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2.1 Die versicherbaren Risiken

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Welche Leistungen im Einzelfall ausgeführt werden, hängt demnach von der Feststellung des tatsächlichen Eintritts eines der nachfolgend benannten Versicherungsfälle ab:

• Eintritt und Bejahung von Krankheit

• Eintritt von Arbeitslosigkeit

• Eintritt vorzeitiger krankheits- und/oder unfallbedingter Minderung der Erwerbsfähigkeit vor Erreichen der Regelaltersgrenze oder Tod unter Zurücklassung unterhaltsberechtigter naher Angehöriger

• Feststellung eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit

• Eintritt bzw. Feststellung von Pflegebedürftigkeit

Die Sozialversicherung bewertet diese fünf Versicherungsfälle als sozial typische Risiken, vor deren Eintritt sie die einzelne Person streng genommen zwar nicht bewahren kann, wohl aber vor deren negativen wirtschaftlichen Folgen, die diese bei ihrem Auftreten ansonsten auslösten. Aus dieser, wenn auch begrenzten Kalkulierbarkeit eben jener typischen Wechselfälle des Lebens, leitet die Sozialversicherung in weiten Teilen eine verpflichtende Mitgliedschaft aller abhängig Beschäftigten als gesetzlich versicherte Personengruppe ab. Man spricht hier vom Prinzip der Pflichtversicherung.

Der Schutz dieser sozialen Vorsorgesysteme wird allerdings nur derjenigen betroffenen Person gewährt, die die rechtlichen Voraussetzungen nachweisen kann, die für die einschlägigen fünf relevanten Zweige der Sozialversicherung in den jeweiligen Sozialgesetzbüchern im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Leistungen gesondert benannt sind.

Die bloße Behauptung, Vermutung oder Erwartungshaltung einer versicherten Person, dass ein Leistungen begründender Versicherungsfall vorläge, belegt für sich allein noch keine Leistungsansprüche gegenüber dem angegangenen Sozialversicherungsträger.

Fall 1

Versicherter Victor, ein leidlich agiler Endsiebziger, fühlt sich zunehmend schwächer. Da er mittlerweile allein lebt, stellt er auf Anraten seiner Bekannten Bettina nach einigem Zögern erstmals einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung bei der für ihn zuständigen Pflegekasse. Wie Bettina möchte er fortan zumindest teilweise, wie er sich ausdrückt, von einem ambulanten Pflegedienst versorgt werden. Das habe er sich nun gewissermaßen verdient. Schließlich habe er wie seine Bekannte über viele Jahre seines Erwerbslebens und auch als Rentner unter anderem Beiträge zur neuen sozialen Pflegeversicherung geleistet.

In der Mehrzahl der Fälle werden Versicherte, wie hier geschildert, auf zumeist noch vager eigener Einschätzung einen Antrag auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bei der für sie zuständigen Pflegekasse stellen.

Bereits die erstmalige Antragstellung löst einen Anspruch der versicherten Person auf Pflegeberatung, die denkbare Leistungen im Sinne des § 7 a Abs. 1 Satz 1 SGB XI umfasst, unmittelbar nach deren Eingang bei der Pflegekasse aus. Dem ist auch spätestens innerhalb von zwei Wochen zu entsprechen (vgl. a. § 7 b Abs. 1 Satz 1 SGB XI).

Dies ist bemerkenswert, da die antragstellende Person in diesem frühesten Stadium noch gar nicht mit Sicherheit davon ausgehen kann, ob tatsächlich in der Folgezeit durch die Gutachter bzw. Gutachterinnen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Pflegebedürftigkeit festgestellt werden wird.

Denn ob der Versicherungsfall »Pflegebedürftigkeit « tatsächlich bejaht werden kann und damit eine Leistungsverpflichtung der Pflegekassen als Kostenträger zu begründen vermag, bleibt der Einschätzungsprärogative1 der oben genannten Gutachter gerade vorbehalten! Deren Entscheidung jedoch wird dem Antragsteller regelmäßig erst später bekanntgegeben werden.

Victor in Fall 1 kann somit keineswegs blind darauf vertrauen, dass er ebenso wie seine Bekannte Leistungen der Pflegeversicherung erhalten wird. Dies hängt davon, ob er nach den Prüfkriterien des neuen Begutachtungsassessments, wie es sich seit Anfang 2017 verpflichtend und bindend für die Begutachtungssituation ergibt, in einen der fünf neu konzipierten Pflegegrade eingestuft werden wird. Unabhängig vom Ausgang und Ergebnis der Begutachtung, d. h. vom Eintritt des Versicherungsfalls, besitzt er aber bereits einen Anspruch auf Pflegeberatung!

Ausführlicheres hierzu, etwa zu den Fragen, innerhalb welcher Zeit nach Antragstellung die Begutachtung als solche und die sich daran anschließende Mitteilung des Begutachtungsergebnisses (= Erteilung des Bescheids der Pflegekasse) zu erfolgen hat, wird unten erörtert ( Kap. 6).

In Kapitel 7 werden darüber hinaus die mittlerweile erheblich veränderten und zum Teil neu eingeführten einzelnen Leistungssegmente der sozialen Pflegeversicherung ausführlich fallbezogen dargestellt und diskutiert ( Kap. 7).

Sozialrecht für die Pflege

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