hat«, betonte sie mit einem nonchalanten Achselzucken, während sie sich noch fragte, ob sie sich vielleicht doch geirrt hatte und nicht die Vampire, sondern die Werwölfe die Führung übernommen hatten. Tyson riss bei ihrer Eröffnung erstaunt die Augen auf. »Du siehst also hoffentlich ein, dass du bereits jetzt gefickt bist, Conrad?«
Der Blick des Ahnen glitt beunruhigt durch den Gothic-Club, gleichwohl, als erwartete er einen Beobachter zu sehen. »Du bist ein beschissenes Miststück«, zischte er ihr zu, als er sich ärgerlich erhob und auf sie zutrat.
Sie erhob sich ebenfalls, als er näherkam, dann krallten sich ihre Finger mit einem sarkastischen Lächeln in den Kragen seines blutroten Rüschenhemdes, als sie ihn etwas zu sich hinunterzog. Ihre Lippen berührten leicht sein Ohrläppchen. Tyson sog scharf die Luft ein.
»Ein beschissenes Miststück, dem du noch etwas schuldest«, erinnerte sie ihn mit herausfordernder Stimme. »Also, mach dein dämliches Maul auf, dann sorge ich vielleicht dafür, dass du lebend aus der Nummer rauskommst.« Noch einmal ließ sie ihre Lippen an seinem Ohrläppchen entlanggleiten und quittierte zufrieden seine Erektion durch die Lederhose hindurch, als sie sich enger an ihn schmiegte.
Finger krallten sich grob in ihre ungebändigte, schwarze Mähne, als Tyson ihren Kopf in den Nacken bog und seine Lippen über ihren entblößten Hals gleiten ließ. Cathrynn ließ ihn gewähren. Selbst wenn er auf die blöde Idee käme, sie zu beißen, es würde für sie kein Problem darstellen. Sie war immun gegen das Virus. Abgesehen davon würde er im selben Moment sterben, dachte sie, als ihre Daumen zur Automatik der Armstulpen glitten. »Erzähl mir was über den Machtwechsel, Conrad«, murmelte sie, als ihre linke Hand einen Weg unter das Rüschenhemd suchte.
»Ich kann nicht«, raunte Tyson heiser, bevor seine Zunge ihre Kehle entlang fuhr. »Ich habe kein Interesse daran, dass er aus mir ein ähnlich inspirierendes Stillleben bastelt.«
Cathrynn stutzte. Tysons Bemerkung konnte nur bedeuten, dass sie falsch gelegen hatte und er nicht derjenige gewesen war, der Winfield umgebracht hatte. Sie fluchte stumm. Es hätte so wunderbar gepasst. »Wer hat den Bastard umgebracht, sage mir wenigstens das«, flüsterte sie, bevor seine Lippen ihre Worte erstickten. Seine Zunge glitt in ihre Mundhöhle. Cathrynn würgte kurz, dann stellte sie fest, dass der Hurensohn erstaunlich gut küsste, wenngleich er es, für ihren Geschmack, mit seiner Hand bedenklich nah an ihrem Hinterteil, langsam zu übertreiben begann.
»Midnight«, flüsterte Tyson, als er seine Lippen von ihren löste.
Cathrynn blickte ihn perplex an, als er das alte NSA-Projekt erwähnte, an dem ihre Mutter mitgearbeitet hatte. »Was hat ein eingestelltes Regierungsprojekt mit dem Mord an Winfield zu tun?«, murmelte sie noch ein bisschen atemlos, bevor sie sich mit einem unwilligen Knurren von dem Ahn löste.
»Ich spreche nicht von dem Projekt«, betonte er orakelhaft, als er sie freigab.
Cathrynn blickte den schwarzhaarigen Ahnen fragend an, doch er leistete ihrer stummen Aufforderung, sich zu erklären, nicht Folge. »Alles Weitere musst du selbst herausfinden«, betonte er, bevor er sie mit einer knappen Geste aufforderte, zu verschwinden.
Ohne Tyson eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ sie die Nische und bahnte sich einen Weg über die, inzwischen volle Tanzfläche.
»Entschuldigung«, murmelte eine tiefe Stimme neben ihr, kurz nachdem sie ein harter Stoß gegen die Schulter aus ihren Überlegungen gerissen hatte. Cathrynn blickte kurz zu dem Sprecher, einem ausnehmend attraktiven, dunkelblonden Mann. »Bist du in Ordnung?«, hakte er nach, wofür er sich zu ihr beugte und direkt in ihr Ohr sprach. Seine Hand berührte dabei wieder ihre Schulter.
