Читать книгу Sozialrecht für die Pflege - Dieter-Eckhard Genge - Страница 6
Vorwort
ОглавлениеKenntnis, Bedeutung und Anwendung zentraler sozialleistungsrechtlicher Grundbegriffe und Bestimmungen, die hier im Überblick und jeweils fallbezogen dargestellt werden, sind mittlerweile für Leitungskräfte in der Pflege zu unverzichtbaren Begleitern im beruflichen Alltag geworden. Auch in den sich ergebenden neuen Berufsbildern des Gesundheitswesens wird die fachliche Kompetenz leitender Funktionsträger in rechtlichen Bereichen hinterfragt.
Die damit verbundenen höheren Anforderungen haben sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der längst noch nicht abgeschlossenen Reformen, die vor allem für umfangreiche Veränderungen im Recht der sozialen Pflegeversicherung verantwortlich waren, gewandelt.
Im pflegerischen Alltag sehen sich leitende Pflegekräfte daher mehr denn je mit sozialrechtlichen Problemen konfrontiert, die unmittelbar die Belange der ihnen anvertrauten Menschen berühren.
Zum einen werden Erweiterungen der Schlüsselkompetenzen, die weit über den ursprünglichen beruflichen Handlungsauftrag hinausgehen, bereits seit Jahren im Rahmen der Pflegeberatung offenbar. Diese hat sich mittlerweile als eigenständige fachliche Zusatzqualifikation ebenso etabliert wie die Ausbildung zum/ zur Praxisanleiter(in). Auch hier sind Kenntnisse des Sozial- und Sozialversicherungsrechts unabdingbar geworden.
Zum anderen hat auch die zunehmende Spezialisierung von Pflegefachkräften, etwa im Rahmen der palliativmedizinischen oder gerontopsychiatrischen Weiterbildung dazu beigetragen, stärker als zuvor den Erwartungshorizont auf den Erwerb sozialrechtlichen Wissens auszurichten.
Die verantwortliche Pflegefachkraft hat in ihrer beruflichen Pflichtenstellung sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich nunmehr auch auf rechtlichem Terrain ein Stück weit zu bestehen. Denn ihr pflegerisches Handeln vollzieht sich oft vor einem sozialrechtlichen Hintergrund, der die Leistungsansprüche der Versicherten unmittelbar mit einbezieht. Ziel muss insoweit die bestmögliche Durchsetzung dieser Rechtsansprüche gegenüber den unterschiedlichen Sozialleistungsträgern sein.
Diese Einsicht sowie die evidente Tatsache, dass erfolgreiches Eintreten für die dringlichen Angelegenheiten gesundheitlich beeinträchtigter und oft auch sozial benachteiligter Menschen, denen Pflegekräfte im Rahmen der klassischen Altenpflege sowie der Krankenpflege begegnen, entscheidend vom Wissen über rechtliche Handlungsmöglichkeiten abhängt, gibt den angemessenen Rahmen für das Sozialrecht in der Pflege vor.
Ein erster Überblick über sozialleistungsrechtlich relevante Grundsätze und Leistungsarten soll dazu beitragen, Vertrautheit im Umgang mit unterschiedlichsten Anspruchsgrundlagen des Sozialrechts mit pflegerelevantem Bezug zu gewinnen.
Einen besonderen Schwerpunkt bilden daher zunächst grundlegende sozialrechtliche Fragestellungen, die aus jedweder pflegerischer Tätigkeit resultieren können. Hier wird in den einleitenden Kapiteln eins bis vier ( Kap. 1 bis Kap. 4) nicht nur die Bedeutung subjektiver Anspruchsberechtigungen und der hieraus erwachsenden sozialrechtlichen Konsequenzen in den wichtigsten pflegerischen Handlungsfeldern erklärt, sondern es werden darüber hinaus auch die unterschiedlichen Leistungsarten und Leistungsfunktionen hervorgehoben.
Darauf aufbauend wird in den Folgekapiteln auf die in der Praxis so bedeutsamen Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Sozialversicherungszweigen, wie sie etwa in den im Rahmen der Pflege so beherrschenden Bereichen der gesetzlichen Krankenversicherung ( Kap. 5) einerseits und der sozialen Pflegeversicherung ( Kap. 6 bis Kap. 10) andererseits auftreten können, hingewiesen. Gleiches gilt für die Abgrenzung von Leistungen innerhalb ein und desselben Leistungssystems. Diese Fragen werden beispielhaft bereits in den ersten Kapiteln angerissen und später im Rahmen der vertiefenden Darstellung einzelner relevanter Sozialrechtsbereiche präziser behandelt. In nahezu jedem Kapitel finden sich daher bereits Hinweise auf eine vertiefende Darstellung an unterer Stelle.
In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder auf Anspruchskonkurrenzen und ihre rechtlich zutreffende Beurteilung hinzuweisen sein. Dies ist beispielsweise für die Klärung der Frage relevant, welche Sozialleistungsträger im Hinblick auf die Gewährung von Hilfsmitteln zugunsten der Versicherten zuständig sind.
Die Entscheidung, dabei Sozialleistungsrecht anhand von Anspruchsgrundlagen zu erläutern, folgt der didaktischen Erfahrung und Einsicht des Verfassers, dass sich so besonders praxisnah Fallkonstellationen vermitteln lassen, die sich den Lernenden am nachhaltigsten einprägen werden.
Konkrete Lebenssachverhalte werden hier einer rechtlichen Erörterung unterworfen, die denkbare Lösungen für Konfliktsituationen anbietet, um Betroffenen eine im Ergebnis sachgerechte Leistung über die einschlägig zuständigen Versicherungs- und Kostenträger auch tatsächlich zu verschaffen. Dabei geht es stets um die Frage, ob den Versicherten die behaupteten sozialrechtlichen Ansprüche überhaupt zustehen bzw. ob diese Aussicht haben, durchgesetzt zu werden.
Sowohl die Wiedergabe von Gesetzespassagen, die jeweils gesondert hervorgehoben werden, als auch der Hinweis auf Gesetze, die im Rahmen des Selbststudiums zur Vertiefung nachgelesen werden sollten, sind dabei zum besseren Nachvollziehen der Ausführungen hilfreich bzw. mitunter unerlässlich.
Dabei steht jedoch keineswegs Paragraphenwissen im Vordergrund, sehr wohl aber der Anspruch, in etwa zu wissen, »wo was steht«!
Demgegenüber finden verfahrensrechtliche Regelungen hier nur insoweit kurz Erwähnung, wo sie ausnahmsweise auch für die Pflegekraft in der Praxis von Bedeutung sein können. Dies betrifft etwa die Fragen nach der Einhaltung von Fristen, wie sie bei der Beantragung, aber auch der Erbringung von Sozialleistungen durch die angegangenen Kostenträger selbst erheblich werden können.
Die Ausführungen dieses Kompendiums erheben nicht den Anspruch der Vollständigkeit, sondern konzentrieren sich im Wesentlichen auf Schwerpunktthemen im Bereich der Pflege. Hier sollen sie der problembewusst handelnden Pflegekraft eine solide Orientierung bieten.
Dieter-Eckhard Genge, im Mai 2021