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Karel Lotsy und seine Amateure

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Wer in den Niederlanden mit dem Fußball seinen Lebensunterhalt bestreiten wollte, musste bis in die 1950er ins Ausland wechseln. Ähnlich wie das Nachbarland Deutschland frönten die Niederlande einem ideologisch hoffnungslos überladenen Amateurismus.

Was in Deutschland Felix Linnemann war, der dem DFB von 1925 bis 1945 vorstand und in diesen Jahren eine heftige Jagd auf tatsächliche und vermeintliche Profis betrieb, war in den Niederlanden Karel Lotsy. 1942, zwei Jahre nach dem deutschen Überfall auf das Nachbarland, wird Lotsy Vorsitzender des KNVB. Zuvor hat er dem Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete als Berater der Hauptabteilung Erziehung, Wissenschaft und Kulturpflege gedient. Lotsy steht der Nazi-Ideologie nahe und sorgt nun dafür, dass die Juden aus dem niederländischen Fußball entfernt werden. So ist von ihm der Satz überliefert: „Die Chance ist zum Greifen nahe, dass der neue Geist sich durchsetzen wird.“

Wie Felix Linnemann ist auch Lotsy ein glühender Verfechter des Amateurgedankens. 1941 beschreibt er sein Ideal vom Nationalspieler: „Der Spieler, der in die Nationalmannschaft berufen wird und der diesem Ruf folgt, übernimmt damit die Pflicht, sich mit Hilfe aller bekannten Mittel vollständig einzubringen. Sobald er auf seinem Gebiet Gesandter seines Landes geworden ist, hat sein Sport für ihn den Charakter des ‚Spieles‘ verloren; sein Sport ist dann für ihn eine Sache des heiligen Ernstes, eine Mission.“

Nach der Befreiung und dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird Lotsy sogar zunächst noch mächtiger, denn seine Rolle als Kollaborateur wird erst nach seinem Tod im Jahr 1959 thematisiert. Während sich in vielen Ländern Westeuropas der Profifußball weiter durchsetzt, hält Lotsy noch eiserner als seine Freunde in der DFB-Spitze am „edlen und wahren Geist“ des Amateurwesens fest. Die im Ausland kickenden niederländischen Profis müssen wüste Beschimpfungen ertragen. So ist von „dreckigen Profis“, „Geldwölfen“ und „Vaterlandsverrätern“ die Rede.

Erst als eine neue Generation von Spielern das Fußballfeld betritt, findet Lotsy zusehends weniger Gehör. Kees Rijvers, der von 1946 bis 1960 das Nationaltrikot trägt: „Lotsy hatte mit seinen Donnerreden über Volk, Flagge und Vaterland in den dreißiger Jahren viel Erfolg gehabt, aber in den Vierzigern hatte sich die Welt verändert. Sie bedeuteten uns nichts mehr. Die meisten Spieler schwätzten miteinander, wenn Lotsy das Wort ergriffen hatte.“

Seine letzte Missetat datiert aus dem Jahr 1956, als er einer hochkarätigen FIFA-Kommission vorsitzt, die sich mit der Südafrika-Problematik befasst. Im Abschlussbericht spricht sich Lotsy dafür aus, nicht die „multirassische“ South African Soccer Federation in die FIFA aufzunehmen, sondern die konkurrierende South African Football Association, die die Apartheidpolitik unterstützt.

Inzwischen ist Lotsys Ruf ein anderer. 1997 wird die Amsterdamer Karel Lotsylaan aufgrund seiner Rolle während der Besatzungszeit umbenannt. Seither heißt die Straße nach dem aus einer jüdischen Familie stammenden österreichischen Komponisten Gustav Mahlerlaan.

Der König und sein Spiel

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