Cathrynn nickte, bevor sie sich abwandte und ihren Weg fortsetzte. Unter normalen Umständen, hätte sie sich auf ein Gespräch mit dem attraktiven Unbekannten eingelassen, doch heute Abend hatte sie Wichtigeres zu tun, als mit irgendeinem Typen, den sie nicht kannte, zu flirten. Ihre Gedanken kreisten um Tysons Worte, die entgegen ihrer Hoffnung, nur noch mehr Fragen aufgeworfen hatten.
*
Versonnen blickte Jason der schwarzhaarigen Frau nach, als sie den Gothic-Club verließ, während er in sich hineinlachte, dass er mit seiner mehr als gewagten Aktion durchgekommen war. Er hatte sie wieder einmal observiert, seit sie das Büro der Hunter verlassen hatte und war ihr schließlich in diesen Club gefolgt, wo sie sich mit Tyson getroffen hatte. Die Idee, ihr einen Sender unterzuschieben, war ihm spontan gekommen und er hatte alles auf eine Karte gesetzt, als sie ihn passierte. Wieder schüttelte er den Kopf, als ihm bewusst wurde, dass er sich in Lebensgefahr befunden hatte, als er sich ihr genähert hatte. Wenn Cathrynn ihn erkannt hätte, dann wäre er in ernstzunehmenden Schwierigkeiten gewesen.
Sie hatte ihn allerdings nicht erkannt, obwohl er direkt vor ihr gestanden und sogar kurz mit ihr gesprochen hatte. Das wunderte ihn aufrichtig, immerhin hatte er sie nach all den Jahren ebenfalls sofort erkannt. Jason beendete seine Überlegung mit einem Achselzucken, als er sich auf den Weg zur Nische machte, in der Conrad Tyson sich befand. Er hatte ein ernstes Wort mit dem Ahn zu reden.
Einer der Leibwächter riss erstaunt die Augen auf, als er an die Nische herantrat und gab ihm sofort anstandslos den Weg zu Tyson frei.
»Was tust du denn hier, Jay?«, begrüßte Tyson ihn mit einem beunruhigten Blick.
»Ich dachte immer, das heißt zuerst einmal ‚Guten Abend‘, Conrad«, belehrte er ihn, während er sich setzte und den schwarzhaarigen Ahn mit einem schelmischen Augenzwinkern bedachte.
Tyson ließ ein nervöses Lachen hören, als er ihn weiter misstrauisch beäugte.
Jason bog sich innerlich vor Lachen, als er seinen Blick unverwandt auf den Ahn richtete. »Ich sehe, die süße Schwarzhaarige ist schon gegangen«, bemerkte er leichthin. »Ich hatte die vage Hoffnung, dass du mich mit ihr bekannt machen könntest.«
Zu Jasons Überraschung begann Tyson schallend zu lachen. »Das wäre eine fulminante Show geworden, Jay«, rief er amüsiert, bevor er Jasons Blick suchte. »Das war Rayven«, informierte er ihn.
Für einen Moment war Jason sprachlos. Die unerwartete Offenheit des Ahnen, hatte ihn auf dem falschen Fuß erwischt. »Wenn du schon so redselig bist, macht es dir sicherlich nichts aus, mir zu erzählen, worüber ihr gesprochen habt«, vermutete er trocken, nachdem er sich wieder besonnen hatte.
»Was glaubst du wohl?«, fragte Tyson mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Sie hat versucht, von mir ein paar Insiderinformationen zu bekommen.«
»Die du ihr natürlich nicht gegeben hast«, folgerte Jason.
»Natürlich nicht«, bestätigte Tyson, als er sich entspannt zurücklehnte. »Ich will nicht wie Bart enden.«
Jason ließ ein hintergründiges Lächeln sehen, als er den Ahnen kurz abschätzend musterte. »Leider bist du jedoch auf dem besten Weg dorthin«, erklärte Jason ihm trocken. Er hatte sich, trotz Tysons offensiver Kooperation, dazu entschlossen, an seinem Plan festzuhalten. Tyson hob fragend die gepiercte Augenbraue. »Als wir ihn verhört haben, hat Bart bis zuletzt darauf beharrt, dass er Rayven nichts erzählt hat«, behauptete er, während seine Gedanken zurückglitten zu dem Gespräch, das McConaghey und er mit dem schmuddeligen Ahn geführt hatten. Winfield war nach wenigen Minuten gebrochen und hatte wie eine Nachtigall gesungen. »Ich muss gestehen, dass wir ihm nach fast zwei Stunden zu glauben begonnen haben«, fuhr der dunkelblonde Agent fort. »Aber Elias war der Meinung, dass es bereits ausgereicht hatte, dass er überhaupt mit einem Hunter gesprochen hat«, fügte er mit einem nonchalanten Achselzucken hinzu.
Tyson starrte ihn fassungslos an. Er hatte den Bluff offensichtlich geschluckt.
»Dir ist sicherlich bewusst, dass ich Elias Meldung über dein Gespräch mit Rayven erstatten muss«, informierte Jason ihn kühl.
Der Ahn wurde noch ein Spur blasser, als er sich über den Tisch hinweg zu Jason beugte. »Ich bin mir sicher, dass wir hier eine andere Lösung finden können«, murmelte er, während er eindringlich Jasons Blick suchte.
»Ich kann dir gerne zwei Stunden Vorsprung geben, damit du Elias selbst davon erzählst«, bot Jason lachend an. »Vielleicht bringt er dich dann schnell und schmerzlos um.«
Tyson schluckte. »Mir schwebte hier mehr vor, dass du die Sache unter den Tisch fallen lässt«, korrigierte er.
Wieder begann Jason zu lachen. »Bei aller Freundschaft, Conrad«, rief er amüsiert, »Ich werde Genesis bestimmt nicht belügen.« Er suchte prüfend Tysons Blick. »Ich sollte dich, schon allein für dieses Angebot, sofort töten«, flüsterte er drohend. Er sah förmlich, wie Tyson der Angstschweiß ausbrach. Jason konnte sich nur noch mit Mühe beherrschen nicht los zu prusten, über die plötzliche Angst in den Zügen des sonst eiskalten Ahnen. »Aber du hast Glück, dass ich kein Freund sinnloser Ressourcenverschwendung bin«, richtete er nach einer langen, versonnenen Pause das Wort an Tyson.
»Du belässt es dabei?«, fragte der schwarzhaarige Ahn ungläubig, dann kroch ein lauernder Ausdruck in seine braunen Augen.
Jason nickte zustimmend. »Vorerst«, betonte er. »Aber du solltest dir darüber im Klaren sein, dass dein Arsch ab heute mir gehört.«
Tyson verschluckte sich am Rotwein. »Die Jagd auf mich, muss dir seinerzeit aufs Hirn geschlagen sein, Singer«, murmelte er fassungslos.
Jason konnte das Grinsen nicht mehr verhehlen, als Tyson auf seine Zeit bei den Huntern anspielte. Conrad Tyson war in der Tat sein Fall gewesen, an dem er, bis zu seinem plötzlichen Ausscheiden, mit Tom Higgins, seinem Partner, gearbeitet hatte. »Ja, ja die guten alten Zeiten«, murmelte er amüsiert, dann ließ er seine Züge wieder jeden Ausdruck verlieren. »Aber Spaß beiseite, Conrad«, richtete er kalt das Wort an den Ahn. »Du arbeitest ab heute für mich.«
Tyson suchte interessiert seinen Blick. »Dann weihe mich mal in dein Spiel ein.«
»In was für ein Spiel?«, konterte Jason irritiert, während er noch versuchte, sich den Tiefschlag aufs Ego des Ahnen zu verkneifen. »McConaghey hat Serpentine, ich will auch einen Vampir als Schoßhündchen«, erklärte er trocken, es war vergebens, diese grandiose Vorlage nicht zu verwandeln. »Also dann, ich sehe dich morgen, Partner«, rief er zum Abschied, bevor er sich erhob, und die Nische verließ. Er spürte Tysons wütenden Blick in seinem Rücken, doch es war ihm egal. Der schwarzhaarige Ahn würde tun, was er von ihm verlangte, dessen war er sich sicher und er hatte das Gefühl, dass er ihm noch einmal sehr nützlich werden würde, wenn er McConaghey endgültig aufs Korn zu nehmen beschlösse.
Jason verließ den Gothic-Club und atmete einen Moment erleichtert die klare, salzige Nachtluft ein. Aus dem Augenwinkel sah er den Mann, der sich in eine Ecke gedrückt hielt und vorgab in sein Handy zu sprechen. Jason beobachtete ihn einen Moment, bis er sicher war, dass er das Telefonat nur vortäuschte. Das Jagdmesser fand automatisch den Weg aus der Gürtelscheide in seine Hand, als er genervt auf den Mann zu schlich.
Er konnte sich erinnern, dass er McConaghey deutlich davon abgeraten hatte, ihn weiterhin observieren zu lassen. Jetzt musste er wohl Wort halten und den Kerl in mundgerechten Stücken an seinen Boss zurückschicken